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Politische Ziele
Chile möchte fossile mit erneuerbaren Energieträgern ersetzen. Der Ausbau boomt. Fehlende regulatorische Lösungen für Netzengpässe bringen aktuell vielen IPPs aber Verluste.
12.07.2023
Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile
Mit der Unterzeichnung des Klimaabkommens von Paris 2015 hat sich Chile dem 1,5-Grad-Ziel verpflichtet und will bis 2050 kohlenstoffneutral sein. Seither verfolgt das Land den Ausbau der erneuerbaren Energieträger. Bis 2040 will Chile komplett auf Kohlestrom verzichten.
Außerdem will die Regierung, laut nationaler Wasserstoff-Strategie, mit grünem Wasserstoff die eigene Energiewende schaffen und bis 2040 einer der drei weltgrößten Exporteure sein.
Bruttostromerzeugung | Anteil in Prozent | |
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Wasserkraft | 20.290 | 24,37 |
Kohle | 19.291 | 23,17 |
Erdgas | 15.895 | 19,09 |
Solar | 14.463 | 17,37 |
Windkraft | 8.872 | 10,66 |
Andere | 4.434 | 5,33 |
Erzeugter Strom kommt nicht beim Endkunden an
Trotz dieser positiven Einstellung hinkt der Ausbau der Hochspannungs-Überleitungsnetze dem der Stromerzeugungskapazitäten hinterher. Allein 2022 mussten 1.471 Gigawattstunden (GWh) abgeregelt werden, so der Verband ACERA. Zugleich tendieren die Einspeisepreise an den Spotmärkten tagsüber gegen null. Für viele unabhängige Stromerzeuger (IPPs) steht die Existenz auf dem Spiel.
Gewisse Hoffnungen keimen jetzt nach dem Besuch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 15. Mai 2023. Der chilenische Präsident Gabriel Boric hatte dem Gast gegenüber eine Lösung in Aussicht gestellt. Konkrete Überbrückungsmaßnahmen, bis die erforderlichen Netzkapazitäten geschaffen sind, sind jedoch bisher nicht bekannt.
Letztlich setzt Chile die gesetzlich gewollte Pluralität auf der Angebotsseite aufs Spiel, weil nur eine Handvoll der ganz großen Stromerzeuger diesen Preiskampf überleben wird.
Tatsächlich stammt die chilenische Stromgesetzgebung in weiten Teilen aus einer Zeit, in der die Erzeugung vorwiegend auf konventioneller Wasserkraft und fossilen Energieträgern beruhte. Eine Reform, die die Besonderheiten für erneuerbare Energieträger berücksichtigt, wäre dringend erforderlich.
Jahr | Gesetzesnummer | Name des Gesetzes | Warum wurde das Gesetz erlassen? |
1982 | DFL Nr. 1 | Ley General de Servicios Eléctricos / | Der Stromsektor stützt sich auf dieses Gesetz. Es regelt die Erzeugung, Übertragung und Verteilung von elektrischem Strom, die Konzessionsbestimmungen sowie die Tarifsetzung. Stromerzeugung und -übertragung sollen durch Verbundnetze in der Verantwortung von privaten Unternehmen liegen. |
2004 | 19.940 | Ley corta I /Kurzes Gesetz I | Reguliert Stromübertragungssysteme und führt eine neue Tarifregelung für mittelgroße Anlagen sowie Anpassungen des allgemeinen Gesetzes über Stromdienstleistungen ein. Jeder Stromerzeuger hat Zugang zum Spotmarkt und der Strom kann zum Grenzkostenpreis und generierte Leistung zum Knotenpreis verkauft werden. Anschlusspflicht der Netzbetreiber an jeweiligen Netzbereich sowie das Recht auf Einspeisung von Strom aus Kraftwerken mit einer Kapazität von unter 9 MW. Dezentrale Stromerzeuger, die erneuerbare und nichtkonventionelle Energieformen nutzen, werden bis zu einer Leistung von 9 MW vollständig und bis 20 MW teilweise von den Übertragungskosten bei der Netzeinspeisung befreit. |
2005 | 20.018 | Ley corta II / Kurzes Gesetz II | Das Gesetz wurde aufgrund des Lieferstopps von Erdgas aus Argentinien erlassen. Einführung von Ausschreibungsverfahren für die Vergabe von langfristigen Lieferverträgen (15-20 Jahre) zwischen Erzeugungs- und Stromverteilungsunternehmen zur Endkundenversorgung. |
2008 | 20.257 | Ley ERNC / Gesetz für nicht-konventionelle erneuerbare Energieträger | Förderung der nicht-konventionellen, erneuerbaren Energieträger: Energieerzeuger werden dazu verpflichtet, einen Mindestanteil von 5 Prozent an erneuerbaren Energieträgern einzuspeisen. Der Prozentsatz wird graduell bis auf 10 Prozent im Jahr 2020 und 20 Prozent im Jahr 2025 erhöht. |
2013 | 20.698 | Ley ERNC 20-25 / Gesetz für nicht-konventionelle erneuerbare Energieträger | Erweiterung der Strommatrix durch nicht-konventionelle erneuerbare Energiequellen. |
2013 | 20.698 https://bcn.cl/2jusa | Ley de ampliación de la matriz energética | Öffentliche Ausschreibungen für die Endkundenversorgung beinhalten nun auch speziell für erneuerbare Energien ausgelegte Stromblöcke. |
2014 | 20.726 | Interconexión / Verbundwirtschaft | Fördert die Zusammenschaltung der unabhängigen Verbundnetze im Norden und Zentrum Chiles (SIC und SING) mit einer installierten Leistung von mehr als 200 MW. Ziel ist die Förderung von Wettbewerb, Senkung der Energiepreise und eine bessere Nutzung der Stromerzeugung. |
2014 | 20.571 https://bcn.cl/2ie9p | Ley de Generación Distribuida / Net-Billing-Gesetz | Regelt die Zahlungsmodalitäten zwischen Verteilungsunternehmen und kleinen (meist privaten) Stromerzeugern bis 100 kW installierten Kapazitäten und einer Anschlussleistung von weniger als 2.000 kW Eigenproduzenten dürfen überschüssigen oder nicht konsumierten Strom zu regulierten Tarifen in das Niederspannungsnetz einspeisen. |
2015 | 20.805 | Licitaciones de suministro / Ausschreibungen für die Stromversorgung | Verbessert das Ausschreibungssystem auf dem Stromversorgungsmarkt. |
2016 | 20.936 | Ley de Transmissión / Übertragungsgesetz | Änderung in der Planung und Bezahlung der Übertragung. Gründung eines neuen Stromübertragungssystems und einer unabhängigen Koordinationsstelle des nationalen elektrischen Systems (Coordinador Eléctrico Nacional CEN). |
2019 | 21.185 | Precio Estabilizado / Preisstabilisierung | Vorübergehende Stabilisierung des Strompreises aufgrund des Estallido Social. |
2022 | 21.472 | Precio Estabilizado 2 / Preisstabilisierung 2 | Führt einen Tarifstabilisierungsfonds und einen neuen Mechanismus zur vorübergehenden Strompreisstabilisierung zum Schutz der Kunden (Mecanismo Transitorio de Protección al Cliente MPC) ein. Laufzeit des Fonds bis zum 31.12.2032. |
2022 | 21.505 | Almacenamiento y Electromovilidad / Speicherung und Elektromobilität | Änderung des allgemeinen Gesetzes für Stromdienstleistungen, um Speichersysteme und Elektromobilität zu fördern. Die Förderung von Speichertechnologien soll die Beteiligung erneuerbarer Energien am Stromnetz unterstützten. Reine Speichersysteme, die nicht mit Kraftwerken verbunden sind, sollen Einnahmen auf dem Erzeugermarkt erhalten. Schafft Anreize für den Umstieg auf Elektrofahrzeuge. Diese sollen zwei Jahre lang von der Zulassungsgebühr befreit werden. Einführung des Begriffs "Erzeugungs- und Verbrauchsanlage" als produktive Infrastruktur, die z.B. für die Wasserstofferzeugung und Meerwasserentsalzung bestimmt ist. |