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Das Gesundheitsministerium bereitet eine Reform des Erstattungsrechts vor. An den knappen Budgets im Gesundheitswesen und in der Industrie wird sich aber so schnell nichts ändern.
14.08.2024
Von Christopher Fuß | Warschau
Polen verzichtet auf EU-Gelder für Hersteller von Arzneimitteln. Das Land hätte rund 140 Millionen Euro an Niedrigzins-Krediten aus dem Europäischen Wiederaufbaufonds abrufen können. Die Gelder sollten die Produktion von aktiven pharmazeutischen Inhaltsstoffen (API) ankurbeln. Doch wie das polnische Wirtschaftsministerium bekannt gab, werde man die Fördermittel für andere Zwecke einsetzen. Ein Grund sind die Fristen des Wiederaufbaufonds. Pharmaunternehmen müssen eine Investition bereits im Sommer 2026 fertigstellen. Das sei zu knapp, sagen Industrievertreter.
Polens Medikamentenhersteller gehen auch bei einem anderen EU-Programm leer aus. Hintergrund ist eine branchenoffene Ausschreibung des staatlichen Forschungszentrums NCBR (Narodowe Centrum Badań i Rozwoju). Laut Angaben des polnischen Pharmaverbandes KPL (Krajowi Producenci Lekow) erhielt dabei kein einziges Arzneimittelunternehmen einen positiven Bescheid. Solch eine Empfehlung wäre aber entscheidend, um Gelder aus dem EU-Forschungsprogramm FENG zu bekommen.
Kontroverses Erstattungsrecht
Aufatmen dürfen die Pharmahersteller hingegen in einem anderen Fall. Das Parlament hatte 2023 ein neues Erstattungsgesetz verabschiedet. Es schreibt Produzenten vor, dass sie bestimmte Arzneimittel in gleicher Menge an mindestens zehn Großhändler liefern müssen. Pharmavertreter beklagten, solch eine Vorschrift führe zu hohen Kosten.
Polens neue Regierung distanziert sich von dem Erstattungsgesetz. Als Übergangslösung greift sie zu einigen Tricks. Zum Beispiel veröffentlicht das Gesundheitsministerium keine amtliche Liste mit Großhändlern. Damit kann der entsprechende Passus im Gesetz keine Wirkung entfalten.
der Umsätze der produzierenden Pharmahersteller in Polen stammen aus Exporten.
Ein weiterer Abschnitt behält vorerst seine Gültigkeit. Demnach müssen Hersteller dreimonatige Vorräte für jedes ihrer Medikamente auf der Erstattungsliste der gesetzlichen Krankenkasse NFZ (Narodowy Fundusz Zdrowia) anlegen. Das sei nicht praktikabel, beklagt die Arzneimittelkammer Farmacja Polska.
Kritik gibt es auch an Bestimmungen, wonach das Gesundheitsministerium verschiedene Medikamente ohne Antrag des Herstellers auf die Erstattungsliste setzen kann – und damit Verkaufspreise vorgeben würde. Überhaupt erhält das Ministerium mehrere neue Kompetenzen, darunter die Möglichkeit, Erstattungsregeln einseitig zu ändern.
Voraussichtlich bis September 2024 will das Gesundheitsministerium eine Reform des Erstattungsrechts vorstellen. Ob und welche strittigen Stellen aus der heute gültigen Version entfallen, bleibt offen. Lob äußern Unternehmen für die bekannt gewordenen Pläne, Biopharmazeutika auch außerhalb von Krankenhäusern zu verabreichen.
Internationale Hersteller profitieren von Sonderprogrammen
Der Marktforscher Fitch Solutions attestiert dem polnischen Pharmamarkt trotz allem ein ordentliches Wachstumspotenzial. Die Branchenumsätze steigen den Prognosen zufolge zwischen 2024 und 2026 um jährlich 9,3 Prozent. Ein Grund für das Plus ist die alternde Bevölkerung.
Hinzu kommen steigende öffentliche Gesundheitsausgaben. Der NFZ stellte im Juli 2024 seine Finanzplanung für das Jahr 2025 vor. Demnach klettern die Kosten gegenüber dem Vorjahr um 16 Prozent auf 42,6 Milliarden Euro. Allein für die Erstattung von Arzneimitteln sieht der NFZ 2,8 Milliarden Euro vor – ein Plus von 22 Prozent. Die Beiträge der Versicherten decken allerdings nur rund 90 Prozent aller Ausgaben. Der Rest stammt aus der Staatskasse.
Die Bedeutung dieser Haushaltszuschüsse könnte steigen, heißt es in einer Studie des staatlichen Instituts für öffentliche Gesundheit PZH (Narodowy Instytut Zdrowia Publicznego). Das liegt nach Angaben der Untersuchung an den wachsenden Aufgaben des NFZ bei konstanten Beitragssätzen. Damit nicht genug: Mehrere Parteien in der aktuellen Regierungskoalition fordern sogar, die Beiträge der Versicherten zu senken.
Die Ausgaben des NFZ steigen auch wegen neuer Arzneimittelprogramme. Unter 18-Jährige und über 65-Jährige erhalten seit September 2023 verschiedene Medikamente kostenlos. Dazu gehört beispielsweise ein Asthmapräparat vom deutschen Pharmariesen Boehringer Ingelheim. Ist ein Medikament zuzahlungsfrei, hilft das normalerweise dem Absatz.
Neben dem NFZ gibt es den Medizinfonds MF (Fundusz Medyczny). Staatspräsident Andrzej Duda hatte ihn im Wahlkampf 2021 ins Leben gerufen. Das Budget liegt bei rund 800 Millionen Euro pro Jahr. Polens Rechnungshof kritisiert, dass der Fonds die Gelder nur langsam ausgibt. Trotz der Kritik will Polens neue Regierung an dem Instrument festhalten. Der Medizinfonds finanziert unter anderem Behandlungen mit innovativen Medikamenten. Im Juni 2024 schaffte es eine Arznei des Schweizer Novartis-Konzerns zur Tumor-Behandlung auf die Liste.
Ärger um Online-Rezepte
Charakteristisch für Polen, laut der Statistikbehörde Eurostat: Private Zuzahlungen für Medikamente haben im Vergleich zu Deutschland einen höheren Anteil an allen Gesundheitsausgaben. Auch private Krankenversicherungen spielen in Polen eine größere Rolle. Insgesamt liegen die öffentlichen und privaten Gesundheitsausgaben Polens mit 6,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2022 aber unter dem Niveau aus Deutschland (hier: 12,6 Prozent).
Ebenfalls typisch für Polen: Das Land setzt beim Thema Gesundheit seit vielen Jahren auf Digitalisierung. Kritik gibt es dabei an elektronischen Rezepten. Patienten können über Webseiten ein entsprechendes Dokument erhalten. Dafür reicht ein ausgefüllter Online-Fragebogen.
Nachdem einige Anbieter auf diese Weise massenhaft Rezepte ausgestellt hatten, reagierte das Gesundheitsministerium mit einer Obergrenze. Ärzte können derzeit innerhalb von 10 Arbeitsstunden maximal 300 elektronische Rezepte für 80 Patienten ausstellen. Verschreibungen für erstattungsfähige Arzneimittel fließen nicht in das Limit ein. Einrichtungen, die einen Vertrag mit dem NFZ haben, bleiben ebenfalls außen vor. Vorerst müssen Ärzte keine Online-Videogespräche führen, bevor sie ein Rezept ausstellen können.
Akteur/Projekt | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkungen |
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Adamed Pharma | 220 | Fertigstellung bis 2025 | Ausbau des Produktions- und Logistikzentrums in Pabianice und der Labor- und Forschungseinrichtungen in Kajetany |
Polpharma | 146 | Ankündigung April 2024 | Kredit der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) für die Erforschung und Produktion generischer Arzneimittel und biotechnologischer Produkte. |
Polfa Tarchomin | 116 | Fertigstellung bis 2025 | Bau eines Zentrums für die Entwicklung und Herstellung von Arzneimitteln zur Krebsbehandlung in Warschau |
Anpharm (Servier) | 22 | Ankündigung April 2024 | Modernisierung der Qualitätskontrolle und der Verpackungsanlage im Werk in Warschau |
Sandoz | n.n. | Ankündigung November 2023 | Ausbau der Produktion in Warschau und Stryków |