"Wir gewinnen Wasserstoff aus Biomasse"

Dr. Glaucia Vieira, Gründerin/Jungunternehmerin, Green Energy Solutions, Wasserstoff durch Pyrolyse | © Dr. Glaucia Vieira

An der Universität Tocantins forschte die Chemikerin zur stofflichen und thermischen Verwertung von Reststoffen. Im Interview mit Germany Trade & Invest (GTAI) erklärt Dr. Glaucia Vieira, warum sich die Pyrolyse von Klärschlamm und anderer Biomasse in Brasilien lohnt.

Frau Vieira, nach zwei Jahrzehnten in der angewandten Forschung haben Sie 2019 das Start-up Green Energy Solutions gegründet. Was motivierte Sie dazu?

Ich bin einfach begeistert von den technischen Möglichkeiten der Pyrolyse und möchte die wirtschaftliche Nutzung vorantreiben. Biomasse wird in dem Verfahren äußerst effizient verwertet. In meiner Forschung habe ich mich auf Klärschlamm konzentriert. Aber auch viele andere Reststoffe aus der Landwirtschaft kommen als Ausgangsmaterial in Frage. Das Verfahren ist erprobt und wird in Brasilien dennoch kaum genutzt.

Unser Start-up hat Geschäftsmodelle entwickelt, die verschiedene Akteure zusammenbringen und somit Anlagen im Industriemaßstab wirtschaftlich machen. Bedeutende Akteure sind große Energiekonzerne wie Petrobras und die Erzeuger von viel Biomasse, wie zum Beispiel große Player des Agribusiness. Außerdem bieten wir Machbarkeitsstudien an, sogenannte POC (Proof of Concept).

Wovon hängt die Wirtschaftlichkeit eines Pyrolyse-Projekts ab?

Hauptsächlich von der Produktionsskala: Je mehr Biomasse zur Verfügung steht, desto schneller amortisieren sich die Investitionsausgaben. Laut unseren Berechnungen wirft eine Anlage mit einer Kapazität von 25 Tonnen Biomasse pro Tag schon nach drei Jahren Gewinne ab. Neben grünem Wasserstoff und grünem Strom entstehen bei der Pyrolyse weitere Produkte. Das Bioöl gilt als fortschrittlicher Brennstoff, der in Brasilien zunehmend gefördert wird. Über die CO₂-Zertifikate für den Kraftstoffmarkt entstehen zusätzliche Einnahmen. Mit dem neuen Förderprogramm "Kraftstoff der Zukunft" verstärkt die Regierung die Investitionsanreize.

Auch für die Pflanzenkohle, die als Dünger zum Einsatz kommt, besteht in Brasilien ein aussichtsreicher Markt. Schließlich zeichnet sich unsere Wirtschaft durch eine starke Landwirtschaft aus. Dennoch importiert Brasilien mehr als 85 Prozent der Düngemittel. Bis 2050 soll der Importanteil auf 50 Prozent sinken. Dafür erarbeitet die Regierung eine nationale Düngemittelstrategie. Die Pyrolyseprojekte werden somit immer wirtschaftlicher.

"Brasiliens Erdölkonzern Petrobras bezieht fortschrittliche Biokraftstoffe, um die CO₂-Emissionen zu mindern. Der Absatz des Pyrolyseöls ist somit quasi garantiert."

Green Energy Solutions wurde bereits mehrfach ausgezeichnet - auch von dem Projekt H2Brasil der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Wo steht Ihr Unternehmen gerade?

Ein großer Erfolg war, dass wir uns bei dem Innovationwettbewerb Connection Petrobras 2023 zum Thema Dekarbonisierung durchgesetzt haben. Wir führen derzeit unseren ersten Dienstleistungsauftrag durch und erstellen eine Machbarkeitsstudie für den brasilianischen Erdölkonzern.

Auch wenn wir bereits Umsatz erwirtschaften, befinden wir uns noch im Anfangsstadium. Wir erhalten interessante Anfragen potenzieller Großkunden. Partnerschaften können uns helfen, die Machbarkeitsstudien zu finanzieren. Ziel ist es, die Unternehmen zu überzeugen und ein Pyrolyseprojekt in großem Maßstab umzusetzen. Daher ist die Suche nach Partnern ein wichtiger Teil unserer Strategie. Darüber hinaus suchen wir Investoren und beteiligen uns an Innovationswettbewerben und Forschungsinitiativen.

Kontaktadressen

• Green Energy Solutions, E-Mail: 2022greenenergy@gmail.com
• Combustível do Futuro, staatliches Förderprogramm "Kraftstoff der Zukunft"