Einigkeit besteht bei dem Ziel, die Kosten für Arzneimittel zu senken. Beim Zugang zur privaten Krankenversicherung gehen die Vorstellungen der Parteien jedoch auseinander.
Im Vergleich zu früheren Wahlkämpfen steht die Gesundheitspolitik im Jahr 2024 deutlich weniger im Fokus. Zumindest wenn das große Streitthema Abtreibung ausgeklammert wird. Sowohl die Demokraten als auch die Republikaner setzen sich für niedrigere Medikamentenpreise ein. Im Vergleich zum OECD-Durchschnitt sind die Arzneimittelpreise in den USA fast dreimal so hoch. Auch weil es im Unterschied zu Deutschland keine Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente gibt.
Beide Parteien für billigere Medikamente
Die Ansätze, um dieses Ziel zu erreichen, unterscheiden sich jedoch erheblich. Kamala Harris will im Fall eines Wahlsieges den Weg der Biden-Regierung weitergehen. Durch den Inflation Reduction Act (IRA) werden erstmals verbindliche Preisverhandlungen für Arzneimittel im staatlichen System Medicare eingeführt, das für die Versorgung älterer Menschen zuständig ist. Für die ersten zehn Pharmazeutika (außerhalb des Patentexklusivitätsrechts) mit den höchsten Kosten sollen die Preisvorgaben bereits ab 2026 greifen.
Die bisherigen Pläne sehen vor, dass es in den Jahren 2027 und 2028 für jeweils 15 weitere Arzneimittel Verhandlungen geben wird. Ab 2029 sollen es 20 sein. Kamala Harris will aber noch mehr: Demnach soll künftig pro Jahr über die Preise von mindestens 50 Medikamenten verhandelt werden.
Stärkerer Druck
Falls sie gewählt wird, will Kamala Harris auch die Maßnahmen der Wettbewerbsbehörde Federal Trade Commission (FTC) gegen die Pharmacy Benefit Manager (PBM) fortsetzen. Bei den PBM handelt es sich um Mittelsmänner, die im Namen von privaten Krankenversicherungen mit den Herstellern über die Medikamentenpreise verhandeln. Mit Positiv- und Ausschlusslisten legen die PBM zudem fest, für welche Medikamente die Kosten erstattet werden.
Die Wettbewerbsbehörde FTC wirft den PBM unlautere Praktiken vor, weil günstige Medikamente systematisch aus den Listen der bevorzugten Arzneimittel ausgeschlossen werden. Dadurch müssen Patienten höhere Kosten tragen. Zusätzlich wird kritisiert, dass die PBM ihre Marktmacht nutzen, um unabhängige Apotheken aus dem Geschäft zu drängen.
Programm der Republikaner ist vage
Donald Trump schien hingegen lange daran anknüpfen zu wollen, wo er beim letzten Mal aufgehört hat. Schon während seiner ersten Amtszeit hatte er den Kampf gegen hohe Medikamentenpreise zum Thema gemacht. Zu den auf den Weg gebrachten Maßnahmen gehörte das Most-Favoured-Nation-Modell, welches internationale Referenzpreise vorsieht. Dazu würde Medicare die Preise von Medikamenten in mehreren Ländern vergleichen, die ähnliche wirtschaftliche Voraussetzungen aufweisen wie die USA. Der Preis, den Medicare für ein bestimmtes Medikament zahlt, wird auf den niedrigsten Preis begrenzt, der in einem der Vergleichsländer verlangt wird.
Die Umsetzung scheiterte jedoch am Widerstand der Pharmaindustrie, welche die Regeln durch gerichtliche Verfahren blockieren konnte. Im Wahlkampf kündigte Trump aber an, diese Ansätze bei einer Rückkehr ins Weiße Haus wieder aufzugreifen. Wenige Wochen vor der Wahl scheint sich jedoch eine Kehrtwende zu vollziehen. Anfang Oktober 2024 nahm die Trump-Kampagne ihre Videos, welche das Most-Favoured-Nation-Model bewerben, aus dem Netz. Es bleibt daher unklar, welche konkreten Schritte Donald Trump in einer möglichen zweiten Amtszeit unternehmen würde, um die Arzneimittelpreise zu senken.
Obamacare als Spielball
Auch der 2010 unter Barack Obama verabschiedete Affordable Care Act (ACA) wird die amerikanische Politik weiter beschäftigen. Er erleichtert den Zugang zu einer privaten Krankenversicherung, indem Haushalte mit niedrigen Einkommen unterstützt werden durch Steuergutschriften, welche die Beiträge erschwinglich machen.
Kamala Harris will den ACA stärken und ausbauen. Im Rahmen der Coronahilfen hatte die Biden-Regierung die Unterstützung bereits deutlich erweitert. So werden durch den American Rescue Plan die gewährten Zuschüsse und Einkommensgrenzen großzügiger ausgestaltet. Nach den Plänen von Harris sollen diese bis 2025 befristeten Maßnahmen weiter bestehen bleiben.
In der Gesundheitswirtschaft stößt der Vorschlag auf Zustimmung. Denn dank der erweiterten Unterstützung stieg die Zahl der Amerikaner, die sich mithilfe des ACA eine Privatversicherung leisten können, von 2021 bis 2024 von 12 Millionen auf über 21 Millionen an. Dies kommt auch der Nachfrage nach privaten Gesundheitsdienstleistungen zugute. Wovon wiederum die Nachfrage nach medizintechnischer Ausstattung und Medikamenten profitiert.
Keine ACA-Abschaffung
Donald Trump und die Republikaner argumentieren hingegen, der ACA sei ineffektiv und teuer, weshalb sie einer Ausweitung ablehnend gegenüberstehen. Im Gegensatz zu früher enthält die offizielle republikanische Wahlkampfplattform jedoch keine explizite Forderung mehr, den ACA abzuschaffen.
Dennoch betont Trump weiterhin, dass er den ACA nach Möglichkeit durch alternative Modelle ersetzen will. Details nannte er bislang nicht. Während des Fernsehduells mit Harris sagte Trump lediglich, er habe Konzepte eines Plans, um Obamacare zu ersetzen. In der Vergangenheit konzentrierten sich die Republikaner darauf, private Krankenversicherungen zu deregulieren, um beispielsweise kurzfristige Krankenversicherungspläne zu erleichtern. Sollte Trump die Wahl gewinnen, dürfte es neue Versuche geben, die amerikanische Krankenversicherungslandschaft umzupflügen.
Von Heiko Stumpf
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San Francisco