Die alternde thailändische Bevölkerung benötigt mehr medizinische Versorgung. Zahlreiche neue Einrichtungen sollen dazu beitragen, die steigende Nachfrage zu decken.
Thailand ist ein Schwellenland mit schnell wachsendem Wohlstand. Bei den meisten Gütern und Dienstleistungen herrscht eine steigende Nachfrage, so auch bei Medizintechnik. Die Analysten von FitchSolutions prognostizieren ein Wachstum des thailändischen Medizintechnikmarktes zwischen 2024 und 2028 um 23 Prozent auf 2,5 Milliarden US-Dollar (US$). Das entspricht einer jährlichen Rate von knapp 5 Prozent. Zugrunde legen die Analysten einen leichten Wertverlust des Baht, dadurch liegt das entsprechende jährliche Wachstum in heimischer Währung bei fast 7 Prozent.
50
Prozent
aller thailändischen Medizintechnikproduzenten stellen Einwegartikel her.
Fitch Solutions sieht für den genannten Zeitraum eine überproportional hohe Nachfrage nach medizinischen Einweggütern ("Consumables"), insbesondere nach Spritzen, Nadeln und Kathetern sowie nach orthopädischen Produkten. Eine etwas geringere Bedarfssteigerung soll es demnach bei hochwertigeren Gütern wie Geräten der bildgebenden Diagnostik geben.
Thailand will für ausländische Hersteller attraktiver werden
Thailands Gesundheitssystem ist stark abhängig von Medizintechnikimporten, insbesondere Hochtechnologie. Denn die Hälfte der thailändischen Hersteller beschränken sich auf einfache Consumables. Dadurch machen diese 85 Prozent der thailändischen Medizintechnikexporte aus. Eine Grundlage dafür ist der heimische Rohstoffreichtum. So ist Thailand als weltgrößter Produzent von Kautschuk besonders stark bei der Fertigung von Gummihandschuhen, Kathetern oder Infusionsbeuteln. Wichtigste Absatzmärkte sind die USA und Japan. Aber es werden auch Krankenhausbetten oder Zahnarztstühle produziert. Zur anspruchsvolleren Produktpalette gehören optische Linsen und orthopädische Hilfsmittel. Auch einfachere Hilfsroboter für Operationen und für die Altenversorgung stammen aus thailändischer Entwicklung.
Unterm Strich erwirtschaftet Thailand bei Medizintechnik ein Handelsdefizit von mehreren Hundert Millionen US$, 2023 waren es etwa 419 Millionen US$. Denn die Kosten für Massenware aus China sowie Hochtechnologie aus den USA und dem drittgrößten Medizintechniklieferanten Deutschland überwiegen die Exporterlöse deutlich. Der thailändische Board of Investment (BOI) will die Handelsströme umkehren und dafür im Eastern Economic Corridor (EEC) ein Medizintechnik-Cluster aufbauen.
Das Industriecluster des EEC südöstlich von Bangkok bietet eine zwar hervorragende Infrastruktur für Technologieunternehmen. Etliche ausländische Branchenvertreter, insbesondere aus Japan, sind vor Ort vertreten. Doch für die Produktion von höherwertigen Produkten besteht ein Mangel an qualifiziertem Personal. Gerade wenn es um kleinere Stückzahlen geht, lohnt sich der Aufbau einer Produktion in Thailand vielfach nicht. Als ein weiterer Grund gelten die staatlichen Preiskontrollen für öffentliche Gesundheitseinrichtungen beim Einkauf von Medizintechnik. Im Jahr 2024 gab es genehmigte Auslandsinvestitionen in den Medizintechniksektor in Höhe von nur 22 Millionen US$. Das ist eine Halbierung gegenüber 2023.
Medizin- und Wellnesstourismus sollen ausgeweitet werden
Vor allem Bangkok ist ein wichtiger Standort für den internationalen Medizintourismus, insbesondere aus dem Nahen Osten. Die Stadt hat den Ruf, ein gutes Preis-Leistungsverhältnis zu bieten. Sei es für eine neue Hüfte, Schönheitsoperationen oder Zahnbehandlungen. Hier wird neueste Spitzentechnologie nachgefragt und kann auch problemlos bezahlt werden. Im Vor-Coronajahr 2019 zählte die Tourism Authority of Thailand (TAT) 172.000 Medizintouristen. Dieser für die thailändische Volkswirtschaft lukrative Sektor soll weiter ausgebaut werden.
Auch der Wellnesstourismus ist ein wachsendes Segment. Hier werden weniger Hochtechnologien benötigt, dafür aber medizinische Einweggüter nachgefragt. Der Wellnesstourismus wird stark vermarktet und wird im Zuge steigender Touristenzahlen weiter wachsen. Im Jahr 2025 soll erstmals die Marke von 40 Millionen ausländischen Besuchern überschritten werden. Für die Folgejahre wird ein weiteres starkes Wachstum erwartet.
Medianalter auf europäischem Niveau
Die Nachfrage nach Medizintechnik in Thailand wird auch von einer Besonderheit getragen, die das Königreich von den meisten Schwellenländern abhebt: die demografische Entwicklung. Thailand ist bereits Anfang der 1990er Jahre - noch als Entwicklungsland - unter die Reproduktionsschwelle von 2,1 Geburten pro Frau gefallen. Dadurch ist bereits in diesen Jahren der Bevölkerungshöchststand von 67,1 Millionen Menschen erreicht. Nach Statistiken des National Economic and Social Development Councils (NESDC) wird die Anzahl der Thais ab 2029 schrumpfen. Erst leicht, dann in ein bis zwei Jahrzehnten immer stärker. Gleichzeitig ist die Geburtenrate kontinuierlich weiter zurückgegangen und laut Statistikamt im Jahr 2023 mit nur noch einem Kind pro Frau auf einen der weltweit niedrigsten Werte gefallen.
Im Zuge dieser Entwicklung ist das Medianalter auf 41,5 Jahre angestiegen. Laut Weltgesundheitsorganisation ist die thailändische Bevölkerung älter als die Chinas, Russlands, der USA oder Schwedens. Damit muss das Gesundheitssystem des Königreichs mittelfristig zwar weniger Menschen versorgen, aber diese, weil sie älter sind, um so stärker.
Aufgrund der demographischen Entwicklung besteht ein zunehmender Bedarf an Krankenhäusern und seniorengerechten Wohnformen. Hier gibt es vor allem in den Städten zahlreiche große Investitionsprojekte. Da sich wachsender Wohlstand in Zukunft auf weniger Menschen verteilt, wird sich ein höherer Bevölkerungsanteil eine hochwertigere medizinische Versorgung leisten können.
Ausgewählte Investitionsprojekte im Gesundheitssektor in Thailand Investitionssumme in Millionen US-Dollar Projekt (Akteur) | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkungen |
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BDMS Silver Wellness Residence (Bangkok Dusit Medical Services) | 730 | Laufende Umweltstudie, Fertigstellung 2030 | Mehrzweckeinrichtung für Senioren |
Bumrungrad International Phuket Hospital (Bumrungrad) | 130 | Baubeginn | 212 Betten, "Boutique Hospital" und Diagnosezentrum |
Pluak Daeng Hospital 2 in Rayong (Ministry of Public Health) | 80 | Ausschreibung 2025 | Public-Private Partnership (PPP), 120 bis 200 Betten, 50 Jahre langer Betreibervertrag für ein Privatunternehmen |
Kasemrad Suvarnabhumi Hospital in Samut Prakan (Bangkok Chain Hospital) | 50 | Im Bau, Eröffnung 2027 | 268 Betten |
Chularat Rayong International Hospital (Chularat Hospital Group) | 45 | Im Bau, Eröffnung 2026 | Allgemeinkrankenhaus mit 200 Betten |
Kasemrad Rayong Hospital in Rayong (Bangkok Chain Hospital) | 45 | In Planung, Baubeginn 2026, Eröffnung 2028 | 200 bis 250 Betten |
Wattanapat Hospital Phuket (Wattanapat Hospital Trang) | 35 | Im Bau, Eröffnung Ende 2026 | 200 Betten |
Quelle: Unternehmensangaben und Medienberichte 2024
In den vergangenen Jahren sind viele Millionen Arbeitsmigranten aus den armen Nachbarländern Laos, Kambodscha, aber vor allem Myanmar nach Thailand gekommen. Allerdings haben die meisten von ihnen nur eine befristete oder gar keine Aufenthaltsgenehmigung und bestenfalls einen rudimentären Anspruch auf Gesundheitsversorgung.
Von Frank Malerius
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Bangkok