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Usbekistans Gesundheitsmarkt setzt auf ausländische Partner
Die Aufbruchstimmung in der Gesundheitswirtschaft Usbekistans ebbt nicht ab. Die Branche ist mehr denn je auf Kapital, Technik und Know-how aus dem Ausland angewiesen.
05.10.2023
Von Uwe Strohbach | Taschkent
Die usbekische Regierung will die medizinische Fürsorge auf ein neues qualitatives und quantitatives Niveau heben. Ohne Investitionskredite, Medizintechnik sowie wirtschaftliches und fachliches Know-how aus dem Ausland kann das Land die Herausforderungen beim Umbau seines Gesundheitssystems nicht stemmen. Ausländischen Firmen bietet sich somit ein vielfältiges Geschäftsfeld auf dem Gesundheitsmarkt des mit gut 36 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Landes Zentralasiens.
Die meisten Projekte sind auf viele Jahre angelegt und bilden eine solide Basis für langfristige Kooperationen. So können ausländische Unternehmen:
- Medizintechnik und Pharmaka liefern,
- sich am Bau von Krankenhäusern beteiligen,
- medizinische Dienste gewähren,
- an der Weiterbildung von Fachkräften mitwirken und
- die Digitalisierung im Gesundheitswesen unterstützen.
Markt für Medizintechnik dürfte sich in den nächsten Jahren verdoppeln
Branchenkenner erwarten, dass der jährliche Absatz von Medizintechnik bis 2028/2029 auf bis zu 1 Milliarde US-Dollar (US$) steigt, gegenüber circa 500 Millionen US$ im Jahr 2022. Importe prägen das Marktgeschehen. Die etwa 30 kleinen und mittleren Hersteller im Land produzieren zumeist technisch weniger anspruchsvolle Ausrüstungen. Der Import von neuer Medizintechnik, Komplettierungs- und Ersatzteilen sowie medizintechnischen Materialien ist (vorerst) bis zum 1. Januar 2025 von Einfuhrzöllen und der Mehrwertsteuer befreit.
2016 | 2021 | 2022 | |
---|---|---|---|
Anzahl der Krankenhäuser | 1.106 | 1.281 | 1.328 1) |
Anzahl der Betten (in 1.000) | 132,0 | 165,5 | 166,8 1) |
Betten pro 10.000 Einwohner | 41,1 | 46,6 | 46,3 |
Anzahl der behandelten Patienten (in Mio.) | 5,6 | 5,9 | 6,2 |
Anzahl der Ambulatorien und Polikliniken | 6.542 | 6.676 | 7.010 |
Anzahl der Ärzte (in 1.000) | 84,1 | 95,6 | 100,5 |
Anzahl der Ärzte pro 10.000 Einwohner | 26,2 | 27,1 | 27,9 |
Anzahl aktiver Betriebe und Organisationen (inklusive Sozialbereich) | 8.082 | 10.391 | 10.597 |
Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (in Jahren) | 73,8 | 73,8 | 74,3 |
Partner für PPP-Projekte zur Finanzierung neuer Krankenhäuser gesucht
Dem Investitionsstau bei Krankenhäusern will die Regierung jetzt mit öffentlich-privaten Partnerschaften (Public Private Partnership/PPP) begegnen. Geplant sind Mehrprofilkrankenhäuser in den Regionen Fergana, Samarkand, Dschissach und Kaschkadarja. Das Engagement privater Partner schließt die Finanzierung, Projektierung, den Bau und den Betrieb mit ein.
Die Internationale Finanz-Corporation (IFC) unterstützt die Projekte mit Beratungsleistungen und hilft dabei, ausländische Partner zu gewinnen. Die Ergebnisse der Präqualifizierung für das 880-Betten-Krankenhaus in Fergana sollen im Herbst 2023 bekannt gegeben werden. Ausschreibungen für die anderen Objekte befinden sich in einer frühen Vorbereitungsphase.
Die IFC will auch PPP-Projekte für bildgebende Verfahren in der medizinischen Diagnostik (MRT- und CT-Diagnostik) sowie regionale Zentren für Strahlentherapie auf den Weg bringen.
Ansprechpartner für Informationen über laufende und geplante PPP-Projekte sind das Ministerium für Gesundheitswesen (SSV) und die Agentur für die Entwicklung der öffentlich-privaten Partnerschaft (PPPDA). |
Zahlreiche Betreibermodelle im Gesundheitswesen gestartet
Öffentlich-private Partnerschaften im Gesundheitswesen außerhalb des Krankenhaussektors praktiziert Usbekistan seit 2020. Die Regierung sieht in dem neuen Regelungsmuster zwischen öffentlicher Hand und Unternehmen nicht nur eine bloße Beschaffungsmaßnahme. Es hilft dem Staat auch dabei, seine Verpflichtungen in der Gesundheitsfürsorge zu erfüllen. Die Entwicklungsstrategie des Landes für 2022 bis 2026 sieht vor, in jenen Jahren PPP-Projekte mit einem Investitionsvolumen von 275 Millionen US$ im Gesundheitswesen zu implementieren.
Jahr | Anzahl | Projektvolumen (in Mio. US$) *) | Hauptsparten |
---|---|---|---|
2020 | 12 | 5,0 | medizinische, Diagnose- und stomatologische Zentren, Labordienste (Pathomorphologie, Biochemie, Diagnostik) |
2021 | 17 | 32,7 | Dialyse-Zentren, klinisch-diagnostisches Großlabor in Taschkent, medizinische und Diagnose-Zentren, Geburtsklinik |
2022 | 12 | 10,3 | Medizinisches Cluster des Rehabilitationszentrums Taschkent, medizinische- und Diagnosezentren |
Unter den bisher auf den Weg gebrachten PPP-Vorhaben in der Hauptstadt Taschkent ragen ein klinisch-diagnostisches Labor (Health Lab Plus) sowie das medizinische Cluster des Rehabilitationszentrums (Synteco Health Clinic) hervor. Bei den regionalen Dialysezentren, die zusammen mit einem privaten Investor aus Indien (Nephrocare Health Service Central Asia) betrieben werden, handelt es sich um das erste internationale Betreibermodell im usbekischen Gesundheitswesen.
Privatsektor soll schon bald dominieren
Das Volumen der jährlich gewährten medizinischen Dienste in Usbekistan ist in den Jahren 2018 bis 2022 real im Schnitt um 12,6 Prozent gewachsen. Auch wenn das Leistungsvolumen mit insgesamt rund 600 Millionen US$ (2022) noch gering ist, befindet sich die Branche im Aufschwung. Dieser Trend wird von den Aktivitäten privater Anbieter stark beflügelt.
Die Anzahl privater medizinischer Einrichtungen dürfte bis Ende 2023 auf circa 9.000 steigen. Das wären rund 5.000 mehr als 2017, dem letzten Jahr vor dem Start der Gesundheitsreform. Private Kliniken dürfen ihre Leistungen heute in gut 130 Behandlungsfeldern anbieten. Noch vor wenigen Jahren waren es lediglich 50.
Bis 2026 soll sich der Anteil des Privatsektors an der medizinischen Fürsorge im Land im Vergleich zu 2022 auf bis zu 60 Prozent verdoppeln. Allein im bisherigen Jahresverlauf 2023 verabschiedete die Regierung mehrere Dokumente, die private Engagements in der Gesundheitsversorgung ankurbeln sollen. Hierzu zählen:
- steuerliche Vorzugsbedingungen (Befreiungen von der Gewinnsteuer beziehungsweise der Steuer auf erwirtschaftete Umsätze),
- erleichterte Erteilung von Lizenzen (darunter Aufweichung strenger Sanitär- und Baustandards bei medizinischen Objekten),
- weniger Bürokratie bei der Gewinnung ausländischer Fachkräfte für kurzfristige praktische Einsätze und die Weiterbildung in den Kliniken.
Viele neue Initiativen halten Gesundheitsreform in Schwung
Usbekistan hat seit der 2018 gestarteten Reform schon einige Fortschritte im Gesundheitswesen erreicht. Dennoch bleibt der Nachholbedarf groß. Mit neuen Initiativen will die Regierung die Reform vorantreiben und die Gesundheitsversorgung weiter verbessern.
So ist unter anderem vorgesehen, bis Ende 2026 eine flächendeckende Pflichtversicherung für alle Bürger einzuführen. Das Ziel ist, den Anteil der Privatausgaben an den Gesamtausgaben für das Gesundheitssystem deutlich zu reduzieren. Die aktuelle Quote der sogenannten Out-of-Pocket-Zahlungen beträgt über 60 Prozent, da viele Leistungen aus eigener Tasche bezahlt werden müssen.
Bei der Primärversorgung setzt Usbekistan in Zukunft stärker auf das Hausarztprinzip. Praxen sollen modernisiert und flächendeckend verfügbar sein. Ältere Menschen werden am 2024 Zugang zu einem gezielten Vorsorgeprogramm haben, mit dem schwere Erkrankungen früher erkannt werden sollen.
Medizinische Einrichtungen | Anzahl |
---|---|
Einrichtungen, insgesamt | 3.928 |
davon | |
Zentrale Mehrprofilpolikliniken | 221 |
Familienpolikliniken (wohnnahe Ambulatorien nach dem Hausarztprinzip) | 1.040 |
Ländliche ärztliche Versorgungszentren | 1.052 |
Einheiten des Rettungsdienstes | 204 |
Allgemeine stationäre Einrichtungen | 285 |
Zentren für die schnelle medizinische Hilfe | 195 |
Spezialisierte stationäre Einrichtungen | 217 |
Andere Einrichtungen | 714 |