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Tschechien startet 2025 Bau des Hochgeschwindigkeitsnetzes
In Tschechien steht ein weiteres Milliardenprojekt an: der Ausbau des Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsnetzes. Früher als geplant sollen die Bauarbeiten schon 2025 beginnen.
06.08.2024
Von Gerit Schulze | Prag
Tschechiens Verkehrsminister Martin Kupka überraschte Ende Juli 2024 mit einer Ankündigung: Schon im kommenden Jahr - und damit früher als geplant - sollen die Bauarbeiten am ersten Abschnitt des geplanten Hochgeschwindigkeitsnetzes beginnen. Dabei steht nicht die Hauptstadt Prag im Mittelpunkt, sondern die mährische Metropole Brno. Von dort wird ein erster Zweig zum Knotenpunkt Přerov bei Olomouc führen. Ein Jahr später dann könnten die Arbeiten am Abschnitt Brno-Břeclav starten. Als dritte Etappe nannte Kupka die sogenannte Mährische Pforte (tschechisch: Moravská brána), also den Abschnitt zwischen Přerov und Ostrava, bei dem 2028 die Bagger anrücken sollen.
Prag bekommt die neue Leitstelle
Damit konzentrieren sich die Bauarbeiten zunächst auf den Ostteil der Tschechischen Republik. Dass Prag erst ab 2030 an die Reihe kommt, erklärt Kupka mit Verzögerungen bei den Gleisanschlüssen Richtung Hauptstadt. Dafür entsteht in der Hauptstadt die neue Dispatcherzentrale für das Hochgeschwindigkeitsnetz. Die Leitstelle im Stadtteil Libeň wird rund 1,6 Millionen Euro kosten. Geplanter Baustart ist 2027.
Überlegungen für den Bau eines Eisenbahn-Schnellstreckennetzes laufen in Tschechien bereits seit den 1990er Jahren. Doch erst seitdem die aktuelle Fünferkoalition 2021 ihr Regierungsamt in Prag antrat, bekam das Projekt Priorität. Der staatliche Verwalter des Schienennetzes Správa železnic schrieb seitdem die technische Planung für mehrere große Trassenabschnitte aus.
Nachbarländer werden besser erreichbar
Die wichtigste Achse führt von der sächsisch-tschechischen Grenze über Prag und Brno bis nach Břeclav, von wo Abzweige nach Wien und Bratislava verlaufen. Eine zweite Achse geht von Brno über Přerov und Ostrava in Richtung Katowice. Ein dritter Zweig verbindet in nordöstlicher Richtung Prag mit Hradec Kralové und Pardubice und geht weiter ins polnische Wrocław. Südlwestlich führt diese Strecke über Plzeň nach München.
Die drei größten Städte des Landes - Prag, Brno und Ostrava - sollen von den meisten Orten im Land künftig innerhalb einer Stunde per Zug erreichbar sein. In Wien und Berlin sollen Züge aus Prag nach spätestens zwei Stunden ankommen. Für die Neubaustrecke Prag-Dresden bevorzugt die Deutsche Bahn (DB) einen 30 Kilometer langen Tunnel durch das Erzgebirge von Heidenau bis nahe Ústí nad Labem. Diese Variante wurde im April 2024 vom Freistaat Sachsen bestätigt. Der Bundestag entscheidet demnächst über die Finanzierung.
Strecke | Länge in km (Zugstrecke) | Schnellste Fahrtzeit aktuell in Stunden | Geplante Fahrtzeit mit Hochgeschwindigkeit in Stunden |
---|---|---|---|
Prag-Brno | 255 | 2:35 | 1:00 |
Prag-Plzeň | 107 | 1:35 | 0:30 |
Prag-Ústí nad Labem | 106 | 1:14 | 0:25 |
Brno-Wien | 149 | 1:27 | 0:45 |
Brno-Bratislava | 141 | 1:40 | 1:00 |
Brno-Ostrava | 172 | 2:21 | 0:45 |
Über 350 Kilometer in der Planung
Derzeit werden Neubaustrecken auf einer Länge von 350 Kilometern projektiert. Auf ihnen sollen Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 320 Kilometern pro Stunde (km/h) möglich sein. Die verringerten Fahrtzeiten würden strukturschwachen Regionen an der Peripherie neue Wachstumsmöglichkeiten eröffnen.
soll der Bau des Hochgeschwindigkeitsnetzes in Tschechien kosten.
Die ursprünglich angesetzte Finanzplanung von 600 Milliarden Tschechischen Kronen (Kč) für den Bau des Netzes ist wegen der hohen Inflation der vergangenen Jahre obsolet. Inzwischen rechnet die Regierung mit Kosten von 800 Milliarden Kč (31,4 Milliarden Euro; Wechselkurs am 1. August 2024: 1 Euro = 25,45 Kč).
Verkehrsminister Kupka kündigte bei einem Treffen mit dem Verband der Bauunternehmer an, für das Vorhaben ein Anreizsystem für Beamte einzuführen. Die Beschäftigten der staatlichen Schienennetzverwaltung Správa železnic sollen ihre Vergütung je nach Schnelligkeit bei der Bearbeitung der Anträge und Aufgaben bekommen, die für den Beginn der Bauarbeiten am Bahnnetz nötig sind. Das soll Planungsvorgänge beschleunigen.
Private Partner sollen mit ins Boot
Mehr Geschwindigkeit beim Planungsprozess verspricht sich das Verkehrsministerium auch durch die Einbeziehung privater Projekt- und Planungsbüros. Die südkoreanische Dohwa Engineering hatte zusammen mit der tschechischen NDCon Group bereits ein Angebot für die Projektdokumentation am Trassenabschnitt Světlá nad Sázavou-Velká Bíteš eingereicht. Minister Kupka war 2023 in Südkorea, um potenziellen Projektpartnern und Investoren die tschechischen Pläne für das Hochgeschwindigkeitsnetz vorzustellen. Prag ist daran interessiert, die Vorhaben im Rahmen von Public Private Partnerships (PPP) umzusetzen und zu finanzieren.
Außerdem hofft die Regierung auf EU-Gelder. Denn drei der neun großen Transportkorridore im Rahmen der Transeuropäischen Netze (TEN-T) verlaufen durch Tschechien: Ostsee - Adria, Orient / Östliches Mittelmeer und Rhein - Donau. Infrastrukturprojekte entlang dieser Strecken können mit einer Kofinanzierung aus der Connecting Europe Facility (CEF) rechnen.
In der Vergangenheit hatte sich Tschechien bereits von SNCF Réseau beraten lassen, dem Betreiber des französischen Schienennetzes.
Kritiker monieren hohe Kosten und Umweltauswirkungen
Der Bau eines Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsnetzes stößt in Tschechien aber auch auf Gegenwehr. Eine Bürgerinitiative hat sogar eine Petition dagegen ins Abgeordnetenhaus eingebracht. Kritiker verweisen auf den Flächenverbrauch, auf die Belastungen für Anwohner und Umwelt sowie auf die hohen Kosten des Projekts.
Außerdem erscheint das Potenzial für Reisende in Hochgeschwindigkeitszügen in Tschechien mit knapp 11 Millionen Einwohnern und relativ kurzen Entfernungen überschaubar. Die Zahl der beförderten Passagiere liegt immer noch unter dem Stand von 2019. Lediglich im Transitverkehr gab es zuletzt deutliche Anstiege.
Jahr | Zahl der beförderten Passagiere (in Mio.) | Davon im internationalen Verkehr | Transportleistung in Mrd. Personenkilometer | Davon im internationalen Verkehr |
---|---|---|---|---|
2023 | 184,5 | 8,5 | 10,14 | 1,86 |
2022 | 173,9 | 7,9 | 9,50 | 1,67 |
2021 | 135,3 | 3,3 | 6,82 | 0,67 |
2020 | 129,5 | 2,8 | 6,67 | 0,58 |
2019 | 193,8 | 7,7 | 10,93 | 1,96 |