Branche kompakt | Slowakei | Automobilsektor
Branchenstruktur
Vier Autofabriken und über 350 Zulieferer bilden den Kern der slowakischen Fahrzeugindustrie. Sie investieren derzeit kräftig, um den Wandel zur Elektromobilität zu bewältigen.
08.10.2024
Von Gerit Schulze | Bratislava
Die slowakische Fahrzeugindustrie ist zurück auf der Wachstumsspur. Die Pkw-Produktion stieg 2023 um 10 Prozent auf 1,08 Millionen Fahrzeuge. Das war der drittbeste Wert in der Geschichte des Landes. Nur in den zwei Jahren vor der Coronapandemie wurden mehr Autos in der Slowakei gebaut.
Zum Aufschwung trug 2023 vor allem Volkswagen bei. Im Werk Bratislava produzierte der Autobauer 329.000 Fahrzeuge und damit 22 Prozent mehr als im Vorjahr. Drei Viertel der Produktion entfielen auf die SUV-Modelle VW Touareg, Porsche Cayenne, Audi Q7 und Q8. Außerdem werden in der Fabrik seit 2023 der Škoda Superb und der VW Passat gebaut. Dafür lief die Fertigung der Kleinstwagenmodelle VW up! und e-up! aus.
Volkswagen platziert Milliardenaufträge im Land
Seit seiner Gründung 1991 hat Volkswagen Slovakia über 5,5 Milliarden Euro investiert, davon allein 2023 rund 424 Millionen Euro. In einer weiteren Fabrik im mittelslowakischen Martin produziert Volkswagen Komponenten für Getriebe und Fahrwerke, Differenziale und andere Teile. Der Wolfsburger Konzern ist ein wichtiger Auftraggeber für die einheimische Industrie. Das Einkaufsvolumen betrug 2023 laut Jahresbericht 10 Milliarden Euro, wovon 26 Prozent in der Slowakei verblieben. Weitere 32 Prozent des Auftragsvolumens gingen an Lieferanten in Deutschland, 20 Prozent an ungarische Hersteller.
Der Exportwert von Volkswagen Slovakia erreichte im Vorjahr 11,7 Milliarden Euro. Die wichtigsten Absatzmärkte waren Europa (40 Prozent), Nordamerika (25 Prozent) und China (20 Prozent).
Hersteller / Standort | 2022 | 2023 | Veränderung 2023/2022 in % |
---|---|---|---|
Kia / Žilina | 311.000 | 350.000 | 13 |
Volkswagen / Bratislava | 268.700 | 329.000 | 22 |
Stellantis / Trnava | 312.500 | 265.000 | -15 |
Jaguar Land Rover / Nitra | 108.000 | 135.000 | 25 |
Aufschwung mit Fragezeichen
Für 2024 rechnet der Branchenverband ZAP SR mit einem Anstieg der Gesamtproduktion um 5 Prozent auf einen neuen Höchststand von 1,13 Millionen Fahrzeugen. Allerdings gibt es erste Anzeichen für eine Verschnaufpause. Das Statistikamt meldete für das 1. Quartal 2024 einen Produktionsrückgang in der Fahrzeugindustrie um 8 Prozent im Jahresvergleich. Der Wert der Neuaufträge schrumpfte um 13 Prozent. Außerdem sind die Einfuhren von Kfz-Teilen gesunken. Von Januar bis April 2024 importierte die Slowakei gemessen am Warenwert 11 Prozent weniger Komponenten für die Autoindustrie.
Hersteller bereiten Technologiewandel vor
Derweil laufen in der Branche umfangreiche Investitionen. Kia bereitet am Standort Žilina die Linien für neue Modelle vor und investiert mehr als 150 Millionen Euro. Der Fahrzeughersteller kündigte eine Modelloffensive bei Elektroautos an und will innerhalb von vier Jahren 15 Modelle anbieten. Ein Teil davon könnte im slowakischen Werk montiert werden, darunter der Kleinwagen EV2. Kia produziert dort schon jetzt Hybridversionen des Ceed und Sportage.
Auch südkoreanische Zulieferer bereiten sich auf den Technologiewandel vor. Die zum Hyundai-Konzern gehörende Mobis zieht für 180 Millionen Euro eine Produktion von Elektroantrieben bei Žilina hoch. Ebenfalls in der Nähe baut die südkoreanische Wia eine Fertigungslinie für E-Auto-Antriebswellen. Iljin Slovakia wiederum erweitert die Kapazitäten für Aluminium-Radaufhängungen und Luftfedern am Standort Prievidza.
Stellantis investiert in Trnava laut slowakischen Medienberichten rund 200 Millionen Euro in das neue Produktionsprogramm. Besonders wichtig ist der Elektrokleinwagen Citroën ë-C3, der ab der zweiten Jahreshälfte 2024 in Serie geht. Nach der Markteinführung soll der E-Auto-Anteil an der Gesamtproduktion in Trnava auf über 50 Prozent steigen.
Volvo und Jaguar setzen komplett auf Batterieautos
Die große Umstellung der slowakischen Autoproduktion auf Elektroantriebe ist aber erst für die zweite Hälfte dieses Jahrzehnts zu erwarten. Die fünfte Automobilfabrik des Landes, Volvo Cars in Košice, soll ab 2027 im Industriepark Valaliky an den Start gehen und von Beginn an ausschließlich Autos mit Batterieantrieb produzieren. Geplant ist eine Jahreskapazität von mindestens 250.000 Fahrzeugen.
Jaguar Land Rover will bis zum Ende der laufenden Dekade sein slowakisches Werk in Nitra komplett auf Autos mit Batterieantrieb umstellen. Volkswagen kündigte an, "ab der zweiten Hälfte des Jahrzehnts" die vollelektrische Version des Porsche Cayenne in Bratislava zu bauen.
Ein einheimisches Unternehmen, Patak Motors, plant in der Region Banská Bystrica die Fertigung von Retroautos in kleinen Stückzahlen. Der zweisitzige Roadster soll mit Verbrennungs- und Elektromotor ab 22.000 Euro angeboten werden.
Außerdem berichteten slowakische Medien, dass der chinesische Autohersteller SAIC bei der Suche nach einem europäischen Produktionsstandort auch die Slowakei im Blick hat.
Zulieferunternehmen mit Milliardenumsätzen
Mehr als 350 direkte Zulieferunternehmen sind laut Investitionsagentur SARIO in der Slowakei aktiv. Drei von ihnen (Mobis, Continental Tires und Motherson SAS) erzielten 2023 Umsätze von über 1 Milliarde Euro.
Unternehmen, Standort | Tätigkeitsbereiche | Umsatz 2022 | Umsatz 2023 | Veränderung 2023/2022 |
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Volkswagen Slovakia, Bratislava | Pkw-Produktion in Bratislava, Komponentenproduktion in Martin | 9.735 | 11.757 | 20,8 |
Kia Slovakia, Teplička nad Váhom | Pkw-Produktion, Motoren | 6.759 | 8.014 | 18,6 |
PCA Slovakia, Trnava 1) | Pkw-Produktion, Batteriemodule | 3.678 | 3.301 | -10,3 |
Mobis Slovakia, Gbeľany | Armaturenbretter, Achsen, Puffer, Bremssysteme | 1.810 | 1.985 | 9,6 |
Continental Tires, Púchov 2) | Reifen für Pkw, leichte Nutzfahrzeuge, SUV, Lkw und Busse | 1.350 | 1.375 | 1,9 |
Motherson SAS Automotive Systems and Technologies Slovakia, Bratislava | Innenraumausstattung | 871 | 1.055 | 21,1 |
Faurecia Automotive Slovakia, Bratislava | Armaturenbretter, Türkomponenten, Autositze, Auspuffe | 863 | 894 | 3,6 |
ZF Slovakia, Trnava | Kupplungen, Schwungräder, Wandler | 680 | 804 | 18,3 |
Schaeffler Kysuce, Kysucké Nové Mesto | Spezialwälzlager für die Kfz-Industrie | 678 | 777 | 14,5 |
Hella Slovakia Lighting, Kočovce | Beleuchtung für die Kfz-Industrie | 367 | 712 | 94,1 |
Neben den Autofabriken investieren ebenso die Zulieferer in ihre slowakischen Werke. Dabei geht es vor allem um neue Kapazitäten für den Hochlauf der Elektromobilität. Auch neue Teileproduzenten kommen ins Land. Einer von ihnen ist der chinesische Hersteller von Bordladegeräten, Meta Systems, der fast 130 Millionen Euro investieren will.
Vorhaben | Investitionssumme (in Mio. Euro) | Projektstand | Anmerkungen |
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Gotion InoBat Batteries / Batteriewerk und Forschungszentrum in Šurany | 1.230 | Investitionsanreize genehmigt; Produktionsstart ab Mitte 2027 geplant | InoBat |
Mobis / neue Halle zur Produktion von Kfz-Teilen für E-Autos in Nováky | 180 | Investition für 2024 bis 2025 geplant | Mobis Slovakia |
ZF / Erweiterung der Produktion um Elektromotoren für E-Autos in Trnava | 132 | Investitionsanreize genehmigt; Produktionsstart Ende 2024 | ZF Slovakia |
Meta System / neues Werk zur Produktion von Bordladegeräten für E-Autos in Trnava | 126 | Investitionsanreize genehmigt; Produktionsstart ab 2025 | Meta System Slovakia / Deren Electronics |
Wia / neues Werk zur Produktion von Antriebwellen für E-Autos und Technologiezentrum in Dolný Hričov | 58 | Investitionsanreize genehmigt; Produktionsstart ab 2025 | Hyundai Wia Slovakia |
Schaeffler / Erweiterung der Produktion von elektrischen Achsen für E-Autos in Kysucké Nové Mesto | 23 | Investition für 2024 bis 2027 geplant; Investitionsanreize genehmigt | Schaeffler Kysuce |
Minebea / Erweiterung der Produktion von lackierten Kunststoffteilen in Košice | 10 | Betrieb der neuen Linie für Mitte 2025 geplant | Minebea AccessSolutions |
SPPP Slovakia / Erweiterung der Lackieranlage für Rückspiegel, Kühlergrills und andere Kfz-Teile in Bánovce nad Bebravou | 3 | Investition im Frühjahr 2024 angekündigt | SPPP |
CabinAir / neue Produktion von Luftfiltern für Kfz-Innenräume in Nové Mesto nad Váhom | 1,5 | Lieferungen für das neue Werk von Volvo und andere Automobilhersteller | CabinAir Slovakia |
Jaguar Land Rover / neues Batteriewerk und Erweiterung der Produktion um E-Autos in Nitra | k.A. | Produktionsstart spätestens ab 2030 | Jaguar Land Rover Slovakia |
Deutschland und die Nachbarländer sind wichtigste Handelspartner
Der slowakische Autosektor ist eng in die globalen Lieferketten eingebunden und hat 2023 allein in der Kategorie SITC 784 Kfz-Teile und Komponenten im Wert von 6,5 Milliarden Euro exportiert. Das war ein Zuwachs um ein Viertel. Mehr als doppelt so groß war das Importvolumen mit 14,6 Milliarden Euro. Über ein Viertel davon kam aus Deutschland. Wichtige Lieferländer für Kfz-Teile sind außerdem die Nachbarn Tschechien, Ungarn und Polen sowie Frankreich und Südkorea.
Beim Export ergibt sich ein ähnliches Bild mit Deutschland, Tschechien und Frankreich als den größten Abnehmern. Allerdings spielen auch Italien, Spanien und das Vereinigte Königreich eine wichtige Rolle.
2023 | Veränderung 2023/2022 | aus Deutschland 2023 | Veränderung 2023/2022 | |
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SITC 778.3 Kfz-Elektrik | 1.291 | 17,5 | 218 | 2,3 |
SITC 784 Karosserien, Stoßstangen etc. | 14.589 | 21,2 | 3.946 | 21,0 |
SITC 773.13 Zündkabelsätze | 1.727 | 17,6 | 247 | -1,7 |
SITC 713.2 Motoren | 1.711 | 30,0 | 355 | 69,3 |
Summe | 19.317 | 21,3 | 4.767 | 21,2 |