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Klimaschutz-AtlasInvestitionen: Klimaschutz ist erst der zweite Schritt
Strukturelle Defizite haben notwendige Investitionen in die Infrastruktur Südafrikas in den letzten Jahren behindert. Nur durch Reformen ist ein wirksamer Klimaschutz möglich.
04.09.2023
Von Marcus Knupp | Berlin
Eine Studie der International Finance Corporation (IFC) der Weltbank von 2016 schätzte den Gesamtbedarf an Investitionen für eine Dekarbonisierung der Wirtschaft Südafrikas auf 588 Milliarden US-Dollar (US$) bis 2030. Daraus ergibt sich ein jährlicher Investitionsbedarf von 34 Milliarden Euro.
Bei der Finanzierung ist Südafrika in hohem Maße auf externe Geber und den Privatsektor angewiesen. Insbesondere die bei der Umstellung auf klimafreundliche Verfahren besonders relevanten Unternehmen der Energieversorgung sowie des Schienen- und Luftverkehrs sind oder waren lange in staatlicher Hand und haben in den letzten Jahren immense Schulden aufgetürmt. Durch wenig effiziente Verwendung der Mittel gibt es trotzdem einen erheblichen Investitionsstau.
Umsetzung bedingt funktionierende Strukturen
Eine wesentliche Ursache dafür ist die Vereinnahmung öffentlicher Unternehmen und Institutionen für persönliche Interessen in der Regierungszeit des vorigen Präsidenten Südafrikas, Jacob Zuma, die als "state capture" in die Diskussion eingegangen ist. Zentrale Führungspositionen wurden mit Parteigängern besetzt. Die ausreichende fachliche Qualifikation fehlte häufig. Viele neu geschaffene Stellen haben die Belegschaften aufgebläht und damit erhebliche Fixkosten geschaffen, die den Investitionsspielraum eingeschränkt haben.
Geringer finanzieller Spielraum und fehlerhafte oder ausbleibende Entscheidungen haben zu einem relativen Stillstand, zu Fehlallokationen und zu eklatanten Mängeln in einer eigentlich gut ausgebauten Infrastruktur gesorgt. Der Reformprozess unter der seit 2018 amtierenden Regierung von Präsident Cyril Ramaphosa kommt infolge interner Widerstände langsamer voran als geplant. Dazu gehört etwa die operative Trennung von Stromerzeugung, Elektrizitätsübertragung und Distribution, die bisher beim staatlichen Versorgungsunternehmen Eskom vereint sind.
Chance für den Neustart
Investitionen in die Energie- und Transportinfrastruktur sind also ohnehin notwendig. Daraus ergibt sich die Chance, direkt auf klimaschonende Technologien zu setzen. Hilfestellung erhält Südafrika dabei von der internationalen Gemeinschaft. Deutschland, Frankreich, das Vereinigte Königreich, die USA und die Europäische Union haben im Rahmen der Weltklimakonferenz im schottischen Glasgow im November 2021 (COP26) 8,5 Milliarden US$ als Unterstützung für den Kohleausstieg zugesagt. Statt alte Kohlekraftwerke in Schuss zu bringen, werden diese Mittel vor allem in erneuerbare Energien und den Ausbau der Stromnetze fließen.
Werden zuerst die ältesten Kraftwerke vom Netz genommen, die ohnehin am Ende ihrer Lebensdauer sind, ist der Verlust der Investition in diese Anlagen zu verschmerzen. Anders sieht es bei den brandneuen Kohlekraftwerken Medupi und Kusile mit zusammen fast 10 Gigawatt Kapazität aus, die in den letzten Jahren mit zahlreichen Verzögerungen gebaut wurden. Sie werden zunächst dringend gebraucht, um die aktuell bestehenden Elektrizitätsdefizite zu überwinden.
Investitionsplan für die gerechte Energiewende
Rund ein Jahr nach der Finanzierungszusage für eine gerechte Energiewende (Just Energy Transition, JET) auf der Glasgower Klimakonferenz hat die südafrikanische Regierung einen Investitionsplan aufgestellt. Der im November 2022 präsentierte Plan betrifft zunächst die Jahre 2023 bis 2027. Neben der Stromerzeugung stehen darin vor allem der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft und der Bereich Mobilität im Fokus. Mehr als zwei Drittel des auf insgesamt 98,7 Milliarden US$ angesetzten Bedarfs betrifft aber die Stromproduktion und -übertragung sowie die Infrastruktur kommunaler Versorgungsunternehmen.
Sektor | Bedarf (in Mrd. US$) |
---|---|
Elektrizität | 47,2 |
Fahrzeuge | 8,5 |
Grüner Wasserstoff | 21,2 |
Qualifizierung | 0,18 |
Kommunale Versorgungsunternehmen | 21,3 |
Insgesamt | 98,7 |
Die potenziellen Kosten für die Umstellung auf neue Technologien werden als "Transition Risks" bezeichnet. Sie umfassen neben der Abschreibung bestehender kohlenstoffintensiver Kraftwerke und Industrieanlagen, wenn diese vorzeitig stillgelegt werden, beispielsweise auch die administrativen Kosten für die Anpassung von Gesetzen und Regulationsmechanismen. Das südafrikanische Schatzamt (Treasury) bezifferte die mit einer Dekarbonisierung der Wirtschaft verbundenen Risiken in einer Veröffentlichung von 2021 mit umgerechnet 114 Milliarden Euro.