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Wirtschaftsumfeld | China | Coronavirus

Licht am Ende des Quarantäne-Tunnels?

China verkündet Lockerungen seiner Covid-Maßnahmen. Wirtschaftsvertreter vor Ort bewerten die Maßnahmen grundsätzlich positiv, wenn die Änderungen denn umgesetzt werden.

Von Corinne Abele | Shanghai

Kommt alles wie angekündigt, könnte sich die Einreisesituation nach China bald verbessern. Wer aus dem Ausland einreist, muss künftig anstatt 7 nur noch 5 Tage in designierten Quarantäne-Einrichtungen bleiben. Anschließend können die restlichen 3 Tage Quarantäne auch wie bisher zu Hause (soweit vorhanden) verbracht werden. Sind die Quarantäne-Tage am Ort der Einreise abgeleistet, darf es bei Weiterfahrt in andere Regionen keine zusätzlichen Quarantäne-Forderungen geben.

Immer wieder berichten bislang auch deutsche Geschäftsreisende von „Quarantäne-Exzessen“ bei Dienstreisen, die mehrere Provinzen und Städte umfassen. Denn bei der Weiterreise in die nächste Provinz war häufig erneut eine langwierige Quarantäne abzuleisten. Ebenfalls ordnet die Neuregelung der Regierung vom 11. November 2022 explizit nur noch 4 PCR-Tests in zentralisierten Quarantäne-Einrichtungen und weitere 2 Tests in Heimquarantäne an.

„Die Regelung ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung.“

Dies erklärt Jens Hildebrandt, Delegierter der Deutschen Wirtschaft in Beijing. „Allerdings müssen wir abwarten, ob die Implementierung hält, was angekündigt ist.“

Rückreise nach China bald planbarer?

Dies gilt auch in Bezug auf eine weitere wichtige Änderung: Überschritt bislang bei Landung die Zahl auf Corona positiv getesteter Passagiere wiederholt eine gewisse Mindestzahl, strich China temporär weitere Flüge der betroffenen Fluggesellschaft auf dieser Strecke. Dies soll nun nicht mehr erfolgen. Im Gegenzug wurden entsprechende Flugangebote chinesischer Fluglinien von einigen betroffenen Ländern annulliert, auch von Deutschland.

Mangels alternativer Rückflugmöglichkeiten strandeten so immer wieder Geschäftsleute wie Familienangehörige teilweise auf Monate in Deutschland. Kommt die neue Regelung, könnte sich die Sitzplatzknappheit für Flüge von Deutschland nach China bald etwas verringern und den Rückflug planbarer machen. Ebenfalls ist künftig vor Abflug nur noch ein PCR-Test innerhalb von 48 Stunden notwendig.

Für die eigene Bevölkerung soll sich die Situation innerhalb Chinas ebenfalls entspannen. Künftig wird die Quarantänezeit für Personen mit engem Kontakt zu einem Covid-Infizierten verkürzt. Wer per digitalem Bewegungsprofil zur engen Kontaktperson erklärt wird, muss bislang 7 Tage Quarantäne in zentralisierten Einrichtungen und 3 Tage in zu Hause verbringen. Nun wurde die Dauer der Quarantäne in Einrichtungen auf 5 Tage verkürzt. 

Gebiete mit "mittlerem Risiko" abgeschafft

Gleichzeitig verringert sich der von möglichen Quarantänemaßnahmen und Bewegungsbeschränkungen betroffene Personenkreis. Zum einen sollen Kontaktpersonen von Menschen mit engem Kontakt zu einem positiv getesteten Covid-Infizierten nicht mehr identifiziert, nachverfolgt und Quarantäne-Auflagen unterliegen. Zum anderen sollen im Zuge der Pandemiebekämpfung keine Gebiete „mittleren Risikos“ mehr, sondern nur noch sogenannte Hochrisiko-Gebiete und Niedrig-Risikogebiete (sprich Gebiete ohne Beschränkungen) ausgewiesen werden. Wer künftig aus einem Hochrisiko-Gebiet weiterreist, muss zwar weiterhin 7 Tage Quarantäne ableisten, er kann dies aber zu Hause tun und nicht in einer Quarantäne-Einrichtung. Wohlgemerkt kann bislang ein einziger Covid-Fall für die Ausweisung als Hochrisiko-Gebiet ausreichen und beispielsweise den Lockdown einer ganzen Wohnanlage oder Schule veranlassen.

Covid-Maßnahmen bremsen Wirtschaftswachstum

Eine Lockerung der bisherigen Covid-Maßnahmen ist bitter notwendig – auch wenn die Fallzahlen im Herbst 2022 wieder steigen. Denn Chinas Wirtschaft lahmt. Bereits seit längerem plagt sie die Krise des Immobilienmarktes, regionale Produktions- und Lieferunterbrechungen. Der schwache Konsum fällt als Wachstumsmotor aus. Im September 2022 legte er im Vergleich zum Vorjahresmonat um nur 2,5 Prozent zu. Nur der Export lief bislang weitgehend rund. Doch im Oktober 2022 fiel die Ausfuhr im Vergleich zum Vormonat um 7,5 Prozent und im Vergleich zum Vorjahresmonat um 0,3 Prozent.

Dass die nicht abreißenden regionalen Lockdown-Maßnahmen Chinas Wirtschaftswachstum wesentlich bremsen, macht ein Blick in die Provinzen deutlich. Weder die Provinz Jilin noch die Wirtschaftsmetropole Shanghai konnten sich bisher von dem mehrmonatigen Lockdown im Frühjahr 2022 vollständig erholen. Ihr Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bleibt in den ersten drei Quartalen 2022 negativ.

Reale Zunahme des Bruttoinlandsprodukts in ausgewählten Regionen (gegenüber dem Vorjahreszeitraum in Prozent)

Region

1. Halbjahr 2022

1. bis 3. Quartal 2022

Jilin

-6,0

-1,6

Shanghai

-5,7

-1,4

Beijing

0,7

0,8

Tianjin

0,4

1,0

Guangdong

2,0

2,3

Innere Mongolei

4,3

5,0

Jiangxi

4,9

5,0

Fujian

4,6

5,2

Shanxi

5,2

5,3

Nationaler Durchschnitt

2,5

3,0

Quelle: Caixin Global 2022

Auch wirtschaftsstarke Regionen wie Guangdong, Tianjin oder Beijing erreichen in den ersten drei Quartalen 2022 nicht das durchschnittliche nationale BIP-Wachstum von 3,0 Prozent. Zur Spitzengruppe zählen hingegen Provinzen wie die Innere Mongolei oder Shanxi - stark im Bergbau und Energiebereich. Sie stehen aber kaum für das qualitativ hochwertige Wirtschaftswachstum, das China anstrebt.

„Nicht perfekt, aber besser als vorher.“

Die Lockerungen weisen in die richtige Richtung. Den großen Durchbruch dürften sie kurzfristig nicht bringen. „Ich glaube nicht, dass die Maßnahmen ausreichen, um die Attraktivität von Reisen nach China grundsätzlich zu verbessern“, sagt Jens Hildebrandt. „Nicht perfekt, aber besser als vorher“, meint die Repräsentantin des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) in Beijing, Claudia Barkowsky.

Unmut über Maßnahmen wächst

Dass die Neuregelung in aller Deutlichkeit bisher gängige Praxen wie willkürliche Testhäufigkeit, Quarantäne-Marathons bei Reisen durch mehrere Provinzen anspricht, zeigt das Ausmaß der bisherigen Missstände in der Pandemiebekämpfung (und den steigenden Unmut in der Bevölkerung). Dabei haben nicht zuletzt harte Bestrafung und Karriereeinbußen der Verantwortlichen bei Auftreten regionaler Covid-Ausbrüche Übereifer, Aktionismus und rigides Vorgehen gegen die betroffene Bevölkerung befördert. Um ein angemessenes und zielgerichtetes Maß zu erreichen, dürfte eine Neuregelung allein kaum ausreichen. Aber sie ist ein notwendiger Anfang.

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