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Branchen | Lateinamerika

Der neue Blick auf Lateinamerika

Lange vernachlässigt steht Lateinamerika heute wieder stärker im Fokus Deutschlands. Rohstoffreichtum und günstige grüne Energie locken. Doch noch weitere Branchen bieten Chancen.

Lateinamerika gilt als Kontinent der Zukunft. Ausschöpfen konnte die Region ihr Potenzial bislang aber nicht. Nun bieten sich neue Chancen: Mit der Energiewende steigt die Nachfrage nach Rohstoffen, günstige grüne Energie bietet gute Voraussetzungen für die Wasserstoffwirtschaft. Auch die zunehmenden geopolitischen Spannungen rücken die Region in den Fokus als Wertepartner und sicherer Hafen.

Deutschland und Lateinamerika verbindet eine lange Geschichte. Autobauer, Kfz-Teilehersteller und Bleistiftfabrikanten fertigen seit Jahrzehnten vor Ort. In vielen Branchen sind deutsche Unternehmen wichtige Lieferanten. Doch Deutschland und Europa verlieren in der Region zunehmend an Gewicht. China ist dagegen in kurzer Zeit zum wichtigsten Handelspartner der meisten lateinamerikanischen Länder aufgestiegen.

Wie ist die Lage in den wichtigsten Branchen Lateinamerikas? Und wo gibt es Chancen für deutsche Unternehmen? Antworten bietet die vorliegende Textsammlung.

  • Rohstoffe: Lateinamerika wartet nicht auf Europa

    Die Hoffnungen in Deutschland und Europa auf die Bodenschätze des Subkontinents sind groß. Doch nach wie vor fehlt es an konkreten Vorhaben. Andere Länder zeigen, wie es geht.

    Lateinamerika zählt zu den wichtigsten Bergbauregionen der Welt. Bei vielen Vorkommen liegt der Subkontinent auf den vorderen Rängen. Das gilt besonders für Kupfer, Silber und Lithium. Interessant sind aber auch die Vorkommen an Blei, Eisen, Gold, Graphit, Molybdän, Zink und Zinn.

    Steigen könnte die Bedeutung der Region künftig bei der Förderung weiterer als kritisch eingestufter Elemente wie Indium, Germanium oder Tellur sowie seltener Erden. Deren Vorkommen sind vielfach noch nicht ausreichend erforscht - ein Thema, mit dem sich unter anderem die Asociación de Servicios de Geología y Minería Ibanoamericanos (ASGMI) befasst.

    Sekundärbergbau mit viel Potenzial

    Noch viel weniger erforscht sind die unzähligen Abraumhalden auf dem Kontinent. Hier lagern ungehobene Schätze – und manche ökologische Zeitbombe. So arbeitet Peru mit Unterstützung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) daran, 47 Abraumhalden auf Umweltgefahren, aber auch nach ihrem Wiederaufbereitungspotenzial zu katalogisieren. 

    "Es kann durchaus einfacher und preiswerter sein, Wertstoffe aus Halden und Tailings zu gewinnen, als eine neue Mine zu eröffnen.  Zugleich tut man etwas Positives für die Umwelt, indem Halden verkleinert oder sogar Giftstoffe entfernt werden. Dies gilt speziell für Halden und Tailings, die in den 1950er- bis 1970er-Jahren entstanden sind, als die Abbaumethoden noch nicht so effizient waren wie heute." 

     

    Iris Wunderlich Leiterin des Kompetenzzentrums Bergbau an der AHK Chile

    In Chile etwa gebe es Tailings mit einem Gesamtvolumen von 11,4 Milliarden Tonnen, die verschiedenste Elemente wie Arsen, Zyanid, Kupfer, Zink, Chrom oder Blei enthielten, sagt Wunderlich. Und das sei noch nicht alles: Chile habe das Potenzial zum weltweit drittgrößten Kobaltproduzenten zu werden, denn allein aus den Abraumhalden ließen sich zwischen 15.000 und 25.000 Tonnen gewinnen. Das sei auch deshalb interessant, weil bisher rund drei Viertel der Weltproduktion aus dem politisch heiklen Kongo stammten.

    Lateinamerika lockt mit großer Projektpipeline 

    Zugleich befinden sich überall Großprojekte in der Pipeline. Allerdings sind im Bergbau die Vorlaufzeiten von der Exploration bis zum Produktionsstart erheblich.

    "Nicht allein, weil die Nachfrage steigt, wird der Rohstoff abgebaut – so läuft es im Bergbau nicht. Bestehende Minen können ihre Produktion nur begrenzt steigern und die Entwicklung neuer Projekte kann unter Umständen 10 bis 20 Jahre dauern."

    Achim Constantin Experte für nachhaltigen Bergbau in Lateinamerika, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)

    Das gilt jedoch nicht für alle Abbauformen. So heizt der rekordhohe Goldpreis den illegalen Bergbau in Peru, Ecuador, Kolumbien oder Brasilien an, auch weil sich die informellen Mineros nicht um Genehmigungsverfahren scheren. Umgekehrt leiden viele Segmente unter der schwächelnden Nachfrage, vor allem aus China, und den damit einhergehenden niedrigen Preisen bei zugleich gestiegenen Zinsen. In Ländern wie Ecuador oder Argentinien haben die politischen und sozialen Unwägbarkeiten zugenommen. All dies lässt die Firmen zum Teil vorsichtiger agieren.

    Bedingungen im Bergbau sind von Land zu Land unterschiedlich

    • Länder wie Chile, Brasilien oder Mexiko verfügen über eine lange Bergbautradition, große Minen und erfahrene Fachleute in den Behörden; dagegen stehen Staaten wie Ecuador oder Panama noch am Anfang.
    • In Lateinamerika sind viele internationale Bergbaukonzerne tätig, die oft nach eigenen Standards arbeiten; ihnen stehen mittelgroße, meist nationale Unternehmen gegenüber sowie häufig ein großer informeller/illegaler und damit völlig unkontrollierter Bergbau, wie etwa in Peru oder Ecuador.
    • Die Investitionsvolumina und ökologischen Konsequenzen des Bergbaus variieren stark, je nach Rohstoff und Art der Vorkommen (Tage-/Untertagebau, Erze in Gestein/Sole in Salaren, Freisetzung giftiger Metalle beim Abbau).

     

    Mehr Sorgfaltspflichten

    Soziale und Umweltaspekte gewinnen im Rohstoffsektor immer mehr an Gewicht – von Seiten der Öffentlichkeit, des Staates, der lokalen Bevölkerung sowie der Unternehmen und ihrer Shareholder. Besonders für nicht traditionelle Bergbauländer ist das eine enorme Herausforderung. Druck kommt auch von den Kunden. Sie fordern zunehmend Zertifizierungen wie IRMA oder Copper Markum sich wiederum gegenüber den eigenen Kunden und der Öffentlichkeit abzusichern.

    Verstärkt wird dieser Trend durch das deutsche beziehungsweise europäische Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Beide verpflichten Unternehmen, die Einhaltung sozialer und Umweltstandards ihrer Lieferanten sicherzustellen. Umgekehrt bereiten sich jetzt viele Bergbaukonzerne mit Zertifizierungen darauf vor. 

    Ein Zukunftsthema ist der verantwortungsvolle Umgang mit Minenschließungen. Vorreiter ist Chile. Die Bergbaubehörde Sernageomin ist dabei, die Folgen des Klimawandels auf Minenschließungen zu untersuchen. Große Bergbaufirmen extrapolieren bereits die Zunahme von Extremwetterlagen wie Starkregen auf die kommenden Jahrhunderte, um ihre Operationsrisiken zu minimieren. 

    "Grundsätzlich ist die Erhöhung der Standards positiv. Zum Beispiel mussten viele Bergbaubetriebe ihre Beschwerdemechanismen verbessern und für lokale Gemeinden zugänglicher gestalten, um eine gute Benotung von IRMA oder Copper Mark zu bekommen. Allerdings müssen wir dafür sorgen, dass auch kleinere und mittlere Bergbauunternehmen, die oft finanziell schlechter aufgestellt sind, dabei unterstützt werden, diese Standards zu übernehmen."

    Nicolas Maennling Experte für nachhaltigen Bergbau bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ)

    Automatisierung stellt Sektor vor neue Herausforderungen

    Automatisierung und Digitalisierung tragen dazu bei, die Produktivität zu steigern und die Risiken für die Beschäftigten zu verringern. Sie stellen die Betriebe aber auch vor neue Herausforderungen. "Natürlich ist es gut, wenn weniger Menschen in ungesicherten Gruben schuften müssen. Doch die in stark durchautomatisierten und -digitalisierten Minen geforderten 'Silicon-Valley-Qualifikationen' sind selbst bei Ausbildungsmaßnahmen vor Ort kaum zu erreichen. Letztlich erschwert dies die notwendige 'Social Licence to operate', an der immer mehr neue Projekte zu scheitern drohen", so ein Insider.

    Und dabei gehe es nicht nur um Jobs im Bergbau, denn die dort generierten Einkommen helfen auch der lokalen Gastronomie, dem Transportgewerbe und weiteren Sektoren. Viele Gemeinden akzeptierten den Bergbau vor ihrer Haustür nur, wenn er für sie Arbeitsplätze und Einkommen schaffe. Hier gelte es, eine Balance zu finden.

    Der "neue" Blick auf Lateinamerika

    Im Zuge zunehmender geopolitischer Spannungen und der Neuausrichtung von Lieferketten blicken die USA und Europa vermehrt auf Lateinamerika. Der Westen bemüht sich um neue Rohstofflieferanten, um Abhängigkeiten zu Ländern wie Russland und China zu verringern. Zwar ist auch Lateinamerika keine Insel der Seligen: Nicht wenige Länder leiden unter Korruption, schwachen staatlichen Institutionen oder organisiertem Verbrechen. Trotzdem schaffen viele immer wieder demokratisch legitimierte Machtübergänge oder stehen Europa wertemäßig näher als die genannten Autokratien.

    Vor diesem Hintergrund versucht die EU über die Global-Gateway-Initiative und den Abschluss von Rohstoffpartnerschaften, ihre Präsenz zu stärken. Mit Annahme der Verordnung zu kritischen Rohstoffen am 18. März 2024 wird der Druck weiter zunehmen, außerdem können die EU-Kommission und Mitgliedsstaaten Projekte als strategisch einstufen und fördern.

    Das größte Manko ist jedoch das Fehlen konkreter Projekte. Denn Europa ist nicht der einzige Interessent vor Ort. Der mit gewaltigem Abstand wichtigste Initiator für kommende Vorhaben ist Kanada. Auch China ist schon seit über einer Dekade dabei, sich gezielt Zugang zu Rohstoffen zu sichern – ohne sich in Fragen zu sozialen oder ökologischen Standards zu verlieren, auch wenn der chinesische Impetus etwas an Schwung verloren hat. Unter den 30 wichtigsten in Vorbereitung befindlichen Bergbauprojekten Lateinamerikas (ohne Lithium) kommt kein einziges aus der EU.

    Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

  • Kreislaufwirtschaft in Lateinamerika auf dem Vormarsch

    Lateinamerika hinkt beim Thema Kreislaufwirtschaft noch hinterher. Neue Strategien sollen Abhilfe schaffen. Doch strukturelle Hürden bestehen weiter. 

    Jeder Einwohner Lateinamerikas produziert täglich 1 Kilogramm Müll. Das ist 0,26 Kilogramm mehr als der weltweite Durchschnitt, so Zahlen der Weltbank von 2018. Neuere Angaben liegen nicht vor. Beim Recycling hinkt die Region noch hinterher. Nur 4,5 Prozent aller Abfälle werden wiederverwertet, deutlich weniger als der weltweite Durchschnitt von 13,5 Prozent, berichtet die Interamerikanische Entwicklungsbank.

    Zwei Drittel des Mülls landen auf regulären Mülldeponien. Der Rest wird meist auf offenen Müllhalden entsorgt oder verbrannt. Gleichzeitig stoßen die Deponien in vielen Ländern an ihre Kapazitätsgrenzen, während das Müllaufkommen weiter zunimmt. Der Handlungsdruck steigt – und das Interesse an Kreislaufwirtschaft wächst. Dies bietet Geschäftschancen für deutsche Unternehmen.

    Nationale Strategien setzen auf Kreislaufwirtschaft

    Mehrere Länder der Region haben in den vergangenen Jahren Gesetze zur Förderung der Kreislaufwirtschaft erlassen, darunter Chile, Kolumbien, Uruguay, Ecuador und Peru. In Mexiko-Stadt trat 2023 ein Kreislaufwirtschaftsgesetz in Kraft. Es soll Anreize für Unternehmen schaffen, Kreislaufmodelle einzuführen, beispielsweise durch ein freiwilliges Verfahren, bei dem kreislaufwirtschaftliche Kriterien bewertet und Siegel ausgestellt werden. In Brasilien hat der Senat im März 2024 dem Gesetzvorschlag PL 1.874/2022 zur Schaffung einer nationalen Kreislaufwirtschaftspolitik zugestimmt. Nun steht noch die Entscheidung der Abgeordnetenkammer aus..

    In Chile soll das Kreislaufwirtschaftsgesetz Ley REP dazu beitragen, die bislang sehr niedrigen Recyclingquoten zu steigern. Laut einer Zielmarktanalyse der AHK Chile ist gerade jetzt ein guter Zeitpunkt, sich zu positionieren und Netzwerke aufzubauen. Besonders gefragt seien technische Verfahren zur Herstellung von Mehrwertprodukten aus Abfällen – speziell auch aus Deutschland.

    In Kolumbien soll nach der Einführung einer nationalen Strategie für Kreislaufwirtschaft (ENEC) vor einigen Jahren nun das Programm "Basura Cero" aus dem nationalen Entwicklungsplan 2022-2026 die Müllverwertung fördern. Ein neues Modell für Abfallmanagement in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá sieht vor, dass ab 2026 ein Drittel weniger Müll auf der Deponie landet. Dabei sollen Anreize für Müllverwertung etabliert werden und es sind neue Müllsortieranlagen in Bogotás Peripherie vorgesehen. Esenttia, eine Tochter des Staatskonzerns Ecopetrol, arbeitet mit Partnerunternehmen am ersten Projekt für komplexes Chemierecycling in Lateinamerika, so Unternehmensaussagen. 

    Ausgewählte Projekte in Lateinamerikas Abfallwirtschaft
    Projektname

    Investitionssumme (in Mio. US$)

    StandProjektträger
    Ersatzbrennstoffanlage Mérida (Mexiko)

    163

    Geplanter Betrieb ab 2024Ciclo, Alengo, Spontem
    Abfallbehandlungszentrum Consimares (Brasilien)

    100

    Bauerlaubnis erteilt, Betrieb ab 2028Consórcio Intermunicipal do Lixo (Consimares)
    Zentrum für industrielle Abfallwirtschaft CIGRI (Chile)

    85

    UmweltstudienCiclo
    Energetische Abfallverwertungsanlage Araucanía (Chile)

    80

    Berufungsphase der UmweltprüfungWTE Araucanía
    Abfallaufbereitungsanlage Mazatlán (Mexiko)

    52

    FrühphaseStadtverwaltung Mazatlán
    Mülldeponie Los Ríos (Chile)

    22

    Im Bau, Betrieb ab 2024Stadtverwaltung Valdivia, Servimar
    Biogasanlage Xalapa (Mexiko)

    6

    FrühphaseStadtverwaltung Xalapa
    Umweltkomplex für Abfallmanagement Quito (Ecuador)

    k.A.

    Vormachbarkeitsphase, Betrieb ab 2027EMGIRS
    Energetische Abfallverwertungsanlage San Pedro de Macorís (Dominikanische Republik)

    k.A.

    FrühphaseStreamline Integrated Energy
    Quelle: BNamericas 2024

    Privatsektor spielt entscheidende Rolle – und eröffnet Chancen

    In Brasilien drängt die Zeit. Bis Anfang August 2024 müssen Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern alle nicht regulären Müllhalden schließen. Der entsprechende Plan des Umweltministeriums erfordert Investitionen von 5 Milliarden US-Dollar (US$). Dabei setzen die Städte und Gemeinden zunehmend auf öffentlich-private Partnerschaften und Betreibermodelle. Im 1. Quartal 2024 befanden sich 208 Vorhaben in der Pipeline, für die Investoren gesucht werden. Die steigende Nachfrage nach Deponiegas macht die Projekte immer attraktiver. Gleichzeitig investieren Brasiliens Zucker-Ethanol-Industrie, der Papier- und Zellstoffsektor sowie Großkonzerne des Agribusiness in effizientere Verfahren zur Reststoffverwertung und Bioenergiegewinnung

    Fokus auf PET

    Laut einer Studie der Investmentgesellschaft für Kreislaufwirtschaft Circulate Capital sucht Brasiliens Industriesektor nach Lösungen für sein Verpackungsmanagement. Es bestehe eine hohe Nachfrage nach recyceltem Polyethylenterephthalat (PET). Dies gilt auch für Mexiko. Wegen der steigenden Nachfrage nach wiederverwerteten Kunststoffen baut der Verpackungshersteller Envases seine Recyclinganlage in Zentralmexiko aus. Das Unternehmen PetStar möchte bis 2027 seine Anlagen erweitern und in neue Sammelstellen investieren.

    Deutsches Unternehmen baut erste Ersatzbrennstoffanlage Lateinamerikas

    Deutsche Unternehmen sind führend in der Branche. So baut die Firma Alengo im mexikanischen Mérida zusammen mit Partnerunternehmen eine Anlage zur Herstellung von Ersatzbrennstoffen (Refuse-derived fuel, RDF). Die Anlage wird die erste ihrer Art in Lateinamerika sein und soll Abfälle in Pellets umwandeln, ein Brennstoff, der bislang hauptsächlich in Europa verwendet wird. Latasa Reciclagem, Brasiliens größter Aluminiumrecycler, setzt auf Sortiersysteme des Kölner Unternehmens Steinert. Die Firma Eggersmann liefert Kompostumsetzer an Patrón in Mexiko. Die größten Sortieranlagen in Lateinamerika, unter anderem in Brasilien und Mexiko, setzen auf Sortiertechnologie von Stadler aus Baden-Württemberg.

    Viele Mülldeponien sind voll

    In vielen Ländern kommen die Deponien an ihr Kapazitätslimit – oder haben dieses schon überschritten. In Kolumbien hatte 2022 mehr als jede zehnte Deponie die vorgesehene Lebensdauer überschritten. Mehr als ein Viertel der Halden hat eine Restlaufzeit von weniger als drei Jahren.

    Im Umland der chilenischen Hauptstadt Santiago stehen in den nächsten Jahren zwei Großdeponien vor der Schließung. Mittelfristig wird in Chile Technologie zum Aus- oder Neubau von Deponien benötigt. Allerdings sind die Planungs- und Genehmigungsprozesse langwierig und die Umsetzung von Projekten kann an Gegenwind aus der Bevölkerung oder politischem Widerstand scheitern. 

    Was passiert mit den Siedlungsabfällen in der Region?Daten zu Siedlungsabfällen in Lateinamerika und der Karibik (Jahr: 2021)
    Indikator

    Menge in Millionen Tonnen

    Jährliches Aufkommen an Siedlungsabfällen

    230

    Gesammelte Siedlungsabfälle

    195

    Siedlungsabfälle auf regulären Deponien

    106

    Nicht gesammelte Siedlungsabfälle und Siedlungsabfälle auf irregulären Deponien

    94

    Siedlungsabfälle mit unbekanntem Ziel

    20

    Aufbereitete Siedlungsabfälle

    10

    Quelle: UNEP, IDB (HUB Waste and Circular Economy) 2024

    Strukturelle Hindernisse behindern Modernisierung

    Zwar sind Länder wie Chile und Kolumbien schon recht weit bei der Gesetzgebung zur Abfallverwertung und gelten lateinamerikaweit als führend. Doch wegen niedriger Deponierungskosten bleiben Anreize für nachhaltige Abfalltechnologien aus. In den meisten Ländern Lateinamerikas ist die Deponierung die billigste und einfachste Variante, sich des Mülls zu entledigen. Niedrige Tarife sorgen dafür, dass sich andere Behandlungsmethoden kaum rentieren.

    "Nachhaltigkeit in Lateinamerika ist ein heißes Thema"

    Rafaela Craizer, Technische Direktorin des Beratungsunternehmens BlackForest Solutions Rafaela Craizer, Technische Direktorin des Beratungsunternehmens BlackForest Solutions | © MATTHIAS KAUFFMANN

    Rafaela Craizer ist Technische Direktorin des Beratungsunternehmens BlackForest Solutions. Im Interview mit GTAI berichtet sie über Trends und Chancen in der Abfallwirtschaft in Lateinamerika.

    Frau Craizer, welche Trends beobachten Sie in der lateinamerikanischen Abfallwirtschaft?

    Aktuell erleben wir einen verstärkten Ausbau von Müllsortieranlagen in einigen Märkten Lateinamerikas, und der Sektor zieht erhebliche Investitionen an. Zugleich sind Regierungen zunehmend bereit, in Technologien zur Verwertung organischer Abfälle zu investieren. Nachhaltigkeit ist ein wichtiges und aktuelles Thema in Lateinamerika, auch wenn es bei der Implementierung noch Potenzial gibt. Beispielsweise wird im nächsten Jahr die UN-Klimakonferenz COP30 in Brasilien ausgerichtet. Zusätzlich gewinnen Fachmessen, wie die IFAT 2024 in São Paulo, an Bedeutung.

    Welche Geschäftschancen gibt es für deutsche Unternehmen?

    Deutsche Unternehmen haben gute Chancen von den positiven Entwicklungen zu profitieren, da sie einen guten Ruf genießen. Deutschland wird oft als Synonym für Kreislaufwirtschaft gesehen. Der Trend hin zu stärkeren Gesetzgebungen, beispielsweise zur erweiterten Herstellerverantwortung (EPR), sorgt dafür, dass künftig die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards und Producer Responsibility-Organisationen (PRO) an Bedeutung gewinnen. 

    Was sind Hürden?

    Ähnlich wie in vielen anderen Märkten stellt die Finanzierung eine erhebliche Herausforderung im Sektor dar. Beispielsweise zahlt nur ein gewisser Anteil der Bevölkerung Abfallgebühren, während die operativen Ausgaben und Ausbaubedarfe steigen. Dadurch ist das System unterfinanziert und viele Behörden können nicht in notwendige Technologien und Infrastrukturen investieren. 

    Was raten Sie deutschen Unternehmen, um im Sektor erfolgreich zu sein?

    Da der Preis häufig noch ein entscheidender Faktor in der Region ist, sollten deutsche Firmen bei Produktion und Dienstleistungen so viel wie möglich lokal herstellen beziehungsweise auf lokales Personal setzen. Dadurch können Firmen aus Deutschland im Markt wettbewerbsfähig bleiben. Da viele große Unternehmen bereits präsent sind, kommt es darauf an, innovativ und kreativ zu sein.

    Von Janosch Siepen | Bogotá

  • Medizintechnik: Lateinamerika bietet interessantes Potenzial

    Mit 670 Millionen Einwohnern ist Lateinamerika ein wichtiger, aber komplexer Abnehmer von Medizintechnik. Deutschland ist nach den USA und China der drittwichtigste Lieferant.

    Eine alternde Bevölkerung, die Zunahme chronischer Krankheiten und der Ausbau der öffentlichen Gesundheitsversorgung kurbeln die Nachfrage nach Medizintechnik in Lateinamerika an. Vor allem Zahnmedizin, plastische Chirurgie und E-Health werden nach Einschätzung von Experten weiter an Bedeutung gewinnen. Ein kleiner, aber fortschrittlicher privater Gesundheitssektor bietet gute Absatzmöglichkeiten für hochwertige Spezialprodukte. 

    Wichtigster Absatzmarkt ist Mexiko, gefolgt von Brasilien, Kolumbien und Chile. In Ländern wie Argentinien, Ecuador oder Venezuela wirken sich volatile Währungen und instabile politische Verhältnisse negativ auf das Geschäftsumfeld aus. Zugleich sorgen Modernisierungsbedarf und Nachhaltigkeitstrends für Impulse, so dass in der Region künftig neue Technologien wie chirurgische Robotik mehr Kunden finden könnten.

    "Aktuell sehen wir einen dynamischen Absatz in Lateinamerika im Gegensatz etwa zu Europa oder Asien. Brasilien ist unser wichtigster Markt in der Region, weil wir dort eine große Fabrik für Infusionslösungen sowie 400 Vertriebsmitarbeiter haben." 

    Carlos Jimenez Geschäftsführer von B. Braun Mexiko

    Mexiko baut seine Position als größter Markt aus

    In Mexiko stieg das Marktvolumen von Medizintechnik gerechnet in US-Dollar (US$) zuletzt schneller als erwartet. Hauptgrund hierfür ist die Aufwertung des mexikanischen Peso. Umgerechnet auf die rund 128 Millionen Einwohner fiel der Umsatz pro Kopf sogar höher aus als beim traditionellen Spitzenreiter Chile. Für Mexiko erwartet der Spezialist für Marktdaten und Industrieanalyse BMI in den kommenden Jahren das stärkste Wachstum unter den großen Ländern Lateinamerikas: Im Jahr 2027 soll in Mexiko Medizintechnik im Wert von 12,2 Milliarden US$ verkauft werden, fast 45 Prozent mehr als 2023.

    Unsicherheit birgt die Präsidentschaftswahl im Juni 2024. Auch Budgetkürzungen im öffentlichen Gesundheitssektor und langwierige Prozesse bei der Zulassungsbehörde für Medizinprodukte COFEPRIS bereiten Anbietern von Medizintechnik Schwierigkeiten. Dafür fragen private Kliniken kräftig nach, wobei ein Treiber der Gesundheitstourismus ist. Allein aus den USA kommen Schätzungen zufolge jährlich rund 1 Million Gesundheitsreisende ins Land.

    Unternehmen wie Medtronic, Becton Dickinson, Baxter, Fresenius, GE Healthcare, Johnson & Johnson und Siemens Healthineers produzieren in Mexiko. Das macht das Land zum größten Hersteller von Medizintechnik in Lateinamerika. Nach Angaben des mexikanischen Statistikamts lag das Produktionsvolumen 2021 bei 12,3 Milliarden US$. Rund 98 Prozent davon ist für Lieferungen in die USA bestimmt.

    Dank des Nearshoring dürften sich mittelfristig weitere Firmen in Mexiko ansiedeln. So investiert Becton Dickinson 80 Millionen US$ in ein drittes Werk in der Grenzstadt Ciudad Juarez, das Ende 2024 fertig sein soll. Neue Werke hat das Unternehmen auch in Hermosillo (Sonora) und Tijuana (Baja California) eröffnet.

    Nur geringes Wachstum in Brasilien erwartet

    Brasilien ist mit 216 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Lateinamerikas und der zweitgrößte Absatzmarkt für Medizintechnik in der Region. Auch wenn die Gesundheitsversorgung unter Präsident Lula da Silva wieder höhere Priorität hat, rechnet BMI bis 2027 nur mit niedrigen einstelligen Wachstumsraten. Den Markt bremsen eine weniger wettbewerbsfreundliche Wirtschaftspolitik und die weiterhin hohe Arbeitslosigkeit (7,6 Prozent Anfang 2024). Mit einem Anteil von einem Zehntel hat Deutschland einen vergleichsweise hohen Anteil an den Medizintechnikimporten Brasiliens.

    Laut BMI entfielen 2023 rund 1,7 Milliarden US$ des Bedarfs auf Verbrauchsmaterialien, 1 Milliarde US$ auf orthopädische Produkte und 0,9 Milliarden US$ auf Geräte zur diagnostischen Bildgebung. In der letztgenannten Kategorie kommt Siemens Healthineers auf einen Marktanteil von rund einem Drittel. Das Unternehmen stellt Röntgengeräte und Ultraschallgeräte unter anderem in Joinville (Bundesstaat Santa Catarina) her.

    Gesundheitsreform in Kolumbien gescheitert

    In Kolumbien soll das Marktvolumen für Medizintechnik in den kommenden Jahren auf 2 Milliarden US$ steigen. Damit ist das Land der drittgrößte Markt in Lateinamerika. Die über 50 Millionen Kolumbianer wurden verstärkt in das Gesundheitssystem integriert, so dass mittlerweile rund 95 Prozent der Bevölkerung krankenversichert sind. Die Gesundheitsinfrastruktur ist noch stark ausbaufähig. Vor allem in der Hauptstadt Bogotá investiert das Land in zahlreiche Krankenhäuser, insbesondere in den ärmeren Stadtteilen.

    Eine von Präsident Gustavo Petro angestrebte Gesundheitsreform wurde im April 2024 durch den Senat abgelehnt. Die Gesundheitsbranche zeigt sich darüber jedoch erleichtert, da die Reform nach Ansicht von Experten zu mehr Ineffizienz und Korruption geführt hätte. Ziel von Petro war es, die privaten Krankenkassen "Entidades Promotoras de Salud" (EPS) durch eine staatliche Gesundheitskasse abzulösen.

    Wirtschaftliche Turbulenzen in Argentinien

    Trotz der relativ kleinen Bevölkerung von nur 20 Millionen Einwohnern zählt Chile aufgrund der hohen Pro-Kopf-Ausgaben im Gesundheitsbereich zu den interessanteren Märkten. Das Land profitiert aktuell von hohen Kupferpreisen, die auch das Regierungsbudget stärken. Mittelfristig sind die Aussichten für die Verkäufe von Medizintechnik daher positiv. Gleichzeitig besteht ein kaum auflösbarer Reformstau, der auch das Gesundheitswesen betrifft. Zusammen mit der ausufernden Bürokratie unter der Regierung von Gabriel Boric verunsichert das die Wirtschaft und verhindert ein dynamischeres Wachstum.

    In Argentinien erschweren die dramatische Abwertung des argentinischen Peso und eine der höchsten Inflationsraten weltweit (Februar 2024: 276 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat) ausländischen Unternehmen das Geschäft. Zudem führt der neue Präsident Javier Milei drastische Sparmaßnahmen ein. BMI erwartet daher 2024 einen starken Einbruch der Medizintechnikverkäufe auf 542 Millionen US$. In den folgenden Jahren sollen sie wieder das Niveau von 2023 erreichen.

    Strategien deutscher Medizintechnikhersteller in der Region

    Firmen wie B. Braun, Siemens Healthineers, Fresenius oder Dräger sind seit Jahrzehnten in der Region aktiv, häufig mit eigener Produktion vor Ort. B. Braun weihte 2022 in der Dominikanischen Republik eine neue Produktionsstätte ein, deren Personal derzeit von 1.300 auf 2.500 Personen aufgestockt wird. Sie liegt in der Freihandelszone Zona Franca Las Américas und beliefert ausschließlich die USA. Der Standort biete ideale Bedingungen für die Produktion und den Export, so das Unternehmen. Auch in Kolumbien (chirurgisches Nahtmaterial) und Argentinien (Infusionslösungen) produziert B. Braun lokal. Mittelfristig erwägt das Unternehmen neue Produktionsstätten in Peru und in Mexiko.

    Fresenius Medical Care (FMC) hingegen verkaufte im März 2024 das Netz an Dialysekliniken in Brasilien, Kolumbien, Chile und Ecuador für 300 Millionen US$ an den US-Konkurrenten DaVita. Ziel der Transaktion sei es, "Komplexität zu verringern und Profitabilität zu erhöhen", so Helen Giza, Geschäftsführerin von FMC in einer Pressemitteilung. Insgesamt seien 154 Dialysekliniken mit 7.100 Mitarbeitern betroffen. Aus Argentinien hatte sich FMC bereits Ende 2023 verabschiedet, betreibt jedoch weiterhin Produktionswerke für Dialyselösungen in Bogotá (Kolumbien), Guadalajara (Mexiko) und im Bundesstaat São Paulo (Brasilien).

    Von Edwin Schuh | Mexiko-Stadt

  • Wasserwirtschaft in Lateinamerika auf Modernisierungskurs

    Lateinamerika hat enorme Wasserressourcen. Doch ineffiziente Nutzung und der Klimawandel sorgen für Probleme. Viele Länder investieren in deutsche Technologie.

    Lateinamerika beherbergt lediglich 8 Prozent der Weltbevölkerung, aber ein Drittel der weltweiten Süßwasserressourcen. Trotzdem machen Trockenheit, veraltete Infrastruktur und Wasserverschwendung der Region zu schaffen. Weil viele Länder ihre Wasserwirtschaft modernisieren, ergeben sich zahlreiche Chancen für deutsche Anbieter in der ganzen Breite des Sektors. 

    Trockenheit stellt Wasserversorgung in Lateinamerika vor Herausforderungen

    Amazonas und Atacama – Wasserreichtum und -knappheit liegen in Lateinamerika eng beieinander. Dabei stellen der Klimawandel, zunehmende Extremwetterereignisse und der steigende Wasserverbrauch viele Länder der Region vor große Herausforderungen. Hierzu zählt Chile: Rund drei Viertel des Landes sind von Dürre, Wüstenbildung oder Bodenverschlechterung betroffen. Doch geht immer noch viel Wasser durch Lecks in Wasserleitungen verloren.

    Auch viele Gebiete in Mexiko sind stark von Trockenheit und zunehmendem Wassermangel betroffen. In der Hauptstadt des Landes gingen die Menschen Ende Januar 2024 auf die Straße, um gegen die Trinkwasserknappheit zu protestieren. In den Wochen zuvor hatten die Behörden den Trinkwasserzufluss für Teile der Hauptstadt gedrosselt. In mehreren Stadtvierteln kommt seitdem spürbar weniger Wasser aus den Leitungen, zeitweise bleibt es auch ganz weg.

    Ihre Exportchancen in mehr als 20 Ländern

    Wir haben besonders aussichtsreiche Wassermärkte in Lateinamerika, Asien, Afrika und Europa unter die Lupe genommen. Alle Länderanalysen finden Sie auf unserer Seite zum Wassersektor.

    Angespannte Situation eröffnet Geschäftschancen

    Die zunehmende Wasserknappheit erfordert gewaltige Investitionen. Im Norden Mexikos entstehen neue Wasserleitungen und -speicher. Noch größer sind die Pläne in Chile: Über eine 3.000 Kilometer lange "Wasserautobahn" könnte künftig Wasser aus dem Süden in den Norden gepumpt werden. Doch noch sind die entsprechenden Pläne nicht über das "Ideenstadium" hinausgekommen.

    In Brasilien fließen Milliarden in die Trinkwasserversorgung und Abwasserbehandlung. Private Betreiber investieren verstärkt in Sensortechnik und innovative Lösungen, um Wasserverluste und -diebstahl zu reduzieren. Auch die Meerwasserentsalzung gewinnt an Bedeutung, allen voran in Chile und Peru, wo Projekte in den Startlöchern stehen. 

    Ausgewählte Projekte im lateinamerikanischen Wassersektor

    Land

    Projektname

    Investitionssumme in Mio. US$

    Projektstand

    Betreiber

    Mexiko

    Meerwasserentsalzungsanlage Mar de Cortés – Puerto Peñasco (1 Mio. m³/Tag)

    5.500

    Projekt ist Teil des Sonora-Wasserplans 2023-2053

    Konsortium Pierson Capital – IDE Technologies

    Chile

    Meerwasserentsalzungsanlage Aguas Marítimas (700.000 m³/Tag)

    5.000

    Prüfung des Projekts ausgesetzt, Unternehmen arbeitet an erforderlichen Unterlagen

    Cramsa Infraestructura

    BrasilienPernambuco Saneamento (Wasserversorgung für 9,7 Mio. Menschen im Bundesstaat Pernambuco)

    4.800

    Konzession/PPP *) wird im 4. Quartal 2024 versteigert

    Vergabe erfolgt im 4. Quartal 2024

    Panama

    Wassermanagementsystem für den Panamakanal

    2.000

    Entwurf der Vorstudien wird überarbeitet

    Autoridad del Canal de Panamá

    Brasilien

    Sanierung des Tietê-Flusses (3. Phase)

    2.000

    Voller Betrieb ab 2027

    Sabesp

    Kolumbien

    Klärwerk Canoas

    1.519

    Vorqualifikation bis Mai 2024, technische und finanzielle Restrukturierung

    EAAB-ESP

    Argentinien

    Unterirdische Wasserleitung von dem Klärwerk Juan Manuel de Rosas in die Metropolregion Buenos Aires

    1.200

    Frühkonzipierung, Finanzierung unklar

    Secretaría de Infraestructura y Política Hídrica / AySA

    Chile

    Meerwasserentsalzungsanlage Aconcagua (1.000 l/s)

    1.000

    Finanzierung gesichert, Bau läuft, Betrieb ab 2025

    Aguas Pacífico / IDE Technologies

    Mexiko

    Wasserreservoir El Zapotillo

    979

    Testphase des Pumpsystems hat begonnen, Betrieb ab 2024

    Organismo de Cuenca Lerma-Santiago-Pacífico (CONAGUA) / Fonadin

    Peru

    Bewässerungssystem Chavimochic (3. Phase, 47.000 ha)

    750

    Vertrag mit kanadischer Regierung für technische Beratung, Baubeginn Ende 2024, Betrieb ab 2026

    Midagri / Gobierno Regional de la Libertad / Chavimochic (Odebrecht, CNO, Aenza)

    * Public Private PartnershipQuelle: BNamericas 2024; Recherchen von Germany Trade & Invest

    Eine große Herausforderung ist die Trinkwasserversorgung auf dem Land. Hier sind dezentrale Lösungen gefragt. Kolumbien setzt auf Wasseraufbereitungsmodule. Ende 2023 weihte das kolumbianische Wohnungsministerium im Rahmen eines Notfallplans im dünn besiedelten Bundesstaat La Guajira die erste von 100 geplanten Anlagen ein. Abseits davon installierte das Kölner Unternehmen mft in La Guajira Minikläranlagen und Boreal Light aus Berlin lieferte drei Trinkwasseraufbereitungsanlagen.

    Chile modernisiert Kläranlagen, Kolumbien setzt verstärkt auf Technologie

    Der Stand der Abwasserreinigung in Lateinamerika ist sehr unterschiedlich. Während in Chile knapp 90 Prozent der häuslichen Abwässer aufbereitet werden, liegt der Anteil in Kolumbien bei weniger als einem Fünftel. Aufgrund des erreichten hohen Standards setzt Chile auf die Modernisierung bestehender Klärwerke anstatt auf neue Großprojekte. Hiervon profitieren auch deutsche Unternehmen. "Die Kunden in Chile achten genau auf Effizienz und Return-on-Investment. Deshalb findet sich für gute deutsche Wertarbeit immer noch eine Nische", sagt Max von Igel, Regionaldirektor für Lateinamerika und die Karibik bei Huber Technology in Bayern.

    In Kolumbien steigt der Absatz moderner, effizienter Lösungen. Bei neuen Anlagen setzen die Betreiber unter anderem auf deutsche Technik: große Abwasserpumpen der pfälzischen Firma KSB sowie vollautomatisierte Zentrifugen von Flottweg aus Vilsbiburg. Zwar fehlen in Kolumbien aktuell neue Großvorhaben des Staates, doch dürften deutsche Anbieter auch künftig gute Geschäfte machen. Auflagen für die Aufbereitung von Industriewasser, neue Qualitäts- und Effizienzstandards, hohe Energiekosten und ein Trend zu langlebigen Produkten sprechen für "made in Germany".

    Auch in Brasilien bieten sich wachsende Chancen. In den vergangenen Jahren hat Lateinamerikas größtes Land den Wassermarkt für private Betreiber geöffnet. Seitdem steigen die Investitionen zweistellig. Gut für Anbieter qualitativ hochwertiger Produkte: Die privaten Betreiber orientieren sich bei ihren Investitionsentscheidungen deutlich stärker an Effizienz sowie langfristigen Betriebs- und Wartungskosten. Im Jahr 2024 privatisiert der Bundesstaat São Paulo den weltweit größten Wasserversorger Sabesp. Weitere Konzerne sollen folgen.

    Wasserintensive Landwirtschaft soll effizienter werden

    Zunehmende Trockenheit trifft auch die Landwirtschaft, den größten Wasserverbraucher in den meisten Ländern Lateinamerikas. Auch hier fließen Investitionen in moderne Technik. Besonders fortschrittlich sind die großen Landwirte in Brasilien und Chile. Sie setzen auf Präzisionsbewässerung, die Nutzung von Luft- und Satellitenbildern und Monitoringsysteme.

    Auch die Regierungen sind tätig. So entstehen im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais neue Staudämme zur Bewässerung. Und die peruanische Regierung möchte mit dem Bewässerungssystem im Chancay-Tal die Wasserverluste in der Region verringern und neue landwirtschaftliche Flächen erschließen. In Kolumbien erleichtert das Programm "Incentivo a la capitalización rural" kapitalschwachen Kleinbauern die Finanzierung von Bewässerungsanlagen.

    Nachhaltige Wassernutzung spielt größere Rolle in der lateinamerikanischen Industrie

    Auch die Industrie in Lateinamerika steigert die Investitionen in moderne Wassertechnik, darunter das Recycling von Grauwasser. Dies gilt besonders für börsennotierte Unternehmen mit Nachhaltigkeitsstrategien. So nutzt das brasilianische Unternehmen Tramontina Regenwasser, während die Firma Eldorado auf die Wiederaufbereitung von verwendetem Wasser setzt. Eldorado ist in der Papier- und Zellstoffbranche tätig. Zusammen mit der Zucker-Ethanol-Industrie gehört diese zu den größten industriellen Wasserverbrauchern in Brasilien.

    Zudem setzen die Firmen vermehrt auf Meerwasserentsalzung, beispielsweise in Chiles durstigen Kupferminen. "2025 sollen 90 Prozent des Wassers, das in der chilenischen Bergbauindustrie genutzt wird, aus dem Meer kommen oder wiederverwendetes Wasser sein. Ein interessantes Szenario für die deutsche Industrie, die auf diesem Gebiet Technik und Know-how einbringen kann", sagt Iris Wunderlich, Leiterin des Kompetenzzentrums Bergbau an der AHK Chile.

    Von Janosch Siepen | Bogotá

  • Landwirtschaft: Lateinamerika bietet mehr als Kaffee und Bananen

    Lateinamerika spielt eine wichtige Rolle für die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung. Doch Klimawandel und andere Veränderungen machen den Landwirten zu schaffen.

    Lateinamerika produziert Lebensmittel für etwa 1,3 Milliarden Menschen – etwa das Doppelte seiner eigenen Bevölkerung, so die Welternährungsorganisation FAO. Zur Region zählen einige der global führenden Agrarexporteure, allen voran Brasilien sowie Argentinien, Mexiko, Chile, Ecuador, Peru und Kolumbien. Doch nicht überall ist der Agrarsektor stark. So können Venezuela und einige Karibikstaaten ihre Bevölkerung nicht selbst ernähren.

    In den vergangenen Jahrzehnten hat die Landwirtschaft in der Region leicht an Bedeutung verloren. Aber es gibt Ausnahmen, und in vielen Ländern des Subkontinents spielen die Landwirtschaft und nachgelagerte Wirtschaftszweige immer noch eine zentrale Rolle.

    Hoher Pestizideinsatz in Lateinamerika

    Doch die große Bedeutung und die Erfolge der Landwirtschaft haben ihren Preis. Gemäß FAO stieg der Pestizideinsatz in Lateinamerika und der Karibik von 2000 bis 2021 um 182 Prozent auf 1,27 Millionen Tonnen. Das ist deutlich mehr als der weltweite Anstieg von 62 Prozent auf 3,53 Millionen Tonnen.

    Brasilien ist sogar der weltgrößte Pestizidverbraucher mit fast 720.000 Tonnen, vor den USA (457.385 Tonnen). Tatsächlich nutzten brasilianische Landwirte 2021 satte 10,9 Kilogramm pro Hektar, viermal so viel wie Bauern in den Vereinigten Staaten. Auch bei chemischen Düngemitteln liegt Brasilien mit Rang 3 weit vorne.

    Bioinsumus versus Agrarchemie

    Doch zu viel Chemie schadet der Biodiversität, der Gesundheit und kostet Geld. Mit ihrem 2023 vorgestellten Konzept Bioinsumos will die FAO allen drei Aspekten Rechnung tragen. Eng damit verknüpft ist der Schutz der Böden. Laut FAO ist mittlerweile die Hälfte der Agrarflächen Lateinamerikas von Erosion und Bodenverschlechterung betroffen. Doch der Umstieg auf ökologische Methoden ist nicht einfach:

    "Das Problem ist der Einstieg. Die Umstellung ist ein Prozess, der Zeit braucht und in dem die Produktivität und die Einnahmen zunächst sinken. Doch auf lange Sicht bringt Bioinsumos Vorteile.  Allerdings haben die Länder sehr unterschiedliche Voraussetzungen. Im mediterran-trockenen Chile ist es beispielsweise einfacher, Pilzmittel zu reduzieren, während sich die Situation in feuchteren Ländern viel komplexer darstellt." 

    Claudio Cilveti Präsident des Rats der Lebensmittel- und Weinexporteure Chiles

    Auch sonst sind die Länder für nachhaltige Landwirtschaft höchst unterschiedlich aufgestellt. Laut FAO besitzt beispielsweise Argentinien rund 5 Prozent aller weltweit zertifizierten organisch genutzten Agrarflächen, Nummer 2 nach Australien. Mit Blick auf den Anteil zertifizierter Flächen an der Gesamtagrarfläche hat indessen Uruguay die Nase vorn (circa 19,5 Prozent, 2021). Andere Länder sind längst nicht so weit.

    Was ist Bioinsumus?

    Mit Bioinsumus will die FAO den Übergang zu nachhaltigen Agrar- und Ernährungssystemen erreichen. Eingesetzt werden sogenannte Bioinputs pflanzlicher, tierischer oder mikrobieller Art. Bioinputs können sein:

    1. Biodüngemittel
    2. Biostimulantien wie Mikroorganismen oder organische Substanzen, die die Nährstoffaufnahme der Pflanzen erhöhen.
    3. Organische Düngemittel
    4. Biologische Schädlingskontrolle
    5. Bodenverbesserung via Entgiftung durch Mikroorganismen/Pflanzen/Biomoleküle oder Steigerung der Bodenqualität durch Biotransformatoren, die die Zersetzung der organischen Reststoffe beschleunigen.

    Klimawandel senkt Erträge und erhöht Ausfallrisiken

    Während Bioinsumos für die meisten Bauern noch ein Fremdwort ist, selbst wenn sie einzelne Segmente bereits praktizieren, erleben so gut wie alle den sich vollziehenden Klimawandel hautnah mit. Besonders gefährdet sind die tropischen und subtropischen Anbaugebiete, aber nicht nur diese – und nicht erst in Zukunft.

    Chile beispielweise leidet bereits seit 2006 in einigen Landesteilen unter ausbleibenden Regenfällen, die von manchen Experten angesichts des Klimawandels schon als Dauerzustand interpretiert werden. Die Situation hat sich zwar mit dem Wechsel von "La Niña" zu "El Niño" verbessert. Doch stattdessen klagen die Landwirte regional über Stürme und Überschwemmungen. Grundsätzlich ist künftig mit extremeren Wetterlagen zu rechnen.

    Technologische Lösungen zum effizienteren Ressourceneinsatz

    Zwar stellt eine Verlagerung der Anbauflächen in bestimmten Fällen eine Option dar (in Argentinien träumt mancher schon von Wein aus Patagonien), doch vor allem gefragt sind an die neuen Bedingungen angepasste Pflanzensorten und Technologien. 

    Gebraucht werden Technologien, Maschinen und Geräte, um die vorhandenen Ressourcen besser zu nutzen – seien es Wasser, Düngemittel oder Herbizide. Nach Aussagen von Branchenfirmen lassen sich schon mit einfachen Mitteln in der Bewässerung große Effizienzsteigerungen erzielen. Eher für größere Agrarbetriebe eignen sich Hightech-Systeme wie digitales Monitoring oder der Einsatz von Luft- und Satellitenbildern. 

    Der Druck zu stärkerer Mechanisierung und Automatisierung kommt noch von anderer Seite: Aufgrund der niedrigeren Bevölkerungszuwächse und weil viele Menschen in die Städte ziehen, muss das verfügbare Land von weniger Händen bestellt werden. Abhilfe böten, so Claudio Cilveti, bessere Ausbildung und höhere Löhne vor Ort. 

    Mehr Export versus Umweltschutz

    Vor dem Hintergrund einer wachsenden Nachfrage bei steigender Weltbevölkerung baut Lateinamerika seine Position als Agrarexporteur weiter aus, wenn auch mit unterschiedlicher Zielrichtung. Während sich zum Beispiel Mexikos Export überwiegend auf die USA konzentriert, gehen Sojabohnen aus Brasilien und Argentinien vorrangig nach China. Für Kaffee sind die USA und Europa die Hauptdestinationen.

    Darüber hinaus steigt mit den Einkommen der Weltkonsum von Obst, Fleisch und Milchprodukten, und damit auch die Nachfrage nach Futtermitteln wie Soja. Allerdings steht gerade die oft damit verbundene Flächenausweitung – etwa zu Lasten des Amazonaswaldes oder von Feuchtsavannen – in Konkurrenz zur Notwendigkeit seines Erhalts zum Klima- und Biodiversitätsschutz. 

    "Schulungen und Aufklärung – nicht nur der Landwirte selbst, sondern auch in der Politik, die die Regularien formuliert, – sind unabdingbar. Der Gesetzgeber muss die Innovationen kennen, die auf dem Land umgesetzt werden, um die Biodiversität zu schützen, zum Beispiel die Schaffung von regelmäßigen "Öko-Korridoren" zwischen den Äckern."

    Alan Peter Lüer Barbieri Sustainability & Commercial Support, Bayer Chile

    EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten

    Große Durchgriffswirkung wird den Anforderungen von internationaler Kundenseite zugetraut. Zu einem Meilenstein könnte die EU-Verordnung 2023/1115 für entwaldungsfreie Lieferketten werden. Ab dem 1. Januar 2025 müssen europäische Importeure von Holz, Palmöl, Soja, Kaffee, Kakao, Kautschuk und Rindern nachweisen, dass diese nicht auf nach 2020 entwaldeten Flächen stammen. 

    Betroffen sind die großen Exporteure der genannten Produkte wie Brasilien, Uruguay, Argentinien sowie Mexiko und Paraguay. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass die EU die Verordnung in Zukunft um andere Produktgruppen erweitert.

    Zertifizierungen werden immer wichtiger

    Nicht nur aus ökologischer Sicht, sondern auch als Qualitätsmerkmal gewinnt die Nachverfolgbarkeit von Produkten etwa im Sinne der Herkunftsbezeichnung und Markenbildung an Gewicht. Insgesamt jedoch stellt die wachsende Zahl an Zertifizierungserfordernissen, die oft von Land zu Land variieren, die Exporteure vor Ort vor Herausforderungen. Gerade für kleine Bauern sind sie kaum zu überblicken. 

    Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

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