Wirtschaftsumfeld | Kolumbien | Wirtschaftsstruktur
Fossile Energie verliert in der Wirtschaftsstruktur an Bedeutung
Kolumbiens Wirtschaftsstruktur modernisiert sich allmählich. Treiber sind die großen Städte. Politische Eingriffe verunsichern die Unternehmen.
28.11.2023
Von Janosch Siepen | Bogotá
Kolumbien gewinnt in der Region durch die globale Nachfrage nach grüner Energie und dem Auslagern von Unternehmensdienstleistungen an Bedeutung. Die Wirtschaftsstruktur des Landes verändert sich. Kolumbien strebt Unabhängigkeit von fossiler Energie und Klimaneutralität bis 2050 an. Der Bergbau verliert an Bedeutung, stattdessen sollen erneuerbare Energien in Zukunft eine treibende Kraft der kolumbianischen Wirtschaft sein. Neben der Landwirtschaft ist der Dienstleistungssektor zunehmend wichtiger geworden.
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Deutsche Unternehmen schätzen die Standortvorteile
Deutsche Firmen sehen Kolumbien als Land mit stabilen institutionellen Rahmenbedingungen und relativ gutem Fachkräftepotenzial. Schwächen sind aus Sicht der Unternehmen strukturelle Korruption, Bürokratie und nicht-tarifäre Handelshemmnisse. Langfristig ist das Land aufgrund diverser Standortvorteile und Zukunftsbranchen für deutsche Unternehmen vielversprechend. Ein Freihandelsabkommen mit der EU erleichtert den Warenaustausch. Bereits heute haben zahlreiche Firmen aus Deutschland ihren Sitz in dem Andenstaat und bearbeiten von dort den regionalen Markt.
Gerade als Exporteur von grünem Wasserstoff nach Deutschland kann Kolumbien in den nächsten Jahrzehnten wichtig werden. Die Voraussetzungen dafür sind im Land hervorragend. Besuche hochrangiger deutscher Vertreter aus Politik und Wirtschaft nehmen daher zu. Kolumbien wird in Zukunft als strategischer Beschaffungsmarkt für Deutschland an Bedeutung gewinnen.
Geschäftsklima könnte sich verschlechtern
Das große Modernisierungspotenzial des Landes bietet zwar zahlreiche Absatzchancen für deutsche Produkte. Der Kurs des amtierenden linksgerichteten Präsidenten Gustavo Petro stellt jedoch ein Risiko dar. Im Geschäftsklima-Ranking 2023 bis 2027 des britischen Informationsdienstleisters Economist Intelligence Unit (EIU) belegt Kolumbien den 6. Platz unter zwölf untersuchten Ländern in Lateinamerika. Die EIU prognostiziert, dass das Land im weltweiten Vergleich in den kommenden Jahren Ränge einbüßen wird. Gründe hierfür sind wachsende Steuerabgaben und wirtschaftspolitische Eingriffe der Regierung.
Im AHK World Business Outlook vom Frühjahr 2023 äußerten die befragten Mitgliedsunternehmen der Deutsch-Kolumbianischen Industrie- und Handelskammer (AHK Kolumbien) deutlich schlechtere Konjunkturerwartungen und geringere Investitionsabsichten als die befragten Firmen im regionalen Durchschnitt. Als Geschäftsrisiken werden neben dem Wechselkurs die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen genannt.
Miguel Villanueva, Vertriebsleiter des deutschen Werkzeugmaschinenherstellers Trumpf in Kolumbien, ist Ende 2023 optimistischer. Bei den Regionalwahlen im Oktober 2023 war die Regierungspartei als Verlierer hervorgegangen. Das habe bei den Unternehmen für neue Zuversicht gesorgt. "Deswegen sehen die Wirtschaftsaussichten für die Industrie im Jahr 2024 positiver aus."
Moderne Wirtschaftszweige werden wichtiger
Die Landwirtschaft und der Dienstleistungssektor haben in den vergangenen Jahren an Relevanz gewonnen. Kolumbien hat sich zu einem bedeutenden Standort für das Outsourcing von Unternehmensdienstleistungen entwickelt, vor allem im IT-Bereich. Mittlerweile verfügt das Land nach Brasilien, Mexiko und Costa Rica über den viertgrößten Sektor für Business Process Outsourcing (BPO) in Lateinamerika. Der Trend zu moderneren Wirtschaftszweigen eröffnet deutschen Unternehmen neue Geschäftsfelder. Das deutsche Medizintechnikunternehmen B.Braun betreibt bereits ein Servicecenter in Bogotá. Zudem hat Kolumbien eine dynamische Start-up-Szene mit einigen Unicorns. Im lateinamerikanischen Vergleich ist das Land nach Brasilien und Mexiko der drittgrößte Fintech-Markt.
Gleichzeitig sinkt der Anteil des verarbeitenden Gewerbes und des Bergbaus am Bruttoinlandsprodukt (BIP) und ist deutlich geringer als noch vor zehn Jahren. Schwankende Ölpreise und eine stagnierende Produktion haben die Bedeutung des Sektors für die kolumbianische Wirtschaft sinken lassen. Zwar bleibt Erdöl das mit Abstand wichtigste Exportgut Kolumbiens. Doch der Sektor steht vor unsicheren Zeiten, da die Regierung unter Gustavo Petro angekündigt hat, keine neuen Explorations- und Förderlizenzen für fossile Energieträger zu vergeben. Zudem hat eine Steuerreform Ende 2022 die Abgaben für den Sektor merklich erhöht. Im Bergbau hingegen werden Kupfer und Gold wichtiger. Gründe dafür sind die Energiewende und Investitionen aus China.
Sektoren | Anteil am BIP 2022 1) | Anteil an den Beschäftigten 2022 |
---|---|---|
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 8,3 | 14,6 |
Bergbau (inklusive Öl- und Gasförderung) | 7,5 | k.A. |
Verarbeitendes Gewerbe | 11,5 | 10,6 |
Energieversorgung (inklusive Wasserversorgung) | 3,7 | 2,7 2) |
Baugewerbe | 4,1 | 7,0 |
Dienstleistungen | 54,8 | 65,0 |
Drei größte Metropolen bündeln Wirtschaftskraft
Ein Viertel der kolumbianischen Wirtschaftsleistung entfällt auf die Hauptstadtregion Bogotá. Hier konzentrieren sich viele Wirtschaftszweige wie das verarbeitende Gewerbe und der Finanzsektor. Der Trend zu Dienstleistungen kommt den großen Metropolen zugute. Medellín und Cali sind nach Bogotá die größten Städte des Landes. Sie fungieren als Wirtschaftshubs im Zentrum und Westen des Landes. Barranquilla und Cartagena an der Karibikküste sind Logistikzentren. Durch die geplante Schiffbarmachung des Rio Magdalena und die Instandsetzung des Canal del Dique könnte die Bedeutung dieser beiden Städte bald noch wachsen.
Die Bundesstaaten Casanare und Meta im Osten verfügen über große Vorkommen an fossilen Energieträgern. Aufgrund der sinkenden Ölproduktion und der Politik der Regierung dürften die beiden genannten Regionen zukünftig an Bedeutung verlieren. La Guajira im Nordosten Kolumbiens ist wichtig für den Steinkohlebergbau und erneuerbare Energien. Hier lebt ein Großteil der indigenen Bevölkerung des Landes. Bei Projekten kommt es immer wieder zu sozialen Konflikten mit Unternehmen.