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Branchen | Tschechische Republik | Kernkraft

Koreaner sollen Tschechiens neue Atomreaktoren bauen

Das größte Investitionsprojekt Tschechiens geht in die heiße Phase. Ein südkoreanisches Unternehmen wird zwei Atomreaktoren für 16 Milliarden Euro errichten.

Von Gerit Schulze | Prag

Über ein Jahrzehnt hat die Entscheidung gedauert, nun ist es klar: Das südkoreanische Unternehmen Korea Hydro and Nuclear Power Company (KHNP) wird zwei Reaktoren am Atomkraftwerk (AKW) Dukovany bauen. Die Entscheidung über den "bevorzugten Lieferanten" teilte Tschechiens Regierung am 17. Juli 2024 mit. 

KHNP stach den letzten verbliebenen Mitwettbewerber EDF aus Frankreich aus. Laut Premierminister Petr Fiala war das Unternehmen "in praktisch allen Kriterien" besser als das französische Konkurrenzangebot. KHNP soll einen niedrigeren Preis sowie mehr Garantien für die Kostenkontrolle und den Projektzeitplan geboten haben.

Eckdaten zum geplanten AKW-Neubau in Tschechien

  • Bauherr:  Elektrárna Dukovany II (Tochtergesellschaft von ČEZ)
  • Technologielieferant: KHNP (Südkorea)
  • Reaktortyp: APR 1000 (1.055 Megawatt elektrische Leistung)
  • Baustart: 2029
  • Probebetrieb: 2036
  • Investition: 16 Milliarden Euro (für 2 Reaktorblöcke)

Bauarbeiten könnten 2029 starten

Bis März 2025 soll das Unternehmen Elektrárna Dukovany II, eine Tochtergesellschaft des halbstaatlichen Energiekonzerns ČEZ, den Vertrag mit KHNP unterzeichnen. Die Bauarbeiten könnten 2029 starten und der erste Reaktor 2036 in den Probebetrieb gehen.

Die Regierung schätzt, dass jeder Reaktor rund 8 Milliarden Euro kostet. Das Vorhaben wäre damit das teuerste Investitionsprojekt in der Geschichte Tschechiens. Bei dem Bieterverfahren mussten die Unternehmen auch ein Angebot für den Bau von zwei weiteren Atomreaktoren einreichen, die Tschechien perspektivisch am Standort Temelín errichten will. Durch diese Auftragsbündelung und daraus entstehende Skaleneffekte erhofft sich Prag sinkende Erstellungskosten. Nach Angaben von Industrieminister Jozef Síkela entspricht das Gebot von KHNP einem Stromproduktionspreis von unter 90 Euro pro Megawattstunde und liegt damit unter dem aktuellen Börsenpreis.

Zweifel am Zeit- und Kostenplan

Experten zweifeln daran, dass dieser Wert tatsächlich erreicht wird. Die Bauzeiten und Kosten für AKW laufen häufig aus dem Ruder. Tschechiens Regierung verweist zwar auf Vertragsstrafen, die bei Nichteinhalten des Zeitplans durch KHNP gezahlt werden müssten. Doch in den 8 Milliarden Euro Baukosten pro Reaktor sind die Finanzierungskosten nicht enthalten. Außerdem ist unklar, wie sich die Strompreise bis 2036 entwickeln und wie wettbewerbsfähig bis dahin erneuerbare Energiequellen sind.

Eine weitere Unsicherheit ist das Genehmigungsverfahren für den vergleichsweise kleinen Reaktortyp APR 1000. Dieser muss gegenüber der klassischen KHNP-Variante APR 1400 zum Einsatz kommen, weil der Fluss Jihlava in Südmähren nur begrenzte Kapazitäten zur Kühlung bietet. Bislang kommt der APR 1000 noch nirgendwo zum Einsatz. Das Standarddesign wurde 2023 vom Verband European Utility Requirements (EUR) zertifiziert.

Westinghouse muss Einsatz der Technik noch genehmigen

Dessen ungeachtet droht ein Rechtsstreit mit dem US-kanadischen Konzern Westinghouse. KHNP kooperierte in der Vergangenheit mit den Nordamerikanern bei der Entwicklung von Atomtechnik. Für den Einsatz der Kraftwerkstechnik in Tschechien benötigen die Südkoreaner eine Genehmigung von Westinghouse.

Ursprünglich wollte sich Westinghouse an der Auktion in Tschechien beteiligen. Er wurde zu Jahresbeginn 2024 von dem Verfahren ausgeschlossen, weil er einige Bedingungen nicht erfüllte.  

KHNP ist eine Tochtergesellschaft des südkoreanischen staatlichen Energiekonzerns KEPCO. Sie betreibt derzeit 24 Kernkraftwerke in Südkorea und baut fünf weitere im Inland und in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Im polnischen Pątnów ist KHNP als Technologiepartner für zwei Reaktorblöcke des Typs APR 1400 im Gespräch. Das Projekt steht zurzeit auf der Kippe, nachdem der Energiekonzern PGE nach anfänglicher Euphorie Bedenken zur Machbarkeit geäußert hat.

Zwei Drittel der Wertschöpfung bleiben im Land

Für die Koreaner sprach auch, dass sie einen großen Teil der Wertschöpfung für das Bauprojekt an tschechische Unternehmen vergeben wollen. Premierminister Fiala rechnet damit, dass mindestens 60 Prozent des Auftragswertes im Land verbleiben. Das Investitionsvorhaben erzeuge einen großen Multiplikatoreffekt für die einheimische Wirtschaft. 

Der südkoreanische Mischkonzern Doosan ist am Energiemaschinenbauer Škoda Power in Plzeň beteiligt, der Generatoren und Kraftwerksturbinen baut. Das Unternehmen hat größere Investitionen für die tschechischen Werke angekündigt, sollte KHNP den Zuschlag für Dukovany bekommen. 

Erste Vorverträge mit Maschinenbauern

In einer Pressemitteilung erklärte KHNP, dass es über 200 potenzielle tschechische Lieferanten für das Bauvorhaben identifiziert habe. Mit 76 Unternehmen seien Absichtserklärungen für eine Kooperation unterzeichnet worden. Dabei wird auch die tschechische Tochtergesellschaft von Hochtief genannt. Turbinen für das Atomkraftwerk könnte laut Medienberichten Doosan Škoda Power liefern. Außerdem sollen Vereinbarungen mit Škoda JS (gehört zu ČEZ und baut Komponenten für Kernkraftwerke), Metrostav Diz (spezialisiertes Bauunternehmen für Kraftwerke) und der Sigma Group (Pumpenhersteller) getroffen worden sein.

In Dukovany laufen bereits vier Atomreaktoren. Es handelt sich dabei um Druckwasserreaktoren sowjetischer Bauart vom Typ WWER 440. Der erste Block ging 1985 in Betrieb, die restlichen drei bis 1987. Die installierte Leistung beträgt jeweils 510 Megawatt. Betreiber ČEZ will die alten Blöcke insgesamt mindestens 60 Jahre am Netz lassen (also bis etwa 2047). Der Konzern investiert allein 2024 rund 130 Millionen Euro in die Sicherheit der Anlage und erhöht die Leistung der Reaktoren. Geplant ist unter anderem eine Modernisierung der Schalttafeln. Der Betrieb soll von einem 11-Monats-Zyklus auf 15 Monate angehoben werden.

Da Tschechien noch kein Endlager für Atommüll hat, werden die abgebrannten Brennelemente auf dem Gelände des AKW Dukovany in Castor-Behältern deponiert.

Nach dem allmählichen Abschalten der Kohlekraftwerke ist Atomkraft die wichtigste Quelle zur Stromerzeugung in Tschechien. Die AKW sollen künftig auch verstärkt zur Wärmeerzeugung genutzt werden. Neben dem Ausbau der Standorte Dukovany und Temelín setzt Prag auf den Bau von kleinen modularen Reaktoren (SMR) zur Erzeugung von Strom, Wärme und Wasserstoff ab den 2030er Jahren.

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