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Branche kompakt | China | Chemische Industrie

Chinas Chemieindustrie bleibt unter Druck

Chinas Chemieindustrie steht vor großen Herausforderungen, denn Nachfrage und Angebot klaffen häufig auseinander. Die Branche stellt sich auf "grüne" Produktsegmente ein.

Von Corinne Abele | Shanghai

Ausblick auf die chemische Industrie in China

 

  • Krise des Immobiliensektors setzt sich fort.
  • Gesamtkonjunktur bleibt schwach.
  • Überkapazitäten intensivieren den Preiswettbewerb.
  • Nachfrage nach klimafreundlicheren Produkten steigt.

Anmerkungstext: Einschätzung der Autorin für die kommenden zwölf Monate auf der Grundlage von Gesprächen mit Branchenvertretern, Verbandsprognosen sowie von der Staatlichen Statistikbehörde (NBS) veröffentlichten Zahlen zur Branchenkonjunktur. Die Einschätzung ist subjektiv und ohne Gewähr. Stand: September 2024

  • Gesamtwirtschaftlicher Ausblick

    Chinesische Konsumenten bleiben sparsam, der Immobiliensektor befindet sich weiter in der Krise. Gleichzeitig wachsen die Überkapazitäten in der Wirtschaft.

    Top-Thema: Überkapazitäten durch Subventionen und fehlende Nachfrage

    Durch staatliche Subventionen sind in vielen Branchen in China Überkapazitäten entstanden. Sichtbar werden sie nun durch die fehlende Nachfrage im Land. So drängen aufgrund der anhaltenden Immobilienkrise billige, chinesische Stahlprodukte auf den Weltmarkt. Auch die mit Subventionen herangezogene Elektroautoindustrie reagiert auf die schwächer als erwarteten Absatzentwicklungen in China mit der Suche nach neuen Absatzmärkten vor allem in Europa und Südostasien. Dadurch wächst Chinas Präsenz und damit auch die Konkurrenz zu deutschen Unternehmen in den zunehmend fragmentierten Weltmärkten, etwa in Südostasien, Südamerika und Afrika. 

    Die westliche Welt versucht, sich mit Anti-Dumping-Zöllen zu schützen. Die USA haben bereits empfindliche, wenngleich symbolische hohe Strafzölle auf chinesische Produkte wie Elektroautos verhängt. Auch die EU hat Zusatzzölle auf chinesische E-Autos von bis zu 36 Prozent ab November 2024 angekündigt, seit 5. Juli 2024 sind sie vorläufig in Kraft. Der Import von Solarmodulen ist bereits mit Strafzöllen belegt. 

    Doch hinter Chinas Billigpreisen steckt auch eine inzwischen gewonnene Wettbewerbsfähigkeit. Im chinesischen Automarkt beispielsweise sinkt der Marktanteil ausländischer Marken - und dies vor allem, weil chinesische Konsumenten heimische Automodelle attraktiver finden. 

    Wirtschaftsentwicklung: Messbarer, aber kaum spürbarer Aufwärtstrend 

    Zumindest auf dem Papier ist Chinas Wirtschaft im 1. Halbjahr 2024 mit einem realen Zuwachs um 5,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum robust gewachsen. Die Produktion steigt wieder, doch der Einkaufsmanager-Index für das verarbeitende Gewerbe bleibt weiterhin unterhalb der Wachstumsmarke von 50 Punkten. Auch der Konsum hinkt hinterher. Deflationäre Tendenzen sind die Folge. Zwar ist der Außenhandel im bisherigen Jahresverlauf bis August 2024 um 6 Prozent gewachsen, doch die Bedeutung der EU, Japans und zu einem leicht geringeren Grad der USA nimmt ab. Dabei zeichnet sich eine vertiefte wirtschaftliche Integration Chinas mit der ASEAN, Lateinamerika (allen voran Brasilien) und Russland ab. 

    In der Wirtschaft ist der Aufwärtstrend bisher kaum spürbar. Zwar sieht der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) in China in seiner Geschäftsumfrage vom April 2024 eine leichte Verbesserung, bleibt aber insgesamt pessimistisch. Das derzeit eher schwache Wirtschaftswachstum weist nicht auf eine vorübergehende Wachstumsdelle hin, sondern auf eine systemische Schwäche. 

    Krise im Immobiliensektor dauert an

    Der Immobiliensektor trägt rund ein Viertel zur Wirtschaftsleistung Chinas bei. Trotz verschiedener Maßnahmen auf nationaler wie regionaler Ebene sowie Anweisungen an den Bankensektor, wichtige Branchenunternehmen zu stützen, kehrt keine Ruhe ein. Die Preise für Neubauwohnungen tendieren nur leicht nach oben. Wohnungskäufer und Wohnungsbesitzer warten mit Haus(ver-)käufen eher ab; letztere versuchen angesichts schwieriger Wirtschaftsaussichten ebenfalls ihren Schuldenstand zu verringern. All dies drückt auf den privaten Konsum. Dabei wächst auch der staatliche Konsum nur gering – denn nicht zuletzt aufgrund der Immobilienkrise und infolge der Coronakrise sind die staatlichen Kassen vielerorts leer. Vor allem bei Lokalregierungen und (Staats-)Unternehmen ist die Verschuldung hoch.

    Die Regierung hat auf dem Volkskongress im März 2024 einige Maßnahmen verkündet, um die Wirtschaft anzukurbeln und eine weitere Marktöffnung in Aussicht gestellt. So sollen langfristig laufende Regierungsanleihen in Höhe von 1 Billion Renminbi Yuan (RMB; rund 138 Milliarden US-Dollar) ausgegeben werden. Dies dürfte zu erhöhten Investitionen in infrastrukturnahen Bereichen führen, in denen häufig staatlich kontrollierte Unternehmen agieren. Ausländische Direktinvestitionen gingen in den ersten acht Monaten 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 31,5 Prozent (gemessen in RMB) zurück.

    Chinas Wirtschaftswachstum nimmt ab

    Für das Gesamtjahr 2024 rechnet der Internationale Währungsfonds (IWF) mit einem realen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 5 Prozent und für 2025 von 4,5 Prozent. Die verstärkte Fragmentierung des Welthandels sowie steigende Schulden dürften das Wachstum bremsen. Hinzu kommt die demografische Entwicklung: Bis 2035 sollen laut Weltbank bereits über 30 Prozent der Bevölkerung Chinas älter als 60 Jahre sein. 

    Deutsche Perspektive: Wettbewerbsfähig bleiben

    In China wettbewerbsfähig bleiben und gleichzeitig das Risiko des Landes im globalen Portfolio begrenzen – dieses Dilemma treibt deutsche Unternehmen um. Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit vor Ort zu erhalten, ist auch der Hauptgrund, warum deutsche Unternehmen vor Ort weiter investieren wollen, so die AHK-Geschäftsklimaumfrage 2023/24. Investiert wird zunehmend in Forschung und Entwicklung sowie Lokalisierung. Tatsächlich realisierte Direktinvestitionen aus Deutschland stiegen in den ersten sieben Monaten 2024 laut chinesischem Wirtschaftsministerium um 26 Prozent, während das bilaterale Handelsvolumen bis Juli 2024 gemäß chinesischem Zoll (in US-Dollar) um 5,7 Prozent zurückging. 

    Die visafreie Einreise für einen maximalen Aufenthalt von 15 Tagen für touristische und geschäftliche Zwecke für deutsche Reisende wurde um ein Jahr bis Ende November 2025 verlängert. Aufgrund der Annäherung Chinas an Russland seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine, des wachsenden Konfliktpotenzials in der Taiwanstraße sowie der Entschlossenheit der USA, das Technologiepotenzial Chinas mit Strafzöllen und Sanktionslisten zu bekämpfen, wachsen jedoch die mit einer Geschäftstätigkeit in und mit China verbundenen Risiken. Deutsche Unternehmen versuchen daher zunehmend, das Gewicht Chinas in ihren Lieferketten und Absatzmärkten zu begrenzen.

    Von Corinne Abele | Shanghai

  • Markttrends

    Chinas Chemiefirmen leiden unter der schwachen Konjunktur. Ausländische Chemiehersteller wiederum spüren die steigende Wettbewerbsfähigkeit der inländischen Konkurrenz.

    Als Lieferant für nahezu alle Industriebereiche ist die Chemiebranche ein Indikator für die reale Wirtschaftsentwicklung in China. An ihr zeigt sich deutlich die allgemeine Nachfrageschwäche sowohl im In- wie im Ausland. 

    25 %

    der globalen petrochemischen Produktionskapazität entfiel bereits 2023 auf China. 

    Die Asiatische Entwicklungsbank sowie die Weltbank gehen von einem Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) Chinas für das Gesamtjahr 2024 von 4,8 Prozent aus. Es wird daher schwierig, das im "Work Plan for Steady Growth of the Petrochemical and Chemical Industry" anvisierte Wachstum der (petro)chemischen Branche von 5 Prozent 2024 zu erreichen. Das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Atradius Collections sieht letzteres 2024 eher bei 4,7 Prozent und 2025 bei 3,1 Prozent.

    Angestrebte Veränderungen in der chemischen Industrie in China gemäß dem 14. Fünfjahresplan 2021 bis 2025
    BereichZiele
    InnovationBis 2025 sollen die Forschungs- und Entwicklungsausgaben (FuE) in Großunternehmen mindestens 1,5 Prozent am Umsatz erreichen. Angestrebt wird der Durchbruch bei mehr als 20 Schlüsseltechnologien und mehr als 40 neuen Kernprodukten.
    IndustriestrukturDie Branchenkonzentration im Bereich Basischemie soll steigen; angestrebt wird eine Kapazitätsauslastung von 80 Prozent. Bis 2025 soll bei neuen chemischen Materialien die Selbstversorgungsquote 75 Prozent betragen.  
    IndustrieparksProduktion von und Umgang mit gefährlichen Chemikalien soll sich künftig in 70 wettbewerbsfähigen Chemie-Industrieparks konzentrieren. Bis 2025 sollen die Unternehmen in diesen Chemieparks mindestens 70 Prozent des gesamten Branchenproduktionswertes erwirtschaften.
    DigitalisierungBis 2025 sollen 30 Pilotfabriken sowie 50 Pilotparks für intelligente Fertigung in der Chemiebranche entstehen.
    Nachhaltigkeit und KlimaschutzEnergieverbrauch und Kohlendioxidemissionen pro Einheit Schüttgut werden erheblich reduziert. Die Gesamtemissionen flüchtiger organischer Verbindungen sollen bis 2025 im Vergleich zu 2020 um über 10 Prozent sinken. Die Produktionssicherheit wird erheblich verbessert, um das Risiko schwerer Unfälle zu verringern.
    Quelle: Leitlinien einer hochwertigen Entwicklung der petrochemischen und chemischen Industrie im Rahmen des 14. Fünfjahresplans vom März 2022

    Gewinne unter Druck

    Bislang hat die chemische und petrochemische Industrie den Herausforderungen mehr oder weniger getrotzt – allen voran der anhaltenden Immobilienkrise. Noch ist die Talsohle jedoch nicht in Sicht: Erneut wurden im 1. Halbjahr 2024 knapp 22 Prozent weniger Wohnungen als im Vorjahreszeitraum verkauft.

    Aggressiv und robust zeigen sich zunehmend nicht staatliche Chemiekonzerne. Sie setzen auf Kapazitätserweiterung, technologische Aufrüstung und Innovation. Nach einem deutlichen Gewinnrückgang um rund 30 Prozent der Gesamtbranche im Jahr 2023 berichtete die China Petroleum and Chemical Industry Federation (CPCIF) für das 1. Halbjahr 2024 nur noch einen leichten Rückgang von 1,6 Prozent. Während der Gewinn des Chemiesegments um 4,4 Prozent zulegte, brach er im Raffineriesegment weiter um über 90 Prozent ein. 

    Umsatz verschiedener Segmente der chemischen und petrochemischen Industrie in China Umsatz in Milliarden US-Dollar; akkumulierte Veränderung in Prozent

    Sektor

    2023 1)

    1. Halbjahr 2024 2)

    Veränderung 3)

    Basischemie und verarbeitende Chemie

    1.248

    623

    5,9

    Erdölverarbeitung / petrochemische Erzeugnisse

    862

    416

    1,5

    Gummi-, Kunststofferzeugnisse

    400

    198

    5,8

    Arzneimittel

    358

    174

    -0,8

    Erdöl- und Erdgasproduktion

    168

    87

    8,8

    Kunststofffasern

    156

    80

    13,1

    1 Umrechnung zum Jahresdurchschnittskurs 2023 der Deutschen Bundesbank; 2 Umrechnung zum Monatsendkurs Juni 2024 der Deutschen Bundesbank; 3 auf Basis der Inlandswährung; Unternehmen mit einem Mindestjahresumsatz von 20 Millionen RMB.Quelle: National Bureau of Statistics (NBS) 2024

    Preiskampf durch Überkapazitäten

    Zunehmend setzt die inländische Chemieindustrie vor allem bei Basischemikalien und Agrarchemie auf Exporte, trifft dabei 2024 aber auf eine globale Nachfrageschwäche. Insgesamt ging der Außenhandel der chemischen und petrochemischen Industrie im 1. Halbjahr 2024 um 2,5 Prozent zurück.  

    Sowohl bei der Herstellung von Autoakkus, Elektroautos als auch Solarzellen und -modulen sorgen teilweise gewaltige Überkapazitäten für fallende Preise. Bei Solarzellen und -modulen haben sie historische Tiefstwerte erreicht; die globalen Überkapazitäten werden auf 50 Prozent geschätzt. Der Preisdruck wird an vorgelagerte Lieferanten in der Chemieindustrie weitergegeben. 

    Grüne Transformation verschiebt Produktnachfrage

    Die Regierung forciert den Umbau der Chemieindustrie hin zu Dekarbonisierung sowie "grünen" Zwischen- und Endprodukten. Um welche Produktbereiche es sich dabei handelt, macht auch für die Chemiebranche der im Jahr 2023 neu erschienene Guiding Catalog for Industrial Structure Adjustment deutlich.

    So profitiert die chemische Industrie auch vom Wechsel hin zur Elektromobilität. Zum einen ist die Nachfrage nach Lithium-Akkus rasant gestiegen. Die globale Wertschöpfungskette dominieren auf absehbare Zeit chinesische Hersteller wie CATL oder BYD. Zum anderen werden in Elektroautos deutlich mehr Kunststoffe verbaut als in Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Der American Chemistry Council (ACC) spricht bei einem Elektroauto mittlerer Größe von 45 Prozent mehr Kunststoffen. Dabei tragen Plastik- und Polymerverbundstoffe etwa 50 Prozent zum Volumen eines EV, aber nur 10 Prozent zum Gewicht bei. 

    Fahrzeuge mit alternativem Antrieb (NEV - New Energy Vehicle) sind in China auf dem Weg zum Mainstream. Im 1. Halbjahr 2024 stellten sie mit fast 5 Millionen Einheiten knapp über 35 Prozent aller verkauften Fahrzeuge. Erstmals wurden im Juli 2024 mehr NEV als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor verkauft. Chinas Ballungsräume zeigen inzwischen gewisse Sättigungstendenzen. Der Export wird daher immer wichtiger. Nach Angaben des Automobilverbands sowie des chinesischen Zolls ging in den ersten sieben Monaten 2024 rund ein Fünftel der Fahrzeugproduktion Chinas in den Export. Allerdings dürften Strafzölle der USA sowie der Europäischen Union (EU) das Ausfuhrwachstum künftig bremsen. Die Folge sind unter anderem vorgezogene Investitionen in Drittmärkte.

    Auch die Transformation des Energiesystem ist ein großer Nachfragefaktor für die chemische Industrie. Laut der Prognose des China Electricity Council (CES) dürfte China 2024 erneut 171 Gigawatt (GW) Solar-Anlagen und 89 GW Windkraftanlagen installieren. Hinzu kommen Exporte, die jedoch teilweise bereits mit Strafzöllen belegt werden. 

    Dekarbonisierung der Chemieindustrie hat begonnen

    China treibt die Dekarbonisierung von Energieversorgung und Chemieproduktion voran. Dabei setzt es auch auf den Einsatz von Wasserstoff, der schrittweise "grün" werden soll. Parallel baut es jedoch seine strategischen Gas- und Ölvorräte aus. So stieg im 1. Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum das inländische Produktionsvolumen von Gas um 6 Prozent und von Rohöl um 1,9 Prozent. Ebenfalls legte die mengenbasierte Einfuhr von Gas um 14,3 Prozent sowie von raffinierten Ölprodukten um 9,9 Prozent, während rund 2,3 Prozent weniger Rohöl importiert wurde.

    Zunehmend wird vor allem im Osten des Landes die Einhaltung von Umweltschutz- und Sicherheitsauflagen kontrolliert. Die Regierung drängt weiterhin auf Umsiedlung in branchenspezifische Industrieparks. Ein Umzug in den Westen des Landes mit (noch) laxeren Kontrollen kann temporär, aber kaum langfristig die Lösung sein. 

    Geopolitik belastet Branche zunehmend

    Stärker als zuvor müssen ausländische Chemiefirmen bei ihrem Engagement in China geopolitische Risiken einbeziehen und entsprechendes Risikomanagement betreiben. So hat China inzwischen seine Exportkontrollen unter anderem für Grafit sowie die beiden technischen Metalle für die Halbleiterproduktion, Gallium und Germanium, sowie Antimon verkündet. 

    Ebenfalls setzt Chinas Regierung auf Ergänzung und Stärkung inländischer Wertschöpfungsketten, um Abhängigkeiten von ausländischen Importen zu verringern. Dies gilt auch für einige chemische Grundstoffe sowie Feinchemikalien. 

    Von Corinne Abele | Shanghai

  • Nachhaltigkeit in der Chemieindustrie

    Etwa 13 Prozent der CO2-Emissionen Chinas stammen aus der Chemieindustrie. Erste Projekte setzen auf Dekarbonisierung; auch die Nachfrage nach grünen Produkten steigt. 

    China verfolgt ehrgeizige Klimaziele: Vor 2030 will das Land die CO2-Emissionsspitze erreichen, bis 2060 Klimaneutralität. Dies erhöht den Druck auf die petrochemische und chemische Industrie, die Dekarbonisierung voranzutreiben. Für den "grünen" Umbau der gesamten Chemiebranche sind über Jahre hinweg gewaltige Investitionen notwendig. Staatliche Unterstützung dürften vor allem große Chemiekonzerne, sowohl staatliche als auch private, erhalten. Einige kleine Chemiefirmen werden die Produktion einstellen müssen. 

    ETS vorläufig ohne Chemiebranche 

    Im März 2024 verkündete die chinesische Regierung eine "unmittelbar bevorstehende" Einbeziehung der Aluminiumbranche in das nationale Emissionshandelssystem (ETS - Emission Trading System). Es besteht seit Juli 2021, deckt bislang aber nur den Energiesektor ab. Gemäß einer Ankündigung des Umweltministeriums im September 2024 sollen bis zum Jahresende noch die Eisen- und Stahlindustrie sowie die Zementbranche einbezogen werden. Ebenfalls kündigte Chinas Umweltministerium im Juli 2024 eine Verknappung der vergebenen CO2-Emissionsrechte für das nationale ETS an. Der Zeitplan zur Integration der petrochemischen und chemischen Industrie ins ETS steht noch nicht konkret fest. 

    Dabei bestehen für Importeure in der EU bei Einfuhr von mineralischen oder chemischen Düngemitteln, Salpetersäure, Ammoniak sowie Wasserstoff im Rahmen des grenzüberschreitenden Ausgleichsmechanismus für CO2-Emissionen (CBAM) bereits Berichtspflichten. Zum 1. Oktober 2024 müssen in den CBAM-Quartalsberichten reale, mit der Herstellung der konkreten Ware verbundene CO2-Emissionen angegeben werden. Derartige Zahlen sind bislang kaum zu erhalten. Inwieweit CBAM-Berichtspflichten auch die Dekarbonisierung von Chemiesparten in China vorantreiben werden, bleibt abzuwarten. Ende Juni 2024 verkündete das chinesische Umweltministerium, künftig ein Carbon Footpring Management System einzuführen. Demnach sind rund 200 Standards geplant, vermutlich auch für einige Grundchemikalien.

    Umweltschutz zum Zweck

    Chinas Umsetzungsplan für Innovation und Entwicklung der Feinchemie 2024 bis 2027 betont die "grüne" Entwicklung der Feinchemiesparte. Unter anderem soll die Forschung in Bereichen wie Bio-Katalyse, Ersatz toxischer und stark VOC-haltiger Roh-und Hilfsstoffe, Recyclingtechnologien für unschädliche Pestizid-Nebenprodukte sowie Polyurethanabfälle und zur Oxidation von Salz- und Schwefelsäureabfällen beschleunigt werden. 

    Es entstehen erste Pilotprojekte. So unterzeichnete im Juni 2024 BASF mit China BlueChemical eine Absichtserklärung für ein gemeinsames Green & C1 Advanced Chemical Technology Laboratory zur Entwicklung kohlenstoffarmer Technologien für die chemische Industrie. Dabei geht es um CO2-to-Syngas-Technologien (CO2TS), unter anderem um Anwendungen von grünem Methanol und Ammoniak sowie die Synthese von "grünen" Olefinen. 

    Nicht zuletzt um die inländische Maschinennachfrage anzukurbeln, treibt die Regierung durch verschiedene Anreize den Ersatz veralteter Maschinen und Anlagen voran – auch in der Chemieindustrie. Laut Hongkong Trade Development Center gilt dies unter anderem für Lagertanks mit einem Fassungsvermögen von über 3.000 Kubikmeter von unter Druck verflüssigten Kohlenwasserstoffen sowie für hochgiftige Flüssigkeiten.

    China exportiert "grüne" Technologien

    Chinas neue Exportschlager sind Solarzellen und -module, Batterien für die Elektromobilität und Energiespeicherung oder Elektroautos. Die Hersteller benötigen dafür Ausgangsstoffe wie Silizium und Halbleiterchemie für Solarpaneele, hochbelastbare neue Materialien wie kohlefaserverstärkte Verbundwerkstoffe für Rotorblätter der Windkraftindustrie und Leichtbau im Elektrofahrzeug und recycelbare Kunststoffe. Noch sind die entsprechenden Wertschöpfungsketten im Inland nicht komplett, und Betriebe sind teilweise auf Importe angewiesen. Gleichzeitig werden Exporte zunehmend durch Strafzölle sowie Maßnahmen der USA im Kampf um Technologievorherrschaft erschwert.

    China dürfte bereits Ende 2024 sein ursprünglich bis 2030 geplantes Ausbauziel von 1200 Gigawatt Solar- und Windkraftleistung erreichen.

    Solarausbau gewaltig 

    Auch 2024 dürfte China wie 2023 einen neuen Rekord bei der Installation von Solar- und Windkraftanlagen erreichen. Werden die geplanten Projekte realisiert, könnte China bereits Ende 2024 sein ursprünglich bis 2030 geplantes Ausbauziel von 1200 Gigawatt Solar- und Windkraftleistung erreichen. Damit überstiege die installierte Leistung an Solar- und Windkraftanlagen erstmals die Leistung der Kohlekraftwerke des Landes. 

    Trotz dieser Erfolgszahlen steht die Branche unter großem Druck: Aufgrund von Überkapazitäten sind die Preise rapide gefallen und der Exportdruck gestiegen. Doch wie auch bei Elektroautos wird die weitere Expansion zunehmend durch Anti-Dumping-Strafzölle anderer Länder gebremst. Auch für den Export von Lithiumbatterien wird es schwieriger. So fördern beispielsweise die USA unter dem US Inflation Reduction Act (IRA) den Kauf von Elektrofahrzeugen nur, wenn sie keine Batterien, Batteriekomponenten oder kritische Mineralien aus China, Russland, Iran oder Nordkorea enthalten. 

    Wasserstoffausbau geht voran

    Der mittelfristige Entwicklungsplan bis 2035 und die Richtlinien zur Standardisierung von Gewinnung und Einsatz von Wasserstoff sehen den Ausbau der Wasserstoffwirtschaft in China vor. Nach 100 Projekten zur Herstellung grünen Wasserstoffs im Jahr 2023 berichtet die Internetplattform Mysteel.net für das 1. Quartal 2024 bereits von 84 Projekten mit einem geplanten Investitionsvolumen von rund 83 Milliarden US-Dollar. Davon sollen allerdings erst zehn Projekte tatsächlich im Bau oder in Betrieb sein  – in einigen Regionen scheint das notwendige Förderbudget zu fehlen. Hauptabnehmer des perspektivisch "grünen" Wasserstoffs ist die chemische Industrie vor allem zur Ammonium- und Methanolherstellung. Die Herstellung von grünem Methanol wird besonders durch höhere Nachfrage aus der Schifffahrt getrieben. 

    Von Corinne Abele | Shanghai

  • Branchenstruktur

    China baut seine inländischen Lieferketten aus. Vor allem nicht staatliche Hersteller sorgen für stärkeren Wettbewerb für internationale Chemieanbieter. 

    Chinas Chemieindustrie wird wettbewerbsstärker. Gerade die Top-Firmen der einzelnen Segmente nähern sich der internationalen Branchenspitze. 

    Mehr chinesische Chemiefirmen an Branchenspitze

    Die Liste "2023 Global Chemical Company 50" der US-amerikanischen Chemical & Engineering News (C&EN) weist elf chinesische und taiwanesische Unternehmen aus, davon drei – Sinopec, PetroChina und Formosa Plastics - unter den Top Ten. Erstmals haben es in das Ranking Dongfang Shenghong und die Xinfengming Group geschafft.

    Wichtige Branchenunternehmen in China Umsatz in Milliarden US-Dollar; Veränderung gegenüber Vorjahreszeitraum in Prozent
    2023 WeltrangUnternehmen

    Bereich

    2023 Umsatz

    Veränderung zum Vorjahreszeitraum

    2Sinopec

    Petrochemie

    58,1

    -8,6

    5PetroChina

    Petrochemie

    40,9

    3,4

    13Syngenta Group1)

    Agrarchemikalien

    26,8

    -6,0

    14Rongsheng 
    Petrochemical

    Petrochemie

    26,8

    5,9

    16Wanhua Chemical Group

    vielfältig

    24,8

    5,9

    18Hengli Petrochemical

    Petrochemie

    21,8

    14,4

    22Jiangsu Eastern 
    Shenghong2)

    Petrochemie

    15,7

    79,2

    37Tongkun Holding Group

    Petrochemie, Chemiefaser

    11,3

    33,0

    40Hengyi Petrochemical

    Petrochemie

    10,9

    20,0

    48Xinfengming Group2)

    Petrochemie, Chemiefaser

    8,7

    21,0

    1 Tochtergesellschaft von Sinochem mit Hauptsitz in der Schweiz; 2 zum ersten Mal auf der Liste.Quelle: C&EN’s Global Top 50 Chemical Firms for 2024

    Massiver Kapazitätsausbau sorgt für Preisdruck

    Die im internationalen Vergleich verbesserte Wettbewerbsfähigkeit großer chinesischer Chemiefirmen basiert auf steigender Innovationsfähigkeit, aber vor allem auf kontinuierlicher Erweiterung von Produktionskapazitäten. Diese fand und findet in einigen Bereichen trotz vorhandener Überkapazitäten statt. So ist China mit einer Gesamtkapazität seiner Raffinerie- und Chemieintegrationsprojekte von 10 Millionen metrischen Tonnen und Ethylenprojekten mit einer Gesamtkapazität von 1 Million metrischer Tonnen inzwischen weltweit führend, so das CITIC Futures Institute in einem Artikel in der chinesischsprachigen Zeitschrift "Future Daily" von Anfang August 2024. Der Ausbau begann seit 2018 und hat 2022 sowie 2023 weltweit zu Überkapazitäten geführt. 

    Am Ausbau beteiligt sind laut der Future Daily vor allem nicht staatliche Unternehmen wie Hengli Petrochemical, Rongsheng Petrchemical, Hengyi Petrochemical, Dongfang Shenghong oder Tongkun. Gemeinsam ist ihnen eine vertikale Integration vom Rohöl hin zu den Chemikalien. 

    Internationale Wettbewerber spüren Konkurrenz

    Ähnliches gilt für Wanhua Chemical im Chemiebereich, das vor allem die Segmente Polyurethan, Petrochemie, Feinchemie, neue Materialien und Zukunftsindustrien mit seinen Produkten abdeckt. Dabei konzentriert es sich vor allem auf neue chemische Materialien mit hoher Wertschöpfung. Laut dem CITIC Futures Institute entwickelt das Unternehmen mehr als 20 differenzierte Polypropylen-Sorten, sowie Polyethylen mit einem hohen Schmelzindex und hoher Transparenz. 

    Ebenfalls baut Wanhua Chemical in Yantai in der Provinz Shandong die derzeit weltweit größte Produktion von Citral (kosmetischer Duftstoff) mit einem jährlichen Produktionsvolumen von 48.000 Tonnen auf. Die Herstellung von Citral gilt als technisch schwierig. Nach Einschätzung von MC Chemicals könnte es damit die bisherige Dominanz internationaler Hersteller heraufordern.

    Wanhua Chemical steht damit für erfolgreiche, häufig nicht staatliche chinesische Branchengrößen. Einige investieren verstärkt in den Aufbau eigener Innovationskapazitäten, um beispielsweise in das Segment der Feinchemie mit höherer Wertschöpfung vorzudringen. Auf die Förderung derartiger Firmen zielt unter anderem auch der Umsetzungsplan für Innovation und Entwicklung der Feinchemie 2024 bis 2027. Die erhöhte Wettbewerbsfähigkeit der inländischen Konkurrenz bekommen auch deutsche Chemiefirmen immer mehr zu spüren. 

    Starke inländische Lieferketten

    Weg vom Mengen- hin zum Innovationswettbewerb – auf diesen Trend weisen Branchenexperten seit einigen Jahren hin. Als ernstzunehmende Wettbewerber sehen internationale und auch deutsche Chemiefirmen zunehmend nicht staatliche chinesische Unternehmen. Inzwischen stellen laut dem CITIC Futures Institute nicht staatliche Unternehmen über 30 Prozent der Raffinerie- und Ethylenproduktionskapazität des Landes. Gemäß der Industriepolitik Chinas werden die inländischen Lieferketten zusätzlich kontinuierlich ergänzt und gestärkt, um einseitige Importabhängigkeiten zu verringern. 

    Ende 2023 wies das nationale Statistikamt 30.507 Unternehmen mit einem jährlichen Mindestumsatz von 20 Millionen Renminbi Yuan (RMB; umgerechnet circa 2,6 Millionen Euro) aus. Das entspricht einem Anstieg um 1.750 Firmen innerhalb eines Jahres. Zentren der petrochemischen und chemischen Produktion sind Jiangsu, Shandong, Guangdong, Zhejiang und Fujian mit jeweils spezifischen Schwerpunkten. Der "beste" Chemiepark ist jedoch laut CPCIF-Ranking der Shanghai Chemical Industry Park.

    Chemiefirmen investieren weiter

    Wer als internationales Chemieunternehmen im größten Chemiemarkt, der nach Einschätzung von unter anderem BASF künftig rund die Hälfte aller Chemieprodukte herstellen dürfte, wettbewerbsfähig bleiben will, muss daher über ausreichende inländische Produktions- und Innovationskapazitäten verfügen. 

    Dies dürfte ein Grund sein, dass internationale Branchenwettbewerber weiterhin investieren. Hinzu kommt eine starke chemische Grundstoffindustrie sowie eine gewaltige inländische Nachfrage, die Chinas Attraktivität als Chemiestandort steigern. Dabei gilt es, die steigenden geopolitischen Risiken durch einseitige Abhängigkeiten abzuwägen, ohne die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden. 

    Zwischen Innovation und Kostenreduzierung

    Derzeit produziert BASF etwa 80 Prozent seiner in China vermarkteten Chemieprodukte im Land selbst. Der Anteil dürfte sich weiter erhöhen. Im Juli 2024 begann AkzoNobel mit der Produktion von seetauglichen und hochschützenden Beschichtungen in Suzhou. Dazu hat es seine bestehenden Kapazitäten laut MC Chemicals um 40 Prozent vergrößert; weitere seien geplant. Auch das Chemieunternehmen Sika hat im Juni 2024 eine neue Produktionsstätte in der nordöstlichen Provinz Liaoning eröffnet. Hergestellt werden dort unter anderem Mörtel, Fliesenkleber und Abdichtungslösungen für die Bauindustrie. Letztere befindet sich derzeit allerdings in einer Krise, für die sich bislang kein Ende abzeichnet. 

    Die verschiedenen Investitionsbereiche machen die unterschiedlichen Strategien internationaler Hersteller deutlich: Zum einen bauen sie Innovationsressourcen im Land aus; zum anderen nutzen sie Kosten- und Skalenvorteile und bauen die Nähe zu inländischen Kunden aus. Insgesamt stiegen die Investitionen (Fixed Asset Investment) im 1. Halbjahr 2024 in der Gummi- und Kunststoffsparte am stärksten, gefolgt von der Basischemie.

    Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in ChinaInvestitionen in Milliarden US$ 1)
    Projekt/Akteur

    Investitionssumme

    ProjektstandJahreskapazität
    Demonstrationsprojekt für Kohle-Cracking zur Herstellung von Olefine und Aromate von Shaanxi Coal and Chemical Industry Group (Yulin, Provinz Shaanxi)

    25,0 2) 

    Sitzung zur Überprüfung des Gesamtentwurfs im August 2024Mehr als 30 Produkte: Kunstharze, neue chemische Materialien, abbaubare Harze und Batterieelektrolyte und andere mit einer Gesamtproduktion von 8,8 Mio. jato
    Modernisierung und Verbesserung des Umweltschutzes am Raffinerie- und Chemieintegrationsstandort von Yanchang Petroleum Group (Yan'an, Provinz Shaanxi) 

    11,4

    Erste öffentliche Bekanntmachung der Umweltverträglichkeitsprüfung 19.08.2410 Mio. jato Normaldruck-Destillationsanlage, 1,2 Mio. jato Ethylenanlage; Verbesserte Behandlung von Abwasser und Abgas sowie erhöhte Lärmkontrolle
    Integrationsprojekt für die Phosphor- und Kohlechemieindustrie von Tsingshan Holding, Huayou Holding und Huafon Group (Bijie, Provinz Guizhou)

    10,4

    Projektbeginn am 29.08.24150 jato Eisenphosphat, 800.000 jato Lithiumeisenphosphat, 1 Mio. jato DMC (Dimethylcarbonat), 5 Mio. jato Koks, 500.000 jato Methanol aus Koksofengas, 800.000 jato synthetisches Ammoniak, 1 Mio. jato Wasserstoffperoxid
    Integrationsprojekt der Wasserstofferzeugung aus Windkraft und Synthese von grünem Methanol von Guangdong Hydropower Energy, Heilongjiang Hongzhan Bio-Technology und Jiangsu Dafu Integrated Equipment Technology (Jiamusi, Provinz Heilongjiang)

    2,0

    Unterzeichnung eines strategischen Kooperationsrahmenabkommens am 8. August 2024Jahresproduktion: 500.000 jato grünes Methanol
    Projekt zur Erforschung und technischen Demonstration von CCUS-Schlüsseltechnologie von CHN Energy (Yulin, Provinz Shaanxi)

    0,3

    Evaluierungsstatus (Sicherheit, Umweltverträglichkeit), September 2024Aufbau eines CCUS-Demonstrationsprojekts für die weltweit erste „vollständige Rauchgasabscheidung und Kohlenstoffsequestrierung“ für einen 600-MW-Kohleblock mit einer CO2-Abscheidungskapazität von ≥4 Mio. jato.
    1 Umrechnung zum Jahresdurchschnittskurs 2023 der Deutschen Bundesbank: 1 US $ = 7,0467 RMB; 2 davon 1,162 Mrd. US$ für Umweltschutz (4,65 Prozent der Gesamtinvestition).Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest; Meldungen in der chinesischen und internationalen Presse 2024

    Von Corinne Abele | Shanghai

  • Rahmenbedingungen

    China vervollständigt den Regulierungsrahmen der Chemieindustrie. Bei Einfuhr aus und Produktion in China steigen die Compliance-Anforderungen. Auch sind Strafzölle zu beachten. 

    Die chinesische Regierungsbehörde für Stoffzulassungen NRCC (National Registration Centre for Chemicals) verfügt unter anderem über eine integrierte Informationsplattform über gefährliche Stoffe und Produkte.

    Stringentere Marktüberwachung

    Seit 1. Januar 2021 ist die China New Chemical Substance Notification (MEE Order No. 12), die chinesische REACH-Verordnung, in Kraft. Sie konzentriert sich auf neue Stoffe, die persistent, bioakkumulierbar und/oder toxisch sind. Zur Notifizierung reichen Basisdaten aus. Akzeptiert werden Daten von chinesischen Laboren mit nationaler Akkreditierung oder von ausländischen Forschungsinstituten mit GLP-Qualifikation (Good Laboratory Practice). Geschäftsinformationen können auf Antrag maximal fünf Jahre lang vertraulich behandelt werden.

    Produkt- und einzelfallabhängig müssen Unternehmen Informationen über die gerade gültigen Regelungen einholen. Seit März 2018 ist die gesamte Marktüberwachung in der Superbehörde SAMR (State Administration for Market Regulation) angesiedelt. Die frühere Im- und Exportinspektion CIQ (China Inspection and Quarantine) ist seither in der Zollverwaltung aufgegangen.

    Steigende Echtzeiterfassung von Umweltdaten

    Darüber hinaus muss sich die Chemiebranche in China den erhöhten Anforderungen an Umweltschutz, aber auch Produktregistrierung und -verfolgung stellen. So schreitet die Echtzeiterfassung von Daten zu Abwasser, Abgasen sowie Festmüllabfall landesweit fort. Transparent zugänglich sind immer mehr Daten über die nationale Online-Informationsplattform. Bei der Integration von Kriterien des Umweltschutzes in das Sozialkreditsystem für Unternehmen (Social Credit System) nehmen einige Regionen wie die Provinz Zhejiang Vorreiterrollen ein.

    Bereits seit 2018 ist die Einfuhr von Kunststoffabfällen verboten; die an Kunststoffe gestellten Reinheitsanforderungen werden beständig erhöht. Ebenfalls ist die schrittweise Einbindung des petrochemischen und chemischen Sektors in das nationale Emissionshandelssystem (ETS) geplant.

    Ausländische Investitionen in die Chemie- und Petrochemiesparte sind generell möglich. Die aktuellste Negativliste für ausländische Investitionen wurde am 6. September 2024 veröffentlicht und ist ab 1. November 2024 gültig. Sie enthält keine petrochemischen oder chemischen Produkte. Auf der seit 1. Januar 2023 wirksamen jüngsten Positivliste mit Produktbereichen, in denen ausländische Investitionen explizit willkommen sind, sind einige chemische Erzeugnisse wie organische Polymere oder Hochleistungsfasern zu finden. 

    Ebenfalls gibt es seit 1. Februar 2024 erstmals den Katalog zur Ausrichtung der Umstrukturierung der Industrie. Er gilt für in- und ausländische Unternehmen und unterteilt die Industriebranchen in drei Kategorien: ermunterte, eingeschränkte und veraltete Bereiche – je nach dem Stand der Fortschrittlichkeit der eingesetzten Technologie und Prozesse. In allen drei Bereichen finden sich chemische und petrochemische Produkte.

    China verfolgt die Stärkung inländischer Wertschöpfungsketten und einheimischer Champions - auch in der petrochemischen, chemischen und pharmazeutischen Industrie. Einen Überblick über aktuelle Themen der Geschäftspraxis bieten die Positionspapiere der Arbeitsgruppen Petrochemicals, Chemicals and Refining sowie Pharmaceutical der Europäischen Handelskammer in China.

    Lieferkettengesetz und CO₂-Ausgleichsmechanismus beachten

    Aufgrund von Menschenrechtsverletzungen (Internierungslager, Zwangsarbeit) ) an der vor allem in Xinjiang lebenden uigurischen Minderheit haben die USA den Uyghur Forced Labour Prevention Act erlassen. Er verbietet die Einfuhr von unter Zwangsarbeit von Uiguren hergestellten Produkten beziehungsweise Produktkomponenten.

    Die Europäische Union bereitet derzeit eine ähnliche Regelung für Unternehmen ab 500 Beschäftigten vor, die Menschenrechte und Umwelt besser schützen soll. Auch das seit dem 1. September 2022 geltende deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) zielt darauf ab, Menschenrechtsverletzungen entlang der Lieferketten zu verhindern. Aufgrund der neuen Anforderungen könnten sich die Lieferstrukturen und damit Chinas Position in den globalen Lieferketten (zum Beispiel für Solarzellen) künftig verändern.

    Hinzu kommt die schrittweise Umsetzung des CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) für Importe in die Europäische Union seit dem 1. Oktober 2023. Zum 1. Oktober 2024 erfordert der notwendige Quartalsbericht erstmals die Angabe tatsächlicher herstellerspezifischer CO2-Emissionen. Diese sind in China nur schwierig zu bekommen. Zu den bislang betroffenen chemischen Produktgruppen zählen Wasserstoff (HS-Pos. 28041000), Ammoniak (HS-Pos. 2814), Kaliumnitrat (HS-Pos. 28342100) sowie Düngemittel (HS-Pos. 3102 und 3105). Perspektivisch dürften künftig weitere chemische Produkte hinzukommen.

    Strafzölle für mehr chemische Produkte

    Der Kampf um Technologievorherrschaft zwischen China und den USA geht weiter. So befinden sich auf der Liste der USA für "Firmen, die als in den USA operierende chinesische Militärfirmen" angesehen werden, bereits große staatliche Chemiekonzerne wie ChemChina oder CNOOC. 

    Hinzu kommt eine wachsende Anzahl von mit Strafzöllen belegten chemischen Produkten. So erheben die Vereinigten Staaten bespielsweise Anti-Dumping-Zollsätze auf Lithiumbatterien, deren Komponenten sowie einige kritische Mineralien, Solarzellen und -module sowie Elektroautos. 

    Auch die EU erhebt inzwischen Strafzölle auf Elektroautos aus China sowie auf einige chemische Waren mit Ursprung in China, darunter seit 12. Juli 2024 unternehmensspezifische temporäre Strafzölle auf die Einfuhr von Titandioxid

    Ebenfalls hat China seine Exportkontrolle für seltene Erden und kritische Mineralien verschärft, unter anderem für Grafit, Gallium und Germanium sowie Antimon. 

    GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nicht tarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Corinne Abele | Shanghai

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    AHK Greater China

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Ministry of Industry and Information Technology (MIIT)

    Ministerium für Industrie- und Informationstechnik
    National Development and Reform Commission (NDRC)Nationale Kommission für Entwicklung und Reform
    Ministry of Science and Technology of the People's Republic of China (MOST)Ministerium für Wissenschaft und Technologie
    National Energy Administration (NEA)Nationale Energiebehörde
    Ministry of Ecology and Environment (MEE)Ministerium für Ökologie und Umwelt

    China Petroleum and Chemical Industry Federation (CPCIF)

    Fachverband für die Erdöl- und chemische Industrie 
    China Chemical Industrial Equipment Association (CCIEA)Fachverband für chemische Industrieausrüstung

    Association of International Chemical Manufacturers (AICM)

    Fachverband multinationaler Chemieunternehmen in China
    MCN-Expo Shanghai 2024Jährliche Fachmesse für pharmazeutische und chemische Ausrüstung, neue Materialien, Fein- und Spezialchemikalien und Wasseraufbereitung;
    11. bis 13.12.24 in Shanghai
    China International Chemical Industry Fair (ICIF China 2025)Jährliche Fachmesse für Erdöl und Chemie
    17. bis 19.09.25 in Shanghai
    China Coatings Show 2025Jährliche Fachmesse für Farben und Lacke
    03. bis 05.09.25 in Shanghai

    China Chemical Industry News

    Fachzeitung in chinesischer Sprache

    Von Corinne Abele | Shanghai

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