Wirtschaftsumfeld | Vereinigte Arabische Emirate | Diversifizierung
Diversifizierung als Schlüssel zur wirtschaftlichen Entwicklung
Die Vereinigten Arabischen Emirate wollen ihre Wirtschaft weiter diversifizieren. Die Abhängigkeit vom Ölsektor soll reduziert werden.
05.08.2024
Von Heena Nazir | Dubai
Die Investitionen der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) in die Diversifizierung der Wirtschaft und die damit verbundenen Geschäftschancen sind auch für Unternehmen und Investoren aus Deutschland von Bedeutung. Sie eröffnen Möglichkeiten für Partnerschaften, Investitionen und eine geschäftliche Expansion in den Nahen Osten.
Innerhalb der Staaten des Golfkooperationsrats (GCC) sind die VAE das Land mit der geringsten Abhängigkeit von Ölexporten. Im Jahr 2004 stammten noch 90 Prozent der Staatseinnahmen aus dem Öl- und Gassektor. Bis 2024 hat sich der Anteil der Staatseinnahmen aus dem Export fossiler Rohstoffe auf 30 bis 40 Prozent reduziert. Zahlreiche Diversifizierungsmaßnahmen haben den Nichtölsektor erheblich gestärkt. Dazu gehören Investitionen in den Tourismus, die Luftfahrt, Immobilien, Finanzen und erneuerbare Energien.
Gas und vor allem Öl bleiben dennoch bedeutende Exportgüter. Abu Dhabi, das größte und wirtschaftlich wichtigste Emirat, generiert einen Großteil seiner Einnahmen aus dem Export fossiler Rohstoffe und trägt etwa 60 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) der VAE bei. Der Anteil der Ölwirtschaft am BIP der Hauptstadt beträgt dabei ungefähr 50 Prozent.
Diversifizierung als strategisches Ziel
Seit Jahrzehnten ist die Reduzierung der Ölabhängigkeit ein zentraler Bestandteil der wirtschaftlichen Weiterentwicklung der VAE. Dafür hat das Land verschiedene Strategiepapiere sowohl auf nationaler als auch auf gliedstaatlicher Ebene konzipiert. Ein Beispiel ist die Stratege UAE Centennial 2071.
Zu den bereits umgesetzten Investitionsprojekten gehört die Khalifa Industrial Zone Abu Dhabi (KIZAD). Die Freihandelszone dient als wichtiger Motor für die industrielle und wirtschaftliche Diversifizierung. Das Masdar City-Projekt wurde ins Leben gerufen, um eine nachhaltige Stadt zu schaffen, die auf erneuerbare Energien und saubere Technologien setzt. In der ersten Phase wurden bereits Teile der Infrastruktur fertiggestellt, darunter das Masdar Institute of Science and Technology sowie Wohn- und Bürogebäude. Der Bau weiterer Einrichtungen schreitet voran, jedoch langsamer als ursprünglich geplant.
| Tourismus | Die VAE, insbesondere Dubai und Abu Dhabi, haben erheblich in ihre Tourismusinfrastruktur investiert. Kulturelle Einrichtungen ziehen Millionen von Besuchern jährlich an. Laut MEED Projects befinden sich Hotelbauprojekte im Wert von 7 Milliarden US$ in der Planungsphase. Das sind 12,4 Prozent mehr als im Vorjahr. |
| Erneuerbare Energien | Im Rahmen der UAE Energy Strategy 2050 planen die VAE, künftig einen erheblichen Teil ihrer Energie aus erneuerbaren Quellen zu beziehen. Das größte Projekt ist der Ausbau des Mohammed-bin-Rashid-Al-Maktoum-Solarparks in Dubai. |
| Technologie und Innovation | Die VAE fördern die Entwicklung von Hochtechnologieparks und Innovationszentren, um Start-ups und technologische Forschung zu unterstützen. Beispiele hierfür sind Dubai Internet City und Masdar. |
| Gesundheitswesen | Der Ausbau des Gesundheitswesens wurde in den vergangenen Jahren stark forciert. Bis Juni 2024 wird der Gesamtwert der Projekte etwa 4 Milliarden US$ erreichen. Ein Joint Venture bestehend aus Royal Strategic Partners (VAE), der MIG Group (Malaysia) und Austrian Star Energy (Österreich) plant den Bau eines Neutronentherapie-Krankenhauses in Abu Dhabi, das sich auf die Behandlung spezifischer Krebsarten spezialisiert. Das Investitionsvolumen für dieses Projekt beträgt 1,8 Milliarden US$. |
| Finanzdienstleistungen | Dubai und Abu Dhabi haben sich als globale Finanzzentren etabliert, mit einer wachsenden Präsenz internationaler Banken, Investmentfonds und Versicherungsunternehmen. |
| Bildung | Der Aufbau internationaler Hochschulpartnerschaften und die Gründung von Campusseiten renommierter Universitäten zielen darauf ab, das Bildungsniveau zu erhöhen und Forschung und Entwicklung zu fördern. Beispiele dafür sind die New York University Abu Dhabi und die Sorbonne University Abu Dhabi. |
| Industrie | Die VAE fördern die industrielle Entwicklung, insbesondere in Bereichen wie Aluminiumproduktion, Pharmazeutika und Fahrzeugbau. |
| Handel und Logistik | Dank ihrer strategisch günstigen Lage zwischen Europa, Asien und Afrika haben die VAE ihre Position als globales Handels- und Logistikzentrum ausgebaut, unterstützt durch hochwertige See- und Flughäfen. Die Position wird weiter gestärkt durch neue Infrastrukturprojekte wie zum Beispiel den Ausbau des Flughafens DWC in Dubai. |
Ausbau von Handelsbeziehungen
Seit 2021 hat der Golfstaat mehrere umfassende Wirtschaftsabkommen (CEPA) geschlossen, darunter Partnerschaften mit ehemaligen politischen Rivalen wie Israel und der Türkei sowie aufstrebenden Global Playern wie Indien und Indonesien. Mit dem Fokus auf Asien wollen die VAE ihre Rolle als Geschäftszentrum im Nahen Osten weiter ausbauen. Diese Freihandelsabkommen eröffnen Investitionsmöglichkeiten in strategischen Sektoren wie Agrartechnik, Lebensmittelsicherheit und erneuerbaren Energien.
Digitalisierung steht im Fokus
Die VAE wollen ihr Bild als attraktiver Zukunftsstandort schärfen. Die Digitalisierung soll nicht nur die Wirtschaft weiter diversifizieren, sondern ein wichtiger Eckpfeiler für die Zukunft werden. Das Kabinett der VAE kündigte Anfang April 2022 eine Strategie an, die darauf abzielt, den Beitrag der digitalen Wirtschaft zum BIP des Landes bis 2032 von 9,7 Prozent auf 19,4 Prozent zu erhöhen. Der Plan umfasst mehr als 30 Initiativen. Hinter den meisten Projekten steht der öffentliche Sektor.
| Initiative | Investitionssumme (in Mio. US$) | Veranschlagter Zeitraum | Ansprechpartner für Unternehmen |
| Ausbau von Breitbandnetzen | 1.400 | 2021-2025 | TDRA |
| Implementierung von 5G-Netzwerken | 810 | 2021-2023 | TDRA |
| Förderung von Start-ups im Tech-Sektor | 540 | 2021-2026 | National Program for Small and Medium Enterprises (SMEs) |
| Digitalisierung des Bildungswesens | 270 | 2021-2026 | Ministry of Education |
| Einführung von E-Government-Diensten | 405 | 2021-2026 | TDRA |
| Förderung von E-Health-Diensten | 270 | 2021-2026 | Ministry of Health |
| Unterstützung für Forschung und Entwicklung | 675 | 2021-2026 | Ministry of Advanced Technology |
| Förderung von Künstlicher Intelligenz | 810 | 2021-2030 | Ministry of Artificial Intelligence |
Die junge, internationale Bevölkerung der VAE ist sehr technikaffin. Unternehmen und Verbraucher zeigen ein hohes Interesse an digitalen Lösungen. Die Infrastruktur ist im internationalen Vergleich sehr modern. Die geringen Anforderungen an den Datenschutz in den VAE sind einerseits ein Vorteil für schnelle technologische Entwicklungen, andererseits bergen sie Risiken für die Privatsphäre und den Schutz persönlicher Daten.
Ölförderung bleibt wichtiges Standbein
Die Emirate haben sich ehrgeizige Ziele gesetzt, ihren Energiemix zu diversifizieren und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren. Bis 2050 wollen die VAE klimaneutral sein.
Der Mohammed bin Rashid Al Maktoum Solar Park in Dubai ist der größte zusammenhängende Solarpark der Welt und hat aktuell eine Produktionskapazität von 2.627 Megawatt. Zusätzliche 2.033 Megawatt sind im Bau. Mit Abschluss der aktuellen Phase 6 wird die gesamte Produktionskapazität bis 2026 auf 4.660 Megawatt steigen.
Phase 6 wird grüne Energie für voraussichtlich etwa 540.000 Haushalte liefern und jährlich rund 2,36 Millionen Tonnen CO₂ einsparen. Die Bauleitung für das 1,5-Milliarden-US$-Projekt liegt bei Masdar, einem wichtigen Akteur im Bereich erneuerbare Energien.
Vom Ölgeschäft wollen sich die VAE jedoch nicht abwenden. Ganz im Gegenteil: Das staatliche Unternehmen Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) kündigte im Dezember 2021 an, von 2022 bis 2026 rund 127 Milliarden US$ in die Exploration fossiler Rohstoffe zu investieren.
Die Investitionen sollen zu einer Steigerung der Produktionskapazität von aktuell 3,8 Millionen auf 5 Millionen Barrel pro Tag im Jahr 2026 führen. Kürzlich stellte ADNOC Pläne vor, bis 2029 weitere 13 Milliarden US$ in inländische und internationale Wachstumsprojekte zu investieren. Deutsche Unternehmen wie Wintershall Dea und BASF sind in verschiedene Projekte involviert und arbeiten eng mit ADNOC zusammen.
