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Branchen | Ägypten | Gas-, Ölversorgung, Pipelines

Ägypten exportiert wieder Flüssigerdgas

Ein geringerer Stromverbrauch und höhere Lieferungen aus Israel bescheren Ägypten nach Monaten wieder Überschüsse an Erdgas. Die EU wird davon aber kaum profitieren.

Von Sherif Rohayem | Kairo

Ende November 2023 berichtet der Nachrichtendienstleister Bloomberg von einem Flüssiggastanker, der am Hafen von Idku östlich von Alexandria angelegt hat. Nach einer Pause von einem halben Jahr wird dieses Schiff erstmalig wieder ägyptisches Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) exportieren. 

Gaza-Krieg stoppte Israels Erdgaslieferungen nach Ägypten

Damit neigt sich die seit Monaten andauernde Erdgaskrise ihrem Ende zu. Zunächst weil wegen der gesunkenen Temperaturen in den meisten ägyptischen Haushalten keine Klimaanlage mehr läuft. Das spart Strom, der in Ägypten hauptsächlich durch die Verbrennung von Erdgas erzeugt wird. Außerdem liefert Israel wieder 800 Millionen Kubikfuß Erdgas pro Tag, also Mengen wie vor dem 7. Oktober 2023. Wenige Tage nach dem Beginn des Krieges in Gaza hatte die Firma Chevron auf Geheiß der israelischen Regierung die Erdgasförderung im Tamar-Feld vor Israels Mittelmeerküste eingestellt. Sicherheitsbedenken ergaben sich im Zusammenhang mit der East Mediterranean Gas Pipeline, die das Erdgas von Aschkelon in Israel über das Mittelmeer, parallel zum Gazastreifen, nach Sinai leitet.   

Ohne israelisches Erdgas gehen in Ägypten die Lichter aus

Aufgrund des Förderstopps kam zunächst kaum israelisches Erdgas in Ägypten an, was die Bevölkerung sofort zu spüren bekam. Denn nun verdoppelten die ägyptischen Behörden die täglichen Stromabschaltungen. Auch die Hersteller von Kunstdünger auf Ammoniakbasis erhielten vorübergehend 30 Prozent weniger Erdgas, das sie als Ausgangsstoff für die Produktion benötigen. Die rationierten Lieferungen gerade an die Düngemittelhersteller machten die Knappheit besonders deutlich, da Düngemittelexporte ein wichtiger Devisenbringer sind. Im Jahr 2022 beliefen sich die entsprechenden Ausfuhren auf 3,3 Milliarden US-Dollar (US$) oder 6,4 Prozent der ägyptischen Gesamtexporte.

Seitdem israelisches Erdgas wieder strömt, konnte weiterer Schaden für die ägyptische Exportwirtschaft abgewendet werden. Außerdem fällt nach Monaten täglicher Ausfälle der Strom in einigen Gegenden gar nicht mehr aus, beziehungsweise hat sich anderswo die Dauer der Ausfälle deutlich reduziert. 

Mit höheren Temperaturen wird Energiebedarf steigen 

Aber auch wenn der eigene Bedarf mittlerweile wieder gedeckt ist und sogar Exporte möglich sind, fallen in diesem Jahr deutliche Verlust an. Konkret stehen LNG-Ausfuhren von 7,1 Millionen Tonnen im Jahr 2022 geschätzten 3,4 Millionen Tonnen 2023 gegenüber. Dieser Einbruch zieht gesamtwirtschaftliche Kreise. So war Erdgas mit Ausfuhren im Wert von 10 Milliarden US$ im vergangenen Jahr das wichtigste Exportgut Ägyptens. Eine Halbierung dieser Einnahmen wiegt umso schwerer, als Ägypten mit einem chronischen Außenhandelsdefizit von 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes kämpft. Noch vor wenigen Jahren konnte Ägypten dieses Defizit durch die erfolgreiche Platzierung von Staatsanleihen ausgleichen. Durch die US-amerikanischen Zinswende wurden ägyptische Anleihen unattraktiver. Es folgte der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und Investoren zogen ihr Geld in zweistelliger Milliardenhöhe aus Ägypten ab.

Ob Ägypten im kommenden Jahr auf die Exportmengen von 2022 kommt, ist fraglich. Denn auch 2024 werden jene Faktoren fortwirken, die schon im laufenden Jahr zu einem Mangel geführt haben: Wegen der Erderwärmung dürfte der kommende Sommer ähnlich heiß werden wie der letzte; es muss wieder viel gekühlt und entsprechend viel Strom verbraucht werden. Auch auf der Angebotsseite ist keine wesentliche Verbesserung in Sicht. Erstens, weil die Fördermenge des größten Erdgasfeldes im Mittelmeer (Zohr) wegen technischer Probleme weiterhin auf einem relativ niedrigen Niveau verharrt. Zweitens, weil neue Gasfelder, die das ägyptische Ölministerium mit Hochdruck sucht, erst nach Jahren erschlossen werden können.

Ägypten wird weniger LNG in die EU exportieren

Die Folgen der prekären Energiesituation Ägyptens reichen bis nach Europa. Auf der Suche nach Alternativen zu russischem Gas hatte die EU im letzten Jahr eine Absichtserklärung mit Ägypten und Israel geschlossen. Konkret soll das nordafrikanische Land seine eigenen Überschüsse und die Lieferungen aus Israel verflüssigen und in die EU verschiffen. Die ägyptischen Überschüsse hielten sich schon 2022 in Grenzen. Ägyptens Bedeutung im Rahmen dieser Energiekooperation erwächst vor allem aus den beiden Verflüssigungsanlagen an der Mittelmeerküste. Gemeinsam verfügen die Anlagen über eine Kapazität von jährlich 12 Millionen Tonnen Flüssiggas. Und was noch wichtiger ist: Sie sind die einzigen im östlichen Mittelmeer. Israel, das keine Verflüssigungsanlagen hat, aber Pipelineverbindungen mit Ägypten, kann so sein Erdgas an die Weltmärkte liefern.  

Aus europäischer Sicht geht es immerhin um 6,2 Prozent der einstigen russischen Lieferungen, die Ägypten im Jahr 2022 mit Flüssiggas ersetzte. Außerdem stimmte Israel im August 2023 zu, die Lieferungen des Tamar-Feldes nach Ägypten auf 3,5 Millionen Kubikmeter im Jahr zu erhöhen. Über neue Pipelines soll noch mehr israelisches Erdgas nach Ägypten gelangen, Israel fährt die Förderung hoch. Kurz- und mittelfristig werden EU-Länder jedoch nicht von diesen Entwicklungen profitieren, da Ägypten immer mehr israelisches Erdgas für den Eigenverbrauch benötigt. Erstens, weil Ägypten weniger Erdgas fördert und zweitens weil aufgrund steigender Temperaturen, Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum der Bedarf steigt. Schließlich hängt viel von der Dauer und dem Ausmaß des Gaza-Krieges ab.

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