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Branche kompakt | Vereinigtes Königreich | Maschinenbau

Britischer Maschinenmarkt vor Trendwende

Der britische Maschinenbau zeigt sich optimistisch: Mit der Erholung der Industrieproduktion steigt die Investitionsneigung. Der Regierungswechsel belebt die Dekarbonisierung.

Von Marc Lehnfeld | London

Ausblick des Maschinenbaus im Vereinigten Königreich

Bewertung:

  • Die neue Labour-Regierung verspricht neuen Schwung bei Großprojekten in der Dekarbonisierung mithilfe staatlicher Milliardensubventionen.
  • Ob sich die aktuell hohe Zuversicht der Industriebetriebe erfüllen wird, hängt stark an der Ausrichtung der neuen Industrial Strategy und der Mobilisierung staatlicher Fördermittel in der Breite ab.
  • Große Carbon Capture and Storage (CCS)-Projekte stehen kurz vor einer staatlichen Förderzusage und damit auch vor der finalen Investitionsentscheidung.

Anmerkung: Einschätzung des Autors für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: Juli 2024

Markttrends

Das Investitionsklima in der britischen Industrie zeigt erste Anzeichen einer Erholung. Während die Industrieproduktion in diesem Jahr laut Oxford Economics noch leicht um 0,3 Prozent zurückgehen wird, soll sie 2025 schon um 0,8 Prozent zulegen und begünstigt damit nicht nur weitere Investitionen, sondern auch eine Belebung des Maschinenmarktes. Die Zuversicht der britischen Industrie erreicht im S&P Global UK Business Outlook vom Juli 2024 bereits das höchste Niveau seit Februar 2022. Zudem steigt die Investitionsneigung, da die Erwartungen an fallende Leitzinsen zunehmen.

Die neue Dynamik bringt frischen Wind in einen bisher stagnierenden Maschinenmarkt. Zwar liegen die gewerblichen Investitionen insgesamt im 1. Quartal 2024 wieder rund 5 Prozent über dem Vor-Corona-Niveau. Das liegt vor allem an starken Investitionen in Transportmitteln. Investitionen in IKT- und Maschinenausrüstungen stagnieren seit Mitte 2021 auf dem Niveau von Ende 2019. Die bisherigen staatlichen Investitionsanreize, wie die "Super Deduction" in den Haushaltsjahren von April 2021 bis Ende März 2023 und die nun unbefristete "Full Expensing"-Regelung, haben an dieser Situation kaum etwas ändern können. 

Industriestrategie und National Wealth Fund sollen Investitionen ankurbeln

Der Regierungswechsel zur Labour-Partei nährt nun die Hoffnung auf Stabilität und eine Rückkehr zu einer umfassenderen Industriepolitik. Anstelle des von Ex-Premierminister Rishi Sunak initiierten "Advanced Manufacturing Plans", der sich auf ausgewählte Technologiebranchen konzentrierte, setzt der neue Premierminister Keir Starmer auf eine allgemeine Industriestrategie. Sie soll in enger Zusammenarbeit mit Wirtschaftsvertretern, regionalen Akteuren, Forschungseinrichtungen und Gewerkschaften durch einen Industrial Strategy Council entwickelt werden.

Details zur Strategie stehen noch aus, werden aber bald erwartet. Der neu eingerichtete National Wealth Fund wird über die UK Infrastructure Bank mit umgerechnet rund 8 Milliarden Euro ausgestattet und soll Großprojekte in fünf Schlüsselbereichen finanzieren:

  1. Grüner Stahl
  2. Wasserstoff
  3. Industrielle Dekarbonisierung
  4. Gigafactories für die Batterieproduktion von Elektrofahrzeugen und Energienetze
  5. Häfen

Die Industrial Strategy und der National Wealth Fund sollen dabei den unter der Vorgängerregierung deutlich verlangsamten Dekarbonisierungskurs des Landes beschleunigen. Eine breite Investitionswelle fiskalisch zu unterstützen, wird der Regierung angesichts der hohen Staatsschuldenquote von knapp 100 Prozent der Wirtschaftsleistung schwer fallen. Es sei denn, die Labour-Regierung entscheidet sich doch für Steuererhöhungen.

Großinvestitionen in der Dekarbonisierung warten auf Förderzusagen

Die Dekarbonisierung der Industrie hat bereits Großprojekte angestoßen, deren finale Investitionsentscheidungen noch unter dem Vorbehalt staatlicher Förderung stehen. Nach dem Regierungswechsel ist aber nicht von einer energiepolitischen Richtungsänderung auszugehen. Deshalb sind baldige Förderentscheidungen im Carbon Capture and Storage (CCS)-Bereich und beim Aufbau von Wasserstoffprojekten noch in diesem Jahr zu erwarten. Die wichtigsten Carbon Capture Utilization and Storage (CCUS)-Projekte des Landes finden in den dezidierten Clustern HyNet Northwest, East Coast Cluster, Acorn und Viking CCS statt. Im Wasserstoffbereich erhalten bereits elf Projekte eine staatliche Förderung.

Darüber hinaus läuft bereits die Auswertung der zweiten Förderrunde (HAR2) für Wasserstoffprojekte. Außerdem führt eine vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Markterschließungsreise für kleine und mittlere Unternehmen Ende September 2024 nach Schottland.

 

Ausgewählte Investitionsprojekte der Maschinenbauindustrie im Vereinigten Königreich
ProjektInvestitionssumme (in Milliarden Euro) *ProjektstandProjektträger
Atomkraftwerk Hinkley Point C in Somerset (3,2 Gigawatt)

41,0

Bauarbeiten laufen. Geplante Inbetriebnahmen: 2030EDF Energy mit Beteiligung von China General Nuclear Power 
Atomkraftwerk Sizewell C in Suffolk, Südostengland (3,2 Gigawatt)

23,5

Genehmigung zum Bau im Juli 2022 erhalten. Finaler Investitionsentscheid: Ende 2024EDF Energy und britische Regierung
Cerulean Offshore Floating Wind Project, Schottland (3,0 Gigawatt); rund 300 Turbinen

23,5

Finaler Investitionsentscheid: 2025Cerulean Winds Limited und Frontier Power Limited. Zulieferer: Siemens Gamesa
Doggerbank South West und South East Offshore Wind Farms (3,0 Gigawatt); rund 200 Turbinen

12,9

In PlanungRWE Renewables Limited und Masdar
Hornsea Three Offshore Wind Farm, Küste for Norfolk (2,9 Gigawatt); rund 230 Turbinen

10,0

Geplante Inbetriebnahme: 2027Orsted Hornsea Project Three (UK) Limited. Zulieferer: Siemens Gamesa
U-Bahn Erweiterung London (Bakerloo Line), von Elephant & Castle nach Lewisham sowie Bau von zwei Stationen

5,9 - 9,4

Finanzierungsgespräche laufenTransport for London

Gigafactory der Tata Group, Somerset

4,7

In Planung. Geplanter Produktionsstart: 2026Bau einer neuen Batteriezellen-Gigafabrik in Somerset. Geplante Kapazität: 40 Gigawattstunden. Tata Group wird die zukünftigen batterieelektrischen Modelle ihrer Tochtergesellschaft Jaguar Land Rover beliefern, mit dem Potenzial, auch andere Automobilhersteller in Großbritannien und Europa zu beliefern. 
* Umrechnung anhand des Tageswechselkurses der Europäischen Zentralbank vom 22. Mai 2024: 1 Euro = 0,85165 Pfund-Sterling (£).Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2024; Pressemitteilungen

Branchenstruktur und Rahmenbedingungen

Wie zahlreiche Industriebranchen kommt auch die britische Maschinenbauindustrie nicht in Fahrt. Die Produktion der Branche ist zwar schon kurz nach dem Corona-Einbruch rasant gestiegen, liegt aber seitdem nach schrittweisen Rückgängen im April 2024 rund 18 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau, dem niedrigsten Stand seit der Pandemie. 

Oxford Economics geht auch in diesem Jahr davon aus, dass die Produktion um 6,1 Prozent schrumpft, soll aber 2025 vor einer Trendwende stehen und dann wieder um 8,5 Prozent wachsen. Die Prognosen sind aber mit Vorsicht zu betrachten, da das Analysehaus die Entwicklung schon im vergangenen Jahr zu optimistisch eingeschätzt hat. Von Januar bis Mai 2024 ist die Produktion für den Exportmarkt wertmäßig bereits um knapp 12 Prozent gefallen, auch für den Heimatmarkt um über 8 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode.

Die Branche hat in den vergangenen zehn Jahren einen Strukturwandel erlebt. Die Herstellung von Verbrennungsmotoren und Turbinen für Kraftwerke und großindustrielle Anwendungen (hier explizit ohne Motoren für Luft- und Straßenfahrzeuge) war bis 2012 noch das Segment mit der stärksten Wertschöpfung. Ihr Anteil ist bis 2022 von 36 auf 9 Prozent geschrumpft und wertmäßig sogar über drei Viertel gefallen. Die zwei größten Sparten des britischen Maschinenbaus sind mit einem Anteil von jeweils 12 Prozent die Hebezeuge und Fördermittel sowie die Herstellung von kälte- und lufttechnischen Erzeugnissen. 

Im Export dominieren - wohl vor allem wegen des Branchenprimus Rolls-Royce - vor allem Turbojet-Triebwerke und deren Teile, die im laufenden Jahr bis Mai rund 43 Prozent aller Maschinenexporte ausmachten, gefolgt von Verbrennungsmotoren mit rund 16 Prozent. Zu den großen deutschen Maschinenbauern mit Niederlassungen im Vereinigten Königreich gehören neben Siemens auch der Hersteller von Antriebs- und Steuerungstechnologien Bosch Rexroth, die Lagertechnikfirmen Dematic und Jungheinrich und der Dichtungstechniker Freudenberg Sealing Technologies. US-Amerikanische Investoren machen allerdings mit rund der Hälfte des ausländischen Investitionsbestands den größten Anteil aus. Zu ihnen gehören beispielsweise die Dieselmotorenproduktion von Cummins oder die Baumaschinenherstellung von Caterpillar.

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