China baut seine inländischen Lieferketten aus. Vor allem nicht staatliche Hersteller sorgen für stärkeren Wettbewerb für internationale Chemieanbieter.
Chinas Chemieindustrie wird wettbewerbsstärker. Gerade die Top-Firmen der einzelnen Segmente nähern sich der internationalen Branchenspitze.
Mehr chinesische Chemiefirmen an Branchenspitze
Die Liste "2023 Global Chemical Company 50" der US-amerikanischen Chemical & Engineering News (C&EN) weist elf chinesische und taiwanesische Unternehmen aus, davon drei – Sinopec, PetroChina und Formosa Plastics - unter den Top Ten. Erstmals haben es in das Ranking Dongfang Shenghong und die Xinfengming Group geschafft.
Wichtige Branchenunternehmen in China Umsatz in Milliarden US-Dollar; Veränderung gegenüber Vorjahreszeitraum in Prozent2023 Weltrang | Unternehmen | Bereich | 2023 Umsatz | Veränderung zum Vorjahreszeitraum |
---|
2 | Sinopec | Petrochemie | 58,1 | -8,6 |
5 | PetroChina | Petrochemie | 40,9 | 3,4 |
13 | Syngenta Group1) | Agrarchemikalien | 26,8 | -6,0 |
14 | Rongsheng Petrochemical | Petrochemie | 26,8 | 5,9 |
16 | Wanhua Chemical Group | vielfältig | 24,8 | 5,9 |
18 | Hengli Petrochemical | Petrochemie | 21,8 | 14,4 |
22 | Jiangsu Eastern Shenghong2) | Petrochemie | 15,7 | 79,2 |
37 | Tongkun Holding Group | Petrochemie, Chemiefaser | 11,3 | 33,0 |
40 | Hengyi Petrochemical | Petrochemie | 10,9 | 20,0 |
48 | Xinfengming Group2) | Petrochemie, Chemiefaser | 8,7 | 21,0 |
1 Tochtergesellschaft von Sinochem mit Hauptsitz in der Schweiz; 2 zum ersten Mal auf der Liste.Quelle: C&EN’s Global Top 50 Chemical Firms for 2024
Massiver Kapazitätsausbau sorgt für Preisdruck
Die im internationalen Vergleich verbesserte Wettbewerbsfähigkeit großer chinesischer Chemiefirmen basiert auf steigender Innovationsfähigkeit, aber vor allem auf kontinuierlicher Erweiterung von Produktionskapazitäten. Diese fand und findet in einigen Bereichen trotz vorhandener Überkapazitäten statt. So ist China mit einer Gesamtkapazität seiner Raffinerie- und Chemieintegrationsprojekte von 10 Millionen metrischen Tonnen und Ethylenprojekten mit einer Gesamtkapazität von 1 Million metrischer Tonnen inzwischen weltweit führend, so das CITIC Futures Institute in einem Artikel in der chinesischsprachigen Zeitschrift "Future Daily" von Anfang August 2024. Der Ausbau begann seit 2018 und hat 2022 sowie 2023 weltweit zu Überkapazitäten geführt.
Am Ausbau beteiligt sind laut der Future Daily vor allem nicht staatliche Unternehmen wie Hengli Petrochemical, Rongsheng Petrchemical, Hengyi Petrochemical, Dongfang Shenghong oder Tongkun. Gemeinsam ist ihnen eine vertikale Integration vom Rohöl hin zu den Chemikalien.
Internationale Wettbewerber spüren Konkurrenz
Ähnliches gilt für Wanhua Chemical im Chemiebereich, das vor allem die Segmente Polyurethan, Petrochemie, Feinchemie, neue Materialien und Zukunftsindustrien mit seinen Produkten abdeckt. Dabei konzentriert es sich vor allem auf neue chemische Materialien mit hoher Wertschöpfung. Laut dem CITIC Futures Institute entwickelt das Unternehmen mehr als 20 differenzierte Polypropylen-Sorten, sowie Polyethylen mit einem hohen Schmelzindex und hoher Transparenz.
Ebenfalls baut Wanhua Chemical in Yantai in der Provinz Shandong die derzeit weltweit größte Produktion von Citral (kosmetischer Duftstoff) mit einem jährlichen Produktionsvolumen von 48.000 Tonnen auf. Die Herstellung von Citral gilt als technisch schwierig. Nach Einschätzung von MC Chemicals könnte es damit die bisherige Dominanz internationaler Hersteller heraufordern.
Wanhua Chemical steht damit für erfolgreiche, häufig nicht staatliche chinesische Branchengrößen. Einige investieren verstärkt in den Aufbau eigener Innovationskapazitäten, um beispielsweise in das Segment der Feinchemie mit höherer Wertschöpfung vorzudringen. Auf die Förderung derartiger Firmen zielt unter anderem auch der Umsetzungsplan für Innovation und Entwicklung der Feinchemie 2024 bis 2027. Die erhöhte Wettbewerbsfähigkeit der inländischen Konkurrenz bekommen auch deutsche Chemiefirmen immer mehr zu spüren.
Starke inländische Lieferketten
Weg vom Mengen- hin zum Innovationswettbewerb – auf diesen Trend weisen Branchenexperten seit einigen Jahren hin. Als ernstzunehmende Wettbewerber sehen internationale und auch deutsche Chemiefirmen zunehmend nicht staatliche chinesische Unternehmen. Inzwischen stellen laut dem CITIC Futures Institute nicht staatliche Unternehmen über 30 Prozent der Raffinerie- und Ethylenproduktionskapazität des Landes. Gemäß der Industriepolitik Chinas werden die inländischen Lieferketten zusätzlich kontinuierlich ergänzt und gestärkt, um einseitige Importabhängigkeiten zu verringern.
Ende 2023 wies das nationale Statistikamt 30.507 Unternehmen mit einem jährlichen Mindestumsatz von 20 Millionen Renminbi Yuan (RMB; umgerechnet circa 2,6 Millionen Euro) aus. Das entspricht einem Anstieg um 1.750 Firmen innerhalb eines Jahres. Zentren der petrochemischen und chemischen Produktion sind Jiangsu, Shandong, Guangdong, Zhejiang und Fujian mit jeweils spezifischen Schwerpunkten. Der "beste" Chemiepark ist jedoch laut CPCIF-Ranking der Shanghai Chemical Industry Park.
Chemiefirmen investieren weiter
Wer als internationales Chemieunternehmen im größten Chemiemarkt, der nach Einschätzung von unter anderem BASF künftig rund die Hälfte aller Chemieprodukte herstellen dürfte, wettbewerbsfähig bleiben will, muss daher über ausreichende inländische Produktions- und Innovationskapazitäten verfügen.
Dies dürfte ein Grund sein, dass internationale Branchenwettbewerber weiterhin investieren. Hinzu kommt eine starke chemische Grundstoffindustrie sowie eine gewaltige inländische Nachfrage, die Chinas Attraktivität als Chemiestandort steigern. Dabei gilt es, die steigenden geopolitischen Risiken durch einseitige Abhängigkeiten abzuwägen, ohne die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden.
Zwischen Innovation und Kostenreduzierung
Derzeit produziert BASF etwa 80 Prozent seiner in China vermarkteten Chemieprodukte im Land selbst. Der Anteil dürfte sich weiter erhöhen. Im Juli 2024 begann AkzoNobel mit der Produktion von seetauglichen und hochschützenden Beschichtungen in Suzhou. Dazu hat es seine bestehenden Kapazitäten laut MC Chemicals um 40 Prozent vergrößert; weitere seien geplant. Auch das Chemieunternehmen Sika hat im Juni 2024 eine neue Produktionsstätte in der nordöstlichen Provinz Liaoning eröffnet. Hergestellt werden dort unter anderem Mörtel, Fliesenkleber und Abdichtungslösungen für die Bauindustrie. Letztere befindet sich derzeit allerdings in einer Krise, für die sich bislang kein Ende abzeichnet.
Die verschiedenen Investitionsbereiche machen die unterschiedlichen Strategien internationaler Hersteller deutlich: Zum einen bauen sie Innovationsressourcen im Land aus; zum anderen nutzen sie Kosten- und Skalenvorteile und bauen die Nähe zu inländischen Kunden aus. Insgesamt stiegen die Investitionen (Fixed Asset Investment) im 1. Halbjahr 2024 in der Gummi- und Kunststoffsparte am stärksten, gefolgt von der Basischemie.
Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in ChinaInvestitionen in Milliarden US$ 1)Projekt/Akteur | Investitionssumme | Projektstand | Jahreskapazität |
---|
Demonstrationsprojekt für Kohle-Cracking zur Herstellung von Olefine und Aromate von Shaanxi Coal and Chemical Industry Group (Yulin, Provinz Shaanxi) | 25,0 2) | Sitzung zur Überprüfung des Gesamtentwurfs im August 2024 | Mehr als 30 Produkte: Kunstharze, neue chemische Materialien, abbaubare Harze und Batterieelektrolyte und andere mit einer Gesamtproduktion von 8,8 Mio. jato |
Modernisierung und Verbesserung des Umweltschutzes am Raffinerie- und Chemieintegrationsstandort von Yanchang Petroleum Group (Yan'an, Provinz Shaanxi) | 11,4 | Erste öffentliche Bekanntmachung der Umweltverträglichkeitsprüfung 19.08.24 | 10 Mio. jato Normaldruck-Destillationsanlage, 1,2 Mio. jato Ethylenanlage; Verbesserte Behandlung von Abwasser und Abgas sowie erhöhte Lärmkontrolle |
Integrationsprojekt für die Phosphor- und Kohlechemieindustrie von Tsingshan Holding, Huayou Holding und Huafon Group (Bijie, Provinz Guizhou) | 10,4 | Projektbeginn am 29.08.24 | 150 jato Eisenphosphat, 800.000 jato Lithiumeisenphosphat, 1 Mio. jato DMC (Dimethylcarbonat), 5 Mio. jato Koks, 500.000 jato Methanol aus Koksofengas, 800.000 jato synthetisches Ammoniak, 1 Mio. jato Wasserstoffperoxid |
Integrationsprojekt der Wasserstofferzeugung aus Windkraft und Synthese von grünem Methanol von Guangdong Hydropower Energy, Heilongjiang Hongzhan Bio-Technology und Jiangsu Dafu Integrated Equipment Technology (Jiamusi, Provinz Heilongjiang) | 2,0 | Unterzeichnung eines strategischen Kooperationsrahmenabkommens am 8. August 2024 | Jahresproduktion: 500.000 jato grünes Methanol |
Projekt zur Erforschung und technischen Demonstration von CCUS-Schlüsseltechnologie von CHN Energy (Yulin, Provinz Shaanxi) | 0,3 | Evaluierungsstatus (Sicherheit, Umweltverträglichkeit), September 2024 | Aufbau eines CCUS-Demonstrationsprojekts für die weltweit erste „vollständige Rauchgasabscheidung und Kohlenstoffsequestrierung“ für einen 600-MW-Kohleblock mit einer CO2-Abscheidungskapazität von ≥4 Mio. jato. |
1 Umrechnung zum Jahresdurchschnittskurs 2023 der Deutschen Bundesbank: 1 US $ = 7,0467 RMB; 2 davon 1,162 Mrd. US$ für Umweltschutz (4,65 Prozent der Gesamtinvestition).Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest; Meldungen in der chinesischen und internationalen Presse 2024
Von Corinne Abele
|
Shanghai