Sichere und resiliente Infrastruktur war das Hauptthema auf dem Gipfel der Drei-Meere-Initiative 2023 in Bukarest. Einige Vorhaben fördert die EU, andere sind umstritten. (Stand: 27.10.2023)
Die Drei-Meere-Initiative (Three Seas Initiative) ist gewachsen. Beim achten Gipfeltreffen der Initiative am 6. und 7. September 2023 in Bukarest begrüßte der rumänische Präsident Klaus Iohannis Griechenland als neuen Mitgliedsstaat sowie die Ukraine und die Republik Moldau als assoziierte Partnerländer:
"Mit Griechenland entwickelt sich die Drei-Meere-Initiative zu einer wichtigen Plattform, die angesichts des Kriegs in der Ukraine die europäische Widerstandsfähigkeit stärkt."
Griechenland spielt seit Beginn des russischen Angriffskriegs eine wichtige Rolle bei der Versorgung Südosteuropas mit Erdgas aus dem kaspischen Raum, besonders für die Republik Moldau. Denn über Griechenland kann nun das Erdgas, das durch den Südkorridor aus Aserbaidschan Richtung Italien strömt, über eine Verbindung mit Bulgarien auch weiter nach Rumänien und in die Republik Moldau fließen.
Zudem sind Transporte über die Schwarzmeerhäfen wegen des Kriegs in der Ukraine unsicher und aufgrund hoher Versicherungsprämien sehr teuer. Daher erfüllen die griechischen Häfen eine strategische Rolle bei Waren- und Gütertransporten in das Gebiet der NATO-Ostflanke.
Krieg erhöht Handlungsdruck bei Projekten
Die 2016 gegründete Drei-Meere-Initiative ist eine politische und wirtschaftliche Plattform. Mitglieder sind neben den Ländern der Visegrád-Gruppe, die baltischen Staaten, Österreich, Slowenien, Kroatien, Rumänien, Bulgarien und neuerdings Griechenland. Die Mitgliedstaaten treiben den Ausbau von Transportwegen für Daten, Energie, Waren, Güter und Personen voran.
Die aktuelle geopolitische Lage hat in der Region den Druck erhöht, diese Infrastrukturprojekte voranzubringen. Eine sichere Energieversorgung sowie die Verbesserung der Transportwege machen sie wirtschaftlich widerstandsfähiger. "Die Stärkung der zivilen, aber auch militärischen Vernetzung zwischen dem Süden und dem Norden der Region ist ein wichtiges regionalpolitisches Ziel", erklärte Rumäniens Präsident Iohannis.
Künftig sollen Straßen, Schienen, Pipelines sowie Strom- und Datenleitungen in der Region also nicht nur von Ost nach West, sondern von der Ostsee im Norden in Richtung Mittelmeer im Süden und Schwarzes Meer im Südosten verlaufen. Verstärkt werden die Bemühungen seit 2021 durch die EU-Konnektivitätsinitiative Global Gateway.
Die Mitgliedstaaten der Drei-Meere-Initiative nutzen den Ukrainekrieg, um die politische Bedeutung der Initiative symbolisch aufzuladen. Einige der Großprojekte, die die Initiative als eigene Vorhaben deklariert, sind seit Jahren Gegenstand der europäischen Kohäsionspolitik (Struktur- und Regionalpolitik der EU) und Energiepolitik, konkret des Green Deals.
Zweiter Investmentfonds geplant
Auf dem Gipfeltreffen in Bukarest kündigte der rumänische Präsident Iohannis Pläne für einen sogenannten Innovation Fund an, um Geld für innovative Investitionen einzuwerben. Es wäre der zwei Fonds der Initiative nach dem 2019 gegründeten Three Seas Initiative Investment Fund. Er umfasst Stand Juni 2023 ein Volumen von 928 Millionen Euro.
Ein Teil der Finanzmittel für die Projekte stammt aus den staatlichen Haushalten der Mitgliedstaaten und wird zum Teil über EU-Fördermittel finanziert. Dafür arbeiten die Länder der Initiative eng zusammen mit Partnern wie Weltbank, Internationaler Währungsfonds (IWF), Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), Europäischen Investitionsbank (EIB) und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
Die Ankündigung, mit dem Innovation Fund einen zweiten Investmentfonds aufzulegen, bleibt bisher wenig konkret. Dennoch ist die Drei-Meere-Initiative eine Chance, die wirtschaftlichen, politischen und finanziellen Kräfte der Region für die Umsetzung der Infrastrukturvorhaben zu bündeln.
Großprojekte schreiten voran
Seit der Gründung der Drei-Meere-Initiative haben die Mitgliedstaaten 91 Projekte mit einem Investitionsvolumen von rund 168 Milliarden Euro registriert. Die Projekte sind unterschiedlich weit fortgeschritten. Zu den größten Infrastrukturprojekten gehören die Autobahn Via Carpathia und das Eisenbahnvorhaben Rail2Sea.
Die Via Carpathia ist eine Autobahn von Litauen durch Polen, die Slowakei, Ungarn und Rumänien. Sie wird den litauischen Hafen Klaipėda mit den Adriahäfen sowie mit den Schwarzmeerhäfen in Rumänien und Bulgarien sowie dem griechischen Hafen Thessaloniki verbinden. In Rumänien geht der Ausbau der Autobahnen langsam voran. Laut dem Transportministerium werden die rumänischen Streckenabschnitte der Autobahn Via Carpathia nicht vor 2030 fertiggestellt sein.
Bei Rail2Sea handelt es sich um Eisenbahnverbindungen zwischen Danzig in Polen und Constanța in Rumänien, die den intermodalen Güterverkehr optimieren wird. Die rumänischen Strecken werden im Laufe des Jahres 2024 fertig sein, heißt es seitens des rumänischen Transportministeriums.
Auf dem Gipfel in Bukarest diskutierten Fachleute zudem über eine perspektivisch bessere intermodale Vernetzung der ukrainischen Häfen am Schwarzen Meer mit den rumänischen und bulgarischen Häfen.
Energieprojekte teils strittig
Im Bereich Energie bestehen Pläne, das Pipeline-Netz von Rumänien aus Richtung Ungarn und Österreich auszubauen. Rumänien verfügt über Gasvorkommen im Schwarzen Meer. Im Gasfeld Neptun Deep lagern rund 100 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Der österreichische Erdgaskonzern OMV will es gemeinsam mit dem rumänischen Staatskonzern Romgaz erschließen. Die ersten Gasmengen könnten 2027 fließen.
Im Rahmen ihrer Vorhaben zur Energiewende wollen Rumänien und Bulgarien die Atomkraft ausbauen. Hier interessieren sich beide Länder für den Einsatz von sogenannten Small Modular Reactors. Dabei handelt es sich um kleine Kernspaltungsanlagen, wie sie etwa in U-Booten eingesetzt werden. Der Einsatz dieser Technologie ist allerdings umstritten: Oft ist unklar, wo Atommüll umweltsicher gelagert werden kann.
Von Dominik Vorhölter
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Bukarest