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Branche kompakt | Frankreich | Chemische Industrie

Kein Aufschwung für die französische Chemiebranche in Sicht

Die chemische Industrie fürchtet um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit. Eine schwache internationale Nachfrage belastet Unternehmen.

Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

Ausblick der chemischen Industrie in Frankreich

Bewertung: 

  • Lediglich der Kosmetiksektor läuft gut.
  • Unternehmen kämpfen mit Wettbewerbsdruck und sinkender Nachfrage.
  • Regierungswechsel und öffentliche Sparzwänge führen zu Planungsunsicherheit.
  • Unternehmen schieben erforderliche Investitionen auf.

Anmerkung: Einschätzung der Autorin für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: September 2024

  • Markttrends

    Der Chemiesektor wartet auch im Jahr 2024 auf Erholung. Das Wettbewerbsumfeld bleibt schwierig. Die Branche fordert von der EU und der Regierung stärkere Unterstützung ein. 

    Nach einem schwierigen Jahr 2023 mangelt es auch im Jahr 2024 an Wachstumsimpulsen. Der Branchenverband France Chimie erwartet für das Gesamtjahr 2024 eine Steigerung des Produktionsvolumens von lediglich 1 Prozentpunkt. Die französische Chemieindustrie leidet unter einer international schwachen Nachfrage und hohen Produktionskosten. Internationale Überkapazitäten entleeren sich auf dem europäischen Markt und verschärfen die Wettbewerbslage. Die Schwäche wichtiger Abnehmerindustrien wie der Bau- und Kfz-Branche behindert einen kräftigen Aufschwung.

    Im 1. Halbjahr 2024 hat sich die konjunkturelle Lage leicht verbessert, was auch der jährlichen Lageraufstockung bei den Abnehmern geschuldet ist. Die Branche steigerte ihr Produktionsvolumen in den ersten vier Monaten um 3,6 Prozent. Zur 2. Jahreshälfte aber verpuffte dieser Effekt. Im Juli 2024 lag der Produktionsindex laut Statistikamt Insee mit 92 Punkten nach wie vor unter dem langjährigen Mittel.

    Angesichts der schwachen konjunkturellen Lage plant die Mehrheit der Branchenunternehmen strukturelle Sparmaßnahmen, so der Branchenverband France Chimie. Er erwartet für 2024 einen Rückgang von 40 Prozent bei Investitionen in die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Unternehmen beschränken sich angesichts schwacher Wachstumsaussichten auf Investitionen in Wartung und Instandhaltung. Dabei sind die Aufgaben, die vor der Chemieindustrie liegen, enorm. So müssten Unternehmen dringend die Dekarbonisierung und Innovation ihrer Produktion angehen.  

    Um die Aufgaben der Zukunft meistern zu können, verlangen französische Unternehmen Unterstützung durch Regierung und EU. Deregulierung, eine verlässliche und wettbewerbsfähige Energieversorgung und eine konsequentere und umfangreichere staatliche Förderung sauberer Technologien sind nur ein Teil der Forderungen, die auch französische Chemieunternehmen an die EU richten. Ob aber die neue, erst im September konstituierte französische Regierung auf diese Forderungen eingehen will und wird, bleibt abzuwarten.    

    - 15 %

    Rückgang der französischen Produktion (Volumen) von Pestiziden und Agrochemie im Jahr 2023. 

    Chemiebranche im Umbruch

    Der Marktanalyst Xerfi sieht die Chemiebranche vor einer tiefgreifenden Transformation. Der Chemiesektor wird sich nicht nur auf massive Nachfrageveränderungen einstellen müssen, die die Energiewende und die Elektrifizierung der Wirtschaft mit sich bringen. Bereits jetzt orientieren sich erste Branchenunternehmen wie Ifpen, Eastman oder Solvay um, auf Geschäftsfelder wie das chemische Recycling von Wertstoffen, Metallen und seltenen Erden. Auch die Produktion von biobasierten Kunststoffen gewinnt an Schwung. Zudem sind Chemieunternehmen branchenübergreifend gezwungen, verstärkt in Energieeffizienz und Dekarbonisierung zu investieren. Eine bessere Kohlenstoffbilanz dürfte angesichts des neuen EU- CO2-Grenzausgleichssystems und steigender Emissionspreise in Zukunft ein Element sein, die Wettbewerbsposition zu verbessern.

    Gerade die energieintensive Basischemie sowie die mineralische und organische Chemie kämpfen mit einer schwierigen Wettbewerbslage. Auch die Pflanzenschutz- und Düngemittelindustrie durchlaufen eine Umbruchphase. Die auf europäischer Ebene vorangetriebene Tendenz hin zu einer Landwirtschaft mit weniger Düngemitteln und Pestiziden wird das Marktumfeld für Produzenten herkömmlicher Produkte verschlechtern. 

    Kosmetiksektor stützt die Chemieexporte

    Die Exporte von chemischen Produkten sind im 1. Halbjahr 2023 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 2 Prozent zurückgegangen und erreichten nur noch 25,9 Milliarden Euro. Deutlich besser entwickelte sich die in Frankreich starke Sparte der Parfum-, Seifen-, Wasch- und Körperpflegemittelchemie, die im 1. Halbjahr 2024 trotz aller Widerstände Ausfuhrsteigerungen in Höhe von 8,2 Prozent erwirtschaften konnte. Mit Ausfuhren in Höhe von knapp 13 Milliarden Euro entfielen knapp 33 Prozent der chemischen Gesamtausfuhren auf den expandierenden Kosmetiksektor.

    Branche fordert Unterstützung ein

    Die Stimmung unter den Branchenunternehmen bleibt auch im Jahr 2024 schlecht. Das Geschäftsklima in der Chemieindustrie verharrt laut Statistikamt INSEE seit Juli 2022 im negativen Bereich. Die schwache nationale und internationale Nachfrage bereitet den Unternehmen Sorge. Laut Banque de France lagen die Kapazitätsauslastungen zwischen August 2023 und Juli 2024 konstant unter 75 Prozent, ein Wert, der nach Ansicht von France Chimie nicht wirtschaftlich tragfähig ist. Auch die Auftragseingänge sind seit Januar 2023 gleichbleibend schwach und lagen im Juli 2024 bei 16 Punkten unter dem Mittelwert. 

    Zwar sinken die Produktionskosten wieder und lagen im Juli 2024 laut dem Produktionskostenindex des Statistikamts Insee bei 112 Punkten. Allerdings ist das Kostenniveau immer noch deutlich höher als noch vor dem Ausbruch des Ukrainekriegs. 

    Die Branche fürchtet, an Konkurrenzfähigkeit gegenüber asiatischen und nordamerikanischen Wettbewerbern zu verlieren. Sie fordert zunehmend vehement weitergehende nationale und europäische Hilfestellung und verweist auf staatliche Hilfen in den USA und der Volksrepublik China. Angesichts der starken ausländischen Konkurrenz und Kostennachteilen beginnen Unternehmen ihr Vertrauen in den französischen Markt zu verlieren und denken über Abwanderung an günstigere Produktionsstandorte nach.

    Zukunft von Förderprogrammen ist offen

    Um die vielschichtigen aktuellen Probleme angehen zu können, setzt ein Teil der Chemieunternehmen auf Investitionen in neue Geschäftsfelder, Energieeffizienz und Dekarbonisierung. Bislang erhielten Unternehmen durch die Regierung Unterstützung, insbesondere bei der Dekarbonisierung sowie der Forschung und Entwicklung. Auch die Start-up-Förderung sowie die Unterstützung innovativer kleiner und mittlerer Unternehmen stand auf der Prioritätenliste der nunmehr abgelösten Regierung weit oben. Inwieweit die neue Regierung diese Förderprogramme weiterführt, ist noch offen.

    Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in Frankreich Investitionssumme in Millionen Euro
    Akteur/Projekt

    Investitionssumme 

    ProjektstandAnmerkungen
    FertigHy / Produktion von CO2-armen Düngemitteln, Hauts-de-France

    1.300

    Projektankündigung Mai 2024Inbetriebnahme geplant 2030
    Eastman / Anlage für Kunststoffrecycling in Saint-Jean-de-Folleville (Normandie)

    1.000

    Genehmigungs- und Abstimmungsverfahren läuftBaubeginn geplant Ende 2024, Inbetriebnahme geplant 2026
    Elyse Energy / Anlage zur Produktion von E-Methanol in Roches-Roussillion (Isère)

    700

    Abstimmungsverfahren läuftBaubeginn geplant 2026, Inbetriebnahme 2028 
    Hunan Changyuan Lico (China) /Axens (Frankreich) / Produktion von Kathodenaktivstoffen

    600

    Projektankündigung Mai 2024Baubeginn geplant 2027
    Loop Industries (Kanada), SK Geo Centric (Korea), Suez (Frankreich) / Chemische Recyclinganlage für PET in Carling-Saint-Avold (Moselle): Kapazität 70.000 Tonnen pro Jahr

    450

    Projektankündigung Januar 2023; Abstimmungsverfahren läuftBaubeginn 2025, Inbetriebnahme 2027 geplant
    Arkema, Umstellung auf klimafreundliche Produktion, Absenkung Klimagasausstoß um 46 Prozent gegenüber 2019

    400

    Projekt im Juli 2022 vorgestelltFortlaufend bis 2030

    Domo Chemicals / Installation einer grünen Wasserstoffproduktion in Saint-Fons (Rhône)

    100

    Fertigstellung 2027Durchführung durch Hynamics (Tochter EDF)
    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2024

    Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Nachhaltigkeit in der Chemieindustrie

    Branchenunternehmen intensivieren ihre Investitionen in Dekarbonisierung und Energieeffizienz. Die Kosten der Transformation belasten kleinere Unternehmen.

    Die Chemieindustrie erzeugt gut ein Viertel der Klimagase der gesamten französischen Industrie. Damit steht die Branche im Fokus von Dekarbonisierungsoffensiven. Die Stratégie Nationale Bas-Carbone aus dem Jahr 2021 sowie die Branchenroadmap Dekarbonisierung sieht bis 2030 eine Rückführung der Treibhausgasemissionen um mindestens 26 Prozent gegenüber 2015 vor. Die garantierten Einsparungen sollen damit 5,7 Megatonnen CO₂-Äquivalent erreichen. Im Rahmen der freiwilligen Selbstverpflichtung stellt die Branche eine zusätzliche Reduktion des Treibhausgastausstoßes und damit eine Gesamtreduktion um 37 bis 49 Prozent bis 2030 in Aussicht. 

    Zukunft staatlicher Förderungen ist unsicher

    Im November 2023 hat die Regierung eine weitergehende Förderung der Dekarbonisierung der Chemieindustrie angekündigt. So will sie die Dekarbonisierung der 50 größten industriellen Treibhausgasemittenten mit insgesamt 5 Milliarden Euro unterstützen. Die staatliche Gesamtfinanzierung der Dekarbonisierung der herstellenden Industrie erreicht damit nach Regierungsankündigungen 10,6 Milliarden Euro. Ob diese Ankündigungen aber eingehalten werden können, ist angesichts des Regierungswechsels und wachsender Sparzwänge offen. Laut Schätzung der Regierung belaufen sich die erforderlichen Gesamtinvestitionen für die Dekarbonisierung auf 50 bis 70 Milliarden Euro.

    Kleine und mittlere Unternehmen erhalten Hilfen über Förderprogramme der Umweltagentur Ademe. Für Investitionen in Dekarbonisierung, Energieeffizienz und Wasserstoff stellt Ademe im Rahmen der Programme Decarb IND und DECARB IND+ Hilfen von bis zu 200 Millionen Euro zur Verfügung. Der Fonds Chaleur unterstützt Effizienzsteigerungen bei Wärme-/Kälteerzeugung und Energierückgewinnung.

    Transitionsverträge nehmen Regierung und Unternehmen in die Pflicht

    Im Zentrum der Bemühungen zur Dekarbonisierung der Chemieindustrie steht die Transformation der 16 größten Treibhausgasemittenten der Branche. Ende November 2023 hat die Regierung mit Unternehmen wie TotalEnergies und Borealis eine jeweils individuelle Dekarbonisierungsstrategie abgeschlossen. Ziel ist, den Treibhausgasausstoß der Chemiebranche zwischen 41 und 49 Prozent zu reduzieren. Hierbei setzen die "Contrats de Transition Écologique de l'Industrie" (Vertrag über die ökologische Transformation der Industrie) auf eine Steigerung der Energieeffizienz, die Elektrifizierung der Produktion unter verstärktem Einsatz dekarbonisierten Wasserstoffs sowie die CO2-Abscheidung und Speicherung. 

    Chemieunternehmen mit TransitionsvertragCO2-Ausstoß in tCO2e; Reduzierungsziel in Prozent
    GruppeStandortProduktionCO2-Ausstoß 2015Reduzierungsziel
    NaphtachimieLavéraOlefine

    1.468.000

    15 - 24

    BorealisGrandpuitsAmmoniak und Düngemittel

    726.197

    42 - 56

    BorealisGrand-QuevillyAmmoniak und Düngemittel

    579.758

    65 - 82

    VersalisMardyckOlefine

    643.720

    19 - 36

    HumensLaneuville-devant-NancyKarbonate

    609.217

    60

    AlsachimieChalampéOrganische Chemie

    548.930

    37

    LyondellBasellBerreBasischemie

    1.217.000

    35

    TotalEnergiesGonfreville, Fezin, DongesOlefine

    6.000.000

    50

    YaraLe HavreAmmoniak und Düngemittel

    750.000

    39 - 73

    PetroineosLavéraOlefine

    1.561267

    24 - 31

    Quelle: Französische Regierung 2023

    Neben einer finanziellen Förderung verlangt die Chemieindustrie weitergehende Garantien, insbesondere die Versorgung mit hinreichendem und preislich wettbewerbsfähigem Strom. Zudem fordert die Branche den Abbau eines als überbordend komplex empfundenen Systems an Reglementierungen. Auch technologische Hindernisse müssen aus dem Weg geräumt werden. Bislang fehlt es noch an einer umfassenden Wasserstoffinfrastruktur. Eine Vielzahl der angedachten Reduzierungstechnologien sind in der Erprobungsphase und müssen erst in die industrielle Anwendung gehen. Zudem halten sich die Banken nach Unternehmensaussagen noch zu sehr zurück, Dekarbonisierungsprojekte zu finanzieren. 

    Großkonzerne investieren in die grüne Transformation

    Die Transformation der Chemieindustrie wird unter anderem durch den Innovationsplan France 2030 mitgetragen. Nach Auskunft von France Chimie haben die Förderprogramme mehr als 250 Projekte mit einem Gesamtfördervolumen von 5 Milliarden Euro in der Chemiebranche angestoßen oder beschleunigt. Die Dekarbonisierung des Sektors steht bei Förderprojekten im Vordergrund. 

    Unabhängig von staatlichen Förderungen entwickeln große Chemieunternehmen Speziallösungen, um die Transformation in Richtung klimafreundliche Produktion voranzutreiben. So hat sich der französische Gaskonzern Air Liquide im Juli 2023 mit dem texanischen Unternehmen KBR zusammengeschlossen, um eine Technologie zur Produktion CO₂-armen Ammoniaks zu entwickeln. Mittelfristig ist diese Kooperation auf die Produktion grünen Wasserstoffs auf Ammoniakbasis ausgerichtet. Bereits im März 2023 hatte Air Liquide angekündigt, hierfür im Hafen von Antwerpen eine Pilotanlage zum Cracken von Ammoniak im industriellen Maßstab aufbauen zu wollen. 

    Arkema, einer der Chemieriesen des Landes, hat im Juli 2022 angekündigt, bis 2030 bis zu 400 Millionen Euro in Klimatechnologie zu investieren. Der belgische Chemiekonzern Solvay plant, seine Natriumkarbonatproduktion in Dombasle in Kooperation mit Veolia auf Ersatzbrennstoffe umzustellen.

    TotalEnergies startet Großausschreibung für Wasserstoff

    Der Energiekonzern TotalEnergies hat im September 2023 einen Auftrag über den Ankauf von 500.000 Tonnen grünen Wasserstoffs pro Jahr ausgeschrieben. Eine erste Liefervereinbarung über die Versorgung mit 70.000 Tonnen jährlich hat TotalEnergies im Juni 2024 mit dem Lieferanten Air Products abgeschlossen. Bereits im September 2023 hatten TotalEnergies und Air Liquide eine separate Vereinbarung unterzeichnet, die die langfristige Versorgung von TotalEnergies Raffinerie- und Petrochemieplattform in der Normandie mit grünem und kohlenstoffarmem Wasserstoff absichert. Der Energieriese will hierdurch die Raffinerieprozesse in seinen sechs europäischen Raffinerien dekarbonisieren, um ab 2030 pro Jahr 5 Millionen Tonnen CO₂ einzusparen. 

    Dekarbonisierung als Wettbewerbsvorteil

    Außerhalb bereits angeschobener Projekte halten sich Unternehmen angesichts hoher Finanzierungskosten und der schwachen Branchenkonjunktur mit Neuinvestitionen zurück. Das Marktforschungsinstitut Xerfi aber geht davon aus, dass Branchenunternehmen keine andere Wahl haben, als ihre Transformation in Richtung Dekarbonisierung voranzutreiben. Nur so könnten auch energieintensive Sektoren international wettbewerbsfähig bleiben.

    Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Branchenstruktur

    Frankreichs Chemiesektor ist vielfältig. Auch kleine Unternehmen belegen wichtige Positionen in den Lieferketten. Branchengrößen verstärken Kooperationen und Start-up-Förderung. 

    Die chemische Industrie hat in Frankreich eine lange Tradition und ist in allen Segmenten der Produktion gut vertreten. Das Land weist nach Deutschland die zweitgrößte Chemieindustrie in Europa und die fünftgrößte weltweit auf. Die knapp 4.000 Branchenunternehmen erwirtschafteten 2023 mit ihren rund 228.000 Mitarbeitern laut France Chimie einen Gesamtumsatz von 109 Milliarden Euro. Die Chemiebranche ist Frankreichs bedeutendste Exportindustrie.

    Start-ups und Kooperationen treiben Innovationen

    Kleine und mittlere Unternehmen prägen die Chemielandschaft. Rund 94 Prozent der Unternehmen beschäftigen weniger als 250 Mitarbeitende. Das Land verfügt jedoch auch über große, international aufgestellte Konzerne wie Total, Arkema, Air Liquide und Kem One. Darüber hinaus ist Frankreich besonders für US-amerikanische Unternehmen (ExxonMobil Chemical, LyondellBasell) ein wichtiger Produktionsstandort in Europa. Auch die großen deutschen Chemiekonzerne sind in Frankreich aktiv. BASF ist mit 14 Produktionsstandorten in Frankreich vertreten und beschäftigt mehr als 3.000 Mitarbeitende. Bayer betreibt mit ebenfalls gut 3.000 Mitarbeitenden sechs Fabriken sowie Forschungs- und Entwicklungszentren in Frankreich. Auch wenn die deutschen Chemiekonzerne Restrukturierungsmaßnahmen ergreifen, bleiben die französischen BASF- und Bayer-Standorte bislang von Schließungen oder Personalfreisetzungen verschont. 

    Branchengrößen investieren in die eigene Forschung und Entwicklung, setzen zunehmend aber auch auf unternehmensübergreifende Kooperationen mit kleinen und mittleren Unternehmen oder Forschungsinstitutionen. Die Ausgaben für Entwicklung und Forschung lagen 2022 bei 2 Milliarden Euro. Zudem macht sich die Chemiebranche auf die Suche nach Start-ups, die mit unkonventionellen Technologien und Konzepten den Umbau von Produkten und Produktion vorantreiben sollen. Konzerne wie Air Liquide oder Solvay fördern die Entwicklung innovativer Anwendungen und Technologien durch eigene Investitionsfonds. France Chimie betreibt in Kooperation mit der BPI France den Startup-Hub ChemTech.

    Regionale Cluster bündeln die Branche

    Die Chemieproduktion konzentriert sich in Clustern in verschiedenen Regionen Frankreichs. Ein Großteil der Chemieunternehmen des Landes hat sich in einer der 18 regionalen Chemieplattformen des Landes angesiedelt. Einer der bedeutendsten Chemiestandorte ist die Region Auvergne-Rhône-Alpes mit starken Clustern der Industrie und der Forschung in Lyon (Vallée de la Chimie), Les-Roches-Roussillon und Grenoble (Grenoble Chemical Park). Hier haben Konzerne wie Arkema, BASF, Bayer und Solvay Produktions- und Forschungsstandorte errichtet.

    Der Großraum Le Havre ist das größte Zentrum der Düngemittelproduktion in Europa und der Petrochemie in Frankreich. Der Hafen ist wichtiger Hub für den Chemieimport und -export mit Produktionsniederlassungen von Total, ExxonMobil, Arkema und BASF. Zudem errichtet Total Energies in LeHavre ein Flüssiggasterminal, das seit Oktober Ende 2023 in Betrieb ist.

    Einen weiteren wichtigen Petrochemiestandort bildet die Region Provence-Alpes-Cote-d’Azur (PACA) mit dem Großraum Marseille. Firmen wie Ineos, LyondellBasell, Kem One, Total Petrochemicals oder Arkema betreiben hier große Produktionsstätten. Weitere wichtige regionale Cluster befinden sich im Norden des Landes im Großraum Lille und in der Hauptstadtregion (mit Schwerpunkten in der Forschung und Spezialchemie). 

    Einen besonderen Schwerpunkt bilden die Cluster für Spezialchemie für die Kosmetik- und Parfumherstellung. Das wichtigste Cluster dieser gerade in Frankreich bedeutenden Chemiesparte befindet sich im südfranzösischen Grasse.

    Wichtige Branchenunternehmen in Frankreich In Milliarden Euro

    Unternehmen

    Sparte

    Umsatz 2023

    Total Petrochemicals France

    Petrochemie

    4,6

    Arkema

    Spezialchemie

    3,6

    ExxonMobil Chemical FrancePetrochemie, organische Chemie

    2,4

    BASF FranceBasischemie, Spezialchemie

    2,0

    Parfums Christian DiorKosmetik

    2,1

    Yara FranceDüngemittel

    1,7

    Kem OneOrganische Chemie

    1,7

    Air Liquide France IndustriesIndustriegase

    1,6

    AdisseoErgänzungsstoffe für Tierfutter

    1,6

    Bayer SASAgrarchemie, Pharma, Spezialchemie

    1,4

    Rhodia Operations (Solvay)Basischemie, organische Chemie

    1,3

    Quelle: Verif 2024

    Unternehmen verstärken Investitionen in grüne Chemie

    Zahlreiche Innovationscluster engagieren sich vor allem in der Entwicklung nachhaltiger Lösungen (grüne Chemie) und neuer Materialien (unter anderem für die in Frankreich starke Luft- und Raumfahrt- und Automobil-, aber auch die Modeindustrie).

    Großunternehmen wie Total oder Arkema investieren in die Ökologisierung ihrer Produktpalette. Aber auch kleinere Unternehmen und Start-ups entwickeln häufig außerhalb der führenden Chemiezentren des Landes Anwendungen der biobasierten Industrie. In der südwestlichen Region Nouvelle-Aquitaine hat sich seit 2010 im Rahmen des Clusters Aquitaine Chimie Durable ein aufstrebendes Zentrum grüner Chemie entwickelt. Im ehemaligen Raffineriezentrum Carling in der Region Moselle siedeln sich, auch mit Unterstützung von Total Energie, Chemieunternehmen an, die sich auf die Entwicklung einer grünen Chemie fokussieren. 

    Kosmetikbranche treibt Chemieexporte an

    Ein Drittel der französischen Gesamtchemieproduktion entfällt auf chemische Grundstoffe. Damit spielen Basischemikalien eine geringere Rolle als in Deutschland. Mehr Gewicht als in Deutschland kommt in Frankreich der Sparte Pflanzenschutz zu. Diese allerdings gerät aufgrund sich ändernder politischer und gesellschaftlicher Vorgaben sowie steigender Kosten unter Druck. Auch ausländische Firmen wie Bayer produzieren in diesem Bereich im Land.

    Frankreich ist zudem mit weltweit führenden Herstellern wie L'Oréal, Chanel, Dior Parfums und Guerlain ein wichtiger Standort für die Produktion und den Export von Kosmetik, Körperpflegemitteln und Duftstoffen. Daher hat diese Sparte in der Chemieindustrie ein deutlich höheres Gewicht als in Deutschland.

    Zu den Produktionsmengen der Industrie werden seit 2017 nur sehr lückenhafte Daten veröffentlicht. Viele Zahlen werden aufgrund der geringen Anzahl an Unternehmen als "vertraulich" eingestuft und nicht ausgewiesen. Damit erlauben die verfügbaren Daten nur einen eingeschränkten Blick auf die Branchenentwicklung.

    Produktion ausgewählter chemischer Erzeugnisse in Frankreich In Millionen Euro; Veränderung und Marktanteil in Prozent

    Sparte (NACE-Code)

    2022

    Veränderung 2022/2021

    Marktanteil

    Mineralölerzeugnisse (19.2)

    54.261

    57,8

    100

    Chemische Grundstoffe (20.1)

    39.086

    7,0

    44,5

    Schädlingsbekämpfung und Pflanzenschutz (20.2)

    5.064

    5,8

    5,8

    Farben und Lacke (20.3)

    3.692

    1,8

    4,2

    Seifen und Parfums (20.4)

    28.944

    30,4

    32,9

    Andere chemische Produkte (20.5)

    10.983

    18,6

    12,5

    Chemiefasern (20.6)

    136

    20,4

    0,2

    Marktanteil Mineralölerzeugnisse berechnet in Bezug auf NACE-Gruppe 19; Marktanteil chemische Produkte (20.1 - 20.6) berechnet in Bezug auf NACE-Gruppe 20Quelle: Statistikamt Insee 2024

    Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Rahmenbedingungen

    In Frankreich gelten die Regeln der Europäischen Union für die Zulassung von Chemikalien. Darüber hinaus kann es zusätzliche Einschränkungen für den Einsatz von Chemie geben.

    Die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe in der EU unterliegt den Bestimmungen der EU-Chemikalienverordnung REACH. Der deutsche REACH-CLP-Biozid-Helpdesk der Bundesbehörden gibt darüber detaillierte Auskunft.

    Frankreich erlässt zum Teil unilateral Einschränkungen für den Einsatz von Chemikalien. Bei der Gesetzgebung sind je nach Anwendungsbereich verschiedene Ministerien federführend (einzeln oder vielfach gemeinsam). Für das Verbot von Pestiziden, die Neonicotinoide enthalten, sind die Ministerien für Gesundheit (Ministère des Solidarités et de la Santé), Landwirtschaft (Ministère de l’Agriculture et de l‘Alimentation) und Umwelt (Ministère de la Transition écologique et solidaire) verantwortlich. Zwar hatten die betroffenen Ministerien für den Zuckerrübenanbau Ausnahmen vom Verbot des Einsatzes von Neonicotinoiden eingeräumt. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Januar 2023 sind diese Pestizide nunmehr aber auch in Frankreich vollumfänglich und damit auch für den Einsatz bei Zuckerrüben verboten. 

    Im innergemeinschaftlichen Warenverkehr der EU sind die Regelungen des EU-Umsatzsteuerkontrollverfahrens zu beachten. Informationen hierzu finden sich auf der Internetseite des Bundeszentralamtes für Steuern. Hinsichtlich der Normierung gelten die einschlägigen EU-Richtlinien (siehe etwa die Website des Deutschen Instituts für Normung e.V.).

    Germany Trade & Invest stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    AHK Frankreich

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Ministère de la Transition écologiqueUmweltministerium

    France Chimie

    Chemieverband

    Union des industries de la fertilisation (Unifa)

    Düngemittelverband
    Ufip Énergies et MobilitésVerband der Ölindustrie
    Fédération des industries des peintures, encres, couleurs, colles et adhésifs, préservation du bois (Fipec)Verband für Farben, Lacke, Klebstoffe und Holzschutzmittel
    Union des transformateurs de polymères (Polyvia)Verband für Kunststoffe und Verbundwerkstoffe
    L’Usine NouvelleFührende Industriefachzeitschrift
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