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Photonik in den USA erschließt neue Märkte
Produkte der Photonik profitieren von Wachstumsbranchen wie Medizintechnik, Halbleiterindustrie und autonomem Fahren. Auch künstliche Intelligenz lässt neue Absatzfelder entstehen.
20.12.2024
Von Heiko Stumpf | San Francisco
Die Photonik erlebt in den USA buchstäblich das Beste aus zwei Welten: Etablierte Absatzmärkte wachsen deutlich, während sich gleichzeitig vielversprechende neue Geschäftsfelder eröffnen. Die Marktforscher von Mordor Intelligence schätzen, dass das Marktvolumen von 2024 bis 2029 von 152,5 Milliarden auf 192 Milliarden US-Dollar (US$) steigt.
Medizinsektor ist Nachfragegarant
Zu den wichtigsten Abnehmerbranchen für Photonik gehört traditionell die Medizintechnik. Der Behandlungsbedarf steigt in den USA aufgrund einer alternden Bevölkerung und der zunehmenden Verbreitung von chronischen Krankheiten. Insbesondere im ambulanten Bereich werden die Kapazitäten ausgebaut. "Die ambulant durchgeführten Operationen nehmen bis 2034 um 19 Prozent auf insgesamt 115 Millionen Eingriffe zu", prognostiziert Torie Richie von Sg2, einem auf Gesundheitsmarktforschung spezialisierten Unternehmen.
Ambulante Eingriffe erfordern häufig minimalinvasive Techniken, bei denen photonische Verfahren wie Laserchirurgie oder Endoskopie zum Einsatz kommen. Auch die diagnostische Bildgebung wie optische Kohärenztomografie (OCT) oder Laser-Scanning-Mikroskopie sind für schnelle und präzise Diagnosen im ambulanten Bereich wichtig. Ursprünglich für die Augenheilkunde entwickelt, findet OCT verstärkt auch in anderen Fachgebieten Anwendung, beispielsweise in der Kardiologie und der Dermatologie.
Ohnehin ist die Augenheilkunde ein Bereich, der besonders stark durch photonische Verfahren geprägt ist. Laut Fitch Solutions wächst die Nachfrage nach ophthalmologischen Instrumenten bis 2028 auf 6,2 Milliarden US$ an, was einem Plus von 5,8 Prozent pro Jahr entspricht.
Reindustrialisierung kommt auch der Photonik zugute
Angetrieben durch Förderprogramme wie den Chips and Science Act sowie den Trend zum "Reshoring", erleben die USA eine Phase der Reindustrialisierung. Die drohenden handelspolitischen Konflikte während der zweiten Amtszeit von Donald Trump könnten diesen Prozess verstärken. Davon profitiert insbesondere die Lasermaterialbearbeitung. Techniken wie 3D-Druck ermöglichen es, Bauteile lokal zu fertigen und Lieferketten zu verkürzen. Der US-Markt für additive Fertigung wächst laut Precedence Research dynamisch: Ausgehend von einem Umsatz von 5,5 Milliarden US$ im Jahr 2023 erwarten die Marktforscher für 2024 und 2025 ein durchschnittliches Wachstum von 20,5 Prozent.
In der Verteidigungsindustrie wollen die USA im Rahmen der Anfang 2024 verabschiedeten National Defense Industrial Strategy (NDIS) kritische Fertigungskapazitäten ins Land zurückholen. Davon werden neben Lasern auch optische Sensorsysteme profitieren. Die Herstellung von Halbleitern in den USA wird sich nach Prognosen der Semiconductor Industry Association (SIA) bis 2032 mehr als verdreifachen und eine Kapazität von knapp 3,4 Millionen Wafer-Starts pro Monat erreichen. Neben der klassischen Fotolithographie basieren in der Halbleiterbranche auch Messverfahren sowie die Inspektion und Fehlererkennung auf Photonik.
Auch durch die Elektromobilität erhöht sich die Nachfrage. Die Herstellung von Elektroautos und Batterien erfordert hochpräzise Lasertechnologien, insbesondere für das Schneiden und Schweißen von Materialien. Aufgrund einer enttäuschenden Nachfrageentwicklung und politischer Unsicherheit nach dem Wahlsieg von Donald Trump ist die Stimmung im Sektor derzeit zwar gedämpft, dennoch könnten in den USA bis 2027 jährliche Produktionskapazitäten für 5,8 Millionen Elektroautos entstehen. Bei der Batteriezellfertigung wird bis 2028 eine Kapazität von 1.164 Gigawattstunden erwartet.
Autonome Fahrzeugflotten erobern die Städte
Die Automobilindustrie sorgt auch dafür, dass neue Geschäftsfelder für Photonik entstehen. In den ersten US-Städten nehmen autonome Robotaxiflotten ihren Betrieb auf, wobei photonische Technologien wie LiDAR, Kameras und Radarsysteme eine zentrale Rolle für die sichere Navigation und den zuverlässigen Betrieb spielen.
Waymo bietet bereits kommerzielle Fahrten in San Francisco und Los Angeles an. Im Oktober 2024 sammelte das Unternehmen 5,6 Milliarden US$ an frischem Kapital für die weitere Expansion ein. Das zu Amazon gehörende Unternehmen Zoox will 2025 den kommerziellen Betrieb in Las Vegas aufnehmen. Auch Uber und Lyft arbeiten daran, autonome Fahrzeuge in ihre Flotten zu integrieren. Tesla will ab 2027 ein eigenes Robotaxi vom Band laufen lassen.
SITC-Position | Produkt | Einfuhr 2023 | Einfuhr aus Deutschland 2023 | Anteil Deutschlands an der Einfuhr 2023 (in %) |
---|---|---|---|---|
731.11 | Laser-, Licht- oder andere Photonenstrahlwerkzeuge | 788,5 | 159,0 | 20,2 |
773.18 | Kabel aus optischen Fasern | 2.272 | 37,1 | 1,6 |
774.13 | Ultraviolett- oder Infrarotbestrahlungsgeräte | 164,4 | 17,8 | 10,8 |
774.2 | Röntgenapparate und Geräte | 4.551 | 1.477 | 32,5 |
776.37 | lichtempfindliche Halbleiterbauelemente | 21.096 | 128,2 | 0,6 |
871.41 | Stereomikroskope | 157,8 | 99,2 | 62,9 |
871.43 | andere Mikroskope für Mikrofotografie | 12,1 | 1,4 | 11,6 |
871.45 | andere Mikroskope | 254,1 | 99,7 | 39,2 |
871.92 | Laser (ausgenommen Laserdioden) | 1.028 | 385,5 | 37,5 |
871.99 | Teile und Zubehör von LCD | 350,8 | 107,8 | 30,7 |
872.29 | andere Instrumente, Apparate und Geräte der Elektrodiagnose | 19.219 | 1.851 | 9,6 |
874.13 | Instrumente, Apparate und Geräte für die Geodäsie, Meteorologie und Geophysik | 1.259 | 156,4 | 12,4 |
874.43 | Spektrometer, Spektrofotometer und Spektrografen | 659,7 | 135,8 | 20,6 |
874.45 | andere Instrumente, Apparate und Geräte, die optische Strahlen verwenden | 1.607 | 185,8 | 11,6 |
884.19 | optische Fasern und Bündel und Kabel aus optischen Fasern | 878,2 | 128,4 | 14,6 |
Photonik hält Einzug in die Rechenzentren
Big-Tech-Unternehmen wie Google und Microsoft tätigen Rekordinvestitionen in künstliche Intelligenz und lassen die Nachfrage nach Rechenleistung in Data-Centern explodieren. Eine Anfrage bei einem Sprachmodell wie ChatGPT benötigt im Vergleich zu einer einfachen Google-Suche etwa das Zehnfache an Energie und Rechenleistung. Bis 2030 könnten Rechenzentren bis zu 9 Prozent des gesamten Stromverbrauchs in den USA ausmachen – eine deutliche Steigerung gegenüber dem aktuellen Anteil von 4 Prozent.
Photonik gilt als Schlüsseltechnologie, um Rechenzentren leistungsfähiger und effizienter zu machen. Die Datenübertragung mittels Licht bietet nicht nur deutlich höhere Bandbreiten und Geschwindigkeiten als elektrische Signale, sondern sie zeichnet sich auch durch einen erheblich geringeren Energieverbrauch aus. Bislang beschränkt sich die Anwendung jedoch auf Fälle, in denen größere Entfernungen überbrückt werden müssen, wie etwa in Glasfaserkabeln zwischen Rechenzentren oder in optischen Verbindungen zwischen Server-Racks.
Ein Grund liegt darin, dass photonische Bauteile bislang noch nicht in gleichem Maß wie elektronische Teile miniaturisiert werden können. Dies ändert sich jedoch mit der Silizium-Photonik. Diese ermöglicht, dass optische Bauteile wie Laserdioden und Wellenleiter in Mikrochips integriert werden. Dadurch entsteht in den USA ein gewaltiger Wachstumsmarkt, der jährlich um etwa 25 Prozent zunehmen und bis 2030 ein Volumen von 3,4 Milliarden US$ erreichen soll.
Photonik vs. Elektronik im Rechenzentrum
Die Datenübertragung in Rechenzentren wird heute größtenteils durch elektrische Signale über Kupferdrähte realisiert. Diese bewährte Technologie dominiert den Großteil der internen Kommunikation innerhalb von Server-Racks und zwischen den einzelnen Komponenten wie Leiterplatten und Mikrochips.
Durch den wachsenden Rechenbedarf der künstlichen Intelligenz stößt die Elektronik jedoch an ihre Grenzen.
- Limitierte Bandbreiten: Elektrische Verbindungen über Kupferdrähte leiden unter Signalverlusten und elektromagnetischen Störungen. Dies begrenzt die maximale Übertragungsgeschwindigkeit und führt zu Engpässen.
- Hoher Energieverbrauch: Elektrische Systeme erzeugen Wärme, die abgeführt werden muss. Dies verursacht einen hohen Energiebedarf für Kühlsysteme.
Hier kommt die Photonik ins Spiel. Die elektrische Datenübertragung wird in Zukunft immer stärker durch photonische Technologien ersetzt. Durch sogenannte Co-packaged-Optics wird es beispielsweise möglich, optische Bauteile im Chipgehäuse zu integrieren, was eine schnellere Datenübertragung zwischen Prozessoren ermöglicht. Sich in Entwicklung befindliche On-Chip-Technologien integrieren Photonik direkt auf dem Mikrochip, wodurch hybride Chips entstehen, bei denen die Berechnung elektronisch und die Übertragung optisch erfolgt.
Am Ende der Entwicklung stehen vollständig photonische Chips. Einen Meilenstein setzte das deutsche Unternehmen Q.ANT, welches im November 2024 den ersten kommerziellen Photonik-Prozessor einführte, der komplexe, nicht-lineare Rechenoperationen mit Licht statt mit Elektronen ausführt. Experten schätzen, dass photonische Chips in Zukunft eine tausendfach höhere Rechengeschwindigkeit erreichen könnten als unsere heutigen elektronischen.