Special | Vietnam | Beschaffung
Einkäufer von Metallwaren finden in Vietnam nicht immer ihr Glück
Das Interesse deutscher Firmen an Metallteilen aus Vietnam steigt. Mitunter entsprechen der Preis und die Qualität aber nicht ihren Erwartungen.
25.07.2023
Von Peter Buerstedde | Hanoi
Deutsche Unternehmen kommen bereits seit vielen Jahren nach Vietnam, um Einkaufsmöglichkeiten für Metallteile zu erkunden. Zumeist handelt es sich um Maschinenbauer oder Kfz-Teilehersteller, die diese Waren bisher fast ausschließlich aus China beziehen. Vor der Coronakrise trieben vor allem Kostengründe die Unternehmen nach Vietnam. Angesichts steigender Löhne und Standortkosten in China suchten die Unternehmen nach preiswerteren Sourcingquellen.
Seit der Pandemie sind weitere Beweggründe hinzugekommen. Nach Aussagen von Björn Koslowski, dem stellvertretenden Geschäftsführer der deutschen Auslandshandelskammer in Vietnam, treibt die Unternehmen inzwischen auch die Sorge vor Lieferkettenunterbrechungen wie während der Coronakrise um und darüber hinaus die vor einem möglichen chinesischen Angriff auf Taiwan. Das Thema "China+1" beziehungsweise die Diversifizierung von Lieferketten spiele für die Chefetagen in Deutschland eine immer größere Rolle. Deshalb würden die Einkäufer auf Reise geschickt, so Koslowski.
Mehr als 80 Prozent der Sourcinganfragen der AHK entfallen auf die Metallbearbeitung. Das dürfte auch daran liegen, dass andere Waren wie etwa Konsumgüter vor allem von den großen Einzelhandelsketten aus Deutschland eingekauft werden. Diese verfügen entweder über eigene Einkaufsbüros in Vietnam. Oder sie wickeln ihre Einkäufe über Niederlassungen großer Handelskontore ab. Rewe hat Mitte Juni mit einem Büro in Ho-Chi-Minh-Stadt nachgezogen.
Deutschland ist bereits heute kein unbedeutendes Zielland vietnamesischer Exporte an Metallerzeugnissen. Im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) führte der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V. (BME) im Rahmen des Marktschließungsprogramms für KMU (MEP) erstmals 2022 die Einkaufsinitiative Südostasien durch. Ziel der Initiative ist es, deutschen Unternehmen einen direkten Zugang zu wichtigen Beschaffungsmärkten in der Region, darunter Vietnam, zu bieten. Gemeinsam mit den Deutschen Auslandshandelskammern (AHK) schafft die Initiative wertvolle Kontakte zu qualifizierten Unternehmen in der ASEAN. Informationen zu künftigen Aktivitäten im Rahmen der Einkaufsinitiative finden Sie im GTAI-Exportguide. |
Zulieferstrukturen in der Metallbearbeitung noch nicht gut erschlossen
Für seine wirtschaftliche Entwicklung setzt Vietnam stärker noch als andere südostasiatische Staaten auf den Export. Daher ist das Land in vielen Sektoren ein gut etablierter Sourcingstandort. Dies gilt insbesondere für Textilien, Schuhe und Möbel, wo Vietnam einer der führenden Exporteure weltweit ist. Metallteile werden auch von deutscher Seite schon seit vielen Jahren von dort bezogen, aber die Branche ist für den Einkauf noch weniger gut erschlossen, das heißt es gibt weniger Transparenz über die Möglichkeiten im Lande. Und der Sektor ist weniger gut entwickelt als etwa in Thailand oder China.
Dies erklärt zum Teil die Erfahrung deutscher Unternehmer. Sie zeigen sich oft überrascht, dass sie für die gewünschte Produktqualität allenfalls sehr wenige Anbieter finden und dann zu höheren Preisen als in China. Die Gründe sind vielfältig. Die lokalen Unternehmen sind oftmals kleine Familienunternehmen und erreichen keine Skaleneffekte. Sie haben keinen Zugang zu günstigen Finanzierungen und ihnen fehlen oftmals Know-how und Zertifizierungen.
Das liegt auch daran, dass die klassischen Abnehmerbranchen für Metallteile wie die Kfz-Zulieferindustrie in Vietnam schwach entwickelt sind. Die Autoindustrie beruht weitgehend auf Montagebetrieben, die importierte CKD-Bausätze (Completely Knocked Down) zusammensetzen. Nur wenige Firmen wie Toyota und die vietnamesischen Firmen Thaco Auto, TC Motor und Vinfast erreichen eine stärkere Wertschöpfungstiefe im Lande. In den kommenden Jahren wollen aber etliche Firmen wie Škoda (mit TC Motor), BYD, SAIC-GM-Wuling oder Foxconn lokale Werke errichten.
Die Stahlindustrie in Vietnam wiederum bietet weniger Spezialstahl an, als die Industrie im Land verbraucht. Derzeit gibt es mit Hoa Phat und Formosa nur zwei Hersteller von warmgewalztem Flachstahl. Vorprodukte müssen daher vielfach noch importiert werden, was die Kosten erhöht. Allerdings könnte sich auch hier die Angebotssituation verbessern. Hoa Phat investiert in der Provinz Quang Ngai in sein neues Stahlwerk Dung Quat Steel Complex 2 für 6 Millionen Tonnen Walzstahl, das 2024 in Betrieb gehen soll.
Vietnamesische Unternehmer wiederum fühlen sich von den Ansprüchen deutscher Firmen mitunter überfordert. So sollen sie Vorprodukte mit bestimmten Qualitätsstandards nutzen, deren Einkauf sie finanzieren müssen, um dann kleine Losgrößen zu produzieren. Sie beklagen, dass das angebotene Geschäft sich oft nicht auszahlt.
Zum Teil haben kleinere und mittlere vietnamesische Metallbearbeiter keine Erfahrung im Geschäft mit ausländischen Einkäufern. Ihnen fällt es mitunter schwer, Vertrauen gegenüber neuen, unbekannten Geschäftspartnern zu fassen. Daher muss in eine Geschäftsbeziehung zu Beginn mehr Zeit und Engagement investiert werden. Mit der Übersendung einer Exceltabelle mit den gewünschten Produktspezifikationen ist es nicht getan. Besteht einmal ein vertrauensvolles Verhältnis, gelten vietnamesische Geschäftspartner als verlässlich.
Sourcinglandschaft entwickelt sich
Die Zulieferbranche in Vietnam ist aber in Bewegung. Der deutsche Hersteller von Wasserheizgeräten Viessmann hat Ende Juni in Südvietnam eine Fabrik eröffnet. Die Firma habe dort eine direkte lokale Wertschöpfung von über 80 Prozent erreicht, sagt Alexander Ziehe, der Geschäftsführer von Viessmann in Vietnam. Dies gilt auch für Metallerzeugnisse. Die Firma hat gegenüber Einkäufern auf Geschäftsreise den Vorteil, vor Ort zu sein. Sie kann dadurch intensiver nach geeigneten Zulieferern suchen und deren Fähigkeiten über Zulieferer-Entwicklungsprogramme verbessern.
Die Sourcingmöglichkeiten sind in Vietnam zum Teil undurchsichtig, weil neben vietnamesischen auch etwa die wachsende Zahl an koreanischen, taiwanischen, japanischen oder chinesischen Firmen als Zulieferer infrage kommen. Viele chinesische Unternehmen versuchen seit einigen Jahren über neue Fabriken in Vietnam dem steigenden Kostendruck im eigenen Land sowie möglichen Auswirkungen des Handelsstreits mit den USA zu entgehen.
Die Teams in Vietnam hätten aber zum Teil wie Trüffelschweine nach Zulieferern suchen müssen, so Alexander Ziehe. Dabei habe das Unternehmen auch spezialisierte Berater einbezogen. Viessmann hat nach Aussage von Ziehe auch von den Zulieferstrukturen profitiert, die im Schlepptau der Großinvestoren wie Samsung, LG oder Canon ins Land gekommen sind. Immer mehr metallbearbeitende Betriebe beliefern auch die großen Motorradfabriken von Honda, Yamaha und Piaggio im Norden des Landes.
Die metallverarbeitenden Unternehmen befinden sich im Süden vor allem im Umkreis von Ho-Chi-Minh-Stadt und im Norden im Industriekorridor zwischen Hanoi und Haiphong. Damit sind sie im Einzugsgebiet großer Tiefseehäfen, die gute Verbindungen nach Europa ermöglichen. Die Transportkosten gelten relativ zur Wirtschaftsleistung des Landes im internationalen Vergleich als hoch. Dies liegt aber vor allem daran, dass Import- und Exportbewegungen in Vietnam eine weitaus größere Rolle spielen als in den meisten anderen Ländern. Unternehmen können aus einer Vielzahl großer und mittlerer, internationaler sowie lokaler Logistikanbieter wählen. Weitere Informationen zu zollrechtlichen Regeln bietet unser Überblick zur Wareneinfuhr in die EU. |
Bezeichnung | Anmerkung |
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Anlaufstelle für deutsche Unternehmen | |
Verband für Maschinenbau und Metallbearbeitung | |
Verband der Zulieferindustrien | |
Messe für Maschinenbau und Metallbearbeitung in Ho-Chi-Minh-Stadt | |
Messe für Werkzeugmaschinen und Metallbearbeitung in Ho-Chi-Minh-Stadt | |
Liste mit vietnamesischen Zulieferern in verschiedenen Bereichen (darunter Metallbearbeitung) |