Ungarn rechnet mit 5,8 Milliarden Euro aus der Wiederaufbau- und Resilienzfazilität der EU. Doch die Auszahlung der Gelder verzögert sich.
Nach monatelangen Verhandlungen stimmte die Europäische Kommission dem Maßnahmenplan der ungarischen Regierung zu. Dieser bezieht sich auf den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Covid-Pandemie. Das ist eine Vorbedingung, um Zuschüsse aus der Aufbau- und Resilienzfazilität (RRF) der Europäischen Union (EU) an Ungarn auszuzahlen.
Im Rahmen des RRF-Instruments könnte Ungarn EU-Hilfen von rund 5,8 Milliarden Euro erhalten. Zusätzlich dazu will die Regierung nun doch verbilligte Darlehen in Höhe von rund 9,6 Milliarden Euro nutzen. Die Gelder sollen für Investitionen im Energiesektor genutzt werden.
Gleichzeitig hofft Ungarn auf Zuweisungen aus dem EU-Kohäsionsfonds der Finanzperiode 2021 bis 2027. Diese würden sich auf weitere 22,5 Milliarden Euro belaufen. Doch wann diese tatsächlich an Ungarn fließen, bleibt noch ungewiss.
Auszahlung von Reformen abhängig
Die EU-Kommission will die Zahlungen davon abhängig machen, ob und wie schnell die ungarische Regierung wichtige Reformen zur Verbesserung der Rechtstaatlichkeit, der öffentlichen Auftragsvergabe und der Transparenz bei der Verwendung von EU-Mitteln durchführt. Neben den RRF-Geldern sind aus dem Kohäsionsfonds rund 7,5 Milliarden Euro in der Schwebe, deren Aussetzung die Kommission im September 2022 empfohlen hatte.
Insgesamt stehen damit rund 13 Milliarden Euro an EU-Geldern für Ungarn auf dem Spiel. Deren Auszahlung ist von der Umsetzung der Reformmaßnahmen abhängig.
Die ungarische Regierung zeigt sich optimistisch. Sie wertet die Zustimmung der Europäischen Kommission zum nationalen Wiederaufbauplan bereits als großen Erfolg. Ungarn ist das letzte EU-Mitglied, dessen Plan von Brüssel genehmigt wurde - nach 15 Monaten bilateraler Verhandlungen. Wäre die Einigung nicht zustande gekommen, hätte Budapest riskiert, rund 70 Prozent der vorgesehenen 5,8 Milliarden Euro aus dem RRF-Fonds zu verlieren.
Regierung rechnet 2023 mit ersten Zahlungen
Nun ist die Regierung aber zuversichtlich, dass Ungarn im Laufe des Jahres 2023 Zugang zu den meisten der vorgesehenen EU-Gelder erhalten wird. Dies erklärte der für regionale Entwicklung und für die Verhandlungen mit der EU zuständige Minister Tibor Navracsics. Eine der notwendigen Bedingungen dafür - das Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und der ungarischen Regierung – hat die Europäische Kommission im Dezember 2022 angenommen.
Impulse für Modernisierung und grüne Transformation
Die Maßnahmen im Rahmen des Wiederaufbauplans werden einen großen Beitrag leisten, die ungarische Wirtschaft zu modernisieren, zu digitalisieren und ihre grüne Transformation voranzutreiben. Nach Berechnungen der Europäischen Kommission werden für den grünen Übergang der Wirtschaft rund 48 Prozent der für Ungarn vorgesehenen Gelder aus der Wiederaufbaufazilität verwendet. Dazu gehören Investitionen und Reformen in den Bereichen nachhaltiger Verkehr, Energie, Wasser- und Kreislaufwirtschaft.
Allein für die Modernisierung wichtiger Eisenbahnstrecken und deren Managementsystemen sowie der S-Bahn in der Region Budapest sind Investitionen von 1,2 Milliarden Euro geplant. Weitere 159 Millionen Euro sollen für die Beschaffung von 300 Elektrobussen und ein Informations- und Fahrkartensystem im öffentlichen Personennahverkehr ausgegeben werden.
Förderung der erneuerbaren Energie
Reformen und erhebliche Investitionen sind im Energiesektor vor allem für den Ausbau erneuerbarer Energien (EE) vorgesehen. So sollen Hürden für die Errichtung von Windenergieanlagen gesenkt und Genehmigungsverfahren für EE-Anlagen vereinfacht werden. Einige Anstrengungen werden unternommen, um die sichere und flexible Einspeisung von Energie aus erneuerbaren Quellen in das Stromnetz zu ermöglichen.
Die Schwäche des Stromnetzes ist derzeit eine der größten Hürden für den weiteren Ausbau der Fotovoltaik in Ungarn. Der Wiederaufbauplan sieht deshalb Investitionen von 415 Millionen Euro in das Stromnetz und weitere 304 Millionen Euro für die Installation von Speichern vor. Außerdem soll der Bau von Solarenergieanlagen für 35.000 Haushalte mit 265 Millionen Euro finanziert werden.
Hinzu kommen 235 Millionen Euro, die für die Sanierung von Wohngebäuden geplant sind. Weitere Investitionen sollen die Energieeffizienz öffentlicher Gebäude verbessern, insbesondere im Bildungs- und Gesundheitssektor. Für Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserversorgung sind 145 Millionen Euro, für die Förderung der Kreislaufwirtschaft und besserer Nutzung von Sekundärrohstoffen sind 109 Millionen Euro eingeplant.
Digitalisierung ein wichtiges Ziel
Rund 30 Prozent der RRF-Mittel sollen in Maßnahmen zur Digitalisierung der Wirtschaft, Verwaltung und Bildung fließen. Für eine entsprechende Ausstattung der Schul- und Hochschuleinrichtungen werden 567 Millionen Euro eingeplant. Die Mittel sind vorgesehen für Geräte und Ausrüstung sowie die Entwicklung digitaler Kompetenzen in der Aus- und Weiterbildung. Rund 48 Millionen Euro sind für die Modernisierung und Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung veranschlagt.
Auch die Digitalisierung im Verkehrs-, Energie- und Gesundheitssektor soll vorangetrieben werden. Im Fokus stehen intelligente Stromübertragungs- und Verteilnetze sowie die Entwicklung und Einführung von Stromzählern. Im Gesundheitssektor sollen rund 566 Millionen Euro investiert werden. Mit dem Geld will Ungarn unter anderem ein Ferndiagnosezentrum einrichten, ein auf künstlicher Intelligenz basierendes System für den Rettungsdienst einführen und ein Fernüberwachungssystem für Patienten entwickeln.
Von Waldemar Lichter
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Budapest