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Special | Brasilien | Klimaschutzatlas

Klimaschutz-Atlas

Energie: Brasilien ist Vorreiter bei grünem Strom

Brasilien verfügt bereits über sehr saubere Stromerzeugung. Neben der Elektrifizierung und grünem Wasserstoff setzt Brasilien beim Klimaschutz auf Bioenergie. 

Von Gloria Rose | São Paulo

Erneuerbare Energien gewinnen stark an Bedeutung

Nur wenige Länder der Welt verfügen bereits jetzt über einen so sauberen Energiemix wie Brasilien. Bei der Stromerzeugung liegt das Land weit vor allen anderen großen Volkswirtschaften. Im Jahr 2022 wurden in Brasilien 92 Prozent des Stroms über erneuerbare Energien erzeugt, in Deutschland waren es 48 Prozent. Mit einem Beitrag zur Stromerzeugung von über 60 Prozent ist die Wasserkraft nach wie vor der mit Abstand wichtigste Energieträger. Doch Windkraft, Fotovoltaik, Bioenergie und auch Erdgas gewinnen an Boden.

Erneuerbare Energien hielten den Wachstumskurs auch in der Coronakrise. Bei der Stromerzeugung stieg Solarenergie zum zweitwichtigsten Energieträger auf – gefolgt von Wind, Biomasse und Erdgas. Der Markt für Fotovoltaikanlagen expandiert weiter stark – insbesondere im Bereich der dezentralen Erzeugung. Mit der Regulierung von Offshore-Wind dürfte sich der Ausbau mit Windkraft verstärken. Bioenergie profitiert vom Emissionshandel, Änderungen in den Rechtsgrundlagen sowie von dem wachstumsstarken Agribusiness.

Zukünftig dürften auch Investitionen in Speichersysteme attraktiv werden und Chancen für deutsche Anbieter eröffnen. Derzeit hapert es noch an den Rahmenbedingungen. Es mangelt an technischen Normen sowie einer verlässlichen Marktregulierung und Besteuerung.

Modernisierung alter Kraftwerke und neue Übertragungsleitungen

Da die Erzeugung elektrischer Energie in Brasilien hauptsächlich auf Wasserkraft basiert, wirkte sich die Trockenheit in den Jahren 2020 und 2021 auf die Stromversorgung des Landes aus. Zur Versorgungssicherheit wurden verstärkt Erdgaskraftwerke eingesetzt. Doch abgesehen von einigen modernen Anlagen wie das Kraftwerk Gás Natural do Açu (GNA-I) ist der Kraftwerkpark Brasiliens veraltet und ineffizient. Auch viele Wasserkraftwerke bedürfen einer Modernisierung. Dafür investiert der Großkonzern Eletrobras, der 2022 privatisiert wurde, zwischen 2021 und 2025 insgesamt 1,5 Milliarden US-Dollar (US$).

Außerdem will Brasiliens neue Regierung bis Ende 2024 Konzessionsverträge für neue Übertragungsleitungen im Wert von über 10 Milliarden US$ ausschreiben. Grüner Strom soll kostengünstig im Nordosten erzeugt werden, um den hohen Bedarf im Südosten zu decken.

Energiewende mit Wasserstoff und Bioenergie

Brasilien bietet exzellente Voraussetzungen für die Elektrifizierung und die Gewinnung von grünem Wasserstoff beziehungsweise grünem Ammoniak, der zukünftig auch Deutschland mit Energie versorgen kann. Erste Projekte zielen eben auf den Exportmarkt Europa ab. Laut Prognosen der Marktforschungsgesellschaft Bloomberg NEF dürften die Produktionskosten für grünen Wasserstoff in Brasilien bereits ab 2024 die Kosten für blauen Wasserstoff unterschreiten. Ab 2030 könnten die Kosten bei unter 1 US$ pro Kilogramm liegen. Die Deutsch-Brasilianische Wasserstoffallianz bietet Informationen über neue Entwicklungen, Projekte und Geschäftschancen für deutsche Unternehmen.

Bei der Abkehr von fossilen Energieträgern setzt Brasilien auf ein zweites Standbein: Biokraftstoffe wie Bioethanol, Biodiesel und Biomethan sowie Heizkraftwerke, die Biomasse oder Biogas nutzen. Auf der Biofuture Platform vertritt Brasilien seine Interessen an der Verwertung von Bioenergie. 

Abfall und Abwasser wird Energie

Der Rückstand in Brasilien ist enorm: Nur etwa die Hälfte der Abwässer werden wiederaufbereitet. Illegale Müllhalden unter freiem Himmel finden sich in jeder dritten Kommune. Bis 2033 müssen alle 5.570 Städte und Gemeinden ihren Bürgern eine angemessene Grundversorgung bieten. Neue Rahmenbedingungen ermöglichen nun die Konzessionierung von Investitionsprojekten. Allein durch die Projekte zur Abwasseraufbereitung können bis 2030 rund 3 Millionen Kubikmeter Biomethan pro Tag gewonnen werden, erwartet der Branchenverband Abiogás.

In der Abfallwirtschaft verwerten moderne Deponien bereits Biogas, oftmals zur Stromerzeugung. Durch das Förderprogramm Metano Zero dürften die Kosten für Methanemissionen ansteigen. Aber auch infolge höherer Energiepreise lohnen sich Biogasanlagen und auch die Aufbereitung von Biogas zu Biomethan zunehmend. 

Erdgas und Atomkraft zur Sicherheit?

Laut dem Zehnjahresplan PDE 2031 wird der Erdgasanteil am Energiemix steigen, Erdöl und Derivate sollen jedoch an Bedeutung verlieren. Um Versorgungssicherheit zu bieten, will die Regierung nicht nur Erdgas, sondern auch die Kernenergie ausbauen. Brasiliens drittes Atomkraftwerk Angra 3 soll 2028 den Betrieb aufnehmen. Zusätzlich ist eine vierte Anlage mit Inbetriebnahme im Jahr 2032 geplant. Damit steigt die installierte Atomkraftleistung von derzeit 2 Gigawatt auf 4,4 Gigawatt. Zudem sieht der Zehnjahresplan den Ausbau mit Müllheizkraftwerken und die Subvention von Steinkohle vor.

Öl- und Gasproduktion expandiert

Im kommenden Jahrzehnt soll der Energiebedarf Brasiliens um 30 Prozent zulegen. Dies berechnet der Zehnjahresplan. Über 80 Prozent der erwarteten Investitionen, die von 2022 bis 2031 schätzungsweise 680 Milliarden US$ betragen, dürften dem Öl- und Gassektor zukommen. Brasiliens Energieministerium rechnet mit einem deutlichen Ausbau der Erdölförderung. Bis 2031 soll die tägliche Fördermenge von derzeit 2,9 Millionen Tonnen auf 5,2 Millionen Tonnen Rohöl zunehmen. Damit soll Brasilien vom derzeit siebtgrößten Förderland auf den vierten Rang aufsteigen. Die Erdgasförderung soll sich mit täglich 277 Millionen Kubikmeter mehr als verdoppeln. Brasilien hat im April 2021 die Öffnung des Gasmarktes beschlossen. Der Rückzug des staatlichen Konzerns Petrobras soll private Investoren animieren und die Erdgasversorgung im Land mittelfristig vergünstigen.


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