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Autonomes Fahren macht wichtigen Entwicklungsschritt
Robotaxis setzen sich in den USA zunehmend durch. Deutsche Unternehmen sichern sich derweil eine gute Startposition bei autonomen Nutzfahrzeugen.
01.04.2025
Von Heiko Stumpf | San Francisco
Das autonome Fahren schlägt den "Pfad der Erleuchtung" ein – was esoterisch klingt, ist in Wahrheit ein wichtiger Meilenstein der Technologieentwicklung. Der Begriff stammt aus dem Gartner Hype Cycle; einem Modell, das die typischen Phasen beschreibt, die neue Technologien durchlaufen. Nach dem "Gipfel der überzogenen Erwartungen" und dem "Tal der Enttäuschungen" hat das autonome Fahren nun die entscheidende Schwelle überschritten: Es tritt in die Phase ein, in der kommerzielle Anwendungen Fahrt aufnehmen und aus einstigen Visionen greifbare Realität wird.
An vorderster Front stehen dabei die Betreiber fahrerloser Taxiflotten. "Im Jahr 2025 werden Robotaxis in immer mehr US-Städten ausgerollt. Waymo und Zoox werden Ende des Jahres etwa zehn Robotaxiflotten im Einsatz haben – neben den bereits kommerziell genutzten Lieferrobotern und Robo-Lkw von Kodiak, Aurora oder Nuro“, sagt der im Silicon Valley lebende Technologietrendforscher Mario Herger.
Waymos Erfolg ruft Uber und Lyft auf den Plan
Waymo führt die Branche als Pionier und Wegbereiter an. Das zur Google-Mutter Alphabet gehörende Unternehmen betreibt in San Francisco, Los Angeles und Phoenix insgesamt rund 700 autonome Taxis. "Mit 200.000 bezahlten und fahrerlosen Fahrten pro Woche zeigt Waymo eindrücklich, dass autonome Autos als Technologie ausgereift sind", so Herger. Ende 2024 sammelte Waymo rund 5,6 Milliarden US-Dollar (US$) frisches Kapital ein, das für die Expansion gedacht ist.
Bereits 2025 soll der kommerzielle Betrieb in Austin und Atlanta starten, gefolgt von Miami Anfang 2026. Dabei setzt Waymo auf unterschiedliche Strategien. In San Francisco, Los Angeles und voraussichtlich auch in Miami arbeitet das Unternehmen mit der eigenen App Waymo One. In Austin und Atlanta ist hingegen wie bereits auch in Phoenix eine Kooperation mit Uber geplant. Die ehrgeizigen Zukunftspläne von Waymo zeigen sich auch hier: 2025 soll in zehn weiteren Städten der Testbetrieb starten, beginnend mit Las Vegas und San Diego.
Und auch Uber hat weitergehende Pläne. Neben der Kooperation mit Waymo ist der Ridesharing-Gigant in den vergangenen Monaten weitere Partnerschaften eingegangen, um autonomes Fahren in seine Plattform zu integrieren. Dazu gehört eine Zusammenarbeit mit dem Start-up Avride für einen geplanten Robotaxi-Dienst in Dallas. Darüber hinaus kooperiert Uber auch mit Unternehmen wie Aurora Innovation, Nuro oder Waabi, die sich auf autonome Lieferdienste konzentrieren.
Für die menschlichen Fahrer bei Uber bedeuten diese Entwicklungen aber nicht das Ende. Autonome Fahrzeuge werden vielmehr als Zusatzangebot gesehen. Laut Uber-CEO Dara Khosrowshahi dürfte es weitere zehn Jahre dauern, bis die Hälfte aller Fahrten des Unternehmens in den USA autonom erfolgt.
Auch Lyft, Ubers wichtigster Konkurrent, ist nicht untätig. Zusammen mit Mobileye bauen die Kalifornier ab 2026 eine autonome Taxiflotte in Dallas auf. Weitere Städte sollen folgen. In Atlanta arbeitet Lyft mit May Mobility zusammen, um selbstfahrende Taxis in der Ridesharing-App anzubieten.
Urbane Mobilität wird neu gedacht
Ganz neue Wege beim Fahrzeugdesign schlägt der zu Amazon gehörende Anbieter Zoox ein: In dem lenkradlosen Zoox-Taxi sitzen sich die Passagiere wie in einem Zugabteil gegenüber. Sie können sich entspannt auf Unterhaltung oder ihre Arbeit konzentrieren statt auf den Verkehr. In Las Vegas sind die Fahrzeuge im Rahmen eines Testbetriebs bereits im Straßenbild zu beobachten. Im Jahresverlauf 2025 soll in der Glücksspielmetropole auch der kommerzielle Betrieb starten. Mit San Francisco ist bereits der zweite Standort in Planung, wobei Zoox auch in weiteren Städten wie Austin, Miami und Seattle testet.
Die große Unbekannte im Spiel ist Tesla. Firmengründer Elon Musk plant, ab 2026 das lenkradlose Cybercab in Serie zu bringen. Zudem will Tesla einen Robovan für bis zu 20 Personen produzieren. Auch an einem Robotaxibetrieb in Austin und San Francisco arbeitet das Unternehmen. Hierfür sollen zunächst das Model 3 und das Model Y eingesetzt werden. Allerdings hat es bei Musk bereits Tradition, dass ehrgeizige Zeitpläne zum autonomen Fahren nicht eingehalten werden.
Zwei Wege, ein Ziel: Hightech-Sensorik vs. reine Kameratechnik
Beim Rennen um das vollautonome Fahren verfolgen die Unternehmen unterschiedliche technologische Ansätze. Waymo setzt beim neuen Waymo Driver 6 auf ein komplexes System mit 13 Kameras, vier LiDAR-Sensoren, sechs Radareinheiten sowie mehreren Audioempfängern.
Auch Volkswagen arbeitet mit einem umfassenden autonomen Fahrsystem. In Europa und den USA testen die Wolfsburger eine automatisierte Variante des Modells ID. Buzz. Das Self-Driving-System wird von der Intel-Tochter Mobileye geliefert, es besteht aus hoch entwickelter Kamera-, Radar- und LiDAR-Technologie.
Das Gegenstück dazu bildet Tesla: Das Unternehmen vertraut ausschließlich auf Kameras und künstliche Intelligenz, um Fahrzeuge autonom navigieren zu lassen.
Hoffen auf einheitlichen Rechtsrahmen unter Trump
Branchenvertreter hoffen, dass Elon Musk seinen Einfluss auch an anderer Stelle nutzt, nämlich als Berater und Einflüsterer von Donald Trump. "Was mir nachts den Schlaf raubt, ist die Tatsache: Wir haben kein nationales Regelwerk. Stattdessen gibt es einen Flickenteppich an Regelungen, die sich von Bundesstaat zu Bundesstaat unterscheiden", sagte Ron Thaniel, Senior Director for Policy and Regulatory Affairs bei Zoox, auf der CES 2025 in Las Vegas.
Bislang haben 35 US-Bundesstaaten eigene Vorschriften für den Betrieb von autonomen Fahrzeugen erlassen – mit teils erheblichen Unterschieden. In Texas können autonome Fahrzeuge ohne spezielle Genehmigung eingesetzt werden, während Kalifornien strenge Zulassungsverfahren und umfangreiche Tests vorschreibt. Aus dem Umfeld der Trump-Regierung heißt es bereits, dass ein nationales Regelwerk erarbeitet werden soll, wobei die Branche auf eine unbürokratische und unternehmensfreundliche Ausgestaltung hofft.
Deutsche Konzerne mischen kräftig mit bei Nutzfahrzeugen
Fortschritte gibt es auch im Lastwagenbereich. Aurora Innovation wird im April 2025 mit dem kommerziellen Betrieb vollautonomer Lkw auf der wichtigen Frachtstrecke zwischen Houston und Dallas beginnen. In der zweiten Jahreshälfte 2025 sollen selbstfahrende Lkw auch auf der Strecke zwischen Fort Worth und El Paso unterwegs sein. Dabei gibt es eine enge Kooperation mit der deutschen Continental AG, die ab 2027 die Serienproduktion der Aurora-Driver-Hardware übernehmen soll.
Auch Daimler Truck peilt bis 2027 die Serienreife an: Die US-Tochter Torc Robotics entwickelt vollautomatische Laster der Marke Freightliner. Die Firma Holon aus Paderborn, eine Tochter der Benteler Gruppe, errichtet bis 2026 in Florida eine Produktionsstätte für autonome Shuttle-Busse.
Advanced Driver Assistance Systems (ADAS) – die Vorstufe des vollautonomen Fahrens
Der Weg auf den "Pfad der Erleuchtung" war steinig für das vollautonome Fahren. Hochkomplexe Herausforderungen zwangen viele Unternehmen zur Aufgabe, bevor die Marktreife erreicht werden konnte. Jüngstes Beispiel ist Cruise, die auf Robotaxis spezialisierte Tochter von General Motors. Ende 2024 stellte der Mutterkonzern in Detroit das Projekt dauerhaft ein. Das bereits gewonnene Know-how soll jedoch genutzt werden, um die eigenen Advanced Driver Assistance Systems (ADAS) weiterzuentwickeln. Darunter versteht man teilautomatisierte Fahrassistenzsysteme, die den Fahrer unterstützen, aber nicht ersetzen.
General Motors plant, mit dem in eigenen Modellen verbauten Super-Cruise-System innerhalb der nächsten fünf Jahre einen Umsatz von 2 Milliarden US$ pro Jahr zu erzielen. Möglich machen soll das ein Fahrerassistenzsystem der Stufe 3, das es dem Fahrer in bestimmten Situationen erlaubt, die Hände vom Lenkrad zu nehmen und den Blick von der Straße abzuwenden.
Mercedes-Benz ist bereits einen Schritt weiter: In Kalifornien und Nevada erhielt der Stuttgarter Konzern als erster Automobilhersteller die Zulassung, mit Drive Pilot ein Fahrerassistenzsystem der Stufe 3 anzubieten. Das System kann bei Geschwindigkeiten von bis zu 40 Meilen (circa 64 Kilometer pro Stunde) in bestimmten Verkehrssituationen – etwa im dichten Verkehr – vollständig die Fahrzeugführung übernehmen, sofern ein vorausfahrendes Fahrzeug vorhanden ist. Rivian will ab 2026 ein ähnliches System auf den US-Markt bringen. Auch andere Autobauer wie Ford, Stellantis oder Hyundai arbeiten an entsprechenden Lösungen.