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Rechtsbericht | Brasilien | Steuerrecht

Brasilien startet die Umsetzung der Steuerreform (6. Teil)

Das erste Gesetz zur Regelung des neuen brasilianischen Steuersystems wurde verabschiedet und trat in Kraft.

Von Dr. Julio Pereira | Berlin

Am 16. Januar 2025 wurde das erste Ergänzungsgesetz (Lei Complementar 214/25 - LC) verabschiedet, das den größten Teil der brasilianischen Steuerreform regelt. Dieses Gesetz enthält die wichtigsten Bestimmungen zur Umsetzung der Verfassungsänderung Nr. 132/23, mit der das brasilianische Steuersystem tiefgreifend verändert wurde. Zur Vereinfachung des Steuersystems reguliert das neue Gesetz die mit der Reform eingeführte Mehrwertsteuer ("Imposto sobre Valor Agregado", IVA). Diese Steuer wird fünf andere Konsumsteuern ersetzen, die schrittweise abgeschafft werden müssen. Darüber hinaus wurde die selektive Steuer ("Imposto Seletivo", IS) mit außersteuerlichem Charakter geregelt. Die wichtigsten Punkte des Gesetzes werden im Folgenden erläutert.

Die Mehrwertsteuer (IVA) wird von Bund und Ländern erhoben

Mit der Steuerreform wurde die Umsatzsteuer (IVA) in das brasilianische Steuersystem eingeführt. In Anbetracht der verfassungsmäßigen Aufteilung der Steuerkompetenzen in Brasilien wird die Mehrwertsteuer von zwei Instanzen getrennt verwaltet werden: ein Teil von der Bundesregierung und der andere von den Regierungen der Länder und Gemeinden zusammen. Der Teil der Umsatzsteuer, der an den Bund fällt, wird als Sozialbeitrag auf Waren und Dienstleistungen ("Contribuição Social sobre Bens e Serviços", CBS) bezeichnet. Der Teil, der an die Länder und Gemeinden fließt, wird als Steuer auf Waren und Dienstleistungen ("Imposto sobre Bens e Serviços", IBS) bezeichnet. Das neue Gesetz legt die Merkmale der CBS und der IBS im Detail fest, die aus der Sicht des Steuerzahlers eine einzige Steuer darstellen, eine Art gespaltene Umsatzsteuer - bekannt als IVA-Dual. Allerdings werden CBS und IBS aus der Sicht des Gesetzgebers als eigenständige Steuern behandelt. Das neue Gesetz legt unter anderem allgemeine Regelungen zu Steuertatbeständen, Steuerbefreiungen, Berechnungsgrundlagen, Steuerpflichtigen, Zahlungsmodalitäten und Sonderregelungen fest.

Die IVA-Dual wird das derzeitige Kernstück der Konsumbesteuerung in Brasilien vollständig ersetzen, das sich aus den folgenden Steuern zusammensetzt: PIS, COFINS und IPI (Bundessteuern), ICMS (Landessteuer) und ISS (Kommunalsteuer). Diese fünf Steuern werden ab 2027 schrittweise abgeschafft.

IBS-Lenkungsausschuss

Um die verwaltungstechnische Aufteilung der Erhebung der IVA-Dual zu verwirklichen, wird ein Lenkungsausschuss für die IBS eingerichtet, der Verordnungen zu dieser Steuer erlassen wird. Der Bund wird seinerseits für den Erlass neuer Vorschriften über die CBS zuständig sein. Die Ausführungsbestimmungen müssen jedoch durch einen gemeinsamen Rechtsakt von Bund und Lenkungsausschuss genehmigt werden. Diese gemeinsame Zuständigkeit zielt darauf ab, die Vorschriften für die Erhebung der IVA-Dual zu harmonisieren. Die Einrichtung des Lenkungsausschusses der IBS ist Gegenstand des Gesetzentwurfs Nr. 108/2024, der noch vom Nationalkongress gebilligt werden muss. Da die Testphase für die Erhebung der IVA-Dual im Jahr 2026 in ganz Brasilien beginnt, wurde mit dem neuen Gesetz ein vorübergehender unabhängiger Lenkungsausschuss eingerichtet (Art. 480 LC). Dieses Gremium wird bis zum 31. Dezember 2025 tätig sein.

Steuerbefreiungen und Höchstsatz

Einer der am meisten debattierten Aspekte der Steuerreform ist der Satz der IVA-Dual, der weiterhin durch spezifische Gesetze von Bund, Ländern und Gemeinden festgelegt sein wird (Art. 14 LC). Das Ergänzungsgesetz legt jedoch bereits im Detail fest, für welche Sektoren und Produkte ermäßigte Sätze gelten. So wird beispielsweise für verschiedene Lebensmittel ein Nullsatz gelten, ebenso wie für die Einfuhr von Traktoren und landwirtschaftlichen Maschinen. Eine Liste sieht den Nullsatz außerdem für 383 Arten von Medikamenten und Impfstoffen sowie für bestimmte medizinische und Krankenhausausrüstungen vor. Für Dienstleistungen im Zusammenhang mit Informationstechnologie und Cybersicherheit wird der Steuersatz um 60 Prozent reduziert. Es gibt noch zahlreiche weitere Vergünstigungen, die von Bildungsdienstleistungen bis hin zur Kreativwirtschaft reichen.

Angesichts der Vielzahl der geplanten Steuervorteile für die verschiedenen Wirtschaftszweige und Produkte wird befürchtet, dass der Regelsatz der IVA-Dual zu hoch sein wird. Dies liegt daran, dass ein Null- oder reduzierter Satz für einen Sektor oder ein Produkt einen höheren Satz für andere impliziert. Um dies zu vermeiden, legt das Ergänzungsgesetz eine Obergrenze von 26,5 Prozent als Höchstsatz ("alíquota-padrão") fest (Art. 475 §§ 11 LC). Das bedeutet, dass während der Übergangsphase zur Steuerreform alle fünf Jahre überprüft wird, wie das Steuersystem funktioniert. Liegt der endgültige Regelsatz der IVA-Dual über dem Höchstsatz, müssen die Steuervergünstigungen bis 2033 reduziert werden.

Nachhaltigkeit und selektive Besteuerung

Das Ergänzungsgesetz regelt auch die sogenannte selektive Steuer (Imposto Seletivo - IS). Diese neue Steuer ist außerfiskalischer Natur, das heißt, sie zielt darauf ab, den Konsum von gesundheitsschädlichen Produkten (Art. 409 des LC) - wie Zigaretten, alkoholische und zuckerhaltige Getränke - zu unterbinden. Darüber hinaus wirkt die IS als Ökosteuer, da sie auf Autos, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, sowie auf Luft- und Wasserfahrzeuge erhoben wird. Der Nullsatz kann auf Fahrzeuge angewandt werden, die ökologische Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, wie z. B. geringe Kohlenstoffemissionen (Art. 421 LC). Die Steuer wird auch auf die Förderung von Erdöl und Erdgas erhoben, selbst wenn die Bodenschätze für den Export bestimmt sind.

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