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Spezial | USA | Präsidentschaftswahl 2024

Endspurt in den USA: Was erwartet die Wirtschaft nach der Wahl?

Einige Branchen blicken mit besonderer Spannung auf die Wahl. Denn Harris und Trump verfolgen teils sehr unterschiedliche Ziele. Eine GTAI-Analyse zu den Aussichten wichtiger Branchen.

Demokraten und Republikaner haben sich in den vergangenen Jahren in der Wirtschafts- und Handelspolitik stark angenähert. Nach den Präsidentschaftswahlen sind daher keine Quantensprünge zu erwarten: Beide Parteien setzen auf Protektionismus und die Stärkung der heimischen Industrie. Auch die milliardenschweren Konjunkturprogramme laufen weiter und werden die Verschuldung in immer neue Höhen treiben. 

Für einige Branchen macht es jedoch einen großen Unterschied, ob Harris oder Trump die Präsidentschaftswahl gewinnt. Vor allem die Chemieindustrie blickt gespannt auf den 5. November, denn beide Kandidaten verfolgen gegensätzliche Ziele bei der Umweltgesetzgebung. Auch bei den Themen Elektromobilität, künstliche Intelligenz und Gesundheitspolitik gibt es unterschiedliche Vorstellungen.

  • Wirtschaftspolitik: Auf welche Maßnahmen setzen die Kandidaten?

    In der Wirtschafts- und Handelspolitik unterscheiden sich Trump und Harris kaum. Nur die Instrumente werden andere sein. GTAI stellt sie gegenüber.

    Donald Trump hatte den Weg des Protektionismus eingeschlagen. Joe Biden hat diesen Kurs fortgesetzt – und Trump 2024 mit hohen Steuern auf Importe aus China rechts überholt. Beide Parteien, sowohl die Republikaner als auch die Demokraten, werden die heimische Industrie weiter vor ausländischer Konkurrenz schützen, wenn auch mit unterschiedlichen Instrumenten.

    Trump setzt weiterhin auf Zölle. Das ist einerseits medienwirksamer, andererseits generieren sie Einnahmen. Sie kommen einer versteckten Steuer gleich, denn letztendlich müssen die US-Konsumenten und -Unternehmen die Zeche zahlen. Die USA importieren vor allem solche Produkte, die sie nicht herstellen können oder wollen. Zollerhöhungen haben einen weiteren unschönen Effekt: Sie können auf der Gegenseite zu entsprechenden Anhebungen führen und damit einen langwierigen Handelskonflikt in Gang setzen. 

    Local-Content als perfides Instrument

    Joe Biden wusste dies geschickt zu umgehen: Er setzte im Rahmen seiner großen Konjunkturprogramme – dem Infrastructure Investment und Jobs Act, dem Inflation Reduction Act (IRA) und dem Chips and Science Act – auf lokale Wertschöpfungsquoten ("local content"). Dabei handelt es sich um ein besonders perfides Instrument aus dem Werkzeugkasten der nicht tarifären Handelshemmnisse. Sie beschränken den Außenhandel nicht direkt, sodass die Gegenseite nicht immer reagieren kann. Harris dürfte an dieser Politik festhalten, könnte aber zusätzlich Zölle auf chinesische Waren verhängen.

    IRA und andere Konjunkturprogramme treiben Schulden in die Höhe

    Die enormen Ausgabenprogramme werden den Handlungsspielraum der künftigen Regierung erheblich einschränken. Der IRA etwa läuft bis Ende 2031 und ist nicht gedeckelt. Bereits jetzt führt er zu enormen Einnahmeausfällen. Fast 30 Prozent der laufenden Staatsausgaben müssen die USA mit neuen Schulden finanzieren, mit der Folge, dass die öffentlichen Finanzen aus dem Ruder laufen. Und die Ausgaben werden in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter steigen: Kamala Harris kündigte zusätzliche Hilfen für potenzielle Hauskäufer und Kleinstunternehmen an. Auch Trump setzt auf die Parole "Mach den Hauskauf wieder möglich".

    Könnte Donald Trump den IRA außer Kraft setzen?

    Donald Trump hat sich wiederholt skeptisch über Bidens Klimapolitik geäußert, deren Kernstück der IRA ist. Könnte Trump also im Falle eines Wahlsieges den IRA außer Kraft setzen? Dafür müsste er eine komfortable Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat erringen. Beide Kammern werden am 5. November 2024 komplett beziehungsweise zu einem Drittel neu gewählt. Nur im Repräsentantenhaus verfügen die Republikaner derzeit über eine hauchdünne Mehrheit, die sie bislang nicht ausspielen konnten, da es immer wieder Abweichler gibt.

    Deren Zahl dürfte bei einer geplanten Abschaffung des IRA noch steigen, da Analysten zufolge republikanisch geführte Bundesstaaten überdurchschnittlich von dem Förderprogramm profitieren. Texas beispielsweise hat sich zum Vorreiter bei regenerativen Energien gemausert. Rein theoretisch könnte Trump die Verwaltungseinheiten, die IRA-Steuergutschriften erteilen, personell ausdünnen und somit einen Antragsstau verursachen. Um auch hier nicht auf zu starken Widerstand seiner Parteifreunde zu treffen, könnte er diese Verzögerungstaktik in sehr kleinen Dosen verabreichen.

    Zu erwartende Maßnahmen im Fall eines Sieges von:
    PolitikfeldDonald TrumpKamala Harris
    HandelspolitikZölle von 10 bis 20 Prozent auf alle Importe; ggf. sektorale Zölle, um Länder wie Deutschland zu treffen; höhere Zölle auf Importe aus China Beibehaltung der bisherigen Politik; ggf. zusätzliche Zölle auf chinesische Waren
    HaushaltspolitikImportzölle verbessern die HaushaltslageAusgabenprogramme verschlimmern die Haushaltslage
    allgemeine WirtschaftspolitikDeregulierungkeine Änderung zu erwarten
    GesundheitspolitikVerringerung der staatlichen LeistungenAusbau der staatlichen Leistungen
    ArbeitsmarktpolitikVerringerung der Immigration, Fachkräftemangel verstärkt sichkeine nennenswerte Änderung zur Vorgängerregierung zu erwarten
    Energie- und KlimaschutzpolitikStärkere Förderung von Kohle, Gas und Öl; geringere Förderung von erneuerbaren Energien und der ElektromobilitätFortsetzung der bisherigen Klimaschutzpolitik

     

    Von Roland Rohde | Washington, D.C.

  • Chemische Industrie in den USA am Scheideweg

    Der Chemiesektor steht vor einer Richtungswahl in Sachen Umweltregulierung. Die Demokraten setzen sich für strengere Regeln ein, Trump will die Vorschriften weitgehend lockern.

    Im Falle eines Wahlsieges wollen Kamala Harris und Donald Trump die Chemiebranche in völlig gegensätzliche Richtungen führen. Deshalb blickt der Sektor mit großer Anspannung auf die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen, denn die sich ergebenden regulatorischen Unsicherheiten sind erheblich.

    Harris-Sieg wäre Rückenstärkung für Umweltschutzbehörde

    Für Kamala Harris gilt einmal mehr, dass sie den bidenschen Kurs fortsetzen würde. Wie kaum eine US-Regierung zuvor schrieb sich die Biden-Administration den Klima- und Umweltschutz auf die Fahnen – mit einer Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche. Zum einen hat sie milliardenschwere Anreizprogramme wie den Inflation Reduction Act auf den Weg gebracht, welche Subventionen für klimafreundliche Technologien bereitstellen.

    Zum anderen hat auch die Umweltschutzbehörde Environmental Protection Agency (EPA) zahlreiche neue Richtlinien für Klimaschutz, Luftqualität und Wasserreinhaltung erlassen. Dazu zählen strengere Grenzwerte für Treibhausgasemissionen von Fahrzeugen und Kraftwerken sowie die Einführung neuer Standards für weniger Methanemissionen in der Öl- und Gasindustrie.

    Als US-Präsidentin dürfte Harris das Mandat der EPA weiter stärken. Konkrete Auswirkungen hätte dies beispielsweise für per- und polyfluorierte Chemikalien (PFAS). Diese Gruppe umfasst rund 15.000 Substanzen, die sehr hitzebeständig sowie wasser-, fett- und schmutzabweisend sind. Aufgrund ihrer Eigenschaften werden PFAS zur Oberflächenbehandlung von Metallen und Kunststoffen, in Pflanzenschutz- sowie Feuerlöschmitteln verwendet. Auch in Verbraucherprodukten wie Kosmetika kommen sie zum Einsatz.

    Toxische Beständigkeit

    Besonders stechen die PFAS jedoch durch ihre Langlebigkeit hervor, weshalb sie auch als Ewigkeitschemikalien bezeichnet werden. Dadurch reichern sich die Stoffe in der Umwelt – und schließlich auch im menschlichen Körper an. Trotz ihrer toxischen Eigenschaften waren PFAS in den USA auf Bundesebene bislang kaum reguliert. Unter Joe Biden hat die EPA jedoch erste Maßnahmen ergriffen, wie etwa die Einführung verbindlicher Grenzwerte für Trinkwasser. Eine Harris-Walz-Regierung dürfte die strengere Regulierung von PFAS fortsetzen, unter anderem durch Vorgaben zu PFAS-Werten in der Luft und in Lebensmitteln.

    Vor allem Harris' bisherige Erfolge und Erfahrungen sprechen dafür. Bereits während ihrer Amtszeit als Generalstaatsanwältin in Kalifornien hatte sie sich einen guten Ruf in Sachen Umweltschutz erarbeitet. Sie führte Klagen gegen Ölkonzerne wegen Verstößen gegen Umweltschutzvorschriften und beteiligte sich an Initiativen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen.

    Chemiebranche beklagt Überregulierung

    Der chemischen Industrie gehen die EPA-Maßnahmen jedoch zu weit. Insbesondere der American Chemistry Council (ACC) beklagt eine Überregulierung durch die Regierung in Washington, D.C. Durch die verursachten Kosten sieht der Branchenverband die Wettbewerbsfähigkeit der Chemieindustrie in den USA gefährdet. Gemäß einer bereits im September 2023 veröffentlichten Studie des ACC würden bis zu diesem Zeitpunkt vorgeschlagene Richtlinien der EPA jährliche Mehrkosten von etwa 7 Milliarden US-Dollar verursachen.

    Laut Umfragen des ACC empfinden zwei Drittel der Unternehmen die bestehenden regulatorischen Hürden als Belastung für ihre Geschäftstätigkeit. Rund 70 Prozent geben an, dass sie neue Chemikalien aufgrund rechtlicher Unsicherheit außerhalb der USA auf den Markt gebracht haben. Andere Stimmen stoßen in eine ähnliche Richtung. "Unter Präsident Joe Biden haben wir wahrscheinlich das herausforderndste regulatorische Umfeld, das unsere Branche je gesehen hat“, sagte der Präsident der Alliance for Chemical Distribution, Eric Byer, im Fachmagazin Chemistry World.

    Widerstände in der Industrie sorgen auch dafür, dass eine Regierung Harris zunächst viel Energie dafür aufbringen müsste, die unter Biden auf den Weg gebrachten EPA-Richtlinien vor Gericht zu verteidigen. Mit einer Vielzahl von Prozessen versucht die Branche, die strengeren Umweltvorschriften zu Fall zu bringen. Klagen gegen rund 18 maßgebliche Klima- und Umweltrichtlinien der EPA sind derzeit vor US-Gerichten anhängig.

    Trump verspricht regulatorischen Kahlschlag

    Zumindest Teile der Industrie könnten sich deshalb auch mit einer zweiten Amtszeit von Donald Trump anfreunden. Im Vergleich mit den Demokraten könnte dessen Programm kaum konträrer sein; es sieht eine großangelegte Deregulierung sowie die Förderung von fossilen Energieträgern vor. Der Begriff Klimaschutz taucht im Positionspapier der Republikaner nicht auf.

    Pläne zur Rücknahme von EPA-Richtlinien dürfte eine mögliche Trump-Administration bereits in den ersten Tagen bekanntgeben – ebenso wie eine Ausweitung der Vergabe von Öl- und Gasförderlizenzen. Bereits während der ersten Regierungszeit von Trump wurden etwa 100 Umweltvorschriften der EPA zurückgenommen oder abgeschwächt.

    Bürokratieabbau à la Trump

    Dies war Teil der allgemeinen 2:1-Deregulierungsagenda, wonach für jede neue Vorschrift zwei bestehende aufgehoben werden mussten. Im Wahlkampf 2024 wirbt Trump sogar damit, für jede neue Regel zehn bestehende Vorschriften eliminieren zu wollen. Umweltschützer befürchten, dass er auch versuchen könnte, die EPA tiefgreifend umzubauen und zu schwächen, beispielsweise durch politische Personalbesetzungen, Budgetkürzungen oder Kompetenzbeschneidungen.

    In jedem Fall ist bei einer zweiten Präsidentschaft von Trump mit einer Zunahme von Rechtsstreitigkeiten zu rechnen. Denn Umweltverbände bereiten sich bereits vor, etwaige Maßnahmen zur Schwächung der EPA anzufechten. In der Vergangenheit waren sie damit bereits erfolgreich: Die Verbände hatten in der ersten Amtszeit Trumps rund 57 Prozent der umweltrechtlichen Klagen gegen die Bundesregierung gewonnen, so das Institute of Policy Integrity der New York University.

    Von Heiko Stumpf | San Francisco

  • E-Mobilität: Bei Sieg von Trump beginnen turbulente Zeiten

    Der Kfz-Markt wächst langsamer, insbesondere bei Elektroautos ist der Anstieg gebremst. GTAI hat Szenarien entwickelt, wie es nach der Wahl am 5. November weitergehen könnte.

    Die Biden-Regierung hat die Weichen für die Elektromobilität gestellt. Der Inflation Reduction Act (IRA) gewährt Verbrauchern Steuergutschriften für den Neukauf von E-Autos und Hersteller können Vergünstigungen in Anspruch nehmen. Nach Angaben des US-Energieministeriums (Department of Energy) wurden bereits mehr als 250 Milliarden US-Dollar in die Wertschöpfungskette von E-Fahrzeugen und Batterien investiert. Bei der US-Wahl steht also viel auf dem Spiel. Germany Trade & Invest (GTAI) hat durchgespielt, was auf die Branche zukommt, je nachdem wer die Wahl gewinnt – Kamala Harris oder Donald Trump.

    Szenario für Kamala Harris: Die Fortsetzung des eingeschlagenen Weges

    Für den Fall eines Wahlsieges von Bidens Vize gibt es zumindest eine Gewissheit: Große Überraschungen sind nicht zu erwarten. Die Unterschiede zwischen Kamala Harris und dem amtierenden Präsidenten im Bereich der Elektromobilität sind minimal. Eine Amtszeit von Kamala Harris würde in erster Linie die vollständige Umsetzung des IRA und die Ausschüttung der bereitgestellten Mittel bedeuten. Dadurch würden die USA Fortschritte beim Aufbau einer eigenen Wertschöpfungskette für Batterien machen – und unabhängiger von China.

    Unsicherheitsfaktor "Chevron-Doktrin"

    Auch unter Präsidentin Harris würden rechtliche Unsicherheiten bestehen, da der Supreme Court im Juni 2024 die Chevron-Doktrin aufgehoben hat. Diese gewährte Regierungsbehörden bislang Spielraum bei der Interpretation unklarer Gesetze. Nun liegt die Kompetenz bei den Gerichten, was zu mehr Rechtsstreitigkeiten führen könnte. 

    Szenario für Donald Trump: Der Beginn von turbulenten Zeiten

    Aus seinen Vorbehalten gegenüber Elektroautos macht Donald Trump keinen Hehl. Regelmäßig erklärt der Präsidentschaftskandidat, das sogenannte "Electric Vehicle Mandate" stoppen zu wollen. Was damit genau gemeint ist, bleibt unklar, da es zwingende Vorgaben, die zum Kauf von Elektrofahrzeugen verpflichten, gar nicht gibt. Auch die Agenda 47, die offizielle Wahlkampfplattform der Trump-Kampagne, bleibt in Bezug auf die Elektromobilität vage.

    Um sich ein Bild von der Zukunft unter einem erneuten US-Präsidenten Trump zu machen, ist eine Analogie zum US-Sport hilfreich: Denn es gibt klar absehbare Felder oder "Playing Fields", auf denen Trump versuchen würde, den Weg in die Elektromobilität auszubremsen. Ebenso gibt es noch unklare Faktoren oder "Wild Cards", die erheblichen Einfluss darauf hätten, welche Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden könnten.

    Playing Field 1: Standards werden aufgeweicht

    Wie bereits in der ersten Amtszeit dürfte eine zweite Trump-Regierung versuchen, die Emissionsgrenzwerte für Fahrzeuge aufzuweichen. Das betrifft die Vorgaben der Umweltschutzbehörde EPA sowie die CAFE-Vorschriften (Corporate Average Fuel Economy) der Behörde für Straßen- und Fahrzeugsicherheit NHTSA. Da es sich in beiden Fällen um Rechtsvorschriften handelt, wäre dies durch einen normalen Normgebungsprozess möglich: ein Vorgang, der mehr als ein Jahr in Anspruch nehmen könnte.

    Playing Field 2: Kalifornien werden die Hände gebunden

    Der Westküstenstaat ist Vorreiter bei der Elektromobilität, insbesondere durch das Verbrennerverbot ab 2035. Ermöglicht wird der Alleingang Kaliforniens durch das Gesetz über saubere Luft (Clean Air Act). Dieses erlaubt es den Bundesstaaten, strengere Emissionsgrenzwerte als auf Bundesebene festzusetzen, um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. Eine Trump-Regierung dürfte erneut versuchen, diese Ausnahmen aufzuheben.

    Playing Field 3: Der IRA ist Attacken ausgesetzt

    Die Subventionen für grüne Technologien im Rahmen des IRA sind nicht nur Trump, sondern auch vielen anderen Republikanern ein Dorn im Auge. Ein zentrales Wahlkampfversprechen von Trump ist die Verlängerung der 2017 verabschiedeten Steuersenkungen, welche bis Ende 2025 befristet sind. Kürzungen beim IRA könnten hier zur Gegenfinanzierung dienen.

    Wild Card 1: Wer kontrolliert den Kongress?

    Im Gegensatz zu den Vorschriften der Umweltbehörde EPA hat der IRA Gesetzeskraft. Für eine Rücknahme oder wesentliche Änderungen wäre ein neues Gesetz im Kongress erforderlich, dem Senat und Repräsentantenhaus zustimmen müssten.

    Ohne eine Mehrheit in beiden Kammern müsste sich eine Trump-Regierung im Wesentlichen darauf beschränken, die vom US-Finanzministerium erlassenen Durchführungsvorschriften zu ändern: beispielsweise um den Zugang zu Steuergutschriften zu erschweren. Mittel könnten umgeschichtet werden. Auch die Auszahlung von Geld könnte verzögert werden. Rechtsstreite wären programmiert.

    Wild Card 2: Von Republikanern regierte Bundesstaaten profitieren

    Wie groß bei den Republikanern die tatsächliche Unterstützung für ein weitgehendes Kassieren des IRA wäre, bleibt offen. Denn insbesondere im Automobilsektor fließen viele der durch den IRA ausgelösten Investitionen in mehrheitlich republikanische Staaten wie North Carolina, South Carolina, Tennessee und Georgia. Nicht nur die Gouverneure, sondern auch die jeweiligen Abgeordneten im Kongress sind wegen der vielen Jobs daran interessiert, dass die Projekte verwirklicht werden.

    Von Heiko Stumpf | San Francisco

  • Politische Polarisierung erreicht US-Technologiesektor

    Bei Wagniskapitalgebern wächst die Unruhe, da eine strikte Kartellpolitik zunehmend die Geschäfte erschwert. Klare Positionen gibt es von den Kandidaten vor der Wahl aber nicht.

    Die Situation im US-Technologiesektor ist kompliziert. Die Zeiten, in denen insbesondere das Silicon Valley mehr oder weniger geschlossen hinter den Demokraten stand, sind vorbei. Stattdessen lief eine kleine, aber einflussreiche Gruppe an Tech-Investoren in das Lager von Donald Trump über. Dies beschränkt sich nicht mehr nur auf Elon Musk, sondern umfasst auch bekannte Risikokapitalgeber wie David Sacks, Ben Horowitz, Marc Andreessen und Peter Thiel.

    Wettbewerbsbehörde zieht Unmut auf sich

    Der Hauptgrund dafür, dass die Polarisierung nun auch auf den Technologiesektor überschwappt, ist in der kartellrechtlichen Politik der Biden-Administration zu sehen. Über viele Jahrzehnte hielten sich die US-Regierungen aus dem Feld der Merger & Aquisitions (M&A) weitgehend heraus. Unter Joe Biden vollzog sich dann jedoch ein entscheidender Kurswechsel. Dieser ist eng verbunden mit einer Personalie: Lina Khan.

    Nachdem sie 2021 zur Leiterin der Federal Trade Commission (FTC) aufstieg, machte Khan sich einen Namen als Wettbewerbshüterin. In ihrer Arbeit konzentriert sie sich auf die Bekämpfung monopolistischer Marktstrukturen und wettbewerbsfeindlicher Praktiken, insbesondere im Technologiesektor. Dem Ausbau der Marktmacht von Big Tech steht Khan deshalb sehr kritisch gegenüber. Stärker denn je versucht die FTC, die Übernahmegeschäfte großer Technologiefirmen zu blockieren, wie zum Beispiel NVIDIAs Schlucken des Chipherstellers Arm.

    Geldgeber besorgt

    Dies alarmiert insbesondere die Venture-Kapitalgeber im Silicon Valley. Denn Risikokapitalgeber investieren in der Regel mit dem Ziel, ihre Beteiligungen an Start-ups durch große Exits profitabel zu machen. So erfolgt der Ausstieg in rund 90 Prozent der Fälle in den USA mittlerweile dadurch, dass größere Tech-Unternehmen die Start-ups übernehmen. Klassische Börsengänge verlieren als Form des Exits hingegen an Bedeutung.

    Durch die harte Gangart der FTC wird es für die Investoren jedoch deutlich schwieriger, profitable Exits zu realisieren. Konkrete Auswirkungen hat dies beispielsweise im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI). Laut dem Analysehaus PitchBook haben Wagniskapitalgeber im Jahr 2023 insgesamt 64,6 Milliarden US-Dollar (US$) in amerikanische KI-Start-ups gesteckt. Im 1. Halbjahr 2024 waren es bereits 38,6 Milliarden US$. Wird es schwieriger, Renditen zu erzielen, könnte die Risikobereitschaft der Geldgeber in Zukunft nachlassen.

    Ähnliche Hoffnungen verbunden mit Trump und Harris

    Tech-Investoren, die in das Unterstützerlager von Donald Trump gewechselt sind, verbinden dies deshalb mit einer klaren Hoffnung: Im Fall eines Wahlsiegs soll er Lina Khan bei der FTC vor die Tür setzen. Dafür spricht, dass die unternehmensfreundliche Wahlkampf-Plattform von Donald Trump weniger Regulierung für neue Technologien in Aussicht stellt. Beispielsweise verspricht Trump eine Lockerung der Regeln für Kryptowährungen. Deshalb erwarten Analysten, dass es unter Trump auch wieder grünes Licht für Unternehmenszukäufe der großen Tech-Konzerne geben wird.

    Ausgerechnet die Ernennung von J. D. Vance als Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten verkompliziert jedoch die Lage. Zwar war Vance für mehrere Jahre selbst als Wagniskapitalgeber im Silicon Valley tätig – er gehört aber in das Lager der "Make-America-Great-Again-Republikaner", welche die Marktdominanz der großen Tech-Unternehmen ebenfalls mit großer Skepsis sehen. Vance hatte Khans Arbeit bei der FTC in der Vergangenheit mehrmals gelobt.

    Löwenanteil im Valley blau

    Die Unsicherheit über die Technologiepolitik in einer möglichen zweiten Amtszeit von Trump dürfte ein Grund sein, warum das Silicon Valley mehrheitlich im demokratischen Lager von Kamala Harris verbleibt. Einige Großspender wie der LinkedIn-Mitbegründer Reid Hoffman werben jedoch auch bei Kamala Harris offen dafür, dass sie im Fall eines Sieges Khan bei der FTC ersetzt.

    Selbst äußert sich die Präsidentschaftskandidatin nicht zu der Personalie. Beobachter rechnen aber fest damit, dass Khan ihre Position unter Harris behalten würde. Dennoch könnte es mit einer US-Präsidentin Kamala Harris zu einer Neujustierung in der Wettbewerbspolitik kommen. 

    Aufgewachsen in San Francisco, ist Harris sehr gut im Tech-Sektor vernetzt und gilt als große Unterstützerin von Innovation. In ihrem Wahlprogramm verspricht sie beispielsweise 100 Milliarden US$ für neue Steuervergünstigungen zur Förderung von Technologien wie KI und Quantencomputing. Eine freundlichere Politik bei M&A-Deals dürfte unter Harris aber nur nuanciert ausfallen.

    Unterschiede bei KI-Regulierungspolitik

    Deutliche Unterschiede zwischen den Kandidaten gibt es bei der Regulierung von KI. Den Aufschlag machte US-Präsident Biden mit einer im Oktober 2023 erlassenen Executive Order, welche die "sichere, vertrauenswürdige und verantwortungsvolle Entwicklung und Nutzung von KI" gewährleisten soll. So müssen KI-Entwickler verlässliche Testverfahren für die Sicherheit ihrer Systeme entwickeln. In Bereichen, die beispielsweise die öffentliche Sicherheit oder Gesundheit betreffen, müssen die Testresultate der US-Regierung offengelegt werden.

    Als US-Präsidentin würde Kamala Harris diesen regulatorischen Ansatz fortführen, beispielsweise durch den Aufbau eines "AI Safety Institute", welches Sicherheitsstandards für KI entwickeln soll. Auch der stärkere Schutz von persönlichen Daten würde im Mittelpunkt stehen. Donald Trump betrachtet die unter Biden erlassenen Regeln hingegen als innovationsfeindlich und kündigte an, die Exuctive Order im Fall eines Wahlsieges zurückzunehmen. Stattdessen will Trump den Grundsatz der "freien Meinungsäußerung" bei der KI-Entwicklung stärken. Dies kann als Codewort für eine weitgehende Deregulierung gesehen werden, beispielsweise in Bezug auf Vorgaben zur algoritmischen Diskriminierung.

    Von Heiko Stumpf | San Francisco

  • Gesundheitspolitik: Gemeinsamkeiten und Unterschiede

    Einigkeit besteht bei dem Ziel, die Kosten für Arzneimittel zu senken. Beim Zugang zur privaten Krankenversicherung gehen die Vorstellungen der Parteien jedoch auseinander.

    Im Vergleich zu früheren Wahlkämpfen steht die Gesundheitspolitik im Jahr 2024 deutlich weniger im Fokus. Zumindest wenn das große Streitthema Abtreibung ausgeklammert wird. Sowohl die Demokraten als auch die Republikaner setzen sich für niedrigere Medikamentenpreise ein. Im Vergleich zum OECD-Durchschnitt sind die Arzneimittelpreise in den USA fast dreimal so hoch. Auch weil es im Unterschied zu Deutschland keine Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente gibt.

    Beide Parteien für billigere Medikamente

    Die Ansätze, um dieses Ziel zu erreichen, unterscheiden sich jedoch erheblich. Kamala Harris will im Fall eines Wahlsieges den Weg der Biden-Regierung weitergehen. Durch den Inflation Reduction Act (IRA) werden erstmals verbindliche Preisverhandlungen für Arzneimittel im staatlichen System Medicare eingeführt, das für die Versorgung älterer Menschen zuständig ist. Für die ersten zehn Pharmazeutika (außerhalb des Patentexklusivitätsrechts) mit den höchsten Kosten sollen die Preisvorgaben bereits ab 2026 greifen.

    Die bisherigen Pläne sehen vor, dass es in den Jahren 2027 und 2028 für jeweils 15 weitere Arzneimittel Verhandlungen geben wird. Ab 2029 sollen es 20 sein. Kamala Harris will aber noch mehr: Demnach soll künftig pro Jahr über die Preise von mindestens 50 Medikamenten verhandelt werden.

    Stärkerer Druck

    Falls sie gewählt wird, will Kamala Harris auch die Maßnahmen der Wettbewerbsbehörde Federal Trade Commission (FTC) gegen die Pharmacy Benefit Manager (PBM) fortsetzen. Bei den PBM handelt es sich um Mittelsmänner, die im Namen von privaten Krankenversicherungen mit den Herstellern über die Medikamentenpreise verhandeln. Mit Positiv- und Ausschlusslisten legen die PBM zudem fest, für welche Medikamente die Kosten erstattet werden.

    Die Wettbewerbsbehörde FTC wirft den PBM unlautere Praktiken vor, weil günstige Medikamente systematisch aus den Listen der bevorzugten Arzneimittel ausgeschlossen werden. Dadurch müssen Patienten höhere Kosten tragen. Zusätzlich wird kritisiert, dass die PBM ihre Marktmacht nutzen, um unabhängige Apotheken aus dem Geschäft zu drängen.

    Programm der Republikaner ist vage

    Donald Trump schien hingegen lange daran anknüpfen zu wollen, wo er beim letzten Mal aufgehört hat. Schon während seiner ersten Amtszeit hatte er den Kampf gegen hohe Medikamentenpreise zum Thema gemacht. Zu den auf den Weg gebrachten Maßnahmen gehörte das Most-Favoured-Nation-Modell, welches internationale Referenzpreise vorsieht. Dazu würde Medicare die Preise von Medikamenten in mehreren Ländern vergleichen, die ähnliche wirtschaftliche Voraussetzungen aufweisen wie die USA. Der Preis, den Medicare für ein bestimmtes Medikament zahlt, wird auf den niedrigsten Preis begrenzt, der in einem der Vergleichsländer verlangt wird.

    Die Umsetzung scheiterte jedoch am Widerstand der Pharmaindustrie, welche die Regeln durch gerichtliche Verfahren blockieren konnte. Im Wahlkampf kündigte Trump aber an, diese Ansätze bei einer Rückkehr ins Weiße Haus wieder aufzugreifen. Wenige Wochen vor der Wahl scheint sich jedoch eine Kehrtwende zu vollziehen. Anfang Oktober 2024 nahm die Trump-Kampagne ihre Videos, welche das Most-Favoured-Nation-Model bewerben, aus dem Netz. Es bleibt daher unklar, welche konkreten Schritte Donald Trump in einer möglichen zweiten Amtszeit unternehmen würde, um die Arzneimittelpreise zu senken.

    Obamacare als Spielball

    Auch der 2010 unter Barack Obama verabschiedete Affordable Care Act (ACA) wird die amerikanische Politik weiter beschäftigen. Er erleichtert den Zugang zu einer privaten Krankenversicherung, indem Haushalte mit niedrigen Einkommen unterstützt werden durch Steuergutschriften, welche die Beiträge erschwinglich machen.

    Kamala Harris will den ACA stärken und ausbauen. Im Rahmen der Coronahilfen hatte die Biden-Regierung die Unterstützung bereits deutlich erweitert. So werden durch den American Rescue Plan die gewährten Zuschüsse und Einkommensgrenzen großzügiger ausgestaltet. Nach den Plänen von Harris sollen diese bis 2025 befristeten Maßnahmen weiter bestehen bleiben.

    In der Gesundheitswirtschaft stößt der Vorschlag auf Zustimmung. Denn dank der erweiterten Unterstützung stieg die Zahl der Amerikaner, die sich mithilfe des ACA eine Privatversicherung leisten können, von 2021 bis 2024 von 12 Millionen auf über 21 Millionen an. Dies kommt auch der Nachfrage nach privaten Gesundheitsdienstleistungen zugute. Wovon wiederum die Nachfrage nach medizintechnischer Ausstattung und Medikamenten profitiert.

    Keine ACA-Abschaffung

    Donald Trump und die Republikaner argumentieren hingegen, der ACA sei ineffektiv und teuer, weshalb sie einer Ausweitung ablehnend gegenüberstehen. Im Gegensatz zu früher enthält die offizielle republikanische Wahlkampfplattform jedoch keine explizite Forderung mehr, den ACA abzuschaffen.

    Dennoch betont Trump weiterhin, dass er den ACA nach Möglichkeit durch alternative Modelle ersetzen will. Details nannte er bislang nicht. Während des Fernsehduells mit Harris sagte Trump lediglich, er habe Konzepte eines Plans, um Obamacare zu ersetzen. In der Vergangenheit konzentrierten sich die Republikaner darauf, private Krankenversicherungen zu deregulieren, um beispielsweise kurzfristige Krankenversicherungspläne zu erleichtern. Sollte Trump die Wahl gewinnen, dürfte es neue Versuche geben, die amerikanische Krankenversicherungslandschaft umzupflügen.

    Von Heiko Stumpf | San Francisco

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