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Wirtschaftsumfeld | Indonesien | Arbeitskräfte

Fachkräfte

Arbeitskräfte sind in Indonesien deutlich günstiger als in Malaysia oder Thailand. Das Bildungs- und Ausbildungsniveau ist aber mangelhaft.

Von Frank Malerius | Jakarta

Ausländische Unternehmen produzieren in Indonesien meist aufgrund der niedrigen Löhne. Denn der Inselstaat bietet ein großes Potenzial an Arbeitskräften: Es gibt fast 200 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter. Gleichzeitig ist das Land ein attraktiver Absatzmarkt. Die Bevölkerung ist konsumfreudig und erlebt seit 25 Jahren mit Ausnahme der Coronakrise einen ununterbrochenen Wirtschaftsaufschwung.

Arbeitskraft ist in Indonesien weitaus günstiger als in Singapur, Malaysia oder Thailand. Allerdings ist sie teurer als in klassischen Niedriglohnländern wie Kambodscha oder Bangladesch. Die Lohnunterschiede innerhalb des Inselreiches sind beträchtlich: In der Hauptstadt Jakarta und den östlich angrenzenden Industriegebieten in Bekasi sind die monatlichen Mindestlöhne fast dreimal so hoch wie im ländlichen Java. 

Hohe Konkurrenz um Arbeitsplätze

Für ausländische Unternehmen war bisher die strenge Arbeitsgesetzgebung ein Investitionshindernis. Doch die Reform des Arbeitsrechts hat das Umfeld deutlich verbessert. Unter anderem sind Kündigungen nun leichter möglich und Abfindungen günstiger. Dennoch sind Restriktionen weiterhin größer als etwa in Malaysia, Thailand oder Vietnam. 

Indonesien verfügt in geringerem Umfang als andere Länder der Region über eine exportorientierte Leichtindustrie, die hochwertige Jobs schafft. Deshalb ist auch die Industriearbeiterschaft kleiner. Der Anteil der verarbeitenden Industrie an der Bruttowertschöpfung ist von 30 Prozent um die Jahrtausendwende mittlerweile auf unter 20 Prozent gefallen. Zwar wächst der Industriesektor, doch mit geringeren Raten als die Gesamtwirtschaft.

Unter den Arbeitnehmern herrscht Konkurrenzdruck. Jedes Jahr kommen mehr als 2 Millionen Menschen neu auf den Arbeitsmarkt, von denen nur eine Minderheit eine adäquate Beschäftigung findet. Die offizielle Arbeitslosenquote liegt nur bei etwa 6 Prozent. Doch diese Zahl geht weit an der Realität vorbei. Denn Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sind ein großes gesellschaftliches Problem. Noch immer ist mehr als die Hälfte der Arbeitskräfte in Indonesien im informellen Sektor tätig. 

Arbeitskräfte müssen umfassend angelernt werden

Für ausländische Unternehmen ist es trotz der Fülle an vorhandenen Arbeitskräften oftmals schwierig, qualifiziertes Personal zu finden. Denn das Bildungs- und Ausbildungsniveau ist mangelhaft. Zwar können fast alle Indonesier lesen und schreiben, was angesichts der vielen abgelegenen Regionen und im Vergleich etwa zu afrikanischen und vielen arabischen Ländern eine große Errungenschaft ist. Allerdings sind laut Weltbank mehr als die Hälfte der 15-Jährigen funktionale Analphabeten. Ausländische Unternehmen berichten, dass Indonesiens komparative Lohnvorteile vielfach durch die mangelnde Produktivität verloren gehen.

Der Inselstaat hat kein System der Berufsausbildung. Es gibt berufsvorbereitende Schulen (Sekolah Menangah Kejuruan, SMK). Doch sie fangen oft nur schwächere Schüler auf und sind daher bei Arbeitgebern nicht sehr beliebt. Unter SMK-Absolventen ist die Arbeitslosenquote höher als bei solchen mit anderen Abschlüssen. Ausländische Unternehmen müssen daher die Arbeitnehmer umfassend anlernen. Immerhin gibt es in einigen Unternehmen deutsche Initiativen der dualen Ausbildung, allerdings schafft das nur eine punktuelle Verbesserung der Lage.

Hohe Digitalaffinität

In internationalen Bildungsstudien belegt der indonesische Nachwuchs meist die hinteren Plätze. Im regionalen ASEAN-Vergleich sticht Vietnam als bildungsstark hervor. Dennoch ist vor allem in den urbanen Zentren ein Wandel spürbar. Junge Indonesier lernen begierig Englisch. Bildung gewinnt an Bedeutung und trotz geringer formeller Bildungschanchen kämpfen sich überall Menschen nach oben.

Vor allem in der Digitalwirtschaft trägt das Früchte. Indonesier sind ausgesprochen digitalaffin, praktisch jeder Städter kauft mit dem Handy ein und bezahlt über Apps. In diesem Umfeld ist der Inselstaat zum führenden Start-up-Standort der ASEAN geworden. Allerdings hat das zu einem großen Mangel an indonesischen IT-Fachkräften geführt. Denn die sind auch im Ausland begehrt.

Indonesien im weltweiten Vergleich

Folgende Karte ermöglicht den Vergleich zwischen zahlreichen Ländern weltweit. Bitte beachten Sie, dass die Werte in der Karte aus international standardisierten Quellen stammen und somit ggf. von Angaben aus nationalen Quellen im Text abweichen können.

 

Arbeitskräfte bringen wenig Auslandserfahrung mit

Es gibt in Indonesien vergleichsweise wenige Menschen mit internationaler Lebens- und Arbeitserfahrung. Nur etwa 60.000 Indonesier sollen laut Medienberichten im Ausland studieren. Ein großer Teil davon in Australien und dem sprachlich und kulturell verwandten Malaysia. Zum Vergleich: Weit mehr als eine halbe Million Studenten aus China sind in ausländischen Universitäten eingeschrieben, die weitaus meisten davon in den USA.

In Deutschland soll es etwa 5.000 indonesische Studenten geben. Schätzungsweise die Hälfte davon studiert Ingenieurswesen, Mathematik oder Naturwissenschaften. Für sie kann ein Studium an einer kostenfreien deutschen Universität inklusive Lebenshaltungskosten sogar günstiger sein als an einer teuren heimischen Hochschule.

Religion und Verkehrsstaus drücken auf die Produktivität

Jenseits formeller Bildung, beeinflussen kulturelle Faktoren den Arbeitsalltag. Denn für die zu fast 90 Prozent muslimischen Arbeitnehmer fallen mindestens zwei Gebetszeiten in den Bürotag. Die meisten Mitarbeitenden fasten während des Ramadan, das beeinträchtigt die Konzentrationsfähigkeit. Auch extra Urlaubstage für Pilgerfahrten muss der Arbeitgeber gegebenenfalls gewähren.

Einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den Arbeitsalltag hat vielerorts die Verkehrssituation. In den urbanen Zentren herrscht die meiste Zeit des Tages Stau – vor allem zu den Stoßzeiten morgens und abends. Dann ist die Zeitspanne für den Weg zur Arbeit unberechenbar. Von Jakartas Außenbezirken bis ins Zentrum kann eine Fahrt mehrere Stunden dauern.

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