Der Wohnungsmarkt verschiebt sich aus den Innenstädten ins Umland.
Kühle Baukonjunktur
Im ersten Halbjahr 2022 schrumpften die Bauinvestitionen preisbereinigt um 5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Sowohl die öffentlichen als auch die privaten Bauinvestitionen gingen zurück.
Nur die privaten Investitionen in Wohnungen und andere Hochbauten legten im ersten Halbjahr 2022 noch zu. Immobilienanalysten bestätigen den Trend und berichten, dass wegen der Pandemie mehr Menschen aus den Innenstädten ins Umland ziehen und dort vermehrt neue Wohnungen gebaut werden.
Marktvolumen der Bauwirtschaft in Thailand (in Millionen US-Dollar, Veränderung in Prozent)Kennziffer | 2021 1) | 1. Halbjahr 2022 2) | Reale Veränderung 1. Halbjahr 2022 zum Vorjahreszeitraum 3) |
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Bauinvestitionen insgesamt | 42.178 | 20.024 | -4,9 |
Wohnungsbau | | | |
öffentlich | 431 | 207 | -1,6 |
privat | 8.799 | 4.253 | 0,9 |
sonstiger Hochbau | | | |
öffentlich | 4.192 | 1.866 | -8,2 |
privat | 5.014 | 2.554 | 16,8 |
Tiefbau | | | |
öffentlich | 20.517 | 10.075 | -4,9 |
privat | 3.225 | 1.069 | -39,2 |
1) durchschnittlicher Jahreswechselkurs (2021) 1 US$ = 32,0 Baht; 2) durchschnittlicher Jahreswechselkurs (2022) 1 US$ = 34,4 Baht; 3) in konstanten Preisen von 2022Quelle: National Economic and Social Development Council
Unternehmen erweitern wegen der Lieferkettenprobleme ihre Lagerhäuser und E-Commerce Firmen benötigen zusätzliche Logistikzentren. Die 4,2 Millionen Quadratmeter an Flächen in modernen Logistikzentren sind nach Angaben der Immobilienanalysten von CBRE gut belegt.
Die Konjunkturaussichten sollen sich noch stärker aufhellen. Das Finanzministerium geht davon aus, dass sich die Gesamtwirtschaft in der zweiten Hälfte 2022 erholt und die Zentralbank prognostiziert für 2023 sogar ein Wirtschaftswachstum von mehr als 4 Prozent.
Der Aufschwung wird Investitionen in neue Bauten erfordern, aber die finanziellen Mittel sind knapp. Unternehmen, Haushalte und der Staat sind hoch verschuldet und können sich Finanzierungen kaum noch leisten. Steigende Zinsen und immer höhere Baukosten erschweren ihre Planungen und Kalkulationen zusätzlich.
Große Baufirmen berichten, dass Beschaffungen von Baustoffen rund 60 Prozent ihrer Baukosten ausmachen. Stahl, Zement und Beton sind 2022 deutlich teurer geworden. Auch die Löhne legen wegen der knappen Verfügbarkeit von Personal stark zu.
Ausbau der Infrastruktur verzögert sich
Ein Aktionsplan des Verkehrsministeriums sieht milliardenschwere Verkehrsprojekte von 2019 bis 2036 vor. Behörden erstellen nach dieser Vorgabe Einzelpläne und schreiben die Vorhaben aus. Das Department of Highways und die Expressway Authority of Thailand lassen derzeit beispielsweise mehrere Schnellstraßen errichten. Das Energieministerium wird 2022 einen neuen Gesamtplan vorstellen, der die lahmenden Investitionen in Energieanlagen beflügeln könnte.
Staatliche Stellen haben auch große Schienenprojekte aufgelegt, die private Betreiber ausführen. Einige Vorhaben verzögern sich, weil die Vergaben gerichtlich geprüft werden. Einige der ausführenden Konsortien haben sich außerdem verkalkuliert und wollen ihre Projekte neu strukturieren.
Ausgewählte Großprojekte in Thailand (Investitionen in Millionen US-Dollar)
Überangebote bei Büros und Wohnungen
Investitionen in Wohnungen gehen seit der Coronapandemie eher zurück. Immobiliengesellschaften legen weniger Projekte auf und stoßen ihren Bestand an unverkauften Apartments zunächst ab. Neue Apartments und Häuser entstehen hauptsächlich in Außenbezirken der Metropole Bangkok, denn der Trend zur Heimarbeit wird bleiben.
Der Büromarkt spürt die neue Arbeitswelt ebenfalls, die Nachfrage nach Büros stagniert und die Mieten sinken. Das Angebot legt aber zu. Ungefähr 1,2 Millionen Quadratmeter an Büroflächen werden nach Angaben der Beratungsgesellschaft CBRE derzeit gebaut und werden den Bestand an 9,5 Millionen Quadratmetern ergänzen.
Positive Tendenzen bei Industriebauten
Investoren haben von 2006 bis 2016 viele Industriegrundstücke erschlossen und bezugsfertige Fabrikhallen errichtet. Die Industrieparks sind inzwischen gut gefüllt. Die größeren Betreiber wie Amata, WHA, Rojana Industrial, Nava Nakorn und die Industrial Estate Authority of Thailand haben neue Projekte angekündigt, weil sie Ansiedlungen von neuen Betrieben erwarten.
Thailand bietet sich als alternativer Standort zu China an. Die Hoffnungen erfüllen sich. Der Standort punktet im internationalen Wettbewerb mit seiner großen Industriebasis. Die nationale Investitionsförderstelle Thailand Board of Investment (BOI) meldet, dass sie im 1. Halbjahr 2022 insgesamt 750 neue Investitionsprojekte im Gesamtwert von 11 Milliarden US-Dollar (US$) genehmigte. Der Wert lag 42 Prozent über dem Niveau des Vorjahreszeitraums.
Einkaufszentren und Hotels überwinden die Krise
In der Shopping-Metropole Bangkok stehen Mitte 2022 über 7,9 Millionen Quadratmeter an Einzelhandelsflächen zur Verfügung. Sie sind zu 95 Prozent ausgelastet. Weitere 1,5 Millionen Quadratmeter sind nach Angaben von CBRE im Bau oder werden geplant.
Der Einzelhandel leidet allerdings unter einem sich abkühlenden Konsum. Der stationäre Handel muss sich gegen die Konkurrenz aus dem Versandhandel wehren. Shopping Malls und Einkaufspassagen fokussieren sich daher stärker auf Gastronomie und Unterhaltungsangebote für In- und Ausländer.
Touristen und Geschäftsreisende reisen seit Frühjahr 2022 wieder in großer Zahl in das Land des Lächelns. Viele Hotels und Resorts müssten nun renoviert oder neu gebaut werden. Investoren fehlt allerdings noch die notwendige Zuversicht und das Kapital.
Auch bei der Gebäudetechnik und den Bauplanungen besteht Nachholbedarf. Die Energieeffizienz spielt beispielsweise eine untergeordnete Rolle. Einige Auftraggeber denken um. Die Strompreise steigen und der Staat erhöht die energetischen Anforderungen an Gebäude, um Treibhausgase zu senken.
Von Thomas Hundt
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Bangkok