Die Slowakei baut ihre Rolle als eine führende Automobilnation aus. Die künftig fünf großen Fahrzeugfabriken sorgen für massive Investitionen und Neuansiedlungen von Zulieferern.
Die Automobilindustrie bildet das Rückgrat der slowakischen Wirtschaft. Mit einer Produktion von 198 Fahrzeugen pro 1.000 Einwohner steht die Slowakei weltweit an der Spitze. Über 260.000 Jobs hängen direkt und indirekt von der Branche ab. Vier große Hersteller produzieren bereits Autos im Land: Volkswagen, Stellantis, Kia und Jaguar Land Rover. Mit Volvo baut derzeit bei Košice der fünfte Konzern eine Produktionsstätte auf. Hinzu kommen wichtige Tier-1-Zulieferer, die von ihren Werken in der Slowakei Abnehmer in ganz Europa beliefern.
260.000
Jobs
hängen in der Slowakei direkt und indirekt von der Automobilindustrie ab.
Laut der Wirtschaftsfördergesellschaft Sario entfällt die Hälfte der slowakischen Industrieproduktion auf den Automobilsektor. Der Wirtschaftszweig hat einen Anteil von 11 Prozent am Bruttoinlandsprodukt.
Der Höchststand der Fahrzeugproduktion aus dem Jahr 2019 (1,11 Millionen Autos) wurde bislang aber nicht wieder erreicht. Das lag in den vergangenen Jahren vor allem an den Engpässen bei der Versorgung mit Kfz-Teilen und Halbleitern. Die Lieferschwierigkeiten konnte die Branche 2023 weitgehend überwinden, sodass fast 1,1 Millionen Autos von den Bändern liefen.
Neuer Produktionsrekord erwartet
Für 2024 erwartete der Automobilverband ZAP SR noch im Januar eine Rekordproduktion von 1,13 Millionen Autos. Das wäre ein Plus von 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Allerdings vermeldete die Branche im 1. Quartal 2024 sinkende Produktions- und Umsatzzahlen sowie weniger Neuaufträge. Ob daher tatsächlich ein neuer Produktionsrekord erzielt werden kann, wird sich erst im weiteren Jahresverlauf zeigen.
Der technologische Wandel weg vom Verbrennungsmotor hin zum Elektroantrieb kam bei den Herstellern in der Slowakei bislang nur langsam voran. Doch das ändert sich derzeit, denn der Zeitdruck wächst. Ab 2035 sollen in der EU nur noch Neuwagen zugelassen werden, die beim Fahren kein Kohlendioxid ausstoßen.
Handelsstreit mit China bedroht die Branche
Gefahren für die slowakische Autoindustrie drohen durch mögliche Gegenmaßnahmen auf die im Juli 2024 eingeführten EU-Zusatzzölle für chinesische Elektrofahrzeuge. Peking kündigte bereits an, seine Interessen zu verteidigen. Laut Elektroautoverband SEVA exportiert die Slowakei jährlich Fahrzeuge für rund 2,3 Milliarden Euro in das Reich der Mitte. Betroffen von Chinas Gegenreaktion wären vor allem die teuren Modelle von Volkswagen in Bratislava und von Jaguar Land Rover in Nitra.
Erfolge konnte die Slowakei zuletzt durch die Ansiedlung von Batterieproduzenten vorweisen. Im November 2023 gab das chinesische Unternehmen Gotion High-Tech bekannt, mit dem slowakischen Start-up InoBat eine Gigafactory in Šurany bei Nitra zu bauen. Kurz darauf eröffnete InoBat bereits eine eigene Produktionslinie für Batteriezellen in Voderady bei Trnava. Dort können bis zu 50.000 Hochleistungsbatterien pro Jahr hergestellt werden.
Außerdem baut Porsche eine Batteriefabrik in Horná Streda. Der "Smart Battery Shop" wird ab 2025 Batteriemodule für den geplanten elektrischen Porsche Cayenne produzieren, berichteten slowakische Medien.
Neuwagengeschäft legt weiter zu
Der slowakische Markt für Neuwagen setzt seine Erholungsphase fort, weil es bei der Auslieferung nicht mehr zu Engpässen kommt und die Verbraucher wieder reale Einkommenszuwächse verbuchen. Die Anmeldungen von Pkw stiegen 2023 nach Angaben des Verbands der Automobilindustrie ZAP SR um fast 12 Prozent auf 88.000 Fahrzeuge. Im 1. Halbjahr 2024 ging es im Jahresvergleich noch einmal um fast 4 Prozent nach oben.
Absatz von Kfz in der SlowakeiStückzahl; Veränderung in ProzentKategorie | 2022 | 2023 | 1. Halbjahr 2024 | Veränderung 1. Halbjahr 2024 / 1. Halbjahr 2023 |
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Pkw (M1) | 78.841 | 88.003 | 47.142 | 3,7 |
Leichte Nutzfahrzeuge (N1) | 7.679 | 9.107 | 5.245 | 25,5 |
Lkw (N2, N3) | 3.160 | 3.939 | 1.878 | -15,3 |
Busse (M2, M3) | 394 | 793 | 161 | -41,0 |
Quelle: ZAP SR 2024; Motofocus.sk 2024
Unter den großen Anbietern haben die Marken Volkswagen und Škoda von Januar bis Juni 2024 besonders stark zugelegt, während Peugeot (-32 Prozent) und Kia (-12 Prozent) größere Einbußen hinnehmen mussten. Der chinesische Hersteller MG konnte seine Verkäufe im 1. Halbjahr 2024 um 145 Prozent auf 559 Autos ausweiten.
Škoda ist die beliebteste Automarke mit einem Fünftel Marktanteil. Dahinter folgen Toyota, Hyundai und Volkswagen. Bei den leichten Nutzfahrzeugen verkauften Renault, Toyota und Ford im 1. Halbjahr 2024 am meisten Neuwagen.
Absatz von neuen Pkw in der Slowakei nach HerstellernStückzahl; Marktanteil und Veränderung in ProzentHersteller | Absatz 2022 | Absatz 2023 | Absatz 1. Halbjahr 2024 | Veränderung 1. Halbjahr 2024 / 1. Halbjahr 2023 | Marktanteil 1. Halbjahr 2024 |
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Škoda | 13.850 | 17.419 | 9.592 | 6,6 | 20,4 |
Toyota | 8.283 | 10.288 | 5.048 | -4,1 | 10,7 |
Hyundai | 9.261 | 8.920 | 4.538 | -5,5 | 9,6 |
Volkswagen | 6.890 | 6.299 | 4.378 | 30,3 | 9,3 |
Kia | 8.931 | 9.470 | 4.289 | -12,1 | 9,1 |
Dacia | 3.728 | 3.995 | 2.302 | 0,0 | 4,9 |
Mercedes-Benz | 2 631 | 3.274 | 1.740 | 5,1 | 3,7 |
Quelle: ZAP SR 2024; Motofocus.sk 2024
Elektroautos haben einen schweren Stand
Benzinmotoren bleiben die beliebteste Antriebsart bei neuen Pkw in der Slowakei. Sie hatten im 1. Halbjahr 2024 einen Anteil von 46 Prozent an den Neuwagenverkäufen. Das waren drei Prozentpunkte weniger als im Vorjahreszeitraum, während der Anteil von Hybridfahrzeugen um fast vier Prozentpunkte auf 30 Prozent gestiegen ist. Rund 17 Prozent der Neuzulassungen waren reine Dieselfahrzeuge. Der Anteil von Autos mit ausschließlich Elektroantrieb war mit 2,6 Prozent weiterhin sehr gering.
Mehr als die Hälfte der Neuwagenverkäufe entfällt auf Kompakt-SUV. Weitere 27 Prozent sind Mittelklassewagen. Der hohe Anteil der eher hochpreisigen Autos hängt damit zusammen, dass über 70 Prozent der Zulassungen auf Firmenkunden entfallen.
Hohes Durchschnittsalter der Fahrzeugflotte
Insgesamt waren in der Slowakei Ende Juni 2024 laut Polizeistatistik über 3,7 Millionen Fahrzeuge registriert, davon 2,7 Millionen Pkw. Der Motorisierungsgrad war mit 501 Autos pro 1.000 Einwohner nach Angaben des Europäischen Autoindustrieverbandes ACEA 2022 niedriger als im EU-Durchschnitt (574).
Nach Angaben des ACEA lag das Durchschnittsalter der slowakischen Pkw 2022 bei 14,7 Jahren. Der Wert ist fast fünf Jahre höher als in Deutschland und steigt tendenziell an. Noch älter sind die in der Slowakei registrierten Lkw (durchschnittlich 15,9 Jahre).
Für viele Autofahrer kommt ein Neuwagen preislich nicht in Frage. Individuelle Importe bringen viele gebrauchte Fahrzeuge ins Land. Eine neue Berechnungsmethode der Anmeldegebühren berücksichtigt stärkere Emissionsklassen, Alter und Leistung eines Fahrzeugs. Dadurch können für weniger ökologische Fahrzeuge die Kosten auf bis zu 1.000 Euro steigen.
Von Gerit Schulze
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Bratislava