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Wirtschaftsumfeld | Kolumbien | Wirtschaftsstruktur

Fossile Energie verliert in der Wirtschaftsstruktur an Bedeutung

Kolumbiens Wirtschaftsstruktur modernisiert sich allmählich. Treiber sind die großen Städte. Politische Eingriffe verunsichern die Unternehmen.

Von Janosch Siepen | Bogotá

Kolumbien gewinnt in der Region durch die globale Nachfrage nach grüner Energie und dem Auslagern von Unternehmensdienstleistungen an Bedeutung. Die Wirtschaftsstruktur des Landes verändert sich. Kolumbien strebt Unabhängigkeit von fossiler Energie und Klimaneutralität bis 2050 an. Der Bergbau verliert an Bedeutung, stattdessen sollen erneuerbare Energien in Zukunft eine treibende Kraft der kolumbianischen Wirtschaft sein. Neben der Landwirtschaft ist der Dienstleistungssektor zunehmend wichtiger geworden. 

 

52 Mio.

Personen lebten 2022 im Land.

Quelle: DANE 2023

344 Mrd.

US-Dollar betrug das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2022 laut Schätzungen.

Quelle: IWF 2023

6.658

US-Dollar machte das BIP pro Kopf damit 2022 aus.

Quelle: IWF 2023

Rang 57

belegte das Land 2022 unter den deutschen Exportzielen.

Quelle: Destatis 2023

Rang 91

nimmt das Land im Corruption Perceptions Index 2022 ein (unter 180 Ländern).

Quelle: Transparency International 2023

4,4 %

betrug die Analphabetenquote im Jahr 2020.

Quelle: Weltbank 2023

 

Ausführliche Informationen zur Wirtschaft finden Sie in den Wirtschaftsdaten kompakt.

Deutsche Unternehmen schätzen die Standortvorteile

Deutsche Firmen sehen Kolumbien als Land mit stabilen institutionellen Rahmenbedingungen und relativ gutem Fachkräftepotenzial. Schwächen sind aus Sicht der Unternehmen strukturelle Korruption, Bürokratie und nicht-tarifäre Handelshemmnisse. Langfristig ist das Land aufgrund diverser Standortvorteile und Zukunftsbranchen für deutsche Unternehmen vielversprechend. Ein Freihandelsabkommen mit der EU erleichtert den Warenaustausch. Bereits heute haben zahlreiche Firmen aus Deutschland ihren Sitz in dem Andenstaat und bearbeiten von dort den regionalen Markt.

Gerade als Exporteur von grünem Wasserstoff nach Deutschland kann Kolumbien in den nächsten Jahrzehnten wichtig werden. Die Voraussetzungen dafür sind im Land hervorragend. Besuche hochrangiger deutscher Vertreter aus Politik und Wirtschaft nehmen daher zu. Kolumbien wird in Zukunft als strategischer Beschaffungsmarkt für Deutschland an Bedeutung gewinnen.

Geschäftsklima könnte sich verschlechtern 

Das große Modernisierungspotenzial des Landes bietet zwar zahlreiche Absatzchancen für deutsche Produkte. Der Kurs des amtierenden linksgerichteten Präsidenten Gustavo Petro stellt jedoch ein Risiko dar. Im Geschäftsklima-Ranking 2023 bis 2027 des britischen Informationsdienstleisters Economist Intelligence Unit (EIU) belegt Kolumbien den 6. Platz unter zwölf untersuchten Ländern in Lateinamerika. Die EIU prognostiziert, dass das Land im weltweiten Vergleich in den kommenden Jahren Ränge einbüßen wird. Gründe hierfür sind wachsende Steuerabgaben und wirtschaftspolitische Eingriffe der Regierung.

Im AHK World Business Outlook vom Frühjahr 2023 äußerten die befragten Mitgliedsunternehmen der Deutsch-Kolumbianischen Industrie- und Handelskammer (AHK Kolumbien) deutlich schlechtere Konjunkturerwartungen und geringere Investitionsabsichten als die befragten Firmen im regionalen Durchschnitt. Als Geschäftsrisiken werden neben dem Wechselkurs die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen genannt. 

Miguel Villanueva, Vertriebsleiter des deutschen Werkzeugmaschinenherstellers Trumpf in Kolumbien, ist Ende 2023 optimistischer. Bei den Regionalwahlen im Oktober 2023 war die Regierungspartei als Verlierer hervorgegangen. Das habe bei den Unternehmen für neue Zuversicht gesorgt. "Deswegen sehen die Wirtschaftsaussichten für die Industrie im Jahr 2024 positiver aus."

SWOT-Analyse Kolumbien

S

Stärken Strengths

  • Großer Binnenmarkt
  • Günstige geografische Lage mit Zugang zum Atlantik und Pazifik
  • Zahlreiche Handelsabkommen, u.a. mit der EU und den USA
  • Steuerliche Anreize
  • Moderne öffentlich-private Partnerschaften
W

Schwächen Weaknesses

  • Strukturelle Korruption und Bürokratie
  • Mangelhafte Infrastruktur mit hohen Transportkosten
  • Währung anfällig für Schwankungen
  • Teilweise hoher Modernisierungsbedarf
  • Tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse
O

Chancen Opportunities

  • Fokus auf erneuerbare Energien und grünen Wasserstoff
  • Hohe Investitionen in Verkehrsinfrastruktur und Umwelttechnik
  • Modernisierung und höhere Produktivität der Wirtschaft angestrebt
  • Neue Wirtschaftszweige (z.B. Dienstleistungshubs und Fintech)
  • Agrarsektor als stabiler Konjunkturtreiber
T

Risiken Threats

  • Wirtschaftspolitische Eingriffe der Regierung
  • Soziale und politische Lage instabil
  • Widerstand der lokalen Bevölkerung gefährdet Projekte
  • Abhängigkeit von internationalen Öl- und Kohlepreisen
  • Höhere Abgaben stellen Rentabilität bei fossiler und erneuerbarer Energie infrage

Moderne Wirtschaftszweige werden wichtiger

Die Landwirtschaft und der Dienstleistungssektor haben in den vergangenen Jahren an Relevanz gewonnen. Kolumbien hat sich zu einem bedeutenden Standort für das Outsourcing von Unternehmensdienstleistungen entwickelt, vor allem im IT-Bereich. Mittlerweile verfügt das Land nach Brasilien, Mexiko und Costa Rica über den viertgrößten Sektor für Business Process Outsourcing (BPO) in Lateinamerika. Der Trend zu moderneren Wirtschaftszweigen eröffnet deutschen Unternehmen neue Geschäftsfelder. Das deutsche Medizintechnikunternehmen B.Braun betreibt bereits ein Servicecenter in Bogotá. Zudem hat Kolumbien eine dynamische Start-up-Szene mit einigen Unicorns. Im lateinamerikanischen Vergleich ist das Land nach Brasilien und Mexiko der drittgrößte Fintech-Markt. 

Gleichzeitig sinkt der Anteil des verarbeitenden Gewerbes und des Bergbaus am Bruttoinlandsprodukt (BIP) und ist deutlich geringer als noch vor zehn Jahren. Schwankende Ölpreise und eine stagnierende Produktion haben die Bedeutung des Sektors für die kolumbianische Wirtschaft sinken lassen. Zwar bleibt Erdöl das mit Abstand wichtigste Exportgut Kolumbiens. Doch der Sektor steht vor unsicheren Zeiten, da die Regierung unter Gustavo Petro angekündigt hat, keine neuen Explorations- und Förderlizenzen für fossile Energieträger zu vergeben. Zudem hat eine Steuerreform Ende 2022 die Abgaben für den Sektor merklich erhöht. Im Bergbau hingegen werden Kupfer und Gold wichtiger. Gründe dafür sind die Energiewende und Investitionen aus China.

Bedeutung der Wirtschaftszweige in Kolumbien (Anteile in Prozent)

Sektoren

Anteil am BIP 2022 1)

Anteil an den Beschäftigten 2022

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

8,3

14,6

Bergbau (inklusive Öl- und Gasförderung)

7,5

k.A.

Verarbeitendes Gewerbe

11,5

10,6

Energieversorgung (inklusive  Wasserversorgung)

3,7

2,7 2)

Baugewerbe

4,1

7,0

Dienstleistungen

54,8

65,0

1 vorläufige, unbereinigte Werte, nominal; 2 beinhaltet Bergbau, Öl- und Gasförderung.Quelle: Statistikamt DANE März 2023

Drei größte Metropolen bündeln Wirtschaftskraft

Ein Viertel der kolumbianischen Wirtschaftsleistung entfällt auf die Hauptstadtregion Bogotá. Hier konzentrieren sich viele Wirtschaftszweige wie das verarbeitende Gewerbe und der Finanzsektor. Der Trend zu Dienstleistungen kommt den großen Metropolen zugute. Medellín und Cali sind nach Bogotá die größten Städte des Landes. Sie fungieren als Wirtschaftshubs im Zentrum und Westen des Landes. Barranquilla und Cartagena an der Karibikküste sind Logistikzentren. Durch die geplante Schiffbarmachung des Rio Magdalena und die Instandsetzung des Canal del Dique könnte die Bedeutung dieser beiden Städte bald noch wachsen. 

Die Bundesstaaten Casanare und Meta im Osten verfügen über große Vorkommen an fossilen Energieträgern. Aufgrund der sinkenden Ölproduktion und der Politik der Regierung dürften die beiden genannten Regionen zukünftig an Bedeutung verlieren. La Guajira im Nordosten Kolumbiens ist wichtig für den Steinkohlebergbau und erneuerbare Energien. Hier lebt ein Großteil der indigenen Bevölkerung des Landes. Bei Projekten kommt es immer wieder zu sozialen Konflikten mit Unternehmen.

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