Bericht | Kanada | Solarenergie
Solarenergie hat in Kanada noch viel Ausbaupotenzial
Projektentwickler nehmen Saskatchewan, Ontario und Québec verstärkt ins Visier. Sie befürchten, dass Alberta die Flächen für Erneuerbare-Energie-Anlagen beschränken könnte.
09.12.2024
Von Heiko Steinacher | Toronto
Hep solar baut im Süden der kanadischen Provinz Alberta einen großen Solarpark. Mit einer Kapazität von über 120 Megawatt Spitzenleistung (MWp) ist es das bisher größte Solarprojekt des baden-württembergischen Spezialunternehmens weltweit. Verteilt auf 270 Hektar Fläche sollen die 200.000 Solarmodule jährlich rund 193.000 Megawattstunden (MWh) Strom erzeugen. Damit lassen sich knapp 27.000 Privathaushalte versorgen.
Der kanadische Staat nimmt 30 Prozent der jährlich generierten Energiezertifikate (Green RECs) ab, mit einem garantierten Festpreis über 20 Jahre. Das erhöht die Planungssicherheit der Cashflows. Die Green RECs bestätigen, dass eine bestimmte Menge an Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wind-, Solar- oder Wasserkraft erzeugt und ins Netz eingespeist wurde. Unternehmen können sie kaufen, um ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Verpflichtet dazu sind sie aber nicht.
Solarprojekte in der Provinz Alberta schreiten voran …
Auch Projektentwickler wie SolarBank, TC Energy, Universal Kraft und Concord Green Energy arbeiten an Vorhaben in Alberta. Concord Green Energy hat Anfang 2024 den Solarpark Joffre übernommen und baut derzeit das Solarkraftwerk Tilley, das im Lauf des Jahres 2025 in Betrieb gehen soll. Die University of Alberta hat eine Liste von Erneuerbare-Energie-Projekten (EE-Projekte) in Kanada mit einer Kapazität ab 1 Megawatt veröffentlicht (Stand August 2024) und diese geografisch kartiert.
Deutsche Entwickler sind ebenfalls im Geschäft: So hat RWE bereits vor vier Jahren einen langfristigen Stromabnahmevertrag mit Direct Energy unterzeichnet – ein sogenanntes Power Purchase Agreement (PPA) zur Lieferung von grünem Strom aus dem RWE-Solarkraftwerk Hull in Alberta.
Für Solarprojekte bietet die Provinz grundsätzlich viel Entwicklungspotenzial: Weite Teile Albertas bestehen aus hoch gelegenen Prärieflächen, sodass die Sonneneinstrahlung dort im Schnitt bei jährlich mehr als 1.400 Kilowattstunden pro Quadratmeter liegt (35 bis 40 Prozent höher als in Deutschland). Da das Quecksilber im Thermometer dort im Sommer nur selten die 30-Grad-Marke erreicht, bleibt die Leistung der Fotovoltaikmodule (PV) weitgehend konstant.
Alberta ist für EE-Projekte auch deshalb attraktiv, weil die Provinz bislang nur etwa 12 Prozent ihres Stroms aus alternativen Quellen bezieht. Zudem prägen Bergbau und die Mineralölindustrie die regionale Wirtschaft, sodass die CO2-Emissionen dringend reduziert werden müssen. Nach dem Renewable Electricity Act sollen bis Ende 2030 mindestens 30 Prozent der in Alberta erzeugten Elektroenergie aus erneuerbaren Quellen kommen. Während in British Columbia, Manitoba, Québec sowie Neufundland und Labrador Strom hauptsächlich aus Wasserkraft gewonnen wird, liegt der Fokus in Alberta vor allem auf Wind und Solar.
… bei Neuvorhaben rücken aber andere Regionen in den Fokus
Dennoch richten Wind- und Solarprojektentwickler ihr Augenmerk seit 2024 verstärkt auf andere kanadische Provinzen. Denn Albertas Provinzregierung hatte im August 2023 erklärt, keine neuen Anträge mehr für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen zu genehmigen, solange die Auswirkungen solcher Anlagen auf Gemeinden, Landwirtschaft und Umwelt geprüft würden. Bereits im Februar 2024 veröffentlichte sie Richtlinienentwürfe, wo und wie Wind- und Solarprojekte künftig umgesetzt werden können. Beobachter befürchten indes, dass dadurch auf bis zu 40 Prozent der Flächen keine EE-Anlagen errichtet werden dürfen.
Laut einem Bericht der staatlichen Rundfunkgesellschaft CBC von Oktober 2024 könnten die neuen Richtlinien noch vor Jahresende 2024 in Kraft treten. Daher verwundert es nicht, dass im laufenden Jahr in Alberta deutlich weniger Wind- und Solarprojekte angekündigt wurden als in den Vorjahren.
Ein weiterer Grund dürfte sein, dass die Provinz ihre Stromversorgung bis 2027 umfassend neu strukturieren will. Das verunsichert einige Investoren zusätzlich. Auch wenn eine Marktreform nach Meinung vieler so gestrickt sein müsste, dass sie Investitionen in Wind-, Solar- und Energiespeichertechnologien ankurbelt: Angesichts dessen, dass neue Vorschriften erst 2027 in Kraft treten könnten, üben sich die Unternehmen in Zurückhaltung.
Ontario und Québec wollen große Mengen erneuerbaren Stroms ausschreiben
Für Solarprojektentwickler rücken daher andere Provinzen stärker in den Fokus, darunter Saskatchewan. Die Prärieprovinz hat eine ähnlich hohe Sonneneinstrahlung wie Alberta, und das regionale Versorgungsunternehmen SaskPower hat angekündigt, bis 2035 bis zu 3.000 Megawatt Wind- und Solarenergie in sein Netz einspeisen zu wollen.
Ein weiteres Beispiel ist Québec: Die Provinz im Osten Kanadas konzentriert sich traditionell stark auf Wasserkraft. Und obwohl sie nicht ganz so sonnenverwöhnt ist, hat sie in den letzten Jahren verstärkt auch in Solarenergie investiert. Das staatliche Unternehmen Hydro-Québec will bis 2035 bis zu 10.000 Megawatt erneuerbare Energie ans Netz bringen, hauptsächlich Windkraft-, aber auch Solaranlagen. Ende 2024 und Ende 2026 will die Regierung von Québec jeweils 300 Megawatt an neuen PV-Kapazitäten ausschreiben.
Große Pläne verfolgt auch Ontario. Kanadas bevölkerungsreichste Provinz will in den nächsten fünf Jahren 2.000 Megawatt Strom aus emissionsfreien Quellen ausschreiben, darunter Sonne, Wind und Wasser. Ontario hat ein Einspeisevergütungssystem ähnlich dem deutschen eingeführt, mit Vertragslaufzeiten von in der Regel 20 Jahren.
Förderung des Solarenergieausbaus auch auf Bundesebene
Der Ausbau von Wind- und Solarenergie wird auch auf Bundesebene vorangetrieben, unter anderem durch eine Steuervergünstigung von 30 Prozent auf Investitionskosten für Solaranlagen. Darüber hinaus können Unternehmen Kosten für bestimmte Kapitalgüter – darunter Solaranlagen – schneller abschreiben als üblich und so ihre Steuerlast in den ersten Jahren nach der Investition senken.