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Special | Welt | Beratende Ingenieure

So sind beratende Ingenieure international aufgestellt

Im internationalen Vergleich sind deutsche Ingenieurbüros recht klein. Dennoch erschließen sie erfolgreich ausländische Märkte.

  • Deutsche Ingenieure im Ausland: Klein, unabhängig und erfolgreich

    Die meist kleinen Ingenieurbüros engagieren sich vor allem in wachsenden und risikoreicheren Ländern. Dass sie dort oft schon lange aktiv sind, hilft ihnen an Aufträge zu kommen. (Stand: 20.12.2023)

    Deutsche Ingenieurbüros sind in Infrastrukturprojekten im Ausland gut vertreten. Und das, obwohl sie im internationalen Vergleich relativ klein sind. Ihre Tätigkeiten reichen von Vorstudien, über alle Planungsphasen bis hin zur Bauüberwachung. Ebenfalls agieren sie als Vertreter für die Bauträger bei Vergabeverfahren. Bei großen Infrastrukturprojekten kann auch die Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitenden dazu kommen. Eine Besonderheit der deutschen Branche ist, dass sie vor allem aus kleinen unabhängigen Büros besteht, die nicht wie in vielen anderen Ländern zu einer größeren Baugruppe gehören.

    Im internationalen Vergleich sind deutsche Ingenieurbüros recht klein

    Die Größe der Unternehmen variiert zwischen kleinen Spezialistenbüros mit ein paar wenigen Mitarbeitenden, über Firmen mit ein paar Hundert Arbeitnehmern bis hin zu einigen wenigen Büros mit mehreren Tausend Beschäftigten. Diese mittelständischen und familiengeführten Strukturen sind typisch deutsch. "Selbst mit 8.500 Mitarbeitenden ist man international noch recht klein", sagt Thomas Eckart von GRE (German Rail Engineering). Die GRE gehört seit 2020 zur Dorsch Gruppe, einer der größten Beratungsfirmen in Deutschland. Deutlich größer sind jedoch beispielsweise die Jacobs Engineering Group (USA) mit circa 60.000 Mitarbeitenden oder Ramboll aus Dänemark mit mehr als 18.000 Beschäftigten. Da kann auch der mitarbeiterstärkste chinesische Ingenieursdienstleister China Railway Eryuan Engineering Group mit 6.300 Arbeitskräften nicht mithalten.

    Durch die geringe Größe sind deutsche Ingenieurbüros flexibler und schneller in ihren Entscheidungen, was sie zu beliebten Partnern macht. Auf diese Weise arbeiten auch sie erfolgreich bei Milliardeninvestitionen mit. Dennoch: Die Kapazitäten deutscher Büros sind mit großen Infrastrukturprojekten teilweise über fünf bis zehn Jahre ausgelastet. "Also können wir nicht gleichzeitig große Stromleitungsprojekte in Asien, in Lateinamerika, in Europa und im Mittleren Osten umsetzen, sondern müssen uns dann auf ein Projekt konzentrieren", so Jens Kottsieper von ILF Beratende Ingenieure.

    Die Branche konsolidiert sich

    Die Branche durchläuft zurzeit aber auch einen starken Konsolidierungskurs. Die Dorsch Gruppe hat beispielsweise unheimlich eingekauft in den letzten Jahren – darunter auch GRE. Die Ingenieurbüros erwarten weitere Zusammenschlüsse.

    Deutsche Büros sind besonders in aufstrebenden Märkten aktiv

    Von den 1.600 Mitgliedsunternehmen des VBI sind etwa 40 bis 50 Firmen stärker im Ausland engagiert. Insgesamt also nur ein kleiner Teil der Branche. Aktiv sind die Firmen vor allem im Nahen Osten, in Nord- und Subsahara-Afrika, in Mittel- und Lateinamerika sowie in Osteuropa - tatsächlich stark in wachsenden und risikoreicheren Ländern. "Das hat viel mit der Ausrichtung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zu tun", so Catharina Stahr vom Verband Beratender Ingenieure (VBI). Stärker entwickelte Märkte wie Westeuropa und Nordamerika spielen dagegen für deutsche Firmen weniger eine Rolle. Das dürfte mit daran liegen, dass hier die Konkurrenz zu den heimischen Firmen stark ist. Zudem beauftragen US-Unternehmen auch gerne US-Büros. Schon alleine weil sich diese besser mit den lokalen Gegebenheiten auskennen, beispielsweise mit den relativ hohen bürokratischen Hürden in den USA.

    In Asien, insbesondere im asiatisch-pazifischen Raum, gibt es gute Wachstumsaussichten. "In den nächsten Jahren könnten aber auch besonders Afrika, Indien, und der Nahen Osten noch einmal interessanter werden", sagt die VBI-Vertreterin. "Ein Thema, wo es hoffentlich große Aktivitäten geben wird, ist der Wiederaufbau der Ukraine."

    Für die VBI-Unternehmen sind Themen wie Wasserwirtschaft, Umweltschutz, Stadtplanung, ländliche Entwicklung und Energiewirtschaft bei Auslandsprojekten von Bedeutung. Auch das Recycling und die Abfallentsorgung sind laut Catharina Stahr wichtige Bereiche.

    Lokale Kontakte spielen eine große Rolle bei der Auftragsvergabe

    Relativ wenige Firmen haben im Vorfeld ihres ersten Projekts Strukturen im Land. Große Firmen verfügen jedoch in vielen Ländern über Büros oder arbeiten mit Agenten zusammen. Die Dorsch Gruppe beschäftigt beispielsweise mehr als die Hälfte ihrer Belegschaft im Nahen Osten, vor allem auf der Arabischen Halbinsel. Gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern sind persönliche Beziehungen sehr wichtig für die Geschäftsanbahnung. So verfügen einige Ingenieurfirmen über lokale Büros mit heimischen Mitarbeitenden, die die Beziehungspflege übernehmen und entsprechende kulturelle Kompetenzen besitzen, die in den Märkten unabdingbar sind. "Das ist ein großer Pluspunkt für Firmen, die schon lange in den Ländern präsent sind und viel Erfahrung gesammelt haben. Diese und ihre guten Netzwerke helfen ihnen sehr bei Bewerbungen auf Infrastrukturprojekte," so die Verbandsvertreterin.

    Jens Kottsieper ist sich sicher, dass der Großteil der Konnektivitätsprojekte nicht über Plattformen, sondern über Networking, also die Vernetzung in den jeweiligen Ländern, gewonnen wird. "ILF hat 55 Länderbüros und arbeitet mit Agenten und Partnern vor Ort zusammen, die Kontakte herstellen." Auch Fachveranstaltungen spielen in den Ländern für den Kontaktaufbau und die -pflege eine große Rolle. "Das ist aber bei weitem nicht der ausschlaggebende Faktor, sondern der Besuch vor Ort, die Vorstellung. Also dass man wahrgenommen wird als Ingenieurberatung, dass man Planungs-, Projektmanagement- und Beratungsleistungen anbieten kann." Deutsche Ingenieurdienstleister sind sich einig: Diese Wahrnehmung ist die größte Hürde, die man nehmen muss.

    Von Lisa Flatten | Bonn

  • "Deutsche Ingenieure kennen sich gut auf Auslandsmärkten aus"

    Catharina Stahr vom Verband Beratender Ingenieure (VBI) spricht im Interview über Chancen und Herausforderungen auf Auslandsmärkten. (Stand: 20.12.2023)

    Catharina Stahr, Referentin Infrastruktur und Internationales, Verband Beratender Ingenieure, VBI, Beratende Ingenieure Catharina Stahr, Referentin Infrastruktur und Internationales, Verband Beratender Ingenieure, VBI, Beratende Ingenieure | © VBI 2023

    Catharina Stahr ist gelernte Bauingenieurin und verantwortet beim VBI die Bereiche Infrastruktur und Ausland. Der VBI hat ungefähr 1.600 Mitglieder und vertritt die Interessen der unabhängig beratenden und planenden Ingenieure, Architekten und Consultants in Deutschland.

    Frau Stahr wie geht es den beratenden Ingenieuren in Zeiten hoher Inflation, der Lieferkettenprobleme und des Fachkräftemangels?

    Diese Auswirkungen spürt unsere Branche. In einer aktuellen Umfrage zeigt sich eine sehr gemischte Lage der Branche. Vor allem im Infrastruktur- und Energiebereich wird viel geplant und gebaut. Die Unternehmen haben gut zu tun und bekommen neue Aufträge. Jedoch macht sich der Fachkräftemangel massiv bemerkbar, ebenso der Stillstand im Wohnungsbau.

    Wie wichtig sind Auslandsaufträge für die Branche?

    Etwa 20 bis 30 Prozent der Umsätze werden im Ausland erwirtschaftet. Die Zahl der Newcomer im Auslandsgeschäft ist nicht groß, da das Auslandsgeschäft sehr kompliziert ist. Unsere Mitgliedsunternehmen, die bereits auf den internationalen Märkten aktiv sind, sind dort aber fest verankert und gut aufgestellt.

    Was sind die Stärken der deutschen Ingenieure im Ausland?

    Flexibilität, fachliches Know-how, gute Kenntnisse der regionalen Bedingungen vor Ort und gute Netzwerke in den Projektländern sind entscheidende Stärken deutscher Ingenieure und Consultants. Die Partner vor Ort schätzen zudem die Arbeitsstandards und die Verlässlichkeit der deutschen Ingenieure.

    Was würden Sie einem Einsteiger in der Branche raten, der im Ausland aktiv werden möchte?

    Ich würde empfehlen, nicht allein zu starten. Es ist besser, sich einem erfahrenen Partner anzuschließen. Den Fokus sollte man zuerst auf eine bestimmte Region oder einen Auftraggeber legen. Zudem sollten unbedingt alle Beratungsangebote genutzt werden. Davon gibt es viele in Deutschland, wie Markteintritts- und Markterkundungsprogramme. Je nach Zielregion können verschiedene Angebote genutzt werden, wie die GTAI-Webseite oder für Afrika beispielsweise das Wirtschaftsnetzwerk Afrika, die Agentur für Wirtschaft und Entwicklung oder auch die Kompetenz der Ländervereine.

    Was sind die Herausforderungen für die Unternehmen im Ausland?

    Eine große Herausforderung ist der Bereich Steuern. Das Steuerrecht ist in vielen Ländern stetigen Änderungen unterworfen und als Unternehmen muss ich bei meiner Kalkulation wissen, welche Belastungen auf mich zukommen. Es wäre hilfreich, wenn in den Ausschreibungen hierzu mehr Klarheit bestünde. Das Thema bereitet unseren Leuten schlaflose Nächte. Im Verband haben wir dazu die Fachgruppe "Steuern im Ausland" gegründet und können so die Mitarbeitenden aus dem Bereich Steuern sehr gut vernetzen.

    In welchen Regionen erwarten Sie in den nächsten fünf Jahren die größten Aktivitäten für die beratenden Ingenieure?

    Ein Thema, wo es hoffentlich große Aktivitäten geben wird, ist der Wiederaufbau der Ukraine. Im Moment ist jedoch noch unklar, woher die Gelder kommen und welche vertraglichen Rahmenbedingungen gelten. Auch Afrika wird ein wichtiger Zukunftsmarkt bleiben.

    In welchen Sektoren werden die deutschen Consultants zum Zuge kommen?

    Ich denke, das Wasserthema wird immer eine große Rolle spielen. Das betrifft Abwasser, Trinkwasser sowie die Bewässerung in der Landwirtschaft. Weitere wichtige Bereiche sind die Stadtplanung und Verkehrsinfrastruktur, erneuerbare Energien sowie die Themen Abfallentsorgung und Recycling.

    Heutzutage werden Verkehrswege immer stärker ausgebaut. Welche Trends beobachten die beratenden Ingenieure?

    Früher war es oft so, dass Ingenieure sich auf einen bestimmten Verkehrsträger wie Bahn oder Wasserstraße spezialisiert haben. Jetzt wird jedoch immer mehr erkannt, dass ein Verkehrsträger nicht mehr ausreicht. Heute braucht die Wasserstraße noch einen Schienenanschluss und dann noch einen Containerumladeplatz. Die Verknüpfung verschiedener Verkehrsträger hat an Bedeutung gewonnen.

    Beratende Ingenieure sind recht häufig in schwierigen und risikoreichen Ländern tätig. Wie geht die Branche damit um?

    Es gibt tatsächlich weltweit immer mehr fragile Staaten und einige, bei denen man nicht sicher sein kann, ob sie es nicht in naher Zukunft sein werden. Aufgrund der damit einhergehenden Herausforderungen werden Unternehmen zunehmend vorsichtiger, insbesondere nach den Erfahrungen in Afghanistan. Dort hat es über ein Jahr gedauert, bis Rechnungen für erbrachte Leistungen beglichen werden konnten. Aktuell ist die Bilaterale Entwicklungszusammenarbeit nach dem Militärputsch in Niger vorübergehend ausgesetzt.

    Gibt es andere schwierige Länder?

    Ja, auch in Mali und aktuell im Nahen Osten fragt man sich, wie es dort weitergehen wird. Es kann passieren, dass Auftraggeber, beispielsweise ein Ministerium im Partnerland, als terroristische Struktur eingestuft wird und man keine Geschäfte mehr mit ihm machen darf und keine Gelder mehr überwiesen werden. Solche Ausfälle bekommen Sie auch nicht abgesichert. In bestimmten Ländern oder Regionen denken Sie zweimal darüber nach, ob Sie sich dort bewerben oder Projekte durchführen möchten.

    Was könnte helfen?

    Es ist wichtig, frühzeitig über Trends und politische Entwicklungen informiert zu sein. Eine Einschätzung der Politik wäre hier wichtig. So können sich Firmen entsprechend aufstellen. Nach Eintritt derartiger Situationen sind rechtssichere Lösungen seitens BMZ und Durchführungsorganisationen nur schwer zu finden - mit der Folge erheblicher Risiken für die betroffenen Consultingunternehmen. Im Interesse der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit fragilen Staaten sind daher bereits im Vorfeld Lösungen zu entwickeln, um derartige Situationen zu vermeiden.

    Was wünschen Sie sich sonst noch von der Politik?

    Ein wichtiger Wunsch von uns ist, dass die Politik vor allem auf transparente und faire Vergabeprozesse bei Ausschreibungen im Ausland hinwirkt. Dazu gehören Regelungen für Preisgleitklauseln, Überjährigkeit von Haushaltsmitteln, Nutzung der Flexibilität im Vergaberecht und längere Referenzzeiträume in Ausschreibungen.

    Von Martin Walter | Bonn

  • Rolle von Ingenieurberatern bei der Projektvergabe

    Beratende Ingenieure bestimmen bei Projekten mit, wer Aufträge bekommt. Stimmt das? Welche Rolle haben die Consultants also? Fragen und Antworten dazu. (Stand: 12.01.2024)

    Welche Rolle spielen Ingenieurconsultants bei Bauprojekten?

    Sie können viele Hüte aufhaben. "Das richtet sich ganz nach dem Auftrag", sagt Fred Wendt vom österreichisch-deutschen Ingenieurberater ILF. Oft erstellen sie Machbarkeitsstudien am Anfang eines Projekts oder beaufsichtigen später die ausführende Baufirma. "Am umfassendsten ist die Rolle als Owner's Engineer", sagt Wendt. "Dann erstellen wir das komplette Ausschreibungspaket." 

    Legen Berater mit ihren Studien am Projektanfang schon technische Details fest?

    Teilweise. "In der Machbarkeitsstudie bestimmen wir die Eckdaten des Projektes und damit die Kriterien für die spätere Ausschreibung", sagt ein deutscher Consultant großer Infrastrukturprojekte. "Dabei legen wir noch keine Details zu den einzelnen Gewerken oder technischen Ausrüstungen fest", sagt der Mann, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen will und hier Thomas Meißner heißen soll. "Das tun wir im folgenden Schritt, der Ausführungsplanung. Bei Gewerken mit sehr spezifischen Eckdaten oder bestimmten technischen Anlagen ist es möglich, dass wir mit unseren Optionen eine gewisse Vorauswahl festlegen, welche Anbieter überhaupt in Frage kommen."

    Wie geht es dann üblicherweise weiter?

    "Als Ergebnis unserer Ausführungsplanung präsentieren wir dem Bauherrn mehrere Optionen", sagt Meißner. "Der entscheidet sich dann für eine." Auf Basis der gewählten Option erstellt Ingenieurberater Meißner die Unterlagen für die Projektausschreibung. Wendt von ILF schildert es so: "Als Owner´s Engineer bereiten wir auch den Tender vor."

    Auftraggeber folgen oft der Empfehlung

    Dann geht der Tender raus und Angebote kommen herein. Nimmt der Berater Einfluss auf die Auswahl? 

    Fred Wendt von ILF: "Wir bewerten die eingehenden Angebote und geben dem Kunden abschließend eine Empfehlung." Thomas Meißner führt aus: "Ergebnis unserer Bewertung ist eine Liste mit präqualifizierten Firmen. Auf deren Basis geben wir dem Projekteigner eine Empfehlung für die endgültige Projektvergabe."

    Folgt der Projekteigner der Empfehlung der Consultants?

    "In vielen Fällen ja", sagt Wendt. "Wenn der Projekteigner dies will", präzisiert Meißner. Dann stehe im Vertrag des Ingenieurbüros "assistance during contract negotiations" oder "procurement support". Diese Klauseln würden allerdings seltener. Dann sei seine Firma an der Vergabe von Folgeaufträgen weniger oder gar nicht beteiligt. 

    Wie verhalten sich Auftraggeber da typischerweise?

    "Manche beteiligen sich bereits an der Bewertung der eingegangenen Angebote", sagt Meißner. Andere schickten ihre Leute erst später in das Evaluierungskomitee, das über die endgültige Vergabe entscheidet. Wichtig sei dabei, wie viele Mitarbeiter der Auftraggeber für solche Aufgaben hat und wie kompetent diese sind.

    Welche Rolle spielen Ingenieurconsultants bei der Auftragsvergabe in privaten Projekten? 

    Da läuft es ähnlich. Die Hamburger Firma Stulz stattet Rechenzentren mit Kühlanlagen aus. Um bei einem Großprojekt den Fuß in die Tür zu bekommen, sieht der für Subsahara-Afrika zuständige Stulz-Manager Michael Jux technische Consultants als direkte Ansprechpartner. "Sie planen ein Rechenzentrum im Auftrag des Investors oder Hauptauftragnehmers komplett durch. Die Consultants spezifizieren die einzelnen Gewerke wie Server, Stromversorgung oder die Kühlung."

    Bestimmt der Consultant damit, wer den Auftrag bei nachfolgenden Gewerken bekommt?

    Zumindest beim Bau von Rechenzentren kann dies offenbar zutreffen. "Der Consultant empfiehlt dem Investor eine bestimmte Technologie und Ausstattung", sagt Jux. "Damit trifft er eine Vorentscheidung über die Vergabe." Die tatsächliche Entscheidung allerdings treffe später der Investor.

    Sind Ingenieurbüros bei Infrastrukturprojekten immer in einem frühen Stadium dabei?

    "Das ist in jedem Projekt anders und man kann nur schwer allgemeine Gesetzmäßigkeiten feststellen", sagt Heike Bergmann von Voith Hydro zur Frage, wer ein staatliches Wasserkraftprojekt etwa in Afrika ins Laufen bringt. Berater würden Detailwissen zu einem Vorhaben beisteuern. Manchmal würden sie dazu frühzeitig von der zuständigen Behörde kontaktiert, manchmal kämen sie erst später ins Spiel. 

    Welche Faktoren gibt es noch, wie stark Berater in ein Projekt eingebunden sind?

    "Je individueller die Planung, die der Bauherr wünscht, umso größer ist tendenziell die Rolle des Ingenieurconsultants", sagt Meißner. Wichtig sei aber auch, um welche Art von Infrastruktur es geht. "Häfen wollen schon wegen differierender natürlicher Bedingungen individueller geplant sein. Beim Bau eines Kraftwerks oder einer Mine geht es vor allem darum, standardisierte Abläufe möglichst gut hinzubekommen."

    Generalunternehmer sind meist nicht technologieoffen

    Welche Rolle spielen Generalunternehmer (EPC) und was bedeutet das für Ingenieurberater?

    EPCs übernehmen typischerweise die gesamte Abwicklung des Projekts für den Auftraggeber. Manche führen die Planungen dann weitgehend selbst durch. In anderen Fällen beauftragen EPCs ihrerseits externe Berater für die Erstellung der Machbarkeitsstudien oder die Ausschreibung von Untergewerken. Die Berater sichern sich damit einen Teil des Planungsgeschäfts. Der Kunde ist dann nicht der Projekteigner, sondern der EPC. Auch dabei können die Berater Einfluss nehmen, welche Firmen Aufträge für Untergewerke bekommen. 

    Welche Vor- und Nachteile hat die Einbindung eines EPC?

    Vorteil für den Projekteigner: Er hat einen zentralen Ansprechpartner, der für das Gesamtprojekt und dessen Abläufe verantwortlich ist. Nachteil: "Er legt sich auf einen Anbieter und eine Technologie fest", sagt ein Berater. "Er hat dann bei einer Lokomotive eine bestimmte Spurweite oder eine ganz bestimmte Antriebsart, für die es nur wenige Anbieter gibt." Was ist anders, wenn der Projekteigner für die Planung einen Consultant einschaltet? "Wir sind technologieoffen und keinem Anbieter verpflichtet", sagt der Berater. "Durch unsere Marktkenntnis sorgen wir für Wettbewerb. Das drückt den Preis und verbessert die Leistung."

    Von Ulrich Binkert | Bonn

  • Beratende Ingenieure, Zulieferer und ihr Austausch – ein weites Feld

    Ingenieurconsultants berücksichtigen bei ihrer Projektplanung Angebote von Firmen, die später Aufträge wollen. Fragen und Antworten zu einer womöglich schwierigen Kommunikation. (Stand 09.01.2024) 

    Ingenieurconsultants planen für öffentliche oder auch private Auftraggeber Kraftwerke, Häfen und andere Infrastrukturprojekte. Für Spezifikationen holen sie immer wieder Angebote von Baufirmen, Techniklieferanten oder anderen Unternehmen ein, die das nötige Fachwissen haben. "Wir planen das vollständige Projekt bis ins Detail und tauschen uns da natürlich laufend mit Anbietern aus", sagt Fred Wendt von der österreichisch-deutschen Ingenieurberatung ILF im Interview mit GTAI. "So stellen wir sicher, dass wir auf dem letzten Stand der Technik sind, dass alles gut zusammenpasst und auch ein Wettbewerb zwischen den Anbietern entsteht."

    Nun haben die anbietenden Firmen gleichzeitig ein Interesse an Aufträgen aus dem Projekt. Über Spezifikationen in technischen Studien oder den Ausschreibungen, die die Consultants ausarbeiten, könnten sie Einfluss darauf nehmen, wer überhaupt als Auftragnehmer in Betracht kommt. 

    Branchenvertreter geben Auskunft, wie Consultants und potenzielle Zulieferer in dieser Gemengelage kommunizieren.

    Lassen sich die Berater bei der Ausarbeitung von Plänen und Spezifikationen von den Anbietern beeinflussen?

    "Nein", sagt Fred Wendt von ILF. "So etwas wäre für uns ein No-Go, wir halten uns an unsere strengen internen Compliance-Regeln." Ein anderer Berater stimmt zu und macht es am Beispiel einer technischen Ausrüstung deutlich: "Wir spezifizieren nur Kriterien, die diese Anlage erfüllen muss, ohne dass dies auf einen bestimmten Lieferanten hinauslaufen würde", sagt der Mann, der hier Thomas Meißner heißen soll.

    Wie ist das bei Projekten privater Auftraggeber?

    Bei üblicherweise privat finanzierten Rechenzentren scheinen Anbieter zumindest zu versuchen, die Consultants zu beeinflussen. Dazu Michael Jux von der Hamburger Firma Stulz, die solche Zentren mit Kühltechnik ausrüstet: "Der Consultant lässt sich bei seinen Empfehlungen an den Investor von uns – und sicherlich auch von unseren Wettbewerbern – technische Einzelheiten ausarbeiten", sagte der für Subsahara-Afrika zuständige Manager in einem Interview. Das geht bis hin zu Unterlagen für die spätere Ausschreibung durch den Investor. Jeder Zulieferer versucht dann, den Consultant von seiner individuellen technischen Lösung zu überzeugen."

    Wie läuft die Kommunikation zwischen Consultant und Anbietern üblicherweise?

    Baufirmen kommen auf Thomas Meißner normalerweise erst dann zu, wenn das fragliche Projekt schon recht konkret ist. Bei Standardprodukten vom Markt hingegen steht der Consultant in ständigem Kontakt mit potenziellen Lieferanten. "Wir haben deren Kataloge und berücksichtigen die gegebenenfalls bei unserer Planung." Michael Jux bestätigt dies aus der Sicht des Lieferanten. "Die Consultants kennen natürlich alle "approved suppliers". Sie nehmen je nach Region mit ihren Ansprechpartnern Kontakt auf, um zusammen eine technische Lösung zu erarbeiten."

    Ein konkretes Beispiel hierzu?

    Der Technologiekonzern Bosch stattete das dritte Terminal des Flughafens Daressalam in Tansania mit Sicherheitstechnik aus. "Wir bekamen den Auftrag auf der dritten Vergabeebene", sagt Boschs Afrikachef Markus Thill. "Sobald sich die Hinweise verdichten, dass so ein Projekt anlaufen könnte, strecken wir die Fühler unter den Flughafenbauern und -planern aus. Diesen Firmen stellen wir unverbindlich ein Angebot für das Projekt vor, quasi auf Verdacht. Details und Kalkulationen daraus nehmen die Flughafenbauer in ihr Angebot auf, mit dem sie sich um den Zuschlag für das Projekt bemühen." 

    Ist die Kommunikation zwischen Consultant und Anbieter nicht heikel?

    Man müsse in der Tat aufpassen, sagt Consultant Meißner sinngemäß. "Die Anbieter brauchen von uns Projektinformationen, die nur wir als Planer haben. Erst dann können sie uns ein einigermaßen passendes und wirtschaftliches Angebot machen." Auch Mitarbeiter von Baufirmen hätten sich schon bei ihm gemeldet nach dem Motto "sag uns mal Bescheid, wenn der Tender kurz bevorsteht". Man gebe aber keine sensiblen Informationen weiter und achte peinlich darauf, niemanden zu bevorzugen.

    Sind manche Anbieter penetrant beim Kontakt mit den Consultants?

    Das komme vor, sagt Thomas Meißner. "Einige belagern einen richtig, andere fordern die Zusendung von Planungsunterlagen. Wir blocken solche Avancen aber ab, auch in der – ja bereits recht fortgeschrittenen – Ausführungsplanung. Im Kontakt mit Baufirmen bin ich inzwischen sehr zurückhaltend. Das könnte sonst ähnlich laufen wie bei einem mir bekannten Geschäftsführer eines Bergwerks in Afrika." Er suchte – per privater Ausschreibung – Anbieter für den Bau einer Zufahrtsstraße. Ein chinesischer Bauunternehmer suchte ihn auf. "Was plant ihr da eigentlich genau? Sie haben doch Kinder, wollen die nicht mal ein neues Smartphone, ein schickes Tablet?"

    Was sagen deutsche Ingenieursconsultants zum Thema Korruption bei staatlichen Auftraggebern?

    "Wir sind extrem darauf bedacht, uns davon fernzuhalten", gibt Thomas Meißner viele ähnlich klingende Antworten wieder. Man müsse sehr aufpassen, nicht in Ränkespiele im Gastland zu geraten. Innerhalb der Behörden gebe es viele Grüppchen mit eigenen und teils auch persönlichen Interessen und zudem politische Einflussnahmen. "So hat die Behörde vielleicht von Anfang an bereits einen Kontraktor im Auge. Schwierig wird so etwas spätestens dann, wenn sich der Verdacht aufdrängt, dass maßgebliche Leute in der Behörde auch auf der Gehaltsliste ebendieser Firma stehen."

    Sichert auch die Gesetzeslage in Deutschland einwandfreies Verhalten der Consultants im Ausland?

    Für den Mitarbeiter einer deutschen Consultingfirma schon: "Wir sind als Angestellte auch persönlich haftbar, seitdem Deutschland die entsprechenden Gesetze geändert hat." Berater aus angelsächsischen Ländern würden allerdings teils noch stärker auf die Einhaltung der Vorschriften achten. "Dort drohen höhere Schadenersatzforderungen. Andererseits ist es dort schwerer, grob fahrlässiges Verhalten nachzuweisen."

    Von Ulrich Binkert | Bonn

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