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Politische Polarisierung erreicht US-Technologiesektor

Bei Wagniskapitalgebern wächst die Unruhe, da eine strikte Kartellpolitik zunehmend die Geschäfte erschwert. Klare Positionen gibt es von den Kandidaten vor der Wahl aber nicht.

Von Heiko Stumpf | San Francisco

Die Situation im US-Technologiesektor ist kompliziert. Die Zeiten, in denen insbesondere das Silicon Valley mehr oder weniger geschlossen hinter den Demokraten stand, sind vorbei. Stattdessen lief eine kleine, aber einflussreiche Gruppe an Tech-Investoren in das Lager von Donald Trump über. Dies beschränkt sich nicht mehr nur auf Elon Musk, sondern umfasst auch bekannte Risikokapitalgeber wie David Sacks, Ben Horowitz, Marc Andreessen und Peter Thiel.

Wettbewerbsbehörde zieht Unmut auf sich

Der Hauptgrund dafür, dass die Polarisierung nun auch auf den Technologiesektor überschwappt, ist in der kartellrechtlichen Politik der Biden-Administration zu sehen. Über viele Jahrzehnte hielten sich die US-Regierungen aus dem Feld der Merger & Aquisitions (M&A) weitgehend heraus. Unter Joe Biden vollzog sich dann jedoch ein entscheidender Kurswechsel. Dieser ist eng verbunden mit einer Personalie: Lina Khan.

Nachdem sie 2021 zur Leiterin der Federal Trade Commission (FTC) aufstieg, machte Khan sich einen Namen als Wettbewerbshüterin. In ihrer Arbeit konzentriert sie sich auf die Bekämpfung monopolistischer Marktstrukturen und wettbewerbsfeindlicher Praktiken, insbesondere im Technologiesektor. Dem Ausbau der Marktmacht von Big Tech steht Khan deshalb sehr kritisch gegenüber. Stärker denn je versucht die FTC, die Übernahmegeschäfte großer Technologiefirmen zu blockieren, wie zum Beispiel NVIDIAs Schlucken des Chipherstellers Arm.

Geldgeber besorgt

Dies alarmiert insbesondere die Venture-Kapitalgeber im Silicon Valley. Denn Risikokapitalgeber investieren in der Regel mit dem Ziel, ihre Beteiligungen an Start-ups durch große Exits profitabel zu machen. So erfolgt der Ausstieg in rund 90 Prozent der Fälle in den USA mittlerweile dadurch, dass größere Tech-Unternehmen die Start-ups übernehmen. Klassische Börsengänge verlieren als Form des Exits hingegen an Bedeutung.

Durch die harte Gangart der FTC wird es für die Investoren jedoch deutlich schwieriger, profitable Exits zu realisieren. Konkrete Auswirkungen hat dies beispielsweise im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI). Laut dem Analysehaus PitchBook haben Wagniskapitalgeber im Jahr 2023 insgesamt 64,6 Milliarden US-Dollar (US$) in amerikanische KI-Start-ups gesteckt. Im 1. Halbjahr 2024 waren es bereits 38,6 Milliarden US$. Wird es schwieriger, Renditen zu erzielen, könnte die Risikobereitschaft der Geldgeber in Zukunft nachlassen.

Ähnliche Hoffnungen verbunden mit Trump und Harris

Tech-Investoren, die in das Unterstützerlager von Donald Trump gewechselt sind, verbinden dies deshalb mit einer klaren Hoffnung: Im Fall eines Wahlsiegs soll er Lina Khan bei der FTC vor die Tür setzen. Dafür spricht, dass die unternehmensfreundliche Wahlkampf-Plattform von Donald Trump weniger Regulierung für neue Technologien in Aussicht stellt. Beispielsweise verspricht Trump eine Lockerung der Regeln für Kryptowährungen. Deshalb erwarten Analysten, dass es unter Trump auch wieder grünes Licht für Unternehmenszukäufe der großen Tech-Konzerne geben wird.

Ausgerechnet die Ernennung von J. D. Vance als Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten verkompliziert jedoch die Lage. Zwar war Vance für mehrere Jahre selbst als Wagniskapitalgeber im Silicon Valley tätig – er gehört aber in das Lager der "Make-America-Great-Again-Republikaner", welche die Marktdominanz der großen Tech-Unternehmen ebenfalls mit großer Skepsis sehen. Vance hatte Khans Arbeit bei der FTC in der Vergangenheit mehrmals gelobt.

Löwenanteil im Valley blau

Die Unsicherheit über die Technologiepolitik in einer möglichen zweiten Amtszeit von Trump dürfte ein Grund sein, warum das Silicon Valley mehrheitlich im demokratischen Lager von Kamala Harris verbleibt. Einige Großspender wie der LinkedIn-Mitbegründer Reid Hoffman werben jedoch auch bei Kamala Harris offen dafür, dass sie im Fall eines Sieges Khan bei der FTC ersetzt.

Selbst äußert sich die Präsidentschaftskandidatin nicht zu der Personalie. Beobachter rechnen aber fest damit, dass Khan ihre Position unter Harris behalten würde. Dennoch könnte es mit einer US-Präsidentin Kamala Harris zu einer Neujustierung in der Wettbewerbspolitik kommen. 

Aufgewachsen in San Francisco, ist Harris sehr gut im Tech-Sektor vernetzt und gilt als große Unterstützerin von Innovation. In ihrem Wahlprogramm verspricht sie beispielsweise 100 Milliarden US$ für neue Steuervergünstigungen zur Förderung von Technologien wie KI und Quantencomputing. Eine freundlichere Politik bei M&A-Deals dürfte unter Harris aber nur nuanciert ausfallen.

Unterschiede bei KI-Regulierungspolitik

Deutliche Unterschiede zwischen den Kandidaten gibt es bei der Regulierung von KI. Den Aufschlag machte US-Präsident Biden mit einer im Oktober 2023 erlassenen Executive Order, welche die "sichere, vertrauenswürdige und verantwortungsvolle Entwicklung und Nutzung von KI" gewährleisten soll. So müssen KI-Entwickler verlässliche Testverfahren für die Sicherheit ihrer Systeme entwickeln. In Bereichen, die beispielsweise die öffentliche Sicherheit oder Gesundheit betreffen, müssen die Testresultate der US-Regierung offengelegt werden.

Als US-Präsidentin würde Kamala Harris diesen regulatorischen Ansatz fortführen, beispielsweise durch den Aufbau eines "AI Safety Institute", welches Sicherheitsstandards für KI entwickeln soll. Auch der stärkere Schutz von persönlichen Daten würde im Mittelpunkt stehen. Donald Trump betrachtet die unter Biden erlassenen Regeln hingegen als innovationsfeindlich und kündigte an, die Exuctive Order im Fall eines Wahlsieges zurückzunehmen. Stattdessen will Trump den Grundsatz der "freien Meinungsäußerung" bei der KI-Entwicklung stärken. Dies kann als Codewort für eine weitgehende Deregulierung gesehen werden, beispielsweise in Bezug auf Vorgaben zur algoritmischen Diskriminierung.

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