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Branche | Indien | Transportinfrastruktur

Deutsche Unternehmen profitieren von Indiens Verkehrsplänen

Massive staatliche Ausbaupläne für Eisenbahn, Häfen und Flughäfen sollen Indiens Verkehrsnetz flexibler, schneller und nachhaltiger machen. Dabei ist deutsche Expertise gefragt. 

Von Marcus Hernig | Bonn

Lange Transportzeiten, hohe Kosten und starke Umweltbelastung kennzeichnen Indiens Verkehrssektor. Darum soll Indiens Eisenbahn nun modernisiert, Häfen ausgebaut und das Flughafennetz erweitert werden. Dank großer Investitionsvorhaben dürfte Indiens Bauindustrie im Transportinfrastrukturbereich zwischen 2023 und 2032 jährlich um durchschnittlich 6,4 Prozent wachsen. Das prognostiziert eine Studie des Branchenanalysten BMI Fitch Solutions von 2023.

Wichtige internationale Produktionsstandorte wie die westindische Metropole Pune mit über 300 deutschen Unternehmen benötigen dringend bessere Verkehrswege. Gerade auf diesem Feld eröffnen sich deutschen Anbietern viele Chancen: Sie reichen von spezifischer Beratung bei neuen Infrastrukturprojekten bis zum Aufbau kompletter Schienensysteme.

Schienenausbau in Milliardenhöhe geplant

Indiens nationaler Eisenbahnplan (National Rail Plan, NRP) sieht nach Berechnungen von BMI Fitch Solutions bis 2050 Investitionen von über 304 Milliarden US-Dollar (US$) vor. Die Analysten erwarten den Ausbau von Güterverkehrskorridoren, den Bau von U-Bahnen und neuer Hochgeschwindigkeitsstrecken. 

In die geplanten Hochgeschwindigkeitskorridore sollen davon den Schätzungen von Fitch zufolge bis zu 180 Milliarden US$ investiert werden. Das sind rund 60 Prozent der geplanten Gesamtinvestitionen bis 2050. Allein die erste Strecke von Mumbai nach Ahmedabad – aktuell noch in Bau – wird rund 15 Milliarden US$ kosten. Sie soll 2027 in Betrieb gehen. Daniel Spindler, ehemaliger Finanzchef von Siemens India, ist skeptisch: "Momentan sind Hochgeschwindigkeitssysteme zu teuer und zu zeitaufwendig." Für die Zukunft sieht er jedoch großes Potenzial. 

Siemens baut auf nachhaltige Modernisierung der Eisenbahn

Aktuell setzt Siemens auf die Modernisierung des bestehenden Zugnetzes, das Stand 2024 fast komplett elektrifiziert ist. Anfang 2023 erhielt Siemens Mobility einen Auftrag im Gesamtwert von 3 Milliarden Euro, darunter den größten Lokomotivenauftrag seiner Unternehmensgeschichte. Bis 2034 sollen 1.200 neue Lokomotiven, allesamt elektrisch betrieben, in Indien gefertigt werden. Die Wartungsverträge laufen über 35 Jahre und können in enger Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber Indian Railways umgesetzt werden.

"Auf diese Weise ist das Investment überschaubar und die Wirkung groß", meint Daniel Spindler. Die Loks werden im Güterverkehr eingesetzt und könnten mittelfristig den Einsatz von 500.000 bis 800.000 Lastkraftwagen ersetzen. Der NRP sieht vor, künftig fast die Hälfte des landesweit aufkommenden Frachtvolumens per Schiene zu transportieren. Aktuell sind es 27 Prozent.

Hafenentwicklung benötigt private Investoren

"Die Hafenentwicklung ist für die Konnektivität Indiens eine der drängendsten Aufgaben", sagt Rajiv Jalota, Vorsitzender der Hafenbehörde Mumbai. Bis 2032 plant Indiens Regierung, 82 Milliarden US$ in den Ausbau der Hafeninfrastruktur zu investieren. Laut BMI Fitch Solutions liegt der Schwerpunkt beim Bau neuer Containerhäfen. Erst seit Dezember 2023 verfügt Indien in Vizhinjam an der Südspitze des Landes über ein erstes Tiefwasser-Containerterminal, an dem große Containerschiffe anlanden können. 

Im Februar 2024 gab Premierminister Narendra Modi offiziell den Startschuss für einen weiteren Tiefwasserhafen: Vadhvan Port liegt rund 150 Kilometer nördlich von Mumbai, soll rund 9,2 Milliarden US$ kosten und 2028 fertiggestellt sein. Dann verfügt Indien über einen großen Containerhafen, der als Ausgangspunkt für den India-Middle East-Europe Corridor (IMEC), einem Transportkorridor, dienen kann. "Die Regierung verfolgt große Pläne, verfügt aber über wenig Geld", kritisiert Mumbai-Hafenchef Jalota und ergänzt: "Wir müssen für die Zukunft auf Public-private-Partnerships (PPP) setzen."

Deutsche Unternehmen sind Hafenpartner und -kunden 

Ein wichtiger privatwirtschaftlicher Partner für Indiens Häfen ist die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd. Das deutsche Unternehmen hält seit 2023 einen Anteil von 35 Prozent an J.M. Baxi Port Logistics (JMBPL), einem privaten Terminal- und Inlandtransport-Dienstleister in Indien. JMBPL beteiligt sich führend am Aus- und Aufbau der Containerterminals in Indiens Hafenprojekten. Die Analysten von BMI Fitch Solutions gehen davon aus, dass bis 2030 rund 85 Prozent aller indischen Containerterminals von Privatunternehmen betrieben werden. So ergeben sich für Reedereien und Logistikanbieter ausgezeichnete Entwicklungschancen in neuen Großprojekten wie dem Tiefwasserhafen Vadhvan.

Vom maritimen Infrastrukturbau profitieren können auch zahlreiche deutsche Unternehmen am Produktionsstandort Pune unweit Mumbais. Volkswagen baut hier Autos und verschifft 70 Prozent davon über die Häfen Mumbai und Chennai. Für Mittelständler wie den Dortmunder Pumpenhersteller Wilo ist die Verzahnung der neuen Hafeninfrastrukturen mit der Eisenbahn von großer Bedeutung: "Wir laden immer noch einzelne Pumpen auf Lkw und fahren die dann zum Mumbai Port", sagt Samson Wood von Wilo. Mather and Platt, eine Tochterfirma der Wilo-Gruppe, baut in Pune Großpumpen für den afrikanischen Markt.

Flughafenbau eröffnet Chancen für Spezialisten

Das bevölkerungsreichste Land der Welt benötigt zahlreiche neue Flughäfen. Der Flughafenbausektor wird bis 2032 um durchschnittlich 5,8 Prozent jährlich wachsen, prognostiziert BMI Fitch Solutions. Neue internationale Großflughäfen wie Navi Mumbai und der Jewar Airport in der Hauptstadtregion um New Delhi verlangen Investitionen in Höhe von 2 Milliarden beziehungsweise 3,6 Milliarden US$. Hinzu kommt der Bau von über 100 kleineren Flughäfen für den Inlandsverkehr. 

Gerade für deutsche Designbüros und Spezialisten für Flughafeninfrastruktur liegen hier interessante Chancen. Im derzeit größten Flughafenprojekt Navi Mumbai hat das deutsche Ingenieurbüro Dorsch mit seiner indischen Tochterfirma DC India verschiedene Studien erstellt und das neue Flughafenterminal von Dehradun, einem Inlandsflughafen, designt.

Beratende Ingenieure im Ausland

Bei großen Infrastrukturprojekten sind vielfältige Beratungsleistungen gefragt. Deutsche Ingenieurbüros führen weltweit unter anderem Machbarkeitsstudien durch, prüfen Designs und überwachen den Bau. Branchenvertreter berichteten GTAI von ihren Projekten in Europa, Asien, Afrika und Lateinamerika. Dabei wird deutlich: Deutsche Ingenieure sind vor allem in aufstrebenden Märkten aktiv. Dort sind sie oft auf Partner angewiesen. Wir beleuchten, wie sich die Deutschen gegen die Konkurrenz durchsetzen und an Aufträge kommen. Außerdem geben wir rechtliche Tipps. Erfahren Sie im GTAI-Online-Special mehr über Erfolgsfaktoren, Hürden und Besonderheiten der Branche.

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