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Branchenanalyse | Tunesien | Bauwirtschaft

Tunesische Bauwirtschaft steckt weiter in der Krise

Kaum staatliche Projekte, schwierige Finanzierung, Verzögerungen bei Großprojekten: Der tunesische Bausektor kommt nicht vom Fleck. Deutsche Expertise ist aber im Tiefbau gefragt.

Von Verena Matschoß | Tunis

Ausblick der Bauwirtschaft in Tunesien

Bewertung:

  • Hohe Zinskosten und gestiegene Baupreise bremsen die Entwicklung im Wohnungsbau.
  • Projekte im Bausektor werden häufig nur mit großer Verzögerung umgesetzt. 
  • Aufgrund der angespannten Finanzlage kann der Staat kaum Impulse setzen.
  • Chancen für deutsche Unternehmen bestehen vor allem bei geberfinanzierten Projekten.  

Anmerkung: Einschätzung der Autorin für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: April 2024

  • Hochbau: Marktlage und Marktentwicklung

    Projekte im Hochbau kommen nur schleppend voran. Die steigenden Touristenzahlen könnten zumindest den Hotelbau beflügeln.

    Die Bauwirtschaft kommt nicht aus der Krise. Nach ersten Schätzungen des nationalen Statistikinstituts INS sank die Wertschöpfung in der Branche im Jahr 2023 um 4 Prozent - im Gegensatz zu einem kleinen Wachstum der Gesamtwirtschaft um 0,4 Prozent. Bereits 2022 verzeichnete der Bausektor einen Rückgang um knapp 6 Prozent. 

    Bauunternehmen leiden unter gestiegenen Kosten

    Weltweit leidet die Baubranche unter gestiegenen Kosten für Baustoffe, aber auch einem Mangel an Materialien und Bauland. Dazu kommen die hohen Kreditkosten, die Projekte kaum finanzierbar machen. Zumindest hat die Regierung beschlossen, die eigentlich für das Jahr 2024 geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer auf die Wohnungsverkäufe von Bauträgern (mit Ausnahme von Sozialwohnungen) von 13 auf 19 Prozent um ein Jahr zu verschieben. 

    Zudem leiden Planungsbüros und Bauträger unter Zahlungsschwierigkeiten von einigen Staatsunternehmen. Es gibt nicht nur wenig öffentliche Projekte, sondern staatliche Auftraggeber können aufgrund der schwierigen Finanzlage vielfach ihre Rechnungen nicht rechtzeitig bezahlen. 

    Jamel Ksibi, Präsident der Fédération Nationale des Entreprises du Batiment et Travaux Publics, stellt aber eine Verbesserung fest:

    "Die Zahlungsverzögerungen betragen derzeit nur noch drei bis sechs Monate. Vorher mussten Unternehmen teilweise bis zu einem Jahr auf ihr Geld warten."

    Traum vom Eigenheim in weiter Ferne

    Auf der Nachfrageseite sieht es ebenso schwierig aus. Im Jahr 2023 stiegen die durchschnittlichen Quadratmeterpreise für Wohnungen um 9 Prozent. Für das Jahr 2024 wird nicht von einer Entspannung ausgegangen. 

    Für viele Tunesierinnen und Tunesier ist der Traum vom Eigenheim kaum noch zu erreichen. Neben den steigenden Baukosten und dem Mangel an erschlossenen Grundstücken führen die hohen Zinsen für Bankkredite von bis zu 12 Prozent zu einer Kaufzurückhaltung.  Die Kaufkraft der tunesischen Bevölkerung ist ohnehin gering. 

    Sozialer Wohnungsbau: Wichtiger denn je

    Der tunesische Staat begegnet dem Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum über drei Programme, die mehr sozialen Wohnraum in Tunesien schaffen. Im Rahmen des spezifischen Programms für Sozialwohnungen werden neue Wohnungen gebaut beziehungsweise bestehende restauriert oder erweitert. Der Erwerb von Grundstücken und der Hausbau für einkommensschwache Arbeitnehmer wird über das Kreditprogramm Fonds de Promotion des Logements Sociaux FOPROLOS erleichtert. 

    Beschäftigte mit mittleren Einkommen können für den Kauf ihrer ersten Immobilie ein zinsgünstiges Darlehen im Rahmen des Erstwohnungsprogramms erhalten. Bis Ende 2022 wurden über die drei Programme der Bau oder der Erwerb von schätzungsweise über 21.000 Wohnungen ermöglicht – Ende 2025 sollen es insgesamt über 32.000 sein. 

    Sozialer Wohnungsbau in Tunesien
    Indikator

    2022 *)

    2023 *)

    2024 *)

    2025 *)

    Gesamtzahl von Sozialwohnungen und erschwinglichen Unterkünften

    21.082

    23.773

    27.375

    32.129

      Spezifisches Sozialwohnungsprogramm

    15.126

    16.517

    18.715

    21.979

      Programm FOPROLOS

    3.836

    3.836

    5.740

    6.800

      Erstwohnungsprogramm

    2.120

    2.520

    2.920

    3.350

    * laut Planung.Quelle: Ministère de l'Equipement et de l'Habitat, Projet annuel de performance 2023

    Tourismus - einer der wenigen Lichtblicke

    Im Jahr 2023 war der Tourismus einer der wenigen Sektoren, die positiv zur Wirtschaftsentwicklung beitrugen. Mit Tourismuseinnahmen des Staates von umgerechnet rund 2 Milliarden Euro bis zum 10. Dezember 2023 wurde sogar das Rekordhoch aus dem Jahr 2019 übertroffen. Dies könnte den Bau von neuen Hotels beflügeln. 

    Um den Sektor nachhaltiger aufzustellen, gibt es inzwischen mehrere Initiativen, die alternative Tourismuskonzepte fördern. In den vergangenen Jahren sind bereits zahlreiche kleine, privat geführte Gästehäuser entstanden. Angebote für Aktivurlaube wie Wandern, Fahrradfahren oder Fallschirmspringen entstehen. 

    Investoren bauen neue Produktionsstätten

    Im Industriebereich gibt es einige Werkserweiterungen von ausländischen Investoren. So expandieren auch zahlreiche deutsche Unternehmen, allen voran die Automobilzulieferer, und bauen neue Werke oder Technologiezentren. 

    In Zarzis in der Nähe von Djerba steht die Erweiterung eines Industrieparks kurz vor dem Abschluss. Auf einer Fläche von 4.300 Quadratmetern entsteht ein fünfstöckiges Technologiezentrum - das Zarzis Smart Centre. Zur Errichtung des neuen Technologiezentrums sind Investitionen von insgesamt 2,84 Millionen Euro geplant. Die deutsche KfW Entwicklungsbank gewährt einen Zuschuss in Höhe der Hälfte der Kosten. Aus den Mitteln werden vor allem Baukosten finanziert. In den Bau von Krankenhäusern und Schulen fließt auch viel Geld von internationalen oder bilateralen Gebern.

    Großprojekte kommen nicht voran

    Die meisten Projekte werden aber nur schleppend umgesetzt. Pressemeldungen zufolge sind Projekte mit ausländischer Finanzierung in Höhe von rund 6 Milliarden Euro geplant, die aber entweder unvollendet sind oder blockiert werden. Es gibt zahlreiche Megaprojekte, über die seit mehr als 15 Jahren gesprochen wird, ohne dass mit dem Bau begonnen wurde. 

    Von Verena Matschoß | Tunis

  • Hochbau: Marktchancen für deutsche Produkte und Dienstleistungen

    Für deutsche Bauunternehmen ist der tunesische Hochbau wenig interessant. Tunesien kann aber auch als Tor zum libyschen Markt genutzt werden.

    Für deutsche Unternehmen dürften vornehmlich die geberfinanzierten Projekte im Tiefbau (Verkehr, Wasser und Energie) interessant sein. Der Hochbau leidet noch stärker unter der wirtschaftlich angespannten Lage. Insbesondere bei speziellen Beratungs- und Planungsdienstleistungen oder den Themenbereichen Energieeffizienz und ressourcenschonendes Bauen kann deutsche Expertise gefragt sein. 

    Im Auftrag der tunesischen Nationalen Agentur für Energiemanagement (ANME) sollen zahlreiche öffentliche Gebäude mit Fotovoltaikanlagen ausgestattet sowie ihre Energieeffizienz verbessert werden. Hierfür stehen Kredite der KfW Entwicklungsbank zur Verfügung. Dabei kommt deutsches Know-how zum Einsatz: Das deutsche Ingenieurbüro decon international unterstützt die ANME bei der Umsetzung des Projekts.

    Beratende Ingenieure im Ausland

    Bei großen Infrastrukturprojekten sind vielfältige Beratungsleistungen gefragt. Deutsche Ingenieurbüros führen weltweit unter anderem Machbarkeitsstudien durch, prüfen Designs und überwachen den Bau. Branchenvertreter berichteten GTAI von ihren Projekten in Europa, Asien, Afrika und Lateinamerika. Dabei wird deutlich: Deutsche Ingenieure sind vor allem in aufstrebenden Märkten aktiv. Dort sind sie oft auf Partner angewiesen. Wir beleuchten, wie sich die Deutschen gegen die Konkurrenz durchsetzen und an Aufträge kommen. Außerdem geben wir rechtliche Tipps. Erfahren Sie im GTAI-Online-Special mehr über Erfolgsfaktoren, Hürden und Besonderheiten der Branche.

    Sollten sich die Mega-Stadtentwicklungsprojekte Tunis Bay, Tunis Sports City und La Perle du Lac 2 konkretisieren, könnten Aufträge auch im hochpreisigen Segment für Innenarchitekten oder Ausstatter in Aussicht sein. Allerdings sind diese Projekte teilweise seit über zehn Jahren im Gespräch. 

    In der Baustoffindustrie dominieren italienische Hersteller

    Die tunesische Baustoffindustrie gilt grundsätzlich als leistungsfähig. Die Nachfrage nach importierten, höherpreisigen Produkten ist relativ gering. Im Jahr 2021 wurden vor allem Feldspat und Kaolin, Keramikfliesen und Glaswaren importiert. Wichtige Lieferländer sind Italien, Spanien und die Türkei. 

    Das mit Abstand wichtigste Produkt der tunesischen Baustoffindustrie ist Zement. In den landesweit neun Fabriken wird vor allem für den lokalen Bausektor, aber auch für den Export, produziert. Neben Zement werden im Land unter anderem keramische Produkte und Gips hergestellt.

    Die tunesische Baustoffindustrie besteht laut der Agence de promotion de l'industrie et de l'innovation APII aus rund 370 Unternehmen, davon über 50 mit ausländischer Beteiligung. Italien ist das wichtigste Partnerland, gerade einmal zwei Unternehmen mit deutschem Kapital sind vor Ort aktiv. 

    Tunesien ist interessanter Standort für Exporte nach Libyen

    Der deutsche Hersteller von Bausystemen und Baustoffen Knauf hat 2004 eine staatliche Gipsfabrik in der Region Meknassy im Gouvernorat Sidi Bouzid aufgekauft und produziert dort nun Gipsputz und Gipsstuck. Seither hat Knauf in die Modernisierung des Werks investiert und die Kapazität für die Gipsproduktion mehr als verdoppelt. 

    Das Unternehmen beliefert den lokalen Markt, arbeitet aber auch im Export. Da Gips einen geringen Handelswert, aber ein großes Volumen hat, sind die Transportkosten entsprechend hoch. Sofiene Ben Salah, Generaldirektor von Knauf bis zum Januar 2023, erklärt: "Das ist der Grund, warum wir Gips hauptsächlich auf dem Landweg an die Nachbarländer liefern. Kleinere Mengen gelangen aber auf dem Seeweg auch in andere afrikanische Länder." Da die lokale Industrie in Algerien an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen hat, bleibt vor allem der libysche Markt. Obwohl es laut Sofiene Ben Salah auch dort Tendenzen gibt, eine eigene Baustoffindustrie aufzubauen. 

    Tunesien ist ein interessanter Standort für die Baustoffindustrie. Neben dem lokalen Markt können von hier aus auch andere afrikanische und sogar europäische Länder beliefert werden. Wichtige Ziele bleiben immer noch die Nachbarländer. So könnte der Wiederaufbau in Libyen der tunesischen Industrie große Lieferaufträge bescheren. 

    Sofiene Ben Salah Ehemaliger Geschäftsführer, Knauf, Tunesien

    Dies bestätigt auch Jamel Ksibi, Präsident der Fédération Nationale des Entrepreneurs du Batiment et des Travaux Publics: "In Libyen wird bereits jetzt wieder viel gebaut. Ausländische Unternehmen können sehr gut von Tunesien aus auf dem libyschen Markt tätig werden - wo es nötig ist, in Zusammenarbeit mit tunesischen Unternehmen. Expertise aus Tunesien ist in Libyen gerne gesehen."

    Die Krise des Bausektors schlägt sich auf die Baustoffindustrie nieder. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssten die Energiekosten in der Produktion gesenkt werden. Die Zementproduktion ist beispielsweise sehr energieintensiv. Hierfür sind allerdings Investitionen nötig - Geld, das den Unternehmen in der aktuell schwierigen Lage fehlt.

    Der Baustoffsektor ist laut der Foreign Investment Promotion Agency FIPA der wichtigste Sektor für ausländische Direktinvestitionen in der verarbeitenden Industrie. Allerdings entfallen nur rund 2 Prozent der von ausländischen Unternehmen geschaffenen Arbeitsplätze auf den Sektor.

    Von Verena Matschoß | Tunis

  • Hochbau: Projekte

    Die Umsetzung von Großprojekten gestaltet sich in Tunesien oft langwierig, wenn sie überhaupt umgesetzt werden. Die Investoren für die Megaprojekte kommen aus den Golfstaaten.

    In Tunis gibt es mehrere Stadtentwicklungsprojekte, die sich stark verzögern und bei denen unklar ist, ob sie überhaupt noch umgesetzt werden. Konkretisieren sich diese Projekte, könnten Aufträge auch im hochpreisigen Segment für Innenarchitekten oder Ausstatter in Aussicht sein. 

    Das Projekt Tunis Bay startete 2016 und soll in Raoued im Norden von Tunis neben Wohngebäuden unter anderem einen Golfplatz, ein Finanzviertel, ein Krankenhaus und eine Universität umfassen. Hinter dem Projekt steht die bahrainische GFH Financial Group. Seit 2019 ist die französisch-tunesische Gruppe Alliance Immobilier für den Wohnteil zuständig und hat Anfang Juli 2021 bereits die Schlüssel der ersten Villen an ihre Besitzer übergeben.

    Ähnlich gigantisch ist das Vorhaben der Tunis Sports City, das von der Bukhatir Group aus den Vereinigten Arabischen Emiraten umgesetzt wird. Der Stadtteil mit zahlreichen Sportstätten soll sich am nördlichen Rand des Tunis-Sees auf 250 Hektar erstrecken. Im Januar 2024 sollte die Bukhatir Gruppe auf einer Pressekonferenz den Baustart der ersten Wohngebäude ankündigen. Die Konferenz wurde verschoben und es bleibt unklar, ob und wie es mit dem Projekt weitergeht. 

    Auch das Megaprojekt des emiratischen Immobilienunternehmens Sama Dubai sieht den Bau eines neuen Stadtteils am Ufer des Lacs von Tunis auf einer Fläche von 837 Hektar für bis zu 500.000 Einwohner vor. Das Viertel soll sich aus Wohn-, Geschäfts- und Touristenzentren zusammensetzen und über einen Yachthafen verfügen. Das Projekt wurde 2007 ins Leben gerufen, die Investition wurde damals auf 14 Milliarden US-Dollar geschätzt. Ob das Projekt wirklich weiter verfolgt wird, bleibt fraglich. Anfang März 2024 gab es eine Meldung der Nachrichtenplattform Africa Intelligence, dass das Projekt nicht umgesetzt werden wird. 

    Offizieller Projektstart für Perle du Lac 2

    Neuigkeiten gab es 2023 zumindest beim Stadtteilprojekt Perle du Lac 2. Anfang Oktober war der offizielle Projektstart und die Investmentgesellschaft Al Buhaira-Invest gab einige Details bekannt. Der neue Stadtteil hat eine Gesamtfläche von 57 Hektar und befindet sich in der Nähe der Innenstadt. Den Bauauftrag haben die tunesischen Unternehmensgruppen Société Bouzguenda Frères und Bonna Tunisie erhalten. Das Stadtviertel soll sowohl Wohngebäude als auch Geschäftsräume enthalten. 

    Mehrere Vorhaben im Hotelbau

    Chancen bieten sich bei Projekten im Tourismussektor, der wieder floriert. Nach Angaben des Direktors für Investitionen des Nationalen Tourismusbüros, Mohamed Mehdi Haloui, hat die Immobiliengesellschaft Tradco die Verfahren für den Bau eines 5-Sterne-Hotels abgeschlossen. Das Hotelprojekt Marriot/Westin im Wert von rund 27 Millionen Euro befinde sich im Abschluss der erforderlichen Genehmigungsverfahren. Im nördlichen Vorort von Tunis, La Marsa, wird ein Hotel mit dem Namen Citesball mit einer Investitionssumme von rund 4 Millionen Euro entstehen. 

    Zu den Projekten, die 2024 in Betrieb genommen werden sollen, gehören laut Haloui in Tunis ein 4-Sterne-Hotel im Stadtzentrum und eine Jugendherberge. In Gafsa wurde das Hotel Mamoun erweitert und soll in den kommenden Monaten in Betrieb genommen werden. Die Kosten werden auf 4 Millionen Euro geschätzt. 

    Internationale Gelder für Krankenhäuser

    Auch bei Vorhaben, die mit der Finanzierung von internationalen Gebern durchgeführt werden, zum Beispiel beim Krankenhaus- oder Schulbau, könnten sich Chancen für deutsche Unternehmen ergeben. Aber auch hier kommt es immer wieder zu Verzögerungen. Der Bau des Krankenhauskomplexes Roi Salman ben Abdelaziz in Kairouan kommt bereits seit Jahren nicht voran. Es soll 500 Betten, 16 Operationssäle und eine Abteilung für Brandverletzungen umfassen. Das Projekt wird vom saudischen Entwicklungsfonds mit einem Zuschuss über 85 Millionen US-Dollar finanziert. Der tunesische Gesundheitsminister Imed Hammami teilte mit, dass im April 2024 der Immobilienentwickler ausgewählt werden soll. Für das 1. Halbjahr 2024 wäre dann der Beginn der Bauarbeiten geplant. 

    Mit dem Bau eines Krankenhauses in Jelma in der Region Sidi Bouzid soll ebenfalls 2024 begonnen werden. Das Projekt wird vom kuwaitischen Entwicklungsfonds finanziert und soll 105 Betten umfassen. Die Finanzierungsvereinbarung wurde bereits 2017 getroffen. Es gibt weitere Projekte zum Bau von Regionalkrankenhäusern, die mit internationaler Finanzierung umgesetzt werden sollen. 

    Europäische Investitionsbank finanziert Schulbau

    Im Januar 2024 hat das tunesische Parlament einen Finanzierungsvertrag über 40 Millionen Euro mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) genehmigt. Mit dem Geld soll ein Teil des zweiten Programms zur Modernisierung von Schulen finanziert werden. Insgesamt werden die Kosten auf rund 80 Millionen Euro geschätzt. Es ist geplant, 80 neue Grundschulen einzurichten sowie Grundschulen auszubauen und zu sanieren. Zudem sollen neue IT-Ausrüstungen und Schulbusse angeschafft werden. Das Vorgängerprogramm startete 2014 mit einer Finanzierung von 70 Millionen Euro, wurde aber bisher nur zu 70 Prozent umgesetzt. 

    Bau von Schwimmbädern soll beschleunigt werden

    Der tunesische Präsident Kais Saied hat im Februar 2024 die Restaurierung der Moschee La Kasbah angeordnet. Letztere ist seit 2011 geschlossen und seitdem vernachlässigt worden. Auch das Schwimmbad Belvédère am Place Pasteur in Tunis, das erste Schwimmbad Tunesiens, soll nach Vorstellungen des Präsidenten rehabilitiert werden. 

    Neue Aufmerksamkeit erfuhr auch der Bau eines städtischen Hallenbads in Siliana, einer Stadt im Norden von Tunis. Ursprünglich begannen die Bauarbeiten im Oktober 2019 - der Baufortschritt liegt gerade einmal bei 40 Prozent. Ob das Projekt wirklich im Juli 2024 fertiggestellt wird, wie die Stadtverwaltung von Siliana mitteilte, bleibt fraglich. 

    Ausgewählte Großprojekte im tunesischen Wohnungs- und WirtschaftsbauInvestitionen in Millionen US-Dollar

    Vorhaben

    Investitionssumme

    Projektstand

    Projektträger/Investor
    Tunis Sports City

    5.000

    EntwurfBukhatir Group
    Tunis Financial Harbour

    3.000

    Im BauGFH-Demtas Group
    La Perle du Lac 2 The Smart City (Tunis)

    1.000

    Im BauAl Buhaira Invest
    La Cigale Hotel (Tunis)

    220

    Im BauMajda Investment Company
    Tunis Garden City

    220

    Im BauIndigo SPITE
    Regionalkrankenhäuser in Ghardimaou, Makhtar, Jelma und Haffouz

    150

    PräqualifikationMinistère de l'Equipement et de l'habitat
    IT-Technopark in Manouba

    128

    VorstudieMinistère de la Technologie de la Communication et de l'Information
    King Salman bin Abdulaziz Krankenhaus (Kairouan)

    85

    PräqualifikationMinistère de la Santé
    Park Inn by Radisson (Tunis) 

    45

    VorstudiePrivater Träger
    Mall Ennasr (Tunis)

    45

    Im Bau Chaabane Group
    Quelle: MEED Projects 2024

    Weitere Informationen zu Projekten finden Sie in der GTAI-Datenbank "Entwicklungsprojekte".

    Von Verena Matschoß | Tunis

  • Tiefbau: Marktlage und -entwicklung

    Die Infrastruktur in Tunesien muss dringend modernisiert und ausgebaut werden. Geberfinanzierte Projekte bieten Chancen.

    Der Investitionsbedarf in Tunesiens Verkehrsinfrastruktur ist seit Jahren offensichtlich. Im Rahmen der staatlichen Strategie für Transport und Logistik sind bis 2040 rund 47 Infrastrukturprojekte mit einer Investitionssumme von umgerechnet 20 Milliarden Euro geplant. Angesichts der wirtschaftlichen Situation ist eine Umsetzung auch von ausländischen Geldgebern abhängig. Hier kann es sich rächen, dass es Tunesien bislang zu wenig gelang, die Finanzierungszusagen von multi- oder bilateralen Gebern in Projekte umzusetzen.

    In den Schienenverkehr sollen bis 2040 rund 11 Milliarden Euro fließen. Prioritäre Projekte sind der Ausbau des Schienennetzes um die Hauptstadt Tunis, die Erweiterung der S-Bahn im Großraum Tunis, der Ausbau des Phosphattransports über die Schiene und eine Zugverbindung zwischen Tunesien und anderen afrikanischen Ländern. Teilweise sind die Vorhaben aber auch schon lange im Gespräch. 

    Um den öffentlichen Nahverkehr im Großraum Tunis attraktiver zu machen, wird derzeit das bestehende Bus- und Straßenbahnsystem um eine S-Bahn erweitert. Im März 2023 wurde ein erster, etwa 9 Kilometer langer Abschnitt der Linie E der S-Bahn (réseau ferroviaire rapide (RFR) eröffnet.

    Phosphattransport soll verbessert werden

    Im Februar 2024 hat die tunesische Regierung die Unterzeichnung eines Kreditvertrages mit dem saudischen Entwicklungsfonds über 55 Millionen US-Dollar bekannt gegeben. Hiermit soll ein Projekt zur Sanierung eines 190 Kilometer langen Streckenabschnitts zum Abtransport von Phosphat finanziert werden. Insgesamt werden die Projektkosten auf 170 Millionen Euro geschätzt. 

    Die tunesische Eisenbahn Société Nationale des Chemins de Fer Tunisiens (SNCFT) plant, rund 600 Kilometer Schienennetz zu sanieren oder zu modernisieren. Zahlreiche Verbindungen, vor allem im Landesinneren, wurden lange vernachlässigt. 

    In den Straßenbau sollen bis 2035 rund 10 Milliarden Euro fließen. Im Rahmen der nationalen Strategie zum Straßenbau soll bis 2035 das Straßennetz auf 1.320 Kilometer erweitert werden, gegenüber heute 743 Kilometern. Zudem ist geplant, das Netz an Schnellstraßen bis 2035 auf 2.000 Kilometer zu erweitern, gegenüber heute 1.437 Kilometern. Jährlich sollen zudem 500 Kilometer an Straßen instand gehalten werden.

    Deutsche Planer im Umweltsektor aktiv

    Chancen für ausländische Unternehmen bieten sich neben der Verkehrsinfrastruktur auch im Umweltsektor. Bei der Wasserver- und -entsorgung gibt es in Tunesien ebenfalls enormen Nachholbedarf. Hier fließt viel Geld ausländischer Geber. Die deutsche KfW Entwicklungsbank ist mit einem Projektportfolio von 1 Milliarde Euro größter Geldgeber im Wassersektor. Deutsche Planungsbüros sind bereits an Projekten beteiligt. 

    Unternehmen aus Deutschland kamen auch bei Ausschreibungen im Bereich der erneuerbaren Energien zum Zuge. ABO Wind, ein Projektentwickler aus Wiesbaden, hat im Jahr 2019 sogar gleich zwei Genehmigungen für den Bau eines Wind- und eines Solarparks erhalten. Das Potenzial ist groß, die Fortschritte vor allem bei größeren Vorhaben allerdings schleppend. 

    Bei kleineren Projekten, zum Beispiel im Bereich der Eigenproduktion von Ökostrom für Industriegebäude, scheint die Umsetzung leichter. Gelingt die Energiewende, könnte sich Tunesien auch als Standort für die Produktion von grünem Wasserstoff etablieren. 

    Finanzierung für Unterseekabel gesichert

    Die Planungen für das Unterseekabel ELMED zwischen Italien und Tunesien gehen weiter. Das 220 Kilometer lange Stromkabel könnte ab 2028 das Cap Bon mit Sizilien verbinden. Für das Projekt sind 850 Millionen Euro veranschlagt. Mit den meisten Gebern wurden die Finanzierungsverträge bereits unterzeichnet. Perspektivisch könnte Tunesien Strom aus erneuerbaren Energien über das Unterseekabel nach Italien leiten. ELMED ist eines der Flaggschiffprojekte in der Konnektivitätsinitiative Global Gateway der Europäischen Union. 

    5G-Netz soll Ende 2024 eingeführt werden

    Minister für Kommunikationstechnologien, Ben Neji, kündigte im März 2024 an, dass die Eröffnung und Bewertung der Angebote für Juli bis August 2024 geplant sei und dass die Lizenzen im September 2024 vergeben werden sollen. Im November 2024 soll der 5G-Standard dann eingeführt werden.

    Mit Unterstützung internationaler Geber sollen im Schuljahr 2023 bis 2024 über 3.000 Schulen an das Glasfasernetz angeschlossen werden. Das Projekt wird voraussichtlich über einen Zeitraum von 18 Monaten durchgeführt und 40 Millionen Euro kosten. 

    Neue Pläne für Flughäfen und Häfen

    Umgerechnet 1,5 Millionen Euro möchte das Office de l'Aviation Civile et des Aéroports (OACA) im Jahr 2024 in die Flughäfen im Land stecken, um den Betrieb zu sichern. Zudem ist eine Erweiterung des Flughafens Tunis-Carthage geplant. 

    Am 14. November 2023 startete die Arbeit an einer strategischen Studie zur Entwicklung des Masterplans für Handelshäfen bis 2040. Diese Studie soll in 15 Monaten abgeschlossen sein und ein strategisches Programm für die Entwicklung der Infrastruktur im Rahmen der Transport- und Logistikstrategie 2024 aufstellen. Die Bedeutung der Häfen für die Wirtschaft ist enorm: Schätzungsweise 90 Prozent des tunesischen Außenhandels wird über den Seeweg abgewickelt. 

    Von Verena Matschoß | Tunis

  • Tiefbau: Marktchancen für deutsche Unternehmen

    Infrastrukturprojekte in Tunesien bieten für deutsche Unternehmen gute Beteiligungsmöglichkeiten.

    In Tunesien gibt es auch im Bereich des Baus von Verkehrs- und Energieinfrastruktur erhebliche Verzögerungen von Projekten. Bei einigen Vorhaben, wie dem Tiefwasserhafen Enfidha, geht es jahrelang nicht vorwärts. Dem Staat fehlt das Geld, und öffentlich-private Partnerschaften sind zwar vorgesehen, lassen sich wegen der Rahmenbedingungen zur Finanzierung und Planung der Projekte kaum realisieren.

    Trotzdem bieten die Infrastrukturvorhaben die besten Beteiligungschancen für deutsche Unternehmen, da viele Projekte über internationale Geber finanziert werden. Das betrifft den Straßenbau, die Schnell- und Straßenbahnprojekte, und vor allem Abwasseraufbereitungs- und Wasserversorgungsnetze und -anlagen. Der Bedarf ist erheblich, und es ist auch in den kommenden Jahren immer wieder mit Ausschreibungen zu rechnen. Deutsche Unternehmen sind derzeit vor allem bei Planungs- und Ingenieursdienstleistungen vertreten.

    Die deutsche KfW Entwicklungsbank hat ihre Schwerpunkte in Tunesien neben der nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung in den Bereichen Mobilität und Wasser. 

    Informationen über Projekte und Ausschreibungen

    Bei der Planung und Umsetzung von Projekten schreiben Geberorganisationen Bau-, Liefer- und Beratungsleistungen oft international aus. Deutsche Unternehmen können an den Ausschreibungen teilnehmen, Aufträge gewinnen und mit ihrem Know-how einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität in Entwicklungs- und Schwellenländern leisten.

    GTAI informiert tagesaktuell über Ausschreibungen.

    Speziell kleine und mittlere Unternehmen können auch die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) finanzierte Exportinitiative Umwelttechnologien für ihr internationales Geschäft nutzen. Bei Interesse an einem Markteinstieg unterstützt und berät die Deutsch-Tunesische Industrie- und Handelskammer (AHK Tunesien) deutsche Unternehmen.

    Von Verena Matschoß | Tunis

  • Tiefbau: Projekte

    Im Infrastrukturbereich stehen viele Projekte an. Auch hier wird einiges von internationalen Gebern gefördert, dem Staat fehlt das Geld. 

    Je größer die Projekte im Infrastrukturbereich, desto wahrscheinlicher sind Verzögerungen. Vor allem, wenn die Finanzierung durch den Staat oder öffentlich-private Partnerschaften angedacht ist, wie beim Tiefwasserhafen Enfidha. 

    Arbeiten an S-Bahnlinie D gehen voran

    Im März 2023 wurde ein erster, etwa 9 Kilometer langer Abschnitt der Linie E (insgesamt etwa 13,4 Kilometer) des réseau ferroviaire rapide (RFR) eröffnet. Am Ende soll die Schnellbahn aus fünf Linien mit einer Länge von 85 Kilometern bestehen. Täglich könnten rund 600.000 Menschen befördert werden. Die Arbeiten an Linie D sind bereits weit fortgeschritten und sollen im September 2024 abgeschlossen sein. Diese Strecke war seit Jahren aufgrund von Streitigkeiten mit der Stadtverwaltung von Bardo blockiert. Am 9. Februar 2024 hob aber das Verwaltungsgericht den Beschluss des Gemeinderats von Bardo über die Aussetzung der Arbeiten im Bezirk Bardo auf. 

    Nach Fertigstellung der Linie D soll es mit den Linien C (etwa 19,5 Kilometer) und F (10,5 Kilometer) weitergehen. Die Europäischen Investitionsbank, die Agence Française de Développement und die KfW Entwicklungsbank beteiligen sich an der Finanzierung. 

    Bessere Anbindung an Algerien durch Autobahn

    Im Straßenbau ist das Vorhaben zur Anbindung von Tunis an Jelma in der Region Sidi Bouzid in der Umsetzung und soll in der ersten Hälfte des Jahres 2026 fertiggestellt werden. Weitere Projekte in den nächsten Jahren sind beispielsweise die Autobahn zwischen Bousalem in der Region Jendouba zur algerischen Grenze, die Verlängerung der Autobahn in Richtung der Stadt Kef, die Autobahn Jelma/Kasserine und Jelma/Sidi Bouzid/Gafsa.

    Die 80 Kilometer der Autobahn zwischen Bousalem und Algerien sollen in der Zukunft auch Teil der Transmaghreb-Autobahn werden. Dem Vernehmen nach hatte ein chinesisches Unternehmen Interesse an der Durchführung. Laut der tunesischen Bauministerin Sarra Zaâfrani Zenzri wurde entschieden, das Projekt nicht im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft durchzuführen. 

    Am Ende soll eine 3.500 Kilometer lange Autobahn Mauretanien, die Westsahara, Marokko, Algerien, Tunesien und Libyen verbinden. Das Ziel der Autobahn ist, die Mobilität in Nordafrika zu erhöhen, und sie mit anderen transafrikanischen Routen zu verbinden, die nach Westafrika führen. Allerdings ist eine Umsetzung derzeit wegen des Konflikts um die Westsahara und der instabilen Sicherheitslage in Libyen unwahrscheinlich. 

    Bauträger für 180 Kilometer lange Autobahn gesucht

    Nach Angaben des Direktors für Autobahnprojekte bei der Generaldirektion für Brücken und Straßen wird im 2. Quartal 2024 eine internationale Ausschreibung zur Auswahl von Bauträgern für das Vorhaben "Tunesischer Korridor für wirtschaftliche Entwicklung" stattfinden. Die Arbeiten sollen im Jahr 2025 beginnen und drei Jahre andauern. Im Rahmen des Projekts soll die Nationalstraße RN13 vierspurig ausgebaut werden und die Gouvernorate Sfax, Kairouan, Sidi Bouzid und Kasserine besser verbinden. Die Weltbank und die Europäische Investitionsbank sollen das Projekt kofinanzieren.

    Bald könnten auch die Arbeiten am Ausbau der Nationalstraße RN2 mit Finanzierung der Afrikanischen Entwicklungsbank und der Bau der Umgehungsstraßen um Zarzis und Korba mit Finanzierung der Europäischen Investitionsbank starten. 

    Die Verbreiterung der südlichen Hauptzubringerstraße nach Tunis geht langsamer voran als versprochen. Als mögliches neues Abschlussdatum wird Ende 2024 beziehungsweise Anfang 2025 genannt. Ob dies eingehalten wird, ist fraglich. 

    Erweiterung des Flughafens in Tunis geplant

    Durch den Bau eines neuen Terminals am Flughafen Tunis-Carthage sollen hier jährlich 8 Millionen Fluggäste mehr ankommen können. Insgesamt soll der Flughafen dann eine Kapazität von 13 Millionen Personen erreichen. Die Pläne zur Erweiterung des Flughafens wurden von der Regierung Anfang Februar genehmigt. Auch die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr soll verbessert werden.

    Chinesisches Unternehmen erhält Zuschlag für Bizerte-Brücke

    Neuigkeiten gab es bei der seit Jahren geplanten neuen Brücke über den See Bizerte. Am 26. März 2023 haben das Ministerium für Ausrüstung und Wohnungsbau und das chinesische Unternehmen Sichuan Road & Bridge den Vertrag für die Planung und den Bau der Haupttranche unterzeichnet. Der Bau könnte nun im April 2024 beginnen, die Bauzeit wird auf 38 Monate geschätzt.

    Die neue Brücke soll die bewegliche Brücke aus dem Jahr 1980 ablösen und mit den Straßenanschlüssen nach Norden und Süden für Entlastung sorgen. Die Europäische Investitionsbank und die Afrikanische Entwicklungsbank beteiligen sich an der Finanzierung des Projekts.

    Windpark in Sidi Daoued wird erneuert

    Ende 2022 hat die KfW Entwicklungsbank mit dem staatlichen Stromversorger STEG ein Projekt zum Austausch eines Teils der Windkraftanlagen im Windpark in Sidi Daoud auf dem Cap Bon (Repowering) unterzeichnet. Aktuell werden die Vergaben vorbereitet. Das Projekt umfasst die Demontage von alten Windkraftanlagen und die Installation neuer Anlagen.

    Unklare Zukunft für Tiefseehafen Enfidha

    Das Projekt des Tiefseehafens Enfidha, der seit 15 Jahren in Planung ist, ist laut dem ehemaligen Transportminister Rabie Majidi, bis auf Weiteres zum Erliegen gekommen. Die geplante Ausschreibung wurde von der Hohen Instanz für öffentliche Aufträge aufgrund der Finanzierungskonditionen nicht genehmigt. Wie es weitergeht, ist unklar.

    Dahingegen könnte es beim Hafen von Radès einen Wiedereinstieg der chinesischen Reederei Cosco Shipping geben. Dies berichtete das Amt für Handelsmarine und Häfen nach einem Arbeitsbesuch von Cosco-Unternehmensvertretern im März 2024. 

    Ausgewählte Großprojekte im tunesischen Tiefbau/Infrastrukturbau Investitionen in Millionen US-Dollar
    Vorhaben

    Investitionssumme

    ProjektstandEntwickler
    Métro in Sfax

    1.100

    VorstudieSociété de Métro de Sfax
    Bau von Solarkraftwerken (insgesamt 800 MW)

    800

    VorstudieMinistère de l'Energie, des Mines et de la Transition Energétique
    Offshore-Windkraftwerk in Sousse

    500

    VorstudieSociété Tunisienne de l'Electricité et du Gaz
    Erweiterung Hafen Radès (Kai 8 und 9)

    465

    EntwurfOffice de la Marine Marchande et des Ports
    Erweiterung von Autobahn Tunis-Bousselem

    320

    VorstudieMinistère de l’Equipement, de l’Habitat, et de l’Aménagement du Territoire
    Neue Brücke in Bizerte

    290

    im BauMinistère de Transport
    Windkraftwerk in Nabeul 200 MW

    276

    AusschreibungSociété Tunisienne de l'Electricité et du Gaz
    Verbreiterung der Nationalstraße GP13 Sfax-Kasserine

    228

    VorstudieMinistère du Transport
    Modernisierung Bahnlinie Tunis - Kasserine

    150

    EntwurfSociété Tunisienne des Chemins de Fer Tunisiens
    Wasseraufbereitungsanlage Bejaoua

    90

    VorstudieSociété Nationale de l 'Exploitation et de la Distribution des Eaux
    Quelle: MEED Projects 2024

    Weitere Informationen zu Projekten finden Sie in der GTAI-Datenbank "Entwicklungsprojekte".

    Von Verena Matschoß | Tunis

  • Wettbewerbssituation und Geschäftspraxis

    Der Wettbewerb in der tunesischen Bauwirtschaft ist stark. Probleme in der Verwaltung lasten auf der Umsetzung von Bauvorhaben.

    Wettbewerbssituation

    Der tunesische Bausektor ist ein sehr umkämpfter Markt. Schätzungsweise 80 Prozent der über 3.000 Firmen im Sektor sind kleine und mittlere Unternehmen. Ausländische Firmen haben sich laut Jamel Ksibi, Präsident der Fédération Nationale des Entreprises du Batiment et Travaux Publics (FNEBTP), in den vergangenen Jahren aufgrund des starken Wettbewerbs zurückgezogen. Allerdings gebe es auch Ausschreibungen, die durch ihre Anforderungen an die Teilnahme ausländische Unternehmen begünstigen, oder bei denen tunesische Firmen noch keine Referenzen haben. Für deutsche Bauunternehmen ist Tunesien ein Nischenmarkt. Ausländische Unternehmen kommen häufig bei Projekten mit internationaler Finanzierung zum Zuge. 

    Die größten tunesischen Unternehmen in der Bauwirtschaftin Millionen Euro
    Name

    Umsatz 2022

    Anmerkung
    Carthage Cement

    112,5

    Zementproduktion (Baustoffsektor)
    Ciments Jbel Oust

    76,1

    Zementproduktion (Baustoffsektor)
    STE Ciment Gabes (SCG)

    63,5

    Zementproduktion (Baustoffsektor)
    Comptoir Hammami (SCPG)

    52,3

    Gruppe Hammami/ Verkauf von Baumaterialien (Baustoffsektor)
    Ciment Artificiels Tunisiens (CAT Colacem)

    50,4

    Zementproduktion (Baustoffsektor)
    Carthago (Carthago Ceramic et Carthago Briques)

    47,5

    Gruppe Poulina (Baustoffsektor)
    Somatra-GET

    9,4

    Bauunternehmen
    Essoukna

    5,4

    Immobilienentwickler 
    Société Promotion Logements Sociaux (SPROLS)

    4,2

    Immobilienentwickler 
    La société immobilière et de participations (SIMPAR)

    4,0

    Immobilienentwickler 
    Umrechnung in Euro nach Jahresdurchschnittskurs der tunesischen Zentralbank 2022: 1 Euro = 3,2611 tD.Quelle: L'Economiste maghrébin 2024

    Wichtigste Lieferanten für Baumaschinen waren im Jahr 2022 China, USA und Italien. Deutschland schaffte es nicht einmal in die Top 10. Bei Möbeln, sanitären Anlagen, Heizungs- und Beleuchtungseinrichtungen kommt die größte Konkurrenz aus Italien, China, Frankreich und der Türkei. Laut Ksibi bietet der tunesische Markt aber sehr gute Voraussetzungen für die Ansiedlung von Ingenieurbüros und für Zulieferer von Baumaterial und -ausrüstungen. Für den Standort sprechen die Verfügbarkeit und Qualität von Arbeitskräften und anderer Produktionsfaktoren sowie die Kostenvorteile im Vergleich zu anderen Ländern der Region und Europa. 

    Geschäftspraxis

    Der tunesische Bausektor ist ein schwieriger Markt, vor allem für ausländische Unternehmen. Langwierige Planungs- und Genehmigungsprozesse erschweren die Projektumsetzung. Laut FNEBTP verfügen die zuständigen Stellen nicht über ausreichend qualifiziertes Personal für das Projektmanagement, die Inanspruchnahme von spezialisierten Planungsbüros bleibe begrenzt. Können Vorhaben zu lange nicht umgesetzt werden, bestehe die Gefahr, dass die Kreditzusagen, die mit internationalen Geldgebern unterzeichnet wurden, verloren gingen.  

    Das häufigste Problem bei der Umsetzung von Infrastrukturprojekten ist der Landerwerb, vor allem im Zentrum und im Süden des Landes. Laut der Tageszeitung La Presse liegen viele Projekte wegen Enteignungsproblemen auf Eis.

    Dies war auch einer der Gründe, warum ein neues Gipsabbauprojekt von Knauf in der Region Tataouine bis heute nicht realisiert werden konnte. Die Abbaukonzession hatte das Unternehmen bereits im Jahr 2012 erhalten. Jamel Ksibi, Präsident der FNEBTP, ist aber zuversichtlich. Seiner Meinung nach habe es bereits Verbesserungen bei den rechtlichen Rahmbedingungen gegeben und Projekte würden nun schneller vorangebracht. 

    Öffentliche Ausschreibungen werden auf dem elektronischen Vergabeportal TUNEPS veröffentlicht. Ausländische Unternehmen halten sich allerdings häufig zurück, da das Gesetz des "moins-disant" gilt. Heißt, das niedrigste Angebot bekommt den Zuschlag. 

    In Tunesien ist die Erfahrung mit öffentlich-privaten Partnerschaften noch neu. Bei vielen Projekten wurde eine Umsetzung als PPP vorgeschlagen, die Entscheider bevorzugen allerdings andere Modelle. Im Bereich Autobahnbau wäre ein PPP-Modell dem FNEBTP zufolge auch nicht sinnvoll, da die Mautpreise staatlich festgelegt werden und aufgrund der geringen Verkehrsdichte für private Investoren nicht rentabel sind. Auch der einflussreiche Gewerkschaftsdachverband UGTT stellt sich immer wieder gegen öffentlich-private Partnerschaften, wie sie gerade für Infrastrukturprojekte international oft üblich sind.

    Stand: April 2024

    Von Verena Matschoß | Tunis

  • Kontaktadressen

    BezeichnungAnmerkungen
    Deutsch-Tunesische Industrie- und HandelskammerAHK Tunesien
    Ministère de l'Equipement

    Ministerium für Bau und

    Wohnungswesen

    Société Tunisienne de l'Electricité et du Gaz (STEG)Staatlicher Energieversorger
    Société Nationale d’Exploitation et de Distribution des EauxStaatlicher Wasserversorger
    Office national de l'AssainissementStaatlicher Betrieb zur Abwasserentsorgung  
    Office de la Marine Marchande et des PortsTunesische Hafenbehörde
    Haute instance de la commande publiquePortal für staatliche Ausschreibungen
    Fédération Nationale des Entrepreneurs de Bâtiment et des Travaux PublicsVerband der tunesischen Bauunternehmen
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