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Indiens Stahlindustrie hat Grund für Optimismus
Die Stahlproduktion übertraf 2021 das Vor-Corona-Niveau. Es gibt ambitionierte Ausbauziele und daher muss investiert werden. Die Voraussetzungen dafür sind günstig.
25.02.2022
Von Florian Wenke | Mumbai
Die Stahlbranche hat schwierige Jahre hinter sich und der Einbruch der Wirtschaft durch die Coronapandemie stellte eine zusätzliche Herausforderung dar. Allerdings geht es jetzt wieder aufwärts. Die Wachstumsaussichten sind gut.
Die Produktion hat sich erholt
Im Jahr 2020 wurden laut World Steel Association lediglich circa 100 Millionen Tonnen an Rohstahl hergestellt. Zuletzt war es 2017 eine ähnlich geringe Menge gewesen. Angetrieben durch die Erholung der Wirtschaft und staatliche Ausgaben für Infrastruktur produzierte die Branche 2021 rund 118 Millionen Tonnen Rohstahl. Das entspricht einer Steigerung von 18 Prozent.
Im Rahmen ihrer National Steel Policy möchte die indische Regierung die Kapazitäten der inländischen Stahlproduktion bis 2031 auf jährlich 300 Millionen Tonnen steigern. Die vorhandene Kapazität liegt bei etwas mehr als 142 Millionen Tonnen pro Jahr.
Indien ist ein wichtiges Erzeugerland
Im internationalen Vergleich ist Indien bereits einer der wichtigsten Standorte für die Stahlherstellung. Im Jahr 2021 lag der Subkontinent auf Rang zwei der wichtigsten Erzeugerländer für Rohstahl - deutlich hinter China, aber klar vor Japan, den USA und Deutschland.
Wenige große Unternehmen wie beispielsweise Tata Steel, JSW Steel oder Jindal Steel and Power dominieren die Branche. Auch Staatskonzerne wie die Steel Authority of India zählen zu den wichtigen Marktakteuren. Schwerpunkte der Produktion befinden sich in den Bundesstaaten Westbengalen, Chhattisghar und Odisha. Im letztgenannten befinden sich wichtige Minen für Eisenerz. Allerdings gibt es auch in anderen Gebieten größere Anlagen zur Stahlherstellung.
Die Nachfrage nach Stahl wird weiter wachsen
Der neue Staatshaushalt für das Finanzjahr 2022/2023 (1. April bis 31. März) lässt die Branche auf weitere gute Jahre hoffen. Die Regierung plant kräftige Investitionen in die Infrastruktur. Für den Bau neuer Häuser, Straßen und Eisenbahnstrecken wird Stahl benötigt. Die anziehende Konjunktur stützt die Nachfrage ebenfalls. Der Managing Director des Stahlriesen Jindal Steel and Power, VR Sharma, sprach im Februar 2022 gegenüber indischen Medien davon, den Export einzuschränken, um die inländische Nachfrage decken zu können. Als Gründe für die gute Entwicklung im Land nannte Sharma die Infrastrukturinvestitionen der Regierung, zunehmende Bauaktivitäten, sowie die gestiegene Nachfrage aus der Automobilindustrie.
Die World Steel Association prognostiziert für 2022 eine zunehmende Nachfrage. Von rund 104 Millionen Tonnen im Jahr 2021 soll sie auf über 111 Millionen Tonnen im Jahr 2022 klettern. Die National Steel Policy gibt für 2031 das Ziel eines Stahlverbrauches pro Kopf von 160 Kilogramm an. Derzeit liegt der Wert erst bei circa 75 Kilogramm.
Großunternehmen investieren in höhere Kapazitäten
Um den wachsenden Bedarf decken zu können, müssen zusätzliche Produktionskapazitäten geschaffen werden. Besonders große und finanzkräftige Unternehmen haben dafür Spielraum. Branchenexperten berichten, dass die Firmen ihre Bilanzen in den vergangenen Jahren aufgeräumt haben und nun über Möglichkeiten für Investitionen verfügen.
Tata Steel möchte bis 2030 seine Herstellungskapazitäten um bis zu 40 Millionen Tonnen erweitern. Ein Fokus soll dabei auf den Werken in Kalinga Nagar und Angul liegen. Dort wird Stahl im Hochofen aus Eisenerz gewonnen. Gleichzeitig unternimmt die Firma Anstrengungen, das Geschäft mit der Stahlproduktion aus Schrott zu erweitern. Die Technik soll besonders im Norden, Süden und Westen des Landes zum Einsatz kommen. Im August ging eine neue Anlage für die Stahlgewinnung aus Schrott in Rothak in Betrieb. Die Kapazität liegt bei 0,5 Millionen Tonnen pro Jahr. Insgesamt hat der Konzern mit Investitionen in Höhe von 1,1 Milliarden US-Dollar (Kurs laut Federal Reserve Bank vom 11. Februar 2022; 1 US$ = 75,34 indische Rupien) für das Finanzjahr 2021/2022 geplant.
Das Joint Venture zwischen Accelor Mittal und Nippon Steel kündigte Anfang 2022 ebenfalls neue Investitionen an. Für 6 Milliarden US$ möchte das Unternehmen die Produktionsanlage in Hazira modernisieren und die Kapazität auf 18 Millionen Tonnen pro Jahr ausweiten. Weitere 8 Milliarden US$ sollen in die Anlagen in Suvali und Kidiabet fließen.
Subventionen für Spezialstahle
Indiens Regierung unterstützt die Stahlproduktion aktiv. Im Rahmen sogenannter Production-Linked Incentives stellt sie umgerechnet rund 839 Millionen US$ bereit. Damit möchte sie den Weg der Unternehmen zur Herstellung höherwertiger Produkte wie beispielsweise hochfestem Stahl erleichtern. Die Zahlungen sind an Produktionssteigerungen geknüpft. Daher werden Kapazitätserweiterungen nötig. Mithilfe der Subventionen will New Delhi die Spezialstahlherstellung von derzeit 18 Millionen Tonnen jährlich auf 42 Millionen Tonnen pro Jahr bis 2027 erhöhen.
Wann kommt der grüne Stahl?
Diskussionen um nachhaltig produzierten Stahl werden auch in Indien geführt. Das Land bemüht sich darum, eine Wasserstoffwirtschaft aufzubauen. Brancheninsidern zufolge ist die Erzeugung von grünem Stahl noch zu teuer, um umgesetzt zu werden. Gleiches gilt für Speicherlösungen für Kohlendioxid. Branchenvertreter nennen oft die kommende Dekade als Zeitpunkt, ab dem sich die teuren Investitionen in grüne Technik für die Unternehmen lohnen würden. Allerdings gibt es bereits erste Ankündigungen. Das Industriekonglomerat Adani Group hat Anfang 2022 eine Kooperation mit dem südkoreanischen Stahlriesen POSCO angekündigt. Gemeinsam wollen die Partner ein Stahlwerk in Mundra (Gujarat) errichten. Dabei soll es sich um eine grüne und umweltfreundliche Anlage handeln, obwohl beide Parteien nicht genau ausführen, was darunter zu verstehen ist. Bis konkrete Projekte entstehen, dürfte noch einige Zeit vergehen. Kurzfristig werden Unternehmen eher versuchen, die Kreislaufwirtschaft zu stärken. Tata beispielsweise baut die weniger energieintensive Stahlproduktion aus Schrott aus.