Special | Spanien | Start-ups
Neues Gesetz für Start-ups in Kraft getreten
In den beiden größten Städten Madrid und Barcelona tummeln sich die meisten Start-ups. Finanzen und E-Commerce bilden aktuelle Schwerpunkte von Gründungen.
23.01.2023
Von Oliver Idem | Madrid
Die Wirtschaftszeitung Actualidad Económica identifizierte 2022 E-Commerce und die Entwicklung neuer Apps als besonders vielversprechende Felder für Unternehmensgründungen.
Insgesamt bilden klassisch bedeutsame spanische Wirtschaftszweige einen guten Nährboden für Gründungen und das dazugehörige Ökosystem. Dazu zählen Mobilität, Landwirtschaft und Nahrungsmittel sowie Tourismus und Gastronomie.
Hinzu kommen weitere Felder mit einer dynamischen Entwicklung wie Informations- und Kommunikationstechnik. Auch im Bereich Umwelt und Gesundheit sind viele Start-ups aktiv. Andere konzentrieren sich auf Luft- und Raumfahrt, Logistik oder Finanzdienstleistungen.
Eine schnelle Orientierung zum spanischen Ökosystem bietet eine Internetseite der Wirtschaftsfördergesellschaft ICEX - Invest in Spain. Diese enthält unter anderem größere Finanzierungsrunden aus der jüngeren Vergangenheit, aber auch Übersichtskarten zu Inkubatoren und Acceleratoren auf der iberischen Halbinsel.
Spaniens Millionenstädte beherbergen die meisten Start-ups
Spanien befindet sich laut der Wirtschaftszeitung Expansión auf dem vierten Rang in Europa, was die Anzahl der Start-ups betrifft. Nur im Vereinigten Königreich, in Frankreich und Deutschland sind noch mehr Jungunternehmen aktiv.
Den Nährboden für neue Unternehmen bilden die beiden größten Städte Spaniens, Madrid und Barcelona. Diese liefern sich in der Bedeutung ein stetiges Kopf-an-Kopf-Rennen. Im Jahr 2021 konnte Madrid die höhere Investitionssumme in Start-ups verzeichnen. In Barcelona war hingegen die Anzahl der Transaktionen höher.
An der Ostküste befindet sich mit Valencia ein weiterer Gründungs-Hotspot. Auf der Landkarte der Start-ups etablieren sich auch das baskische Bilbao und Sevilla in Andalusien. Ebenfalls in Andalusien macht Málaga als Standort eines wachsenden Technologieparks und der Digital Enterprise Show 2023 auf sich aufmerksam. Letztere zählt als Mischung aus Messe und Kongress zu den drei großen Events für innovative Unternehmen.
Internationale Bekanntheit genießt vor allem der Mobile World Congress mit der angegliederten Veranstaltung Four Years From Now in Barcelona. Madrid beherbergt den jährlichen South Summit. Dieser versteht sich als Plattform, um die Akteure des Ökosystems zu vernetzen.
Hohe Softwareausgaben und geringe Produktivitätszunahme
Der Global Innovation Index 2022 bescheinigt Spanien ausgeprägte Stärken und Schwächen. Bei den Softwareausgaben gemessen an der Wirtschaftsleistung zählt das Land zur Spitzengruppe. Auch hinsichtlich der Einschreibungsraten an Hochschulen steht Spanien sehr gut da.
Besonders schlecht schneidet das Land hingegen bei der Entwicklung der Arbeitsproduktivität ab. Deren Zuwachs bleibt weit hinter dem Fortschritt anderer Staaten zurück.
Name | Fokus | Anmerkungen |
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Smart Agrifood, Smart Cities, Smart Content, Smart Manufacturing und demnächst Connected Car | Seit 2014 aktiv mit dem Ziel, führende europäische Start-ups zu entwickeln | |
Integriertes Konzept aus Accelerator und Inkubator mit starkem Fokus auf der Vernetzung von Akteuren | Gehört Juan Roig, dem Eigentümer der Supermarktkette Mercadona | |
Technologie | Gegründet 2008 als nach eigenen Angaben erster Technologie-Accelerator Spaniens | |
IoT (Internet of Things) und Big Data Unternehmen in Barcelona | Mehrere Industrie-orientierte internationale Programme mit unterschiedlichen Schwerpunkten je nach Standort | |
Starker Fokus auf Mentoring für Scale-ups | Globale Präsenz; hilft schnell wachsenden Unternehmen beim Aufbau einer langfristigen Strategie |
Name | Fokus | Anmerkungen |
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Internet-Geschäft und Technologie 2.0 | Seed-Capital-Konzept mit starker internationaler Präsenz in Europa, den USA, China und Lateinamerika | |
In Madrid digitale Transformation, E-Commerce, Gesundheit und Wellness sowie Reisetechnologien | Gesamtkonzept aus Räumen für Start-ups und Förderprogrammen mit digitaler Akademie | |
Disruptive Start-ups mit technischen Lösungen | Gehört zum Kommunikationskonzern Telefónica und ist auch in Deutschland, dem Vereinigten Königreich und Mittel- sowie Südamerika aktiv |
Die Rahmenbedingungen für die Gründung und Führung eines Start-ups in Spanien sollen durch ein neues Gesetz verbessert werden. Nach mehreren Jahren Vorbereitung unter Einbeziehung vieler Stakeholder und Analysen von Gesetzen anderer Länder ist es zum Jahresbeginn 2023 in Kraft getreten.
Es soll das Umfeld für Talente, Gründungen und Investitionen wettbewerbsfähig machen. Die Staatssekretärin für Digitalisierung Carme Artigas ging im November 2022 davon aus, dass sich die Gelder, die in spanische Start-ups fließen werden, um etwa 20 bis 25 Prozent erhöhen im Vergleich zum Zeitraum vor dem neuen Gesetz.
Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören steuerliche Vorteile und die Regelung von grenzüberschreitender Telearbeit. Start-ups, die bereits Gewinne erwirtschaften, profitieren in den ersten vier Jahren von reduzierten Steuersätzen. Beschäftigte von Start-ups mit Aktienoptionen ihres Unternehmens werden durch das neue Gesetz besser gestellt. Investitionen in Start-ups bringen zudem mehr steuerliche Vorteile mit sich als zuvor.
Ein Ziel der neuen Rahmenbedingungen ist, spanische Talente zu halten und ausländische anzulocken. Insbesondere bei nicht ortsgebundenen Tätigkeiten befindet sich Spanien in einer guten Position. Landschaftliche Reize, Freizeitwert und Kultur gehören zu den Standortvorteilen im Werben um "digitale Nomaden".
In der Entlassungswelle bei internationalen Technologiekonzernen könnte eine Chance für das Land liegen. Bei aufstrebenden spanischen Unternehmen dürften manche dieser Fachkräfte Interesse wecken.
Für die Akkreditierung von Start-ups in Spanien ist weiterhin die Empresa Nacional de Innovación (ENISA) zuständig. Im Januar 2023 erwartete das Staatsunternehmen noch den Ministerialerlass mit den Einzelheiten zu seiner künftigen Rolle.
Internationale Ausrichtung verbessert die Aussichten auf Risikokapital
Bislang verfügen spanische Fonds, die in Start-ups investieren, im Durchschnitt über eine dünnere Kapitaldecke als viele ausländische Geldgeber. Darum ist es für expandierende junge Unternehmen besonders lohnend, nach internationalen Geldgebern Ausschau zu halten.
Auf andere Märkte übertragbare Geschäftsmodelle, die sich gut hochskalieren lassen, sind dafür gute Argumente. Nicht jedes Unternehmen geht aber wirklich den Schritt ins Ausland. Mit den Regelungen des neuen Gesetzes sollen mehr wachstumsstarke Start-ups im Land gehalten werden.
Die in den letzten Jahren zu "Einhörnern" aufgestiegenen spanischen Jungunternehmen verfügen meist über mehrere Standbeine. Die Beteiligung ausländischer Investoren hat ihnen eine breite Kapitalbasis und gute Expansionschancen ermöglicht.
Name | Bewertung in Mio. Euro | Branche |
---|---|---|
2.300 | Lieferdienst | |
2.000 | Jobbörse | |
1.500 | Reiseagentur | |
1.500 | Ladetechnik für Elektrofahrzeuge | |
1.400 | Fahrdienst | |
1.321 | Immobilienportal | |
1.300 | Cybersicherheit | |
1.000 | Agentur für Geschäftsreisen | |
1.000 | Digitale Zahlungslösungen |
Zwischen Juni und Oktober 2022 erreichten laut Wirtschaftszeitung Expansión fünf weitere Unternehmen den Einhorn-Status. Dabei handelte es sich um den Clouddienstleister Devo und die Testplattform Copado. Außerdem stiegen der Onlinekurs-Anbieter Domestika und der Veranstaltungsticket-Dienst Fever zu den "Einhörnern" auf. Zuletzt wurde das Softwareunternehmen Factorial mit Personaldienstleistungslösungen für kleine und mittlere Unternehmen in den Kreis aufgenommen.