Auch für das Jahr 2022 werden hohe Zubauraten erwartet. Die Hersteller haben volle Auftragsbücher. Wasserstoff und Offshore-Projekte beherrschen die Diskussion.
Kapazitätsfaktoren erreichen globale Spitzenwerte
Laut der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien IRENA betragen die Kapazitätsfaktoren für die im Jahr 2020 in Betrieb genommenen Windparks durchschnittlich 49 Prozent. Im Norden und Nordosten sind sie am höchsten.
Die totalen Installationskosten beziffert IRENA für diese Windparks mit 1.449 US-Dollar (US$) pro Kilowatt (kW). Die Stromgestehungskosten (LCOE) betragen demnach 0,041 US$ pro kW. Im Vergleich kommen die USA auf 0,037 US$ und Europa auf 0,045 US$ pro kW.
Die Regierung rechnet für das Jahr 2022 mit einem Zubau von knapp 3 Gigawatt (GW) Nennleistung. Die Anlagenbauer verzeichneten im Jahr 2021 volle Auftragsbücher. Auch für die Folgejahre ist die Auftragslage gut. Die deutsche Nordex vermeldete im Jahr 2021 zwei Großaufträge von AES Brasil über insgesamt mehr als 680 MW Nennleistung. Die Türme, Rotorblätter und Teile der Maschinenhäuser werden in Brasilien gefertigt.
Für immer mehr Anlagen laufen die Garantie- und Serviceverträge mit den Herstellern aus. Der Bedarf an unabhängiger Betriebsführung und Wartung (O&M) steigt.
Die Stromhandelskammer CCEE hat im November 2021 Maßnahmen vorgeschlagen, mit denen der Anteil des freien Markts im Verbundsystem SIN knapp verdoppelt werden könnte. Zentraler Punkt ist, die erforderliche Anschlussleistung herabzusetzen. Dafür sind günstigere und skalierbare Messverfahren notwendig. Die bisherige Förderung von Verbrauchern dezentraler Erzeugungsanlagen durch Reduktion der Netzentgelte (TUST/TUSD) wird schrittweise abgebaut.
Die Initiativen zur Privatisierung auf Bundes- und Landesebene brechen alte Marktstrukturen auf. Das schafft Anknüpfungspunkte für Neugeschäft.
Nach Einschätzung eines Branchenkenners im Valor Econômico werden 60 Prozent der Anlagen zur Erzeugung und 85 Prozent der Leitungen von privaten Unternehmen betrieben. Auch bei der Verteilung sind wichtige Unternehmen (teil-) privatisiert. Die planmäßige Privatisierung des größten Energieversorgers Eletrobras wird allerdings aktuell vom Bundesrechnungshof ausgebremst.
Offshore-Windparks könnten schneller kommen als gedacht
Die brasilianische Bundesregierung hat am 25. Januar 2022 ein Dekret zur Offshore-Windenergie erlassen. Das Dekret greift einem Gesetzesvorhaben vor, das im parlamentarischen Verfahren steckt. Es legt die Grundlagen sowohl für die Vergabe von vordefinierten Flächen als auch für die Genehmigung von unabhängigen Projekten. Direkte Subventionen sind nicht vorgesehen.
EPE sieht bis Wassertiefen von 50 Metern und ohne Berücksichtigung von Nutzungskonflikten ein theoretisches Potenzial von 700 GW. Bei der föderalen Umweltbehörde IBAMA sind bereits Projekte mit zusammen über 80 GW Nennleistung im Verfahren zur Umweltgenehmigung
Die Vorhaben verteilen sich praktisch über die gesamte Küstenlinie. Viele Projekte weisen eine Gesamtleistung über mehrere Gigawatt auf. Die Entfernung zur Küste beträgt oft unter 20 Kilometer. Die Wassertiefen liegen meist unter 25 Meter. Als Bauhäfen bieten sich neben einigen öffentlichen Häfen insbesondere die für Schwerlast geeigneten Kaianlagen der privaten Werften an.
Hinter den Projekten stehen insbesondere internationale Firmen wie die portugiesische EDP, die französische Engie, die norwegische Equinor und die spanische Iberdrola. Unter den kleinen Entwicklern findet sich auch der brasilianische Ableger der deutschen Sowitec. Vielen kleinen Projektentwicklern mangelt es an Kapital. Deswegen suchen sie in der Regel eher Partner und weniger Dienstleister.
Im Hafen von Pecém (Ceará) soll eine Montage- und Logistikbasis für Offshore-Windenergieanlagen des chinesischen Unternehmens Mingyang Smart Energy entstehen. Zuvor ist die Errichtung eines Prototyps geplant. Der brasilianische Blatthersteller Aeris Energy rüstet sich für die Offshore-Produktion. Da zunächst die USA Zielmarkt sind, bleibt offen, ob in Brasilien produziert werden kann.
Wasserstoffwirtschaft als Treiber für Offshore-Windenergie
Die Wasserstoffwirtschaft wird in Brasilien insbesondere auf Landesebene vorangebracht. Potenzielle Investoren und Landesregierungen haben zahlreiche Absichtserklärungen geschlossen. EDP und Engie haben für die Produktion von grünem Wasserstoff Interesse gezeigt, den Hafen von Pecém zu nutzen. Weitere Projekte wurden sowohl für Pecém als auch für die Häfen von Suape (Pernambuco) und Açu (Rio de Janeiro) angekündigt. Laut der Agentur epbr addieren sich die geplanten Investitionen mit Stand Juli 2021 auf 22 Milliarden US$.
Für eine Produktion im großen Maßstab wird die Offshore-Windenergie eine tragende Rolle spielen. Der windreiche Nordosten Brasiliens bietet sich als Exporteur von grünem Wasserstoff und seiner Folgeprodukte nach Europa an. Die Stromerzeugung ist günstig und der Schiffsweg kurz.
Deutsche Firmen können die internationalen Projektträger in den Fokus nehmen oder über Konsortien Schlagkraft generieren. Deutschland stellt für internationale Vorhaben im Bereich grüner Wasserstoff Fördergelder bereit.
Photovoltaik macht Windenergie Konkurrenz
Zum größten Mitbewerber der Windenergie hat sich die Photovoltaik (PV) entwickelt. Im Jahr 2020 verzeichnete sie mit 2,5 GW den größten Zubau in der dezentralen Stromerzeugung. Für das Jahr 2022 rechnet die Regulierungsbehörde ANEEL, dass PV in der zentralen Stromerzeugung mit rund 4,5 GW Zubau erstmals die Windenergie schlägt.
Deutsche Firmen, die in beiden Segmenten aktiv sind, können darüber Synergien generieren oder sie fokussieren sich zunächst auf den aussichtsreichsten Bereich.
Onshore-Windprojekte in Brasilien (Auswahl)Projektbezeichnung (Standort) | Leistung (MW) | Unternehmen | Status | Investitionsvolumen (in Mio. US$*) |
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Komplex Passagem in Rio Grande do Norte (Nordosten) | 104,0 | Elawan Desenvolvimentos Brasil S.A. und Elawan Energy S.L. | Lieferbeginn 01.01.24 (52 MW) und 01.01.25 (52 MW). Laufzeit 20 Jahre | 82 |
Komplex Oeste Serido in Rio Grande do Norte (Nordosten) | 180,6 | Mirante Energética AS und Oeste Energia Investimentos e Participações AS | Lieferbeginn 01.01.24 (96,6 MW) und 01.01.25 (84 MW). Laufzeit 20 Jahre | 134 |
Komplex Ventos de Santa Luzia in Bahia (Nordosten) | 53,0 | Ventos de Santa Luzia Energias Renováveis S.A. | Lieferbeginn 01.01.24 (37,1 MW) mit Laufzeit 20 Jahre und zum 01.01.26 (15,9 MW) mit Laufzeit 15 Jahre | 39 |
Komplex Morro in Bahia (Nordosten) | 71,4 | Statkraft Energias Renováveis S/A | Lieferbeginn 01.01.26. Laufzeit 15 Jahre | 53 |
Serra das Vacas B in Pernambuco (Nordosten) | 44,0 | Eólica Serra das Vacas Holding III S.A. | Lieferbeginn 01.01.26. Laufzeit 15 Jahre | 30 |
Komplex Ventos de São Rafael in Rio Grande do Norte (Nordosten) | 96,0 | Ventos de São Rafael Energias Renováveis S.A. | Lieferbeginn 01.01.24 (66MW) mit Laufzeit 20 Jahre und 01.01.26 (30 MW) mit Laufzeit 15 Jahre | 71 |
Komplex Ventos de Santo Antônio in Bahia (Nordosten) | 31,8 | Ventos de Santo Antônio Energias Renováveis S.A. | Lieferbeginn zum 01.01.26 mit Laufzeit über 15 Jahre | 37 |
*) Durchschnittskurs Januar bis November 2021: 1 US$ = 5,39 RealQuelle: Daten der Stromhandelskammer CCEE zu den Auktionen 2021
Von Johannes Dimas
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Rio de Janeiro