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Branchen | Lateinamerika

Der neue Blick auf Lateinamerika

Lange vernachlässigt steht Lateinamerika heute wieder stärker im Fokus Deutschlands. Rohstoffreichtum und günstige grüne Energie locken. Doch noch weitere Branchen bieten Chancen.

Lateinamerika gilt als Kontinent der Zukunft. Ausschöpfen konnte die Region ihr Potenzial bislang aber nicht. Nun bieten sich neue Chancen: Mit der Energiewende steigt die Nachfrage nach Rohstoffen, günstige grüne Energie bietet gute Voraussetzungen für die Wasserstoffwirtschaft. Auch die zunehmenden geopolitischen Spannungen rücken die Region in den Fokus als Wertepartner und sicherer Hafen.

Deutschland und Lateinamerika verbindet eine lange Geschichte. Autobauer, Kfz-Teilehersteller und Bleistiftfabrikanten fertigen seit Jahrzehnten vor Ort. In vielen Branchen sind deutsche Unternehmen wichtige Lieferanten. Doch Deutschland und Europa verlieren in der Region zunehmend an Gewicht. China ist dagegen in kurzer Zeit zum wichtigsten Handelspartner der meisten lateinamerikanischen Länder aufgestiegen.

Wie ist die Lage in den wichtigsten Branchen Lateinamerikas? Und wo gibt es Chancen für deutsche Unternehmen? Antworten bietet die vorliegende Textsammlung.

  • Wirtschaftswachstum in Lateinamerika legt 2025 einen Zahn zu

    Die Chancen für Lateinamerika stehen gut. Denn das weltweite Interesse an der Region wächst, nicht nur als Lieferant von Energie, Nahrungsmitteln und Rohstoffen. (Stand: 13.09.2024)

    Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank haben im Sommer 2024 ihre Wachstumserwartungen für die Region zwar leicht auf 1,9 Prozent gesenkt. Geringere Investitionen, hohe Zinsen und Haushaltsdefizite bremsen die Dynamik. Negativ wirken sich auch die gesunkenen Rohstoffpreise aus. Hinzu kommen die unsicheren Aussichten wichtiger Handelspartner wie den USA, China und Europa. Für 2025 gehen IWF und Weltbank aber wieder von einem Zuwachs des regionalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 2,7 Prozent aus.

    Positiv für Lateinamerikas Konjunktur ist, dass die Inflation in fast allen Ländern zurückgeht. Dadurch werden die Zinsen in den meisten Staaten sinken und die Investitionen tendenziell steigen. 

    Erschließung kritischer Rohstoffe gewinnt an Dynamik

    Die Erschließung kritischer Mineralien und große Infrastrukturprojekte gehören zu den Wachstumstreibern. So verfügt die Region über die Hälfte der weltweiten Lithiumreserven. Investitionen in diesen Sektor halten an, vor allem in Argentinien, das neben Chile und Bolivien zum sogenannten Lithiumdreieck gehört. Im Gegensatz zu Chile sind die Umweltauflagen in Argentinien weniger streng und im Vergleich zu Bolivien ist das Land deutlich offener für ausländische Investoren.

    Trotz Rekordinvestitionen: Mexikos Wirtschaft wächst weniger stark

    Ein weiterer Treiber ist der Nearshoring-Trend, von dem Mexiko aufgrund seiner Nähe zum US-Markt und dem Handelsabkommen USMCA besonders profitiert. Viele internationale Unternehmen expandieren oder siedeln sich neu am Standort Mexiko an. Im Jahr 2023 erreichten die ausländischen Direktinvestitionen mit 36 Milliarden US-Dollar (US$) einen Rekordwert. Deutsche Unternehmen investieren vor allem in der Automobilindustrie. Der Nearshoring-Trend spiegelt sich auch in der Außenhandelsstatistik wider: Mexiko ist 2023 zum wichtigsten Handelspartner der USA aufgestiegen, vor Kanada und China.

    Die Ungewissheit über den politischen Kurs von Claudia Sheinbaum, die im Oktober 2024 ihr Amt als Präsidentin Mexikos antritt, könnte jedoch einige Investoren vorerst zögern lassen. Da auch die Nachfrage moderater verläuft, erwartet der IWF 2025 nur ein Wachstum des BIP von 1,6 Prozent.

    Brasiliens Wirtschaft wächst erneut stärker als erwartet

    Im fünften Jahr in Folge überrascht Brasilien 2024 mit einem Wachstum, das deutlich über den Prognosen vom Jahresanfang liegt, auch wenn der IWF diese im Sommer aufgrund der Flutschäden leicht auf 2,1 Prozent nach unten revidiert hat. Die positive Entwicklung fußt mit auf den Wirtschaftsreformen der Vorgängerregierungen und auf Privatisierungen, die den Infrastrukturausbau ermöglichen. Im Jahr 2025 könnte sich das Wachstum auf 2,4 Prozent beschleunigen.

    Zinssenkungen und Förderprogramme regen Investitionen an. Für Impulse bei den Bauinvestitionen sorgt das neue Wachstumsprogramm PAC, in dessen Rahmen bis 2026 etwa 250 Milliarden US$ in Infrastrukturprojekte fließen sollen.

    Zudem will sich Brasilien zu einem wichtigen Beschaffungsmarkt für CO2-arme Produkte wie grünen Stahl etablieren. Das Potenzial dafür ist vorhanden: In keinem anderen G20-Land ist Ökostrom so günstig wie in der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas.

    In Chile und Kolumbien kommt die Wirtschaft wieder mehr in Fahrt 

    Die chilenische Wirtschaft gewinnt 2024 an Fahrt. Laut IWF wird das BIP zwischen 2024 und 2028 im Schnitt jährlich um 2,3 Prozent steigen. Um zu den Industrieländern aufzuschließen, müsste es aber deutlich stärker wachsen. Positive Impulse für die Konjunktur kommen vor allem aus dem Bergbau. Die Branche erwartet sprudelnde Einnahmen durch steigende Preise für Kupfer, Chiles wichtigstem Exportgut. Doch leiden die Unternehmen unter langwierigen und unberechenbaren Genehmigungsverfahren.

    Auch die Aussichten für Kolumbiens Wirtschaft hellen sich auf. Nach einem schwachen Wachstum von 1,1 Prozent im Jahr 2024 erwartet der IWF 2025 ein Plus von 2,5 Prozent. Investitionen und Konsum dürften davon profitieren, dass Inflation sowie Zinsen sinken und die Exportnachfrage sich positiv entwickelt. Das Land setzt bei Projekten auf Infrastruktur und grünen Wasserstoff.

    Perus Wirtschaft erholt sich 2024, Argentiniens erst 2025

    Nach einer leichten Rezession geht es in Peru wieder aufwärts. Der IWF rechnet 2024 und 2025 mit einen Anstieg des BIP von 2,5 beziehungsweise 2,7 Prozent. Die nachlassende Inflation und sinkende Zinsen stärken die Wirtschaft, politische Skandale und anhaltende Unsicherheit belasten jedoch das Geschäftsklima.

    Wichtige Infrastruktur- und Logistikprojekte nähern sich dem Ende. Im November soll der 3,6 Milliarden US$ teure Megahafen Chancay in Betrieb gehen. Mehrheitlich im Besitz des Staatsunternehmens Cosco Shipping, wird es der erste von China kontrollierte Hafen in Südamerika sein.

    Auch in Argentinien dürfte es 2025 nach einer tiefen Rezession wieder aufwärts gehen. Dabei helfen sollen Auslandsinvestitionen, die Präsident Javier Milei mit dem geplanten Incentive-Gesetz für Großprojekte (RIGI) ins Land holen will. Allerdings dürften viele Investoren abwarten, bis sich das Land deutlich stabilisiert hat. Jedoch verzeichnet der Lithiumsektor schon jetzt – wie eingangs beschrieben – ein reges Interesse ausländischer Unternehmen.

    Hat Deutschland in Lateinamerika den Anschluss verpasst?

    Lange vernachlässigt steht Lateinamerika heute wieder stärker im Fokus Deutschlands. Aus deutscher Sicht bieten sich nach wie vor große Chancen – etwa über Engagements im Rohstoffsektor, im Bereich erneuerbare Energie oder beim grünen Wasserstoff. Auch traditionelle Branchen bieten Potenzial. So ist der Kfz-Sektor die mit Abstand wichtigste Branche für deutsche Unternehmen in Mexiko.

    "Lateinamerika ist friedlicher als Osteuropa, weniger korrupt als Afrika und demokratischer als Asien."

    Latam Investor, Oktober 2023

    Deutschland und Lateinamerika verbindet eine lange Geschichte. In vielen Branchen sind deutsche Unternehmen wichtige Lieferanten. Doch verliert Deutschland in der Region zunehmend an Gewicht. Hingegen ist China in kurzer Zeit zum wichtigsten Handelspartner der meisten lateinamerikanischen Länder aufgestiegen, wie beispielsweise in Brasilien, Chile und Peru. Deutsche Produkte genießen in der Region zwar einen hervorragenden Ruf, können aber auf dem preisorientierten Markt nur schwer mit Waren aus der Volksrepublik mithalten.

    Deutschlands Außenhandel mit Lateinamerika und der Karibik2023, in Milliarden Euro, Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent
     

    Exporte

    Veränderung *)

    Importe

    Veränderung *)

    Lateinamerika u. Karibik

    44,9

    8,3

    28,7

    -6,2

    Südamerika

    23,2

    1,6

    16,2

    -14,0

    Zentralamerika

    1,8

    22,5

    1,8

    -8,7

    Karibik

    0,9

    15,0

    0,5

    -12,9

    * nominale Veränderung 2023 im Vergleich zu 2022.Quelle: Destatis 2024

     

    Von Jutta Kusche | Bonn

  • Grüner Wasserstoff eröffnet Lateinamerika vielfältige Chancen

    Zunächst stand der Export nach Europa im Fokus. Doch die Umsetzung stockt. Deshalb rücken hochwertigere Produkte und der Binnenmarkt in den Mittelpunkt. GTAI stellt wichtige Vorhaben vor. (Stand: 13.12.2024)

    Lateinamerika hat großes Potenzial für die Herstellung von grünem Wasserstoff. Denn die natürlichen Bedingungen für alle erneuerbaren Energien sind hervorragend. Bereits heute stammen mehr als 60 Prozent des Stroms in der Region aus erneuerbaren Energiequellen. Auch beim Export von grünem Wasserstoff und seinen Derivaten könnte der Subkontinent eine wichtige Rolle spielen. Laut dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) kann Deutschland bis 2030 nirgendwo auf der Welt so günstig Power-to-X-Produkte beziehen wie aus Brasilien, Australien und aus dem Norden Kolumbiens

    Entwicklung unterschiedlich weit fortgeschritten

    Beim Aufbau und den weiteren Plänen für die Wasserstoffwirtschaft sind die lateinamerikanischen Länder unterschiedlich weit. Neben Kolumbien und Brasilien zählt Chile zu den Vorreitern. Einige Staaten wie Guatemala, Honduras und Ecuador stehen dagegen noch am Anfang, wie das im Juni 2024 veröffentlichte Ranking der Plattform H2LAC zeigt. 

    Alle Länder stehen jedoch vor den gleichen Herausforderungen, angefangen bei der Ausbildung von Fachkräften über den Aufbau von Versorgungsketten bis hin zur Infrastruktur. Wasserstoff kann umso günstiger angeboten werden, je mehr produziert und nachgefragt wird. Doch die lokale Nachfrage nach Wasserstoff ist bislang gering. Nur etwa 4 Prozent des aktuellen Weltverbrauchs entfallen auf die Region.

    Eingesetzt wird Wasserstoff hauptsächlich in Raffinerien und in der Chemieindustrie in Mexiko, Brasilien, Argentinien und in geringerem Umfang auch in Kolumbien und Chile. Der mit Abstand größte Verbraucher ist der Karibikstaat Trinidad und Tobago, der Ammoniak und Methanol für den Export produziert. Umso aufwendiger ist es, neue Wasserstoffanwendungen zu etablieren.

    Im Wettbewerb um Investitionen

    Um Großprojekte zur Versorgung Europas mit grüner Energie zu gewinnen, haben fast alle Länder der Region nationale Strategien, Rechtsgrundlagen und Förderprogramme aufgestellt. Den Anfang machte Chile, gefolgt von Kolumbien und Uruguay. Später kamen Argentinien, Brasilien, Costa Rica, Ecuador, Panama, Peru und Mexiko hinzu.

    Im Rahmen seines Förderprogramms aus dem Jahr 2021 will Brasilien bis Ende 2024 Wasserstoff-Hubs festlegen. Durch eine Konzentration auf Hubs können Unternehmen auf effiziente Weise Erfahrungen mit den neuen Wasserstoffanwendungen gewinnen, Skaleneffekte realisieren und Lieferketten integrieren. Neben dem Export von Wasserstoffderivaten steht die Herstellung von Vorprodukten für die Chemie-, Düngemittel- und Stahlindustrie sowie die Produktion von E-Fuels im Mittelpunkt. Wasserstoff-Hubs bilden sich daher vorzugsweise an Petrochemie- und Industriestandorten. Die Hubs können eine wichtige Rolle beim Ausbau der industriellen Wertschöpfung in Lateinamerika spielen und dazu beitragen, Erdgas- und Ammoniakimporte zu reduzieren.

    Mehr als nur Rohstoffexport 

    Basierend auf den angekündigten Projekten könnte die Region bis 2030 über 7 Millionen Tonnen pro Jahr an emissionsarmem Wasserstoff produzieren. Dies geht aus Berechnungen im Global Hydrogen Review 2024 der Internationalen Energieagentur (IEA) hervor. Rund 80 Prozent der Projekte konzentrieren sich auf Chile und Brasilien. Auch in Kolumbien und Panama wurden viele Projekte angekündigt. Dafür wäre ein massiver Ausbau der Erneuerbaren erforderlich: Sollten alle Wasserstoffprojekte in der Pipeline verwirklicht werden, müsste die Erzeugung von Wind- und Solarstrom in diesem Jahrzehnt allein für die Wasserstoffproduktion um 140 Prozent steigen. Doch auch andere energieintensive Wirtschaftsaktivitäten nutzen die günstigen Bedingungen, wie beispielsweise grüne Rechenzentren, die sich vermehrt in Lateinamerika ansiedeln.

    Bislang ist nur eine Handvoll dieser Projekte in Betrieb, im Bau oder hat eine endgültige Investitionsentscheidung erreicht. Ein Grund hierfür ist, dass das Gros der Projekte auf den Export von grünem Ammoniak nach Europa abzielt und die Abnahmeverträge nicht so schnell anlaufen wie erhofft.

    Ein weiterer Grund ist die Finanzierung. Die hohen Kapitalkosten in der Region bleiben ein Hindernis und können die wettbewerbsfähigen Produktionskosten untergraben. Aussichtsreich bleiben deshalb vor allem Projekte, hinter denen finanzstarke Konzerne stehen. Hierzu zählen zwei Großprojekte im Hafen von Pecém (Brasilien), für die 2025 der Startschuss fallen soll. Investoren sind die australische Fortescue und der französische Ölkonzern TotalEnergies gemeinsam mit dem lokalen Partner Casa dos Ventos. Positiv wirkt sich dabei auch die Kapitalbeteiligung des Hafens Rotterdam am Hafen von Pecém aus. Ein Viertel aller Wasserstoffimporte will Rotterdam künftig von dort beziehen.

    Auch in anderen Ländern der Region sind es die großen Ölkonzerne wie Petrobras (Brasilien), Pemex (Mexiko) und Ecopetrol (Kolumbien), die die Investitionen in Wasserstoff und die Dekarbonisierung stimulieren, um ESG-Standards zu erfüllen und damit den Börsenwert zu stützen. Aktiv sind auch Projektentwickler. Sie erkunden neue Anwendungen. Die Chancen variieren dabei je nach Land.

    Emissionsarme Kraftstoffe

    Für die Schifffahrt und den Flugverkehr bietet die Elektrifizierung bislang keine Lösungen. Alternativen zur Dekarbonisierung sind hochwertige Wasserstoffderivate wie E-Methanol und SAF (Sustainable Aviation Fuel), die große Mengen biogener Kohlenstoffe benötigen. Wasserstoff, der zweite wichtige Ausgangsstoff in dem Verfahren, wird dabei über Elektrolyse erzeugt.

    Brasilien ist der zweitgrößte Produzent von flüssigen Biokraftstoffen weltweit, konzentriert einen Großteil der weltweiten Zellstoffproduktion auf sich und produziert erneuerbaren biogenen Kohlenstoff im Überfluss. Argentinien und Kolumbien sowie Guatemala, Uruguay und andere Länder haben ebenfalls Potenzial. Panama will zu einem Zentrum für emissionsarme Schiffskraftstoffe werden und bis 2030 rund 5 Prozent des Bedarfs an Schiffstreibstoff (Bunker) aus Wasserstoffderivaten decken.

    Düngemittel für den Agrarsektor 

    Großes Potenzial für die Wasserstoffwirtschaft bietet auch die Düngemittelfertigung. Lateinamerika deckt 80 Prozent des Bedarfs an stickstoffbasierten Düngemitteln durch Importe. Das Handelsdefizit in diesem Bereich steigt von Jahr zu Jahr. Die inländische Produktion von emissionsarmem Ammoniak könnte dieses Defizit verringern und die Preisstabilität verbessern. 

    Dekarbonisierung der Industrie

    Die Raffinerien in Lateinamerika dürften ihren Wasserstoffbedarf künftig zunehmend über Elektrolyse decken. Bislang erfolgt die Produktion meist aus Erdgas, das aber zum Teil importiert werden muss.

    Lateinamerika verfügt über große Vorkommen an Rohstoffen, darunter solchen, die eine entscheidende Rolle für die Energiewende spielen, wie Lithium und Kupfer. Im Bergbau gibt es attraktive Anwendungen für emissionsarmen Wasserstoff, etwa bei der Produktion von Ammoniumnitrat für Industrieexplosivstoffe und für E-Fuels bei schweren Maschinen.

    Brasilien, das Land mit den weltgrößten Eisenerzreserven, ist für die wasserstoffbasierte Stahlherstellung einzigartig positioniert. Statt hochwertiger Erze könnte das Land zukünftig direkt reduziertes Eisen (H2-DRI) exportieren. In einigen Weltregionen könnte dies die Kosten für reduziertes Eisen um fast ein Drittel senken. 

    Von Gloria Rose | São Paulo

  • Lithium: Niedrige Preise, aber hohe Dynamik in Lateinamerika

    Chile und Argentinien sind die weltweit größten Exporteure von Lithiumkarbonat. Sie wollen weiterkommen in der Wertschöpfungskette – und sind damit in Lateinamerika nicht allein. (Stand: 12.12.2024)

    Das leichteste Metall auf Erden wiegt schwer, wenn die grüne Wende gelingen soll. Elektromobilität und Energiespeicherung sind bislang ohne Lithium-Ionen-Batterien nicht denkbar. Lateinamerika ist besonders reich an dem chemischen Element. Mehr als die Hälfte der weltweit nachgewiesenen Vorkommen, die der U.S. Geological Survey 2024 auf 105 Millionen Tonnen bezifferte, birgt das sogenannte Lithiumdreieck in den Anden Argentiniens, Boliviens und Chiles. Sie befinden sich gelöst als Sole unter hochgelegenen Salzseen (Salare). Die Vorkommen in Peru und Brasilien sind hingegen im Tiefengestein Pegmatit gebunden und werden im Tagebau abgebaut. In Mexiko sind es Tonschichten, Gewinnungsmethoden werden aber erst erprobt.

    Chile und Argentinien wetteifern um Investoren

    Die gegenwärtig wirtschaftlich nutzbaren Reserven belaufen sich weltweit auf 28 Millionen Tonnen, von denen fast die Hälfte auf Chile und Argentinien entfällt. Diese spielen auch bei der Produktion ganz vorne mit: Chile ist weltweit der zweitgrößte Lithiumhersteller nach Australien; Argentinien kommt auf Rang 4 nach China. Beide drängen auf den Spitzenplatz. Chile peilt eine Verdoppelung der Produktion binnen eines Jahrzehnts an. Argentinien glaubt, schon bis 2030 das Zeug zur Nummer 1 zu haben. Sie wetteifern darin, Investoren von ihren Lagerstätten zu überzeugen und bieten sich auch in Deutschland als Partner für die Rohstoffsicherung an. 

    „Die größte Dynamik und das größte Potenzial besteht derzeit in Argentinien wegen der investorenfreundlichen Politik der Regierung“,

    erklärt Oswald Eppers von K-UTEC AG Salt Technologies. Das thüringische Unternehmen ist ein Ingenieurdienstleister für die weltweite Bergbau- und Rohstoffindustrie und berät Firmen bei der Auswahl der geeigneten Technologie. In Chile und besonders in Bolivien sieht Eppers, der für das Lateinamerikageschäft zuständig ist, staatliche Restriktionen, die das Engagement europäischer Firmen behindern.

    Viel Bewegung im Lithiumdreieck der Anden

    • In Argentinien hat die französische Gesellschaft Eramet eine Lithiumförderanlage mit Direktextraktionstechnologie (DLE) eingeweiht, die bis Mitte 2025 hochgefahren werden soll. Sie ist damit das erste europäische Unternehmen, das batteriefähiges Lithiumkarbonat im industriellen Maßstab herstellen wird. Argentiniens Regierung zählt über 40 fortgeschrittenere Projekte in der Pipeline. Die damit verbundenen Investitionen würden 8 Milliarden US-Dollar (US$) übersteigen. Besondere Anreize bietet ein neues Fördergesetz für Großinvestitionen. 
    • Chile hat im Zuge seiner neuen nationalen Lithiumstrategie auf Basis von fast 90 Interessensbekundungen aus zehn Ländern mehrere Salare für Projekte privater Unternehmen ausgewählt. Das Staatsunternehmen ENAMI wiederum wird die Salares Altoandinos in öffentlich-privater Partnerschaft entwickeln und bis März 2025 aus sechs Bewerbern die Partner auswählen. Wer sich an diesen Prozessen nicht beteiligte, für den ist absehbar der Zug abgefahren. Der Staatskonzern Codelco hat im als strategisch erachteten Salar Maricunga eigene Konzessionen und zusätzlich das Projekt Salar Blanco gekauft. Bisher wird Lithium nur im Salar de Atacama durch die weltweit größten Lithiumunternehmen gewonnen: der chilenisch-chinesischen SQM sowie dem US-Spezialchemiekonzern Albemarle.
    • Bolivien setzt auf die chinesische und die russische Karte. Die Regierung hat im November 2024 einen Vertrag mit Chinas CBC über zwei Lithiumförderanlagen am Salar Uyuni unterschrieben. Kurz zuvor wurde mit der russischen Rosatom-Tochter Uranium One Group ein Vertrag über den Bau einer Lithiumkarbonat-Produktionsanlage unterzeichnet. Beiden Verträgen muss das Parlament zustimmen.

    Auch Brasiliens Lithium-Valley will mehr

    Ein weiterer Lithium-Hotspot Lateinamerikas liegt in Brasilien. Dort finden sich die meisten Projekte in der Bergbauregion Minas Gerais im Jequitinhonha-Tal. Als "Lithium Valley Brazil" hat es sich auf der Landkarte der Investoren positioniert. Schon seit Jahrzehnten baut der brasilianische Lithiumpionier Companhia Brasileira de Litio dort lithiumhaltiges Erz ab.

    Die in Kanada börsennotierte Gesellschaft Sigma Lithium mit brasilianischem Hintergrund startete 2023 den Betrieb der Mine Grota do Cirilo und investiert aktuell in die Verdoppelung der Kapazität. Weitere Projekte entwickeln Atlas Lithium (USA), Latin Resources (Australien), Deep Rock (USA) und Lithium Ionic (Kanada). Aus einer Mine des Mutterkonzerns in Minas Gerais bezieht AMG Lithium mit Hauptsitz in Frankfurt-Höchst das Spodumenkonzentrat und will es in seiner neuen Raffinerie in Bitterfeld zu Lithiumhydroxid in Batteriequalität veredeln.

    Hartgestein ist auch die Lithiumquelle, die Peru in seiner Andenregion Puno mit zwei geplanten Explorationsprojekten einer Tochter von American Lithium erschließen will. 

    Rahmenbedingungen für den Lithiumabbau 

    In Argentinien obliegt das Bergbaurecht den Provinzen. Konzessionen werden marktwirtschaftlich vergeben, sofern Umweltanforderungen erfüllt sind.

    In Chile ist das Leichtmetall wegen möglicher Verwendung in der Nukleartechnik nicht konzessionsfähig, der Abbau durch private Firmen bedarf einer Sondergenehmigung. 

    Bolivien hat seine Lithiumvorkommen 2006 verstaatlicht. Ohne Mehrheitsbeteiligung des Staatsbetriebs Yacimientos de Litio Bolivianos (YLB) läuft nichts. 

    Mexiko hat seine Vorkommen 2022 verstaatlicht und zu ihrer Entwicklung das Staatsunternehmen LitioMx gegründet, wird aber private Finanz- und Knowhow-Bringer brauchen. 

    In Peru gilt Lithium seit 2021 gesetzlich als strategische Ressource. Die Implementierung des Gesetzes ließ Ende 2024 noch auf sich warten. 

    In Brasilien baut der private Bergbau Lithium auf der Basis staatlicher Konzessionen ab. Exportbeschränkungen zum Schutz der nationalen Nuklearindustrie wurden 2022 aufgehoben. 

    Nachhaltigkeitsdruck fördert neue Verfahren

    Ob aus Sole oder Festgestein die Lithiumgewinnung muss sich heute an ihrer Nachhaltigkeit messen lassen und wie stark sie das umgebende Ökosystem und seine Menschen schädigt. In den Salaren wurde traditionell die lithiumhaltige Sole aus dem Untergrund hochgepumpt und in Verdunstungsteichen der Sonne ausgesetzt. Inzwischen wählen immer mehr Investoren die direkte Lithiumextraktion (DLE).

    Chile will weg von den bisherigen Verdampfungstechnologien und sieht in DLE die passende Option. Auch in Bolivien und Argentinien bestimmen sie das Bild. Die DLE extrahiert in einer Aufbereitungsanlage das Lithium aus der Sole, die dann wieder in den Untergrund geleitet werden kann. Dieses Verfahren benötigt jedoch mehr Süßwasser und Energie für den Prozess und gilt noch nicht als ausgereift. 

    Mehr Wertschöpfung durch chinesische Investitionen?

    Die Bergbauländer der Region sehen im Lithium eine Chance, über den Rohstoff hinaus auch die Verarbeitung ins Land zu ziehen und in der Wertschöpfungskette nach oben zu steigen. In Chile winken einem Investor in diesem Fall Vorzugspreise auf Lithiumprodukte von Albemarle und SQM. Die Wirtschaftsförderagentur CORFO ist für die Ausschreibungen zuständig. 

    Einen chilenischen Vorzugsdeal hatten 2023 bereits zwei chinesische Konzerne gewonnen: BYD und Yongking Technology mit geplanten Fabriken für Lithiumkathoden und Kathodenmaterial. Die Verhandlungen zwischen BYD und Chiles Regierung ziehen sich aber noch und haben das Timing verzögert. Unterdessen baut BYD in Brasiliens Bundesstaat Bahia seine größte Fabrik für Elektrofahrzeuge außerhalb Asiens. Sie soll 2025 anlaufen. Auch Batterien werden zum Portfolio gehören.

    Bislang sichern sich chinesische Unternehmen vor allem Lithiumquellen, darunter die Batteriematerialzulieferer CNGR, Gangfeng Lithium, Hua Lian Mining, Zijin Mining Group oder Znagge Mining. Eine regionale Vertiefung der chinesischen Wertschöpfungskette vom Konzentrat nach oben scheint nur eine Frage der Zeit. Gegenwärtig wird der Großteil des weltweiten Lithiumkonzentrats in China zu batteriefähigen Lithiumverbindungen und zu Batteriezellen weiterverarbeitet. Aber der chinesische Fußabdruck in Lateinamerikas Lithiumgeschäft wächst.

    Ausgewählte Lithiumprojekte in Lateinamerika
    Projekt (Land)

    Investitionssumme (in Mio. US$)

    Stand / PlanungProjektträger
    Cauchari (Argentinien)

    659

    Inbetriebnahme Q4/2027, Produktion Q4/2028Arcadium Lithium (in Übernahme durch die britisch-australische Bergbaugesellschaft Rio Tinto)
    Hombre Muerto West, Phasen 1 und 2 (Argentinien)

    429

    Inbetriebnahme Q4/2025, Produktion Q4/2026Galan Lithium (Australien)
    Kachi (Argentinien)

    1.380

    Umwelt- und Sozialgutachten, Inbetriebnahme 2027Lake Resources (Australien)
    Sal de Oro am Salar de Hombre Muerto (Argentinien)

    1.630

    Im Bau, Inbetriebnahme Phase 1 Q1/2025, Phase 2 Q3/2025Posco (Südkorea)
    Maricunga, Proyecto Blanco (Chile)

    700

    Inbetriebnahme Q2/2026, Produktion Q4/2026Codelco (Chile)
    Francisco Basin (Chile)

    450

    Machbarkeitsstudie, Baustart Q2/2026, Inbetriebnahme Q4/2027CleanTech Lithium (Chile)
    Salar de Uyuni (Bolivien)

    1.030 

    Vertrag zur Ratifizierung im ParlamentYLB (Bolivien) und Hong Kong CBC Investment (gehört zum chinesischen Batteriehersteller CATL)
    Neves (Brasilien)

    200

    Erst-, Installations- und Betriebsgenehmigung im Oktober 2024 erhaltenAtlas Lithium (USA)
    Salinas (Brasilien)

    400 

    Lizenz bis Ende 2024 erwartet, Abbau 2Q/2026Latin Resources (gehört zu Pilbara Minerals, Australien) 
    Falchani (Peru)

    681

    Genehmigungsphase/ExplorationMacusani Yellowcake (gehört zu American Lithium, USA)
    Quelle: BNamericas 2024; Cochilco 2024; Recherchen Germany Trade & Invest 2024

    "Soleprojekte haben die niedrigsten Produktionskosten, deshalb trifft der Preisverfall sie nicht so hart."

    Dr. Micha Zauner; Vorstand von DEM – Deutsche E Metalle AG Dr. Micha Zauner; Vorstand von DEM – Deutsche E Metalle AG | © FotografDD

    Micha Zauner ist Mitgründer und Vorstand der Deutschen E-Metalle AG (DEM) und steht hinter dem bisher einzigen deutschen Lithiumprojekt in Lateinamerika. In Argentiniens Provinz Catamarca entwickelt DEM im Joint Venture mit einem argentinischen Partner das Projekt Carachi Blanco. GTAI sprach mit dem promovierten Geophysiker nach seiner Rückkehr aus Argentinien, wo er im November 2024 die erste Bohrung in den Solebecken begleitet hatte. 

    Wie ist der Stand des Projekts Carachi Blanco?

    Wir gehen gerade den letzten Schritt der Erkundungsphase an, der 2025 in die Vormachbarkeitsstudie übergeht. Wie umfangreich und teuer diese wird, hängt vom Ergebnis der Bohrbefunde ab. Auch die Bewertung des Unternehmens wird entsprechend angepasst. Dann sind wir daran interessiert, strategische Investoren zu finden, die die Produktion vorantreiben.

    Zum Beispiel einen Player aus der Automobilindustrie? 

    Da sind deutsche Autokonzerne eher verhalten. Die Franzosen mit Stellantis haben mehrere Beteiligungen, gestreut auf verschiedene Unternehmen. Auch die Amerikaner machen da viel mit General Motors und Co. Die Antwort, die ich bekomme, wenn ich mit Stakeholdern der Autoindustrie spreche, lautet, es sei noch zu früh. Sie wollen warten bis zur Machbarkeitsstudie. Oder sie wollen nur Abnahmeverträge ohne Beteiligung. Im Moment ist auch der Handlungsdruck ein bisschen weg, weil der Preis niedrig und der Rohstoff gut verfügbar ist. Wer aber die Risiken sieht geopolitische Auseinandersetzungen um Rohstoffe oder Abhängigkeiten von China der müsste jetzt investieren und sich für die nächsten Jahrzehnte den Zugang sichern.

    Machen Ihnen die Preise nicht einen Strich durch die Rechnung?

    Keinen Strich, aber sie machen es schwieriger, Kapital einzusammeln, weil die potenzielle Gewinnmarge bei den aktuellen Preisen nicht mehr so hoch oder teilweise nicht mehr vorhanden ist. Soleprojekte haben weltweit die niedrigsten Produktionskosten, daher trifft sie der Preisverfall nicht so stark. Die argentinischen Solen sind die qualitativ hochwertigsten der Welt und kostengünstig in der Gewinnung. Zum aktuellen Preis bliebe bei uns in der Region eine kleine Marge. Andere Projekte, die im Hartgestein sind, wie in Australien oder China, sind im Minusbereich. 

    Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung ein?

    Der Preis wird definitiv nicht mehr dahingehen, wo er 2022 war, am Ende bei 80.000 US$ pro Tonne, das war verrückt. Das hilft der Automobilindustrie nicht und auch nicht der Energiewende, weil die Batterien einfach zu teuer sind, die 40 Prozent des Preises beim E-Auto ausmachen. Wenn der Preis langfristig bei 20.000 US$ liegen würde, passt das. Das sehen die meisten Analysten so. Sie erwarten, dass der Preis 2027, vielleicht auch schon 2026, in diese Richtung steigt. Ich gehe nicht davon aus, dass er weiter runtergehen wird.

    Diese Entwicklung hat Investoren in Lateinamerika offenbar nicht abgeschreckt…

    Der Trend bleibt langfristig, denn der Klimawandel ist ja nicht weg. Der Bedarf ist da, nur hat er sich verlangsamt. Auch die Großen haben jetzt Fahrt aufgenommen. Zum Beispiel kauft Bergbaukonzern Rio Tinto den Lithiumhersteller Arcadium. Das zeigt, dass Lithium für die Marktführer das Element für die Energiewende bleibt. Wir gehen nicht davon aus, dass es durch andere substituiert wird.

     

    Von Miriam Neubert | Bonn

  • Lateinamerikanische Staaten investieren Milliarden in Öl und Gas

    Neue Öl- und Gasfelder, LNG-Terminals, aber auch Investitionen in mehr Nachhaltigkeit – die Projektpipeline in Lateinamerika ist voll. Drei Länder stehen besonders im Fokus. (Stand: 06.12.2024)

    Lateinamerika ist ein bedeutender Produzent von Öl und Gas. Im Jahr 2023 förderten die Länder des Subkontinents 9,4 Millionen Barrel pro Tag. Das entsprach knapp 10 Prozent der weltweiten Produktion, zeigen Zahlen des Statistical Review of World Energy von Energy Institute.

    In den kommenden Jahren dürfte der Anteil weiter steigen, denn laut Schätzungen der Internationalen Energieagentur (IEA) werden Brasilien, Argentinien und Guyana ihre Produktion bis 2035 um 2,5 Millionen Barrel pro Tag ausweiten. Auch die Produktion von Gas soll steigen, allen voran in Argentinien. Damit wird die Region als Energieexporteur künftig an Bedeutung gewinnen.

    Brasiliens Energieriese Petrobras investiert massiv

    Der Öl- und Gassektor in Lateinamerika bietet eine große Fülle an Geschäftschancen, sei es für Zulieferer, Ingenieurbüros oder Förderunternehmen. So will allein Brasiliens halbstaatlicher Ölkonzern Petrobras im Zeitraum von 2025 bis 2029 insgesamt 111 Milliarden US-Dollar (US$) in seine verschiedenen Unternehmensbereiche investieren. Dies geht aus einer Anfang Dezember 2024 veröffentlichten Präsentation hervor.

    Mit 77 Milliarden US$ soll der größte Teil der Gelder in die Bereiche Förderung und Produktion fließen. Die gesamte Fördermenge an Öl und Gas, einschließlich Projekten mit Partnern, soll von 2025 bis 2029 von 4,1 Millionen auf 4,5 Millionen Barrel pro Tag Öläquivalent steigen.

    Rund 20 Milliarden US$ sind für die Petrochemie, darunter die Modernisierung von Raffinerien, sowie den Transport und den Vertrieb von Kraftstoffen bestimmt. Weitere 11 Milliarden US$ will der Energieriese in die Bereiche Gas und kohlenstoffarme Energie stecken. Vorgesehen sind auch Investitionen in das Recycling und die Außerbetriebnahme alter Ölförderplattformen. Das Düngemittelgeschäft will Petrobras wieder ausbauen. 

    Brasilien rückt bis 2030 auf Rang 5 der größten Ölförderländer vor

    Petrobras verfügt über viel Know-how bei der Offshore-Förderung von Öl und Gas, dank der seit ihrer Entdeckung im Jahr 2007 erschlossenen Tiefseevorkommen vor den Küsten der Bundesstaaten Espíritu Santo, Rio de Janeiro, São Paulo, Paraná und Santa Catarina. Weil die Lagerstätten unter dicken Salzschichten in einer Tiefe von bis zu 3.000 Metern liegen, werden sie als Pré-Salt-Vorkommen bezeichnet. Auch bei der Abscheidung von Kohlenstoffdioxid (carbon capture and storage, CCS) zählt der Konzern global zu den Vorreitern.

    Neben Petrobras sind weitere große internationale Energiekonzerne in Brasilien tätig, darunter die europäischen Firmen Shell, Equinor und TotalEnergies. Auch sie verfolgen große Investitionsprojekte.

    Sie wollen Geschäfte in Lateinamerikas Öl- und Gassektor machen?

    Erste Anlaufstellen für einem Markteinstieg sind die deutschen Auslandshandelskammern (AHK) in der Region. Die AHK Rio de Janeiro hat einen besonderen Fokus auf den Sektor.

    Bedeutende Messen sind:

    Dank der Erschließung neuer Vorkommen will Brasilien bis 2030 zum weltweit fünftgrößten Ölproduzenten aufsteigen. Im Jahr 2023 lag das Land auf Platz 9. Das Gros der Produktion entfällt bislang auf Felder vor der Küste im Süden und Südosten des Landes. Künftig sollen die Vorkommen vor der Nordküste stärker erschlossen werden, darunter auch vor dem Amazonas-Delta. Ein Teil der Genehmigungen durch die Aufsichtsbehörde Ibama steht aber noch aus.

    Guyana erlebt Ölboom

    Weiter im Nordwesten, vor der Küste von Guyana, kommt die Ölförderung bereits in Fahrt – und beschert dem 830.000 Einwohner zählenden Staat einen gewaltigen Boom. Nach Prognosen des Internationalen Währungsfonds wird die Wirtschaft des Landes 2024 um real 43,8 Prozent wachsen und danach bis 2029 im Schnitt um knapp 16 Prozent pro Jahr zulegen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf könnte bis 2029 auf fast 32.000 US$ steigen. Zum Vergleich: Als der Ölkonzern ExxonMobil 2015 die riesigen Ölfelder vor der Küste des Landes entdeckte, hatte das BIP pro Kopf nur bei knapp 4.300 US$ gelegen.

    Anfang 2024 erreichte Guyana eine Produktionsrate von 645.000 Barrel pro Tag. Damit belegt das Land gemessen an der Produktion pro Einwohner bereits heute weltweit Platz 1, vor Kuwait und Katar. Bis 2030 soll die Förderung auf 1,6 Millionen Barrel pro Tag steigen. Die sprudelnden Einnahmen aus dem Erdölsektor ermöglichen der Regierung enorme Investitionen in die Energieversorgung, den Gesundheitssektor und die Verkehrsinfrastruktur.

    TotalEnergies investiert in Suriname

    Auf einen Ölboom hofft auch das Nachbarland Suriname. Im Oktober 2024 verkündete der französische Ölmulti TotalEnergies die finale Entscheidung für das Projekt GranMorgu. Dieses sieht die Erschließung von Ölfeldern 150 Kilometer vor der Küste des Landes vor. Kostenpunkt: 10,5 Milliarden US$. Ab 2028 sollen pro Tag 220.000 Barrel pro Tag gefördert werden.

    Venezuela mit ungewissen Aussichten

    Venezuelas Förderbranche steht nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen Ende Juli 2024 weiterhin vor unsicheren Zeiten. Zwar setzte die Biden-Regierung einige Sanktionen bereits im Vorfeld der Wahlen wieder in Kraft. Laut der Economist Intelligence Unit (EIU) erlaubte sie aber Ölkonzernen wie Chevron, Repsol (Spanien) und Maurel & Prom (Frankreich) die weitere Förderung. Nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten sehen die Analysten jedoch die Gefahr, dass die Lizenzen wieder entzogen werden könnten, sollte Venezuela den USA bei der Rücknahme von Migranten nicht entgegenkommen.

    Sollte es zu einem Politikwechsel in Venezuela kommen, bietet das Land mit den größten Ölreserven weltweit ein enormes Nachholpotenzial. Nach Schätzung eines früheren Leiters der staatlichen Ölgesellschaft PDVSA müssten acht Jahre lang pro Jahr 25 Milliarden US$ investiert werden, damit das Land wieder zu dem einstigen Produktionsniveau von rund 3 Millionen Barrel pro Tag zurückkommt, schreibt die britische Zeitschrift The Economist.

    Zuletzt hatte Venezuela seine Förderung gesteigert, dank der Lockerung der US-Sanktionen seit Ende 2022. Für 2024 rechnen die EIU-Analysten mit einer durchschnittlichen Produktion von 920.000 Barrel pro Tag.

    Argentinien will zum fünftgrößten LNG-Exporteur aufsteigen 

    Argentinien wird seine Öl- und vor allem seine Gasproduktion in den kommenden Jahren voraussichtlich deutlich steigern. Schon heute ist das südamerikanische Land der größte Gasproduzent der Region. Der überwiegende Teil der Zuwächse geht auf die höhere Förderung an dem Vorkommen Vaca Muerta in der Provinz Neuquén zurück. Das Feld mit einer Fläche so groß wie Belgien umfasst laut Schätzungen die weltweit zweitgrößten Reserven an Schiefergas und die viertgrößten an Schieferöl.

    Die Produktion an der Lagerstätte läuft bereits seit einigen Jahren, doch um sie zu erweitern, bedarf es neuer Pipelines für den Abtransport. Geplant sind Leitungen nach Brasilien sowie zu einem neuen LNG-Exporthub in Punta Colorada (Rio Negro). Gemeinsam mit der malaysischen Petronas will der argentinische Staatskonzern YPF dort eine Gasverflüssigungsanlage einschließlich Hafeninfrastruktur errichten. Die geschätzten Kosten hierfür belaufen sich auf bis zu 30 Milliarden US$. Laut YPF wird Argentinien damit künftig zum fünftgrößten LNG-Exporteur der Welt aufsteigen.

    Neues Fördergesetz für Großinvestitionen setzt starke Anreize

    Auch für die Lagerstätte Vaca Muerta sind enorme Investitionen geplant. Eine Studie von PricewaterhouseCoopers von Juni 2024 listet insgesamt 47 Vorhaben mit Gesamtinvestitionen von rund 200 Milliarden US$ auf. Vorschub erhalten die Projekte durch das im Juli 2024 verabschiedete Fördergesetz für Großinvestitionen RIGI.

    Dank der starken Ausweitung der Förderung wird Argentinien künftig hohe Einnahmen aus dem Export von Öl und Gas erzielen. In den ersten neun Monaten 2024 erwirtschaftete das Land im Bereich Energie bereits einen Exportüberschuss in Höhe von 3,7 Milliarden US$, so die EIU.

    Bislang hatte auch ein deutsches Unternehmen eine gute Position in Argentiniens Ölsektor: Wintershall Dea. Die Kasseler waren an Feldern bei Vaca Muerta und im Offshore-Bereich tätig und verfügten über viel Know-how im Bereich CCS. Im September 2024 verkaufte BASF das Unternehmen aber an die britische Harbour Energy.

    Unsicherheit über Energiepolitik in Kolumbien

    Während Argentinien auf Öl und Gas setzt, um die wirtschaftliche Wende zu schaffen, vertritt Kolumbien unter dem seit Sommer 2022 amtierenden Präsidenten Gustavo Petro einen Kurs weg von fossilen Energien, die bislang aber für einen Großteil der Exporterlöse des Landes stehen.

    Wegen ausbleibender Investitionen schwinden die Reserven, und Beobachter aus Wirtschaft und Politik warnen regelmäßig davor, dass sich Kolumbien künftig nicht mehr selbst mit Gas versorgen kann. Doch wurde auch in Kolumbien jüngst ein großes neues Feld entdeckt: das Offshore-Feld Sirius mit Reserven von 6 Billionen Kubikfuß. Rund 5 Milliarden US$ könnten in die Erschließung des Feldes fließen.

    Noch bestehen aber Herausforderungen, allen voran bei Umweltgenehmigungen und der gesellschaftlichen Akzeptanz des Projekts. Langfristig könnte der Fund aber größere ausländische Investitionen in die Kohlenwasserstoffindustrie des Landes ziehen.

    Mexiko wird zu LNG-Hub für die USA

    Mexikos seit Oktober 2024 amtierende Präsidentin Claudia Sheinbaum strebt wie ihr Vorgänger López Obrador die Selbstversorgung des Landes mit Kraftstoffen an. Dazu sollen der Staatskonzern Pemex gestärkt und die Kapazitäten der Raffinerien erhöht werden. Als Produktionsziel setzt sich die Regierung durchschnittlich 1,8 Millionen Barrel pro Tag, was in etwa der heutigen Förderung entspricht. Im Gegensatz zu López Obrador strebt Sheinbaum jedoch mehr Nachhaltigkeit in der Energieversorgung Mexikos an.

    Zahlreiche Projekte gibt es im Bereich LNG. Mexiko soll zu einem wichtigen LNG-Hub für Gasexporte aus den USA werden. Nach der Wahl von Donald Trump sind die Aussichten für die Umsetzung der Projekte wieder gestiegen, nachdem ein Genehmigungsstopp von Joe Biden Anfang 2024 für Verunsicherung in der Branche geführt hatte.

    Von Fabian Nemitz | Bonn

  • Erneuerbare Energien: Lateinamerika liegt vorne

    Dank Wasserkraft ist der Strom in vielen Ländern der Region schon heute sehr grün. Die Bedingungen für Wind- und Solarenergie sind ausgezeichnet. Doch es gibt auch Hürden. (Stand: 21.11.2024)

    Bei der Energiewende nimmt Lateinamerika die Poleposition ein. Keine andere Region weltweit verfügt bereits heute über einen so grünen Strommix. Im Jahr 2023 erzeugte der Subkontinent 63 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen, so die Internationale Energieagentur (IEA). Einen Anteil in dieser Höhe wird Europa voraussichtlich erst 2030 erreichen. Einige Länder sind sogar noch weiter. Paraguay, Costa Rica, Uruguay und Brasilien erzeugen ihren Strom schon heute zu über 90 Prozent aus erneuerbaren Energien.

    Ein weiterer Pluspunkt für die CO2-Bilanz von lateinamerikanischem Strom: Unter den fossilen Energieträgern kommt nicht Kohle, sondern Erdgas zum Einsatz. Viele Länder der Region wollen ihre Wettbewerbsvorteile bei grünem Strom nutzen, sei es zum Aufbau der Wasserstoffwirtschaft oder, um mehr Wertschöpfung in der Industrie zu erzielen. Das Stichwort lautet "Powershoring". Somit steht der Ausbau der Erneuerbaren auf der Agenda fast aller Regierungen.

    Chile, Brasilien und Kolumbien als Top-Investitionsstandorte für Erneuerbare

    Laut Prognose der IEA wird die Region ihre Stromerzeugungskapazität im Bereich der Erneuerbaren bis 2030 um 190 Gigawatt erweitern. Das ist vergleichsweise moderat. Deutschland etwa wird seine Kapazitäten voraussichtlich in ähnlichem Umfang ausbauen. 

    Laut IEA-Prognose entfällt der Zubau zu 58 Prozent auf Brasilien, gefolgt von Chile (14 Prozent), Mexiko (10 Prozent), Kolumbien (6 Prozent) und Argentinien (4 Prozent). Alle weiteren Staaten kommen auf einen Anteil von 8 Prozent.

    Chile, Brasilien und Kolumbien zählen unter den Schwellenländern zu den Top-10-Investitionszielen für erneuerbare Energien. Argentinien und Mexiko sowie viele kleinere Länder gelten als weniger attraktiv, so das Ranking Climatescope des Finanzdienstleisters Bloomberg.

    Wasserkraft prägt den Strommix der Region

    Über Wasserkraft erzeugt Lateinamerika 45 Prozent seines Stroms. Rund die Hälfte der Kraftwerke ist älter als 30 Jahre. Allein durch Modernisierungen kann beispielsweise Brasilien seine Kapazitäten um 18,4 Gigawatt erweitern. Neue Großprojekte konzentrieren sich auf die Andenstaaten. Ende 2024 wird das 2,5-Gigawatt-Kraftwerk Ituango in Kolumbien vollständig in Betrieb sein. In der Pipeline sind weitere Kraftwerke wie das 7,5-Gigawatt-Projekt Manseriche in Peru und das 3,6-Gigawatt-Projekt Zamora G8 in Ecuador. Darüber hinaus bieten Argentinien und Bolivien Potenzial für neue Wasserkraftwerke.

    Doch der Neubau geht tendenziell zurück. Gegen neue Wasserkraftwerke sprechen die relativ hohen Kosten und die zunehmende Ablehnung der Bevölkerung. Außerdem birgt Wasserkraft im fortschreitenden Klimawandel immer höhere Versorgungsrisiken. Im Jahr 2024 führte die Trockenheit in Kolumbien und Ecuador zu Stromrationierungen. In Brasilien steigen bei niedrigen Wasserpegeln die Tarife, weil kurzfristig Gaskraftwerke die Stromnachfrage decken müssen. In Paraguay ist die Abhängigkeit von Wasserkraft am höchsten. Aber auch Costa Rica, Venezuela, Panama und Guatemala müssen ihre Stromversorgung diversifizieren.

    Solarenergie dominiert vor Windkraft

    Solarenergie wird immer preisgünstiger und dürfte fast drei Viertel der neuen Kapazitäten stellen, die bis 2030 errichtet werden. Wind soll immerhin knapp 20 Prozent ausmachen, prognostiziert die IEA. In Brasilien und Mexiko sowie teilweise auch in Argentinien und Chile schließen immer mehr Großverbraucher Abnahmeverträge ab und treiben so die Investitionen in große Parks voran. In Kolumbien werden die Verträge weiterhin überwiegend versteigert.

    Brasilien ist der mit Abstand wichtigste Windenergiemarkt der Region. Nach dem Rekordjahr 2023 geht der Ausbau jedoch drastisch zurück. Die Krise trifft die im Inland entstandene Lieferkette hart. Deshalb versuchen die Hersteller, in andere Märkte der Region wie Chile, Argentinien und Uruguay zu exportieren. Mittelfristig bestehen nach wie vor sehr gute Aussichten in Brasilien, insbesondere im Nordosten des Landes. In Mexiko ist Windkraft seit 2020 kaum gewachsen. Doch Mexikos neue Präsidentin Claudia Sheinbaum hat es sich auf die Fahne geschrieben, die privaten Investitionen in erneuerbare Energien zu beleben.

    Dezentrale Erzeugung nimmt an Fahrt auf

    In Brasilien wächst die Kapazität dezentraler Fotovoltaikanlagen doppelt so schnell wie die großer Solarparks. Doch könnten die Mitte November 2024 eingeführten drastischen Zollerhöhungen auf Solarmodule den weiteren Ausbau abwürgen. In den anderen Ländern der Region trägt die dezentrale Einspeisung von Solarenergie bislang kaum zur Stromversorgung bei. In Peru fehlt noch immer die Regulierung, in Kolumbien und Chile lohnten sich die Investitionen bislang nicht. Doch die fallenden Technologiepreise verändern die Märkte. Mittlerweile zieht die Nachfrage in Chile und Mexiko an. 

    Übertragungsnetz als Nadelöhr für den Ausbau

    Der steigende Anteil variabler erneuerbarer Energie stellt neue Anforderungen an das Einspeisemanagement und die Infrastruktur. Wenn das Verbundnetz nicht rechtzeitig modernisiert und erweitert wird, geht immer mehr Strom durch Abregelung verloren. Die Verluste durch die sogenannte Ausfallarbeit treffen die Anlagenbetreiber in Chile und mittlerweile auch in Brasilien. Das sorgt für Verunsicherung und bremst den Zubau.

    Die Erweiterung der Stromnetze drängt. Chronische Unterinvestitionen belasten die Versorgungssysteme und verursachen Stromausfälle. Dazu kommen die Zerstörungen durch Hurrikane in der Karibik. Auch in der Megametropole São Paulo sorgten Stürme und umfallende Bäume 2024 mehrfach für Blackouts. Es gilt private Infrastrukturinvestitionen anzuregen. Angesichts der unsicheren Wirtschaftslage der vergangenen Jahre stehen Argentinien und Mexiko vor besonders großen Herausforderungen, verlässliche Verträge zu strukturieren und die Investoren zu mobilisieren.

    Startschuss für Speichertechnologien 

    Bei der steigenden variablen Stromerzeugung aus Wind- und Solarkraft und dem unzureichenden Netzausbau lohnen sich Investitionen in Stromspeicher. Am höchsten ist der Anteil variabler erneuerbarer Energien an der Gesamtleistung in Chile mit 41 Prozent, gefolgt von Uruguay mit 34 Prozent und Brasilien mit 29 Prozent. Angesichts der zunehmenden Abregelungen ziehen die Investitionen in Batteriespeichersysteme (BESS) in Chile stark an. In Guatemala, Costa Rica und Panama kommt die Regulierung voran. Honduras versteigert 2024 erste Verträge. Brasilien plant die erste reine BESS-Ausschreibung für 2025. Nach dem brasilianischen Batterie- und Akkuhersteller Moura investieren auch UCB Power und WEG in die lokale Produktion von BESS.

    Von Gloria Rose | São Paulo

  • Infrastruktur: Lateinamerika setzt auf private Investoren

    Die Staaten in Lateinamerika haben einen großen Nachholbedarf bei der Infrastruktur. Betreibermodelle und PPP sind ein beliebtes Instrument. Das bietet Chancen für deutsche Firmen. (Stand: 06.08.2024)

    In den vergangenen Jahrzehnten haben die Staaten in Lateinamerika zu wenig in Straßen, Bahnstrecken, Häfen sowie die Wasser- und Energieinfrastruktur investiert. Das bremst das Wirtschaftswachstum und hemmt den Handel innerhalb der Region.

    Im Jahr 2023 gaben die Länder der Region 2,2 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Investitionen in die Infrastruktur aus. Das zeigen Berechnungen der Economist Intelligence Unit (EIU) und von Global Infrastructure Hub. Notwendig wären aber 3,5 Prozent. Die Investitionslücke von 1,3 Prozentpunkten entspricht einem Wert von 90 Milliarden US-Dollar (US$). Nur in Afrika ist der Abstand zwischen Ist und Soll mit 2 Prozentpunkten noch größer. Weltweit liegt der Schnitt bei 0,5 Prozentpunkten.

    Lateinamerika setzt auf Betreibermodelle und PPP

    Die EIU schätzt, dass sich die Investitionslücke auch künftig fortsetzt. Statt der erforderlichen 250 Milliarden US$ dürften von 2024 bis 2028 jährlich nur 160 Milliarden US$ in die Infrastruktur fließen. Ein Grund hierfür sind die knappen Mittel und hohen Schuldenstände vieler Länder der Region. Nur rund 40 Milliarden US$ werden die Staaten im genannten Zeitraum pro Jahr aus eigener Kraft investieren können.

    So ist damit zu rechnen, dass die Bedeutung des privaten Sektors bei Infrastrukturinvestitionen weiter zunimmt. Viele Länder Lateinamerikas setzen bereits seit langem auf private Investoren, sei es im Rahmen von Betreibermodellen oder öffentlich-privater Partnerschaften (PPP). Das bietet Chancen für deutsche Unternehmen, denn in der Regel achten private Betreiber bei ihren Investitionen mehr auf die langfristige Wirtschaftlichkeit und Effizienz als staatliche Akteure.

    Für Investoren, Zulieferer und Betreiber bietet Lateinamerika ein weites Feld. Die Projektdatenbank des Informationsdienstleisters BNamericas weist eine große Fülle an Projekten in allen Bereichen der Infrastruktur auf. Doch gibt es Unwägbarkeiten, die die Umsetzung beeinträchtigen können. Hierzu zählen laut EIU Mängel bei den regulatorischen Rahmenbedingungen, Korruption sowie die politische und wirtschaftliche Instabilität in vielen Ländern.

    Versteigerung von Konzessionen in Brasilien gewinnt 2024 an Fahrt

    Der größte Teil der Infrastrukturinvestitionen in Lateinamerika entfällt auf Brasilien, Global Data beziffert den Anteil 2023 auf 42 Prozent. Wie die Vorgängerregierungen setzt auch Präsident Lula da Silva beim Ausbau der Infrastruktur auf Betreibermodelle. Die größten Projekte werden im Rahmen des 2016 gestarteten Programa de Parceiras de Investimentos (PPI) vergeben.

    Nach einer Schwächephase 2023 ist künftig wieder mit mehr Versteigerungen zu rechnen. Im Jahr 2024 sollen insgesamt 56 Projekte mit einem Investitionsvolumen von knapp 35 Milliarden US$ vergeben werden, darunter der Bau von Autobahnen, Konzessionen für Häfen sowie für Stromtrassen. Für Impulse sorgt das im Sommer 2023 verabschiedete Programa de Aceleração do Crescimento, in das 92 PPI-Projekte übernommen wurden.

    Auch die Bundesstaaten vergeben Projekte. Ende 2023 wies die Pipeline São Paulos 21 Projekte im Wert von 40 Milliarden US$ auf. Mit Spannung wird die Privatisierung des größten Wasserkonzerns Lateinamerikas, Sabesp, erwartet. Hohe Investitionen erfordert auch der Wiederaufbau im Bundesstaat Rio Grande do Sul nach der Flutkatastrophe im Frühjahr 2024.

    Infrastrukturinvestitionen in Mexiko schalten einen Gang zurück

    Auch in Mexiko bietet sich ein weites Feld für Infrastrukturinvestitionen. Das Land erlebt einen Nearshoring-Boom. Das erfordert Investitionen in neue Fabriken, Lager und Logistik, darunter den Ausbau von Schienenwegen in die USA.

    Der Tiefbau profitierte in den vergangenen Jahren von Megaprojekten. Pünktlich zum Ende der Amtszeit von Präsident López Obrador im September 2024 sollen Großprojekte wie die Zugstrecke Tren Maya und die Raffinerie Dos Bocas in Betrieb gehen. Die Dynamik dürfte danach etwas nachlassen. Doch rücken neue Projekte in den Fokus, darunter der Bau von Flüssiggasterminals sowie der Ausbau von Zugstrecken im Süden Mexikos als Alternative zum Panamakanal.

    Der Panamakanal selbst leidet unter dem klimabedingten Wassermangel, der die Nutzung der für den Welthandel so wichtigen Wasserstraße einschränkt. Der Betreiber des Kanals plant daher den Bau eines dritten Wasserspeichers für 890 Millionen US$.

    Kolumbien setzt auf Ausbau der Schienenwege

    Auch in Kolumbien gibt es Pläne zum Bau einer alternativen Route zum Panamakanal. Hierzu will das Unternehmen Zergratan Häfen an der Pazifik- und Karibikküste bauen und diese mit einem Eisenbahntunnel verbinden. Die Regierung setzt auf den Ausbau und die Wiederinbetriebnahme von Bahnstrecken sowie die Erweiterung von U-Bahn- und Nahverkehrsstrecken. Auch Seilbahnen rücken in den Fokus. Bis 2035 könnten in der bergigen Hauptstadt Bogotá sieben Strecken entstehen.

    Milliardenschwere Projekte zum Ausbau der Infrastruktur verfolgt auch Peru. Ein Großprojekt könnte im November 2024 fertiggestellt werden: der Hafen Chancay, den der chinesische Konzern Cosco für 3,6 Milliarden US$ an der Pazifikküste baut.

    In ganz Lateinamerika ist China zunehmend präsent. Um ein Gegengewicht zu schaffen, hat die EU die Global Gateway-Initiative ins Leben gerufen. Lateinamerika ist eine Schwerpunktregion. Rund 45 Milliarden Euro will die Staatengemeinschaft bis 2027 für Projekte in der Region bereitstellen.

    Chancen für deutsche Firmen

    Der Ausbau der Infrastruktur bietet Chancen für deutsche Unternehmen. Bei Großprojekten sind die Länder der Region vielfach auf Ausrüstungen aus dem Ausland angewiesen. Deutschland zählt zu den wichtigsten Lieferanten von Baumaschinen. Auch für beratende Ingenieure bieten sich Chancen, nicht zuletzt bei Entwicklungsprojekten.

    China ist Lateinamerikas wichtigster Baumaschinenlieferant 1)Baumaschinenimporte ausgewählter Länder in Lateinamerika, in Millionen US-Dollar
    Land

    Baumaschinenimporte 2023

    Anteil Chinas (in %)

    Anteil Deutschlands (in %)

    Rang Deutschlands

    Mexiko

    2.718,8

    21,0

    3,6

    5

    Brasilien

    1.871,7

    36,8

    5,9

    3

    Chile

    1.864,3

    13,2

    4,9

    5

    Peru 2)

    898,0

    24,8

    3,0

    8

    Argentinien

    646,0

    40,0

    4,6

    4

    Kolumbien

    644,8

    26,6

    3,9

    6

    1 SITC-Warenposition 723 (Maschinen, Apparate und Geräte für Erd- oder Steinbrucharbeiten, den Bergbau oder Tiefbohrungen, Hoch- und Tiefbau und dergleichen; Teile davon); 2 Angabe für 2022Quelle: UN Comtrade 2024

    Doch ist es für deutsche Anbieter nicht einfach, Fuß zu fassen. In vielen Ländern der Region wird der Bausektor von lokalen, iberischen sowie chinesischen Baufirmen dominiert. Für Technologieanbieter ist es daher umso wichtiger, frühzeitig in Kontakt mit den zuständigen Behörden und mit den Hauptauftragnehmern der Projekte zu kommen.

    Von Fabian Nemitz | Bonn

  • Nahrungsmittel: In Lateinamerika sind Frischwaren beliebt

    Lateinamerika versorgt die Welt mit Obst, Fleisch und Getreide. Deutsche Anbieter von Maschinen für den Nahrungsmittel- und Getränkesektor eröffnen neue Niederlassungen vor Ort. (Stand: 18.10.2024)

    Mit rund 670 Millionen Einwohnern und einer wachsenden Mittelschicht ist Lateinamerika ein wichtiger Markt für Nahrungsmittel. Neben der Versorgung der lokalen Bevölkerung spielt der Export von Lebensmitteln eine bedeutende Rolle. So ist Mexiko inzwischen der größte Bierexporteur weltweit die Marke Modelo Especial schaffte es 2023 sogar, Bud Light als meistverkauftes Bier der USA zu entthronen.

    Märkte sind unterschiedlich weit entwickelt

    Lateinamerikaner konsumieren weniger industrielle Lebensmittel als US-Amerikaner oder Europäer. Frisch zubereitete Mahlzeiten genießen einen hohen Stellenwert. Den höchsten Anteil an hochverarbeiteten Nahrungsmitteln nehmen Menschen im US-amerikanisch geprägten Mexiko und im vergleichsweise wohlhabenden Chile zu sich.

    Verpackungslösungen für frische Nahrungsmittel zeigen den unterschiedlichen Entwicklungsstand der Märkte. Chilenen und Mexikaner nutzen ausgiebig portionierte Frischhalteverpackungen. Argentinien verfügt über viele Qualitätsprodukte von Wurst und Käse. Dafür ist Kolumbien bei Fisch weiter. Im gigantischen Inlandsmarkt Brasiliens überwiegen günstige Massenwaren in Großverpackungen. Außerhalb der großen Metropolen wird Fleisch oft noch an der Fleischtheke im örtlichen Supermarkt geschnitten und nicht in portionierten Verpackungen verkauft.

    Internationale Konzerne investieren

    Multinationale Firmen wie Kraft Heinz, PepsiCo, Nestlé, Unilever, General Mill's und Danone dominieren in Lateinamerika die Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie. Diese kapitalstarken Konzerne treiben die Automatisierung und Digitalisierung ihrer Produktion an. Lokale Hersteller machen den Konzernen teilweise Konkurrenz, gerade in den größeren Märkten der Region. Dazu gehören etwa die Hersteller von Molkereiprodukten Grupo Lala (Mexiko), Alpina (Kolumbien) oder Leche Gloria (Peru).

    Der Schweizer Nestlé-Konzern investiert derzeit rund 1,2 Milliarden US-Dollar (US$) in Brasilien. Das Vorhaben umfasst neue Produktionslinien für Schokolade und Gebäck in den Bundesstaaten São Paulo und Espírito Santo, eine Steigerung der Produktion von Premiumkaffee, eine neue Fabrik für Tiernahrung (Santa Catarina) sowie allgemeine Investitionen in Industrie-4.0-Lösungen.

    In Mexiko investieren aktuell vor allem die Bier- und Tequilaproduzenten, angetrieben von einer starken Nachfrage aus den USA. Constellation Brands gibt 1,3 Milliarden US$ für den Bau einer neuen Brauerei in der südöstlichen Hafenstadt Veracruz aus. Ab Ende 2025 soll die Brauerei die Ostküste der USA per Schiff mit Bier der Marken Modelo und Corona versorgen.

    Auch Heineken investiert im Süden Mexikos: Ende 2023 kündigte das Unternehmen den Bau einer Brauerei im Bundesstaat Yucatán für umgerechnet 520 Millionen US$ an. Der britische Spirituosenhersteller Diageo gibt derzeit 500 Millionen US$ für den Ausbau der Tequila-Produktion im Bundesstaat Jalisco aus.

    Deutsche Maschinenbauer expandieren in der Region

    Mexiko gehört zu den zehn größten Exportmärkten weltweit für deutsche Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen mit Lieferungen im Wert von 247,5 Millionen US$ im Jahr 2023. Das größere Brasilien steht im regionalen Vergleich an zweiter Stelle (137 Millionen US$). Ein Grund dafür ist die stärkere Abschottung des brasilianischen Inlandsmarktes, weshalb Maschinenbauer wie Optima, Multivac oder Krones lokal produzieren. Aufgrund hoher Logistikkosten und der geringen Wettbewerbsfähigkeit der brasilianischen Industrie lohnen sich Lieferungen an die Nachbarländer aber kaum.

    Anfang 2024 eröffnete der deutsche Weltmarktführer für Maschinen zur Geflügelverarbeitung BAADER eine Vertriebsniederlassung im zentralmexikanischen Querétaro. Von dort aus soll die gesamte Region Lateinamerika ohne Brasilien abgedeckt und auch mit Ersatzteilen beliefert werden, so das Unternehmen. Der Anbieter von Kontrollwaagen für die industrielle Produktion von Lebensmitteln Wipotec ließ sich kürzlich ebenfalls in Mexiko nieder.

    Die Unternehmen Handtmann und Weber Food Technology eröffneten zuletzt Niederlassungen in Kolumbien. "Die neue Filiale in Kolumbien ist ein weiterer Schritt unserer Expansion in Lateinamerika, neben bereits existierenden Standorten in Mexiko und Chile", so Daniel Frank, Vertriebsleiter von Weber in einer Pressemitteilung.

    Bedeutende Nahrungsmittel- und Getränkehersteller in LateinamerikaUmsatz in Milliarden US-Dollar
    UnternehmenGeschäftsfeld

    Umsatz 2022

    JBS (Brasilien)Rindfleisch, Schweinefleisch, Geflügel und Leder

    72,6

    Marfrig (Brasilien)Rindfleisch

    25,3

    Grupo Bimbo (Mexiko)Backwaren

    19,8

    Ambev (Brasilien; Tochter von AB InBev)Bier und Erfrischungsgetränke

    15,4

    Coca-Cola FEMSA (Mexiko)Erfrischungsgetränke

    11,3

    BRF (Brasilien)Verarbeitete Lebensmittel, insbesondere Fleisch, Wurst, Fertiggerichte

    10,4

    Arca Continental (Mexiko)Getränke und Snacks

    10,3

    Sigma Alimentos (Mexiko)Gekühlte Lebensmittel

    7,4

    Leche Gloria (Peru)Milchprodukte

    5,2

    Grupo Nutresa (Kolumbien)Verarbeitete Lebensmittel, insbesondere Kekse, Pralinen, Kaffee, Eiscreme, Teigwaren

    4,2

    Alicorp (Peru)Verarbeitete Lebensmittel, insbesondere Speiseöl, Kekse, Teigwaren

    4,1

    Arcor (Argentinien)Verarbeitete Lebensmittel, insbesondere Süßigkeiten, Schokolade, Kekse, Eiscreme

    3,5

    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2024; Dun & Bradstreet 2024

    Risiken in den Lieferketten müssen berücksichtigt werden

    Ob Fleisch aus Brasilien, Kaffee aus Kolumbien oder Avocados aus Mexiko Lateinamerika ist ein wichtiger Lieferant Deutschlands von Nahrungsmitteln. Bislang exportiert die Agrarwirtschaft hauptsächlich Rohwaren. Deutsche Abnehmer müssen im Zuge des neuen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) verstärkt menschenrechtliche Risiken berücksichtigen. Hier besteht in Lateinamerika das Risiko potenzieller Verstöße: Dazu gehören etwa unrechtmäßige Kinderarbeit in der mexikanischen Landwirtschaft, die Ausbeutung von Migranten bei der Kaffeeernte in Kolumbien oder eine hohe Informalität im brasilianischen Agrarsektor.

    Absatzmarkt für deutsche Spezialitäten

    Weniger als 1 Prozent der deutschen Branchenexporte werden nach Lateinamerika versandt meist Schokolade, Süßwaren, Wurst- und Käsewaren, Bier und Müsli. In der Regel handelt es sich um hochwertige Produkte für Haushalte in oberen Einkommensschichten. Zur Erschließung der Märkte fertigen deutsche Hersteller vereinzelt auch vor Ort. Die Oetker-Gruppe produziert in Brasilien und Mexiko unter anderem Götterspeise. Auch Haribo, Ehrmann und Melitta verfügen über Werke in Brasilien.

    In vielen Ländern der Region verschärfen die Gesundheitsbehörden die Richtlinien zum Gehalt von Zucker, Fetten und Natrium. Damit sollen die öffentlichen Gesundheitsausgaben geschont werden. Nach Mexiko überholten zuletzt Brasilien, Argentinien, Chile, Uruguay und Kolumbien die Vorgaben zur Etikettierung. Branchenexperten zufolge gewöhnen sich die Kunden jedoch schnell an die Kennzeichnung und der Konsum der betroffenen Lebensmittel sinkt kaum.

    Kontaktadressen
    KontaktadresseAnmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    Expo ANTAD & AlimentariaInternationale Messe, März 2025 in Guadalajara (Mexiko) 

    Anuga Select Brazil

    Internationale Messe, 08. bis 10.04.2025 in São Paulo (Brasilien)
    Expoalimentaria Internationale Messe, 25. bis 27.09.2024 in Lima (Peru)

    Associação Brasileira da Indústria de Alimentos (ABIA)

    Verband der Nahrungsmittelindustrie in Brasilien
    ChilealimentosVerband der Nahrungsmittelindustrie in Chile
    Asociacion Nacional de Tiendas de Autoservicio y Departamentales (ANTAD)

    Mexikanischer Einzelhandelsverband

    Cámara de la Industria de AlimentosVerband der Nahrungsmittelindustrie in Kolumbien
    Asociación Nacional de Fabricantes de Alimentos y Bebidas (ANFAB)Verband der Nahrungsmittelindustrie in Ecuador

     

    Von Edwin Schuh, Gloria Rose | Mexiko-Stadt, São Paulo

  • Rohstoffe: Lateinamerika wartet nicht auf Europa

    Die Hoffnungen in Deutschland und Europa auf die Bodenschätze des Subkontinents sind groß. Doch nach wie vor fehlt es an konkreten Vorhaben. Andere Länder zeigen, wie es geht. (Stand: 25.11.2024)

    Lateinamerika zählt zu den wichtigsten Bergbauregionen der Welt. Bei vielen Vorkommen liegt der Subkontinent auf den vorderen Rängen. Das gilt besonders für Kupfer, Silber und Lithium. Interessant sind aber auch die Vorkommen an Blei, Eisen, Gold, Graphit, Molybdän, Zink und Zinn.

    Steigen könnte die Bedeutung der Region künftig bei der Förderung weiterer als kritisch eingestufter Elemente wie Indium, Germanium oder Tellur sowie seltener Erden. Deren Vorkommen sind vielfach noch nicht ausreichend erforscht - ein Thema, mit dem sich unter anderem die Asociación de Servicios de Geología y Minería Ibanoamericanos (ASGMI) befasst.

    Sekundärbergbau mit viel Potenzial

    Noch viel weniger erforscht sind die unzähligen Abraumhalden auf dem Kontinent. Hier lagern ungehobene Schätze – und manche ökologische Zeitbombe. So arbeitet Peru mit Unterstützung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) daran, 47 Abraumhalden auf Umweltgefahren, aber auch nach ihrem Wiederaufbereitungspotenzial zu katalogisieren. 

    "Es kann durchaus einfacher und preiswerter sein, Wertstoffe aus Halden und Tailings zu gewinnen, als eine neue Mine zu eröffnen.  Zugleich tut man etwas Positives für die Umwelt, indem Halden verkleinert oder sogar Giftstoffe entfernt werden. Dies gilt speziell für Halden und Tailings, die in den 1950er- bis 1970er-Jahren entstanden sind, als die Abbaumethoden noch nicht so effizient waren wie heute." 

     

    Iris Wunderlich Leiterin des Kompetenzzentrums Bergbau an der AHK Chile

    In Chile etwa gebe es Tailings mit einem Gesamtvolumen von 11,4 Milliarden Tonnen, die verschiedenste Elemente wie Arsen, Zyanid, Kupfer, Zink, Chrom oder Blei enthielten, sagt Wunderlich. Und das sei noch nicht alles: Chile habe das Potenzial zum weltweit drittgrößten Kobaltproduzenten zu werden, denn allein aus den Abraumhalden ließen sich zwischen 15.000 und 25.000 Tonnen gewinnen. Das sei auch deshalb interessant, weil bisher rund drei Viertel der Weltproduktion aus dem politisch heiklen Kongo stammten.

    Lateinamerika lockt mit großer Projektpipeline 

    Zugleich befinden sich überall Großprojekte in der Pipeline. Allerdings sind im Bergbau die Vorlaufzeiten von der Exploration bis zum Produktionsstart erheblich.

    "Nicht allein, weil die Nachfrage steigt, wird der Rohstoff abgebaut – so läuft es im Bergbau nicht. Bestehende Minen können ihre Produktion nur begrenzt steigern und die Entwicklung neuer Projekte kann unter Umständen 10 bis 20 Jahre dauern."

    Achim Constantin Experte für nachhaltigen Bergbau in Lateinamerika, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)

    Das gilt jedoch nicht für alle Abbauformen. So heizt der rekordhohe Goldpreis den illegalen Bergbau in Peru, Ecuador, Kolumbien oder Brasilien an, auch weil sich die informellen Mineros nicht um Genehmigungsverfahren scheren. Umgekehrt leiden viele Segmente unter der schwächelnden Nachfrage, vor allem aus China, und den damit einhergehenden niedrigen Preisen bei zugleich gestiegenen Zinsen. In Ländern wie Ecuador oder Argentinien haben die politischen und sozialen Unwägbarkeiten zugenommen. All dies lässt die Firmen zum Teil vorsichtiger agieren.

    Bedingungen im Bergbau sind von Land zu Land unterschiedlich

    • Länder wie Chile, Brasilien oder Mexiko verfügen über eine lange Bergbautradition, große Minen und erfahrene Fachleute in den Behörden; dagegen stehen Staaten wie Ecuador oder Panama noch am Anfang.
    • In Lateinamerika sind viele internationale Bergbaukonzerne tätig, die oft nach eigenen Standards arbeiten; ihnen stehen mittelgroße, meist nationale Unternehmen gegenüber sowie häufig ein großer informeller/illegaler und damit völlig unkontrollierter Bergbau, wie etwa in Peru oder Ecuador.
    • Die Investitionsvolumina und ökologischen Konsequenzen des Bergbaus variieren stark, je nach Rohstoff und Art der Vorkommen (Tage-/Untertagebau, Erze in Gestein/Sole in Salaren, Freisetzung giftiger Metalle beim Abbau).

     

    Mehr Sorgfaltspflichten

    Soziale und Umweltaspekte gewinnen im Rohstoffsektor immer mehr an Gewicht – von Seiten der Öffentlichkeit, des Staates, der lokalen Bevölkerung sowie der Unternehmen und ihrer Shareholder. Besonders für nicht traditionelle Bergbauländer ist das eine enorme Herausforderung. Druck kommt auch von den Kunden. Sie fordern zunehmend Zertifizierungen wie IRMA oder Copper Markum sich wiederum gegenüber den eigenen Kunden und der Öffentlichkeit abzusichern.

    Verstärkt wird dieser Trend durch das deutsche beziehungsweise europäische Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Beide verpflichten Unternehmen, die Einhaltung sozialer und Umweltstandards ihrer Lieferanten sicherzustellen. Umgekehrt bereiten sich jetzt viele Bergbaukonzerne mit Zertifizierungen darauf vor. 

    Ein Zukunftsthema ist der verantwortungsvolle Umgang mit Minenschließungen. Vorreiter ist Chile. Die Bergbaubehörde Sernageomin ist dabei, die Folgen des Klimawandels auf Minenschließungen zu untersuchen. Große Bergbaufirmen extrapolieren bereits die Zunahme von Extremwetterlagen wie Starkregen auf die kommenden Jahrhunderte, um ihre Operationsrisiken zu minimieren. 

    "Grundsätzlich ist die Erhöhung der Standards positiv. Zum Beispiel mussten viele Bergbaubetriebe ihre Beschwerdemechanismen verbessern und für lokale Gemeinden zugänglicher gestalten, um eine gute Benotung von IRMA oder Copper Mark zu bekommen. Allerdings müssen wir dafür sorgen, dass auch kleinere und mittlere Bergbauunternehmen, die oft finanziell schlechter aufgestellt sind, dabei unterstützt werden, diese Standards zu übernehmen."

    Nicolas Maennling Experte für nachhaltigen Bergbau bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ)

    Automatisierung stellt Sektor vor neue Herausforderungen

    Automatisierung und Digitalisierung tragen dazu bei, die Produktivität zu steigern und die Risiken für die Beschäftigten zu verringern. Sie stellen die Betriebe aber auch vor neue Herausforderungen. "Natürlich ist es gut, wenn weniger Menschen in ungesicherten Gruben schuften müssen. Doch die in stark durchautomatisierten und -digitalisierten Minen geforderten 'Silicon-Valley-Qualifikationen' sind selbst bei Ausbildungsmaßnahmen vor Ort kaum zu erreichen. Letztlich erschwert dies die notwendige 'Social Licence to operate', an der immer mehr neue Projekte zu scheitern drohen", so ein Insider.

    Und dabei gehe es nicht nur um Jobs im Bergbau, denn die dort generierten Einkommen helfen auch der lokalen Gastronomie, dem Transportgewerbe und weiteren Sektoren. Viele Gemeinden akzeptierten den Bergbau vor ihrer Haustür nur, wenn er für sie Arbeitsplätze und Einkommen schaffe. Hier gelte es, eine Balance zu finden.

    Der "neue" Blick auf Lateinamerika

    Im Zuge zunehmender geopolitischer Spannungen und der Neuausrichtung von Lieferketten blicken die USA und Europa vermehrt auf Lateinamerika. Der Westen bemüht sich um neue Rohstofflieferanten, um Abhängigkeiten zu Ländern wie Russland und China zu verringern. Zwar ist auch Lateinamerika keine Insel der Seligen: Nicht wenige Länder leiden unter Korruption, schwachen staatlichen Institutionen oder organisiertem Verbrechen. Trotzdem schaffen viele immer wieder demokratisch legitimierte Machtübergänge oder stehen Europa wertemäßig näher als die genannten Autokratien.

    Vor diesem Hintergrund versucht die EU über die Global-Gateway-Initiative und den Abschluss von Rohstoffpartnerschaften, ihre Präsenz zu stärken. Mit Annahme der Verordnung zu kritischen Rohstoffen am 18. März 2024 wird der Druck weiter zunehmen, außerdem können die EU-Kommission und Mitgliedsstaaten Projekte als strategisch einstufen und fördern.

    Das größte Manko ist jedoch das Fehlen konkreter Projekte. Denn Europa ist nicht der einzige Interessent vor Ort. Der mit gewaltigem Abstand wichtigste Initiator für kommende Vorhaben ist Kanada. Auch China ist schon seit über einer Dekade dabei, sich gezielt Zugang zu Rohstoffen zu sichern – ohne sich in Fragen zu sozialen oder ökologischen Standards zu verlieren, auch wenn der chinesische Impetus etwas an Schwung verloren hat. Unter den 30 wichtigsten in Vorbereitung befindlichen Bergbauprojekten Lateinamerikas (ohne Lithium) kommt kein einziges aus der EU.

    Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

  • Kreislaufwirtschaft in Lateinamerika auf dem Vormarsch

    Lateinamerika hinkt beim Thema Kreislaufwirtschaft noch hinterher. Neue Strategien sollen Abhilfe schaffen. Doch strukturelle Hürden bestehen weiter. (Stand: 04.11.2024)

    Jeder Einwohner Lateinamerikas produziert täglich 1 Kilogramm Müll. Das ist 0,26 Kilogramm mehr als der weltweite Durchschnitt, so Zahlen der Weltbank von 2018. Neuere Angaben liegen nicht vor. Beim Recycling hinkt die Region noch hinterher. Nur 4,5 Prozent aller Abfälle werden wiederverwertet, deutlich weniger als der weltweite Durchschnitt von 13,5 Prozent, berichtet die Interamerikanische Entwicklungsbank.

    Zwei Drittel des Mülls landen auf regulären Mülldeponien. Der Rest wird meist auf offenen Müllhalden entsorgt oder verbrannt. Gleichzeitig stoßen die Deponien in vielen Ländern an ihre Kapazitätsgrenzen, während das Müllaufkommen weiter zunimmt. Der Handlungsdruck steigt – und das Interesse an Kreislaufwirtschaft wächst. Dies bietet Geschäftschancen für deutsche Unternehmen.

    Nationale Strategien setzen auf Kreislaufwirtschaft

    Mehrere Länder der Region haben in den vergangenen Jahren Gesetze zur Förderung der Kreislaufwirtschaft erlassen, darunter Chile, Kolumbien, Uruguay, Ecuador und Peru. In Mexiko-Stadt trat 2023 ein entsprechendes Gesetz in Kraft. Es soll Anreize für Unternehmen schaffen, Kreislaufmodelle einzuführen, beispielsweise durch ein freiwilliges Verfahren, bei dem kreislaufwirtschaftliche Kriterien bewertet und Siegel ausgestellt werden. In Brasilien hat der Senat im März 2024 dem Gesetzvorschlag PL 1.874/2022 zur Schaffung einer nationalen Kreislaufwirtschaftspolitik zugestimmt. Allerdings stockt das Vorhaben bisher.

    In Chile soll das Kreislaufwirtschaftsgesetz Ley REP dazu beitragen, die bislang sehr niedrigen Recyclingquoten zu steigern. Eine Zielmarktanalyse der AHK Chile empfiehlt deutschen Firmen, sich zu positionieren und Netzwerke aufzubauen. Besonders gefragt seien technische Verfahren zur Herstellung von Mehrwertprodukten aus Abfällen – speziell auch aus Deutschland.

    In Kolumbien soll nach der Einführung einer nationalen Strategie für Kreislaufwirtschaft (ENEC) vor einigen Jahren das Programm "Basura Cero" aus dem nationalen Entwicklungsplan 2022-2026 die Müllverwertung fördern. Ein neues Modell für Abfallmanagement in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá sieht vor, dass ab 2026 ein Drittel weniger Müll auf der Deponie landet. Dazu beitragen sollen Anreize zur Müllverwertung und der Bau neuer Müllsortieranlagen im Großraum Bogotá. Esenttia, eine Tochter des Staatskonzerns Ecopetrol, arbeitet mit Partnerunternehmen am ersten Projekt für komplexes Chemierecycling in Lateinamerika, so Unternehmensaussagen. 

    Ausgewählte Projekte in Lateinamerikas Abfallwirtschaft
    Projektname

    Investitionssumme (in Mio. US$)

    StandProjektträger
    Kommunaler Abfallbehandlungskomplex Cochabamba (Bolivien)

    184

    Absprachen mit lokalen GruppenKommunale Autonome Regierung von Cochabamba
    Komplex für die Abfallwirtschaft in Quito (Ecuador)

    180

    Vergabe April 2025, Betrieb ab 2027 EMGIRS
    Ersatzbrennstoffanlage Mérida (Mexiko)

    163

    MachbarkeitsphaseCiclo, Alengo, Spontem
    Abfallbehandlungszentrum Consimares (Brasilien)

    100

    Energieabnahme wird geklärt, Vergabe Mitte 2025Consórcio Intermunicipal do Lixo (Consimares)
    Zentrum für industrielle Abfallwirtschaft CIGRI (Chile)

    85

    UmweltstudienCiclo
    Energetische Abfallverwertungsanlage Araucanía (Chile)

    80

    Berufungsphase der UmweltprüfungWTE Araucanía
    Abfallaufbereitungsanlage Mazatlán (Mexiko)

    52

    FrühphaseStadtverwaltung Mazatlán
    Mülldeponie Los Ríos (Chile)

    12

    Baufortschritt bei weniger als 30 Prozent, Betriebsdatum steht ausStadtverwaltung Valdivia, Servimar
    Biogasanlage Xalapa (Mexiko)

    6

    FrühphaseStadtverwaltung Xalapa
    Quelle: BNamericas 2024

    Fokus auf private Beteiligung bei Projekten

    In Brasilien gelang es in der Vergangenheit zwar noch nicht, in großem Umfang private Investoren für Abfallprojekte zu gewinnen. Doch gab die brasilianische Regierung im Mai 2024 neue Vorgaben zur Strukturierung von Verträgen heraus. Nun werden über das Programm für Investitionspartnerschaften (PPI) Verträge für 14 Regionen ausgearbeitet. Finanziert wird die Ausarbeitung der öffentlich-privaten Partnerschaften durch den Fonds FEP der staatlichen Bank Caixa. Die steigende Nachfrage nach Deponiegas macht Projekte immer attraktiver. Gleichzeitig investieren Brasiliens Zucker-Ethanol-Industrie, der Papier- und Zellstoffsektor sowie Großkonzerne des Agribusiness in effizientere Verfahren zur Reststoffverwertung und Bioenergiegewinnung

    Fokus auf PET

    Laut einer Studie der Investmentgesellschaft für Kreislaufwirtschaft Circulate Capital sucht Brasiliens Industriesektor nach Lösungen für sein Verpackungsmanagement. Es bestehe eine hohe Nachfrage nach recyceltem Polyethylenterephthalat (PET). Dies gilt auch für Mexiko. Wegen der steigenden Nachfrage nach wiederverwerteten Kunststoffen baut der Verpackungshersteller Envases seine Recyclinganlage in Zentralmexiko aus. Das Unternehmen PetStar möchte bis 2027 seine Anlagen erweitern und in neue Sammelstellen investieren.

    Deutsches Unternehmen baut erste Ersatzbrennstoffanlage Lateinamerikas

    Deutsche Unternehmen sind führend in der Branche. So plant die Firma Alengo im mexikanischen Mérida zusammen mit Partnerunternehmen eine Anlage zur Herstellung von Ersatzbrennstoffen (Refuse-derived fuel, RDF). Die Anlage wird die erste ihrer Art in Lateinamerika sein und soll Abfälle in Pellets umwandeln, ein Brennstoff, der bislang hauptsächlich in Europa verwendet wird. Latasa Reciclagem, Brasiliens größter Aluminiumrecycler, setzt auf Sortiersysteme des Kölner Unternehmens Steinert. Die Firma Eggersmann liefert Kompostumsetzer an Patrón in Mexiko. Die größten Sortieranlagen in Lateinamerika, unter anderem in Brasilien und Mexiko, setzen auf Sortiertechnologie von Stadler aus Baden-Württemberg.

    Viele Mülldeponien sind voll

    In vielen Ländern kommen die Deponien an ihr Kapazitätslimit – oder haben dieses schon überschritten. In Kolumbien hatte 2022 mehr als jede zehnte Deponie die vorgesehene Lebensdauer überschritten. Mehr als ein Viertel der Halden hat eine Restlaufzeit von weniger als drei Jahren.

    Im Umland der chilenischen Hauptstadt Santiago stehen in den nächsten Jahren zwei Großdeponien vor der Schließung. Mittelfristig wird in Chile Technologie zum Aus- oder Neubau von Deponien benötigt. Allerdings sind die Planungs- und Genehmigungsprozesse langwierig und die Umsetzung von Projekten kann an Gegenwind aus der Bevölkerung oder politischem Widerstand scheitern. 

    Was passiert mit den Siedlungsabfällen in der Region?Daten zu Siedlungsabfällen in Lateinamerika und der Karibik (Jahr: 2021)
    Indikator

    Menge in Millionen Tonnen

    Jährliches Aufkommen an Siedlungsabfällen

    230

    Gesammelte Siedlungsabfälle

    195

    Siedlungsabfälle auf regulären Deponien

    106

    Nicht gesammelte Siedlungsabfälle und Siedlungsabfälle auf irregulären Deponien

    94

    Siedlungsabfälle mit unbekanntem Ziel

    20

    Aufbereitete Siedlungsabfälle

    10

    Quelle: UNEP, IDB (HUB Waste and Circular Economy) 2024

    Strukturelle Hindernisse behindern Modernisierung

    Zwar sind Länder wie Chile und Kolumbien schon recht weit bei der Gesetzgebung zur Abfallverwertung und gelten lateinamerikaweit als führend. Doch wegen niedriger Deponierungskosten bleiben Anreize für nachhaltige Abfalltechnologien aus. In den meisten Ländern Lateinamerikas ist die Deponierung die billigste und einfachste Variante, sich des Mülls zu entledigen. Niedrige Tarife sorgen dafür, dass sich andere Behandlungsmethoden kaum rentieren. Das Abfallmanagement bildet die Lebensgrundlage Tausender Müllsammler und -verwerter. Deutsche Unternehmen können durch sozial nachhaltige Geschäftsmodelle hervorstechen.

    "Nachhaltigkeit in Lateinamerika ist ein heißes Thema"

    Rafaela Craizer, Technische Direktorin des Beratungsunternehmens BlackForest Solutions Rafaela Craizer, Technische Direktorin des Beratungsunternehmens BlackForest Solutions | © MATTHIAS KAUFFMANN

    Rafaela Craizer ist Technische Direktorin des Beratungsunternehmens BlackForest Solutions. Im Interview mit GTAI berichtet sie über Trends und Chancen in der Abfallwirtschaft in Lateinamerika.

    Frau Craizer, welche Trends beobachten Sie in der lateinamerikanischen Abfallwirtschaft?

    Aktuell erleben wir einen verstärkten Ausbau von Müllsortieranlagen in einigen Märkten Lateinamerikas, und der Sektor zieht erhebliche Investitionen an. Zugleich sind Regierungen zunehmend bereit, in Technologien zur Verwertung organischer Abfälle zu investieren. Nachhaltigkeit ist ein wichtiges und aktuelles Thema in Lateinamerika, auch wenn es bei der Implementierung noch Potenzial gibt. Beispielsweise wird 2025 die UN-Klimakonferenz COP30 in Brasilien ausgerichtet. Zusätzlich gewinnen Fachmessen, wie die IFAT Brasil in São Paulo, an Bedeutung.

    Welche Geschäftschancen gibt es für deutsche Unternehmen?

    Deutsche Unternehmen haben gute Chancen von den positiven Entwicklungen zu profitieren, da sie einen guten Ruf genießen. Deutschland wird oft als Synonym für Kreislaufwirtschaft gesehen. Der Trend hin zu stärkeren Gesetzgebungen, beispielsweise zur erweiterten Herstellerverantwortung (EPR), sorgt dafür, dass künftig die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards und Producer Responsibility-Organisationen (PRO) an Bedeutung gewinnen. 

    Was sind Hürden?

    Ähnlich wie in vielen anderen Märkten stellt die Finanzierung eine erhebliche Herausforderung im Sektor dar. Beispielsweise zahlt nur ein gewisser Anteil der Bevölkerung Abfallgebühren, während die operativen Ausgaben und Ausbaubedarfe steigen. Dadurch ist das System unterfinanziert und viele Behörden können nicht in notwendige Technologien und Infrastrukturen investieren. 

    Was raten Sie deutschen Unternehmen, um im Sektor erfolgreich zu sein?

    Da der Preis häufig noch ein entscheidender Faktor in der Region ist, sollten deutsche Firmen bei Produktion und Dienstleistungen so viel wie möglich lokal herstellen beziehungsweise auf lokales Personal setzen. Dadurch können Firmen aus Deutschland im Markt wettbewerbsfähig bleiben. Da viele große Unternehmen bereits präsent sind, kommt es darauf an, innovativ und kreativ zu sein.

    Von Janosch Siepen | Bogotá

  • Medizintechnik: Lateinamerika bietet interessantes Potenzial

    Mit 670 Millionen Einwohnern ist Lateinamerika ein wichtiger, aber komplexer Abnehmer von Medizintechnik. Deutschland ist nach den USA und China der drittwichtigste Lieferant. (Stand: 23.10.2024)

    Eine alternde Bevölkerung, die Zunahme chronischer Krankheiten und der Ausbau der öffentlichen Gesundheitsversorgung kurbeln die Nachfrage nach Medizintechnik in Lateinamerika mittelfristig an. Vor allem Zahnmedizin, plastische Chirurgie und E-Health werden nach Einschätzung von Experten weiter an Bedeutung gewinnen. Ein kleiner, aber fortschrittlicher privater Gesundheitssektor bietet gute Absatzmöglichkeiten für hochwertige Spezialprodukte.

    Wichtigster Absatzmarkt ist Mexiko, gefolgt von Brasilien, Kolumbien und Chile. In Ländern wie Argentinien, Ecuador oder Venezuela wirken sich volatile Währungen und instabile politische Verhältnisse negativ auf das Geschäftsumfeld aus. Zugleich sorgen Modernisierungsbedarf und Nachhaltigkeitstrends für Impulse, so dass in der Region künftig neue Technologien wie chirurgische Robotik mehr Kunden finden könnten.

    "Aktuell sehen wir einen dynamischen Absatz in Lateinamerika im Gegensatz etwa zu Europa oder Asien. Brasilien ist unser wichtigster Markt in der Region, weil wir dort eine große Fabrik für Infusionslösungen sowie 400 Vertriebsmitarbeiter haben." 

    Carlos Jimenez Geschäftsführer von B. Braun Mexiko

    Mexiko baut seine Position als größter Markt aus

    In Mexiko stieg das Marktvolumen von Medizintechnik zuletzt schneller als erwartet. Hauptgrund hierfür war ein starker mexikanischer Peso. Umgerechnet auf die rund 130 Millionen Einwohner fiel der Umsatz pro Kopf 2023 sogar höher aus als beim traditionellen Spitzenreiter Chile. Für Mexiko erwartet der Marktforscher BMI in den kommenden Jahren das stärkste Wachstum unter den großen Ländern Lateinamerikas: Im Jahr 2027 soll in Mexiko Medizintechnik im Wert von 12,2 Milliarden US-Dollar (US$) verkauft werden, fast 45 Prozent mehr als 2023.

    Die seit Oktober 2024 amtierende Präsidentin Claudia Sheinbaum will in ihrer sechsjährigen Amtszeit die öffentliche Gesundheitsversorgung in entlegenen Landesteilen verbessern. Ihr Regierungsprogramm sieht vor, über die Gesundheitskasse IMSS Bienestar in 154 bisher unversorgten Gemeinden neue Gesundheitszentren zu errichten. Dadurch soll bis 2030 mindestens eine Gesundheitseinrichtung mit Basisversorgung für je 3.000 Einwohner bereitstehen. Deutsche Anbieter von Medizintechnik klagen schon länger über langwierige Prozesse bei der Zulassungsbehörde für Medizinprodukte COFEPRIS und über Budgetkürzungen im öffentlichen Gesundheitssektor.

    Unternehmen wie Medtronic, Becton Dickinson, Baxter, Fresenius, GE Healthcare, Johnson & Johnson und Siemens Healthineers produzieren in Mexiko. Das macht das Land zum größten Hersteller von Medizintechnik in Lateinamerika. Nach Angaben des mexikanischen Statistikamtes lag das Produktionsvolumen 2021 bei 12,3 Milliarden US$. Rund 98 Prozent davon ist für Lieferungen in die USA bestimmt.

    Dank des Nearshoring dürften sich mittelfristig weitere Firmen im Land ansiedeln. So legte Becton Dickinson im Juli 2024 den Grundstein für ein drittes Werk in der Grenzstadt Ciudad Juarez, die Investitionen liegen bei 80 Millionen US$. Neue Werke hat das Unternehmen zuletzt in Hermosillo (Sonora) und Tijuana (Baja California) eröffnet.

    Nur geringes Wachstum in Brasilien erwartet

    Brasilien ist mit rund 210 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Lateinamerikas und der zweitgrößte Absatzmarkt für Medizintechnik in der Region. Auch wenn die Gesundheitsversorgung unter Präsident Lula da Silva wieder höhere Priorität hat, rechnet BMI bis 2027 nur mit niedrigen einstelligen Wachstumsraten. Den Markt bremsen eine weniger wettbewerbsfreundliche Wirtschaftspolitik und die weiterhin hohe Arbeitslosigkeit (6,8 Prozent Mitte 2024).

    Laut BMI entfielen 2023 rund 1,7 Milliarden US$ des Bedarfs auf Verbrauchsmaterialien, 1 Milliarde US$ auf orthopädische Produkte und 0,9 Milliarden US$ auf Geräte zur diagnostischen Bildgebung. In der letztgenannten Kategorie kommt Siemens Healthineers auf einen Marktanteil von rund einem Drittel. Das Unternehmen stellt Röntgengeräte und Ultraschallgeräte unter anderem in Joinville (Bundesstaat Santa Catarina) her.

    Unsichere Rechtslage in Kolumbien

    In Kolumbien soll das Marktvolumen für Medizintechnik in den kommenden Jahren auf 2 Milliarden US$ steigen. Damit ist das Land der drittgrößte Markt in Lateinamerika. Die rund 53 Millionen Einwohner wurden verstärkt in das Gesundheitssystem integriert, so dass mittlerweile rund 99 Prozent der Kolumbianer abgedeckt werden. Die Gesundheitsinfrastruktur ist noch stark ausbaufähig. Vor allem in der Hauptstadt Bogotá investiert das Land in zahlreiche Krankenhäuser, insbesondere in den ärmeren Stadtteilen.

    Eine von Präsident Gustavo Petro angestrebte Gesundheitsreform wurde im April 2024 durch den Senat abgelehnt. Die Gesundheitsbranche zeigt sich darüber erleichtert, da die Reform nach Ansicht von Experten zu mehr Ineffizienz und Korruption geführt hätte. Im September 2024 hat die Regierung die Reform jedoch in abgeschwächter Form erneut als Gesetzentwurf in den Kongress eingebracht, der nun darüber beraten wird.

    Wirtschaftliche Turbulenzen in Argentinien

    Trotz der relativ kleinen Bevölkerung von nur 20 Millionen Einwohnern zählt Chile aufgrund der hohen Pro-Kopf-Ausgaben im Gesundheitsbereich zu den interessanteren Märkten. Das Land profitiert von hohen Kupferpreisen, die auch das Regierungsbudget stärken. Mittelfristig sind die Aussichten für die Verkäufe von Medizintechnik daher positiv. Gleichzeitig besteht ein kaum auflösbarer Reformstau, der auch das Gesundheitswesen betrifft. Zusammen mit der ausufernden Bürokratie unter der Regierung von Gabriel Boric verunsichert das die Wirtschaft und verhindert ein dynamischeres Wachstum.

    Die Wirtschaftskrise in Argentinien, verbunden mit der weltweit höchsten Inflationsrate (September 2024: 209 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat) und einem komplizierten Devisenregime, erschwert ausländischen Unternehmen das Geschäft. Zudem führte Präsident Javier Milei Sparmaßnahmen auch im öffentlichen Gesundheitssektor ein. Ab 2025 rechnen Analysten jedoch wieder mit einer deutlich besseren Wirtschaftslage. Davon dürften auch die Verkäufe von Medizintechnik profitieren. Nach einem Einbruch auf nur noch 542 Millionen US$ erwartet BMI in den folgenden Jahren zumindest wieder das Niveau von 2023. Auch der Arzneimittelabsatz dürfte künftig wieder steigen.

    Strategien deutscher Medizintechnikhersteller in der Region

    Firmen wie B. Braun, Siemens Healthineers, Fresenius oder Dräger sind seit Jahrzehnten in der Region aktiv, häufig mit eigener Produktion vor Ort. B. Braun weihte 2022 in der Dominikanischen Republik eine neue Produktionsstätte ein, deren Personal derzeit von 1.300 auf 2.500 Personen aufgestockt wird. Sie liegt in der Freihandelszone Zona Franca Las Américas und beliefert ausschließlich die USA. Der Standort biete ideale Bedingungen für die Produktion und den Export, so das Unternehmen. Auch in Kolumbien (chirurgisches Nahtmaterial) und Argentinien (Infusionslösungen) produziert B. Braun lokal. Mittelfristig erwägt das Unternehmen neue Produktionsstätten in Peru und in Mexiko.

    Fresenius Medical Care (FMC) hingegen verkaufte im März 2024 das Netz an Dialysekliniken in Brasilien, Kolumbien, Chile und Ecuador für 300 Millionen US$ an den US-Konkurrenten DaVita. Ziel der Transaktion sei es, "Komplexität zu verringern und Profitabilität zu erhöhen", so Helen Giza, Geschäftsführerin von FMC in einer Pressemitteilung. Insgesamt seien 154 Dialysekliniken mit 7.100 Mitarbeitern betroffen. Aus Argentinien hatte sich FMC bereits Ende 2023 verabschiedet, betreibt jedoch weiterhin Produktionswerke für Dialyselösungen in Bogotá (Kolumbien), Guadalajara (Mexiko) und im Bundesstaat São Paulo (Brasilien).

    Von Edwin Schuh | Mexiko-Stadt

  • Wasserwirtschaft in Lateinamerika auf Modernisierungskurs

    Lateinamerika hat enorme Wasserressourcen. Doch ineffiziente Nutzung und der Klimawandel sorgen für Probleme. Viele Länder investieren in deutsche Technologie. (Stand: 04.11.2024)

    Lateinamerika beherbergt lediglich 8 Prozent der Weltbevölkerung, aber ein Drittel der weltweiten Süßwasserressourcen. Trotzdem machen Trockenheit, veraltete Infrastruktur und Wasserverschwendung der Region zu schaffen. Weil viele Länder ihre Wasserwirtschaft modernisieren, ergeben sich zahlreiche Chancen für deutsche Anbieter in der ganzen Breite des Sektors. 

    Trockenheit stellt Wasserversorgung vor Herausforderungen

    Amazonas und Atacama – Wasserreichtum und -knappheit liegen in Lateinamerika eng beieinander. Dabei stellen der Klimawandel, zunehmende Extremwetterereignisse und der steigende Wasserverbrauch viele Länder der Region vor große Herausforderungen. Hierzu zählt Chile: Rund drei Viertel des Landes sind von Dürre, Wüstenbildung oder Bodenverschlechterung betroffen. Doch geht immer noch viel Wasser durch Lecks in Wasserleitungen verloren.

    Auch viele Gebiete in Mexiko sind stark von Trockenheit und zunehmendem Wassermangel betroffen. In der Hauptstadt des Landes gingen die Menschen Ende Januar 2024 auf die Straße, um gegen die Trinkwasserknappheit zu protestieren. In den Wochen zuvor hatten die Behörden den Trinkwasserzufluss für Teile der Hauptstadt gedrosselt. Auch in anderen Regionen des Landes kommt es regelmäßig zu Wasserknappheit. Im Regierungsprogramm der seit Oktober 2024 amtierenden Präsidentin Claudia Sheinbaum wird dem Thema Wasser daher ein eigenes Kapitel gewidmet. In besonderem Fokus steht die Landwirtschaft. Ihr Wasserverbrauch soll effizienter werden. Zudem gilt das Ziel, im Jahr 2030 mindestens 70 Prozent des von den Gemeinden und der Industrie verbrauchten Wassers wieder aufzubereiten. Ende 2024 lag die Quote noch bei 49 Prozent (Gemeinden) beziehungsweise 33 Prozent (Industrie).

    Ihre Exportchancen in mehr als 20 Ländern

    Wir haben besonders aussichtsreiche Wassermärkte in Lateinamerika, Asien, Afrika und Europa unter die Lupe genommen. Alle Länderanalysen finden Sie auf unserer Seite zum Wassersektor.

    Angespannte Situation eröffnet Geschäftschancen

    Die zunehmende Wasserknappheit erfordert gewaltige Investitionen. Im Norden Mexikos entstehen neue Wasserleitungen und -speicher. In Brasilien fließen Milliarden in die Trinkwasserversorgung und Abwasserbehandlung. Private Betreiber investieren verstärkt in Sensortechnik und innovative Lösungen, um Wasserverluste und -diebstahl zu reduzieren. Auch die Meerwasserentsalzung gewinnt an Bedeutung, allen voran in Chile und Peru, wo Projekte in den Startlöchern stehen. 

    Ausgewählte Projekte im lateinamerikanischen Wassersektor

    Land

    Projektname

    Investitionssumme in Mio. US$

    Projektstand

    Betreiber / Investor

    Mexiko

    Meerwasserentsalzungsanlage Mar de Cortés – Puerto Peñasco (1 Mio. m³/Tag)

    5.500

    Projekt ist Teil des Sonora-Wasserplans 2023-2053

    Konsortium Pierson Capital – IDE Technologies

    Chile

    Meerwasserentsalzungsanlage Aguas Marítimas (700.000 m³/Tag)

    5.000

    Bau ab 2026 vorgesehen

    Cramsa Infraestructura

    BrasilienPernambuco Saneamento (Wasserversorgung für 9,7 Mio. Menschen im Bundesstaat Pernambuco)

    4.800

    Konzession/PPP *) wird im 1. Halbjahr 2025 vergeben

    Vergabe erfolgt im 2. Quartal 2025

    Brasilien

    Sanierung des Tietê-Flusses (3. Phase)

    2.000

    Voller Betrieb ab 2027

    Sabesp

    Panama

    Wassermanagementsystem für den Panamakanal

    1.600

    Genehmigung vom Obersten Gerichtshof liegt vor, Vereinbarung mit lokalen Gemeinden wird gesucht

    Autoridad del Canal de Panamá

    Kolumbien

    Klärwerk Canoas

    1.544

    Vergabe und Baubeginn für 2025 vorgesehen

    EAAB-ESP

    BrasilienAusbau der Wasserversorgung in Sergipe

    1.225

    Konzession vergebenDeso, Iguá Saneamento
    PanamaMehrzweckreservoir im Becken des Indio-Flusses

    1.200

    Soziallizenz steht aus, Betrieb ab 2030Autoridad del Canal de Panamá

    Argentinien

    Unterirdische Wasserleitung von dem Klärwerk Juan Manuel de Rosas in die Metropolregion Buenos Aires

    1.200

    Frühkonzipierung, Finanzierung unklar

    Secretaría de Infraestructura y Política Hídrica / AySA

    Chile

    Meerwasserentsalzungsanlage Aconcagua (1.000 l/s)

    1.000

    Baufortschritt bei 40 Prozent, Betrieb ab 2025

    Aguas Pacífico / IDE Technologies

    * Public Private PartnershipQuelle: BNamericas 2024; Recherchen von Germany Trade & Invest

    Eine große Herausforderung ist die Trinkwasserversorgung auf dem Land. Hier sind dezentrale Lösungen gefragt. Kolumbien setzt auf Wasseraufbereitungsmodule. Ende 2023 weihte das kolumbianische Wohnungsministerium im Rahmen eines Notfallplans im dünn besiedelten Bundesstaat La Guajira die erste von 100 geplanten Anlagen ein. Abseits davon installierte das Kölner Unternehmen mft in La Guajira Minikläranlagen und Boreal Light aus Berlin liefert drei Trinkwasseraufbereitungsanlagen.

    Chile modernisiert Kläranlagen, Kolumbien setzt verstärkt auf Technologie

    Der Stand der Abwasserreinigung in Lateinamerika ist sehr unterschiedlich. Aufgrund des erreichten hohen Standards setzt Chile auf die Modernisierung bestehender Klärwerke anstatt auf neue Großprojekte. Hiervon profitieren auch deutsche Unternehmen. "Die Kunden in Chile achten genau auf Effizienz und Return-on-Investment. Deshalb findet sich für gute deutsche Wertarbeit immer noch eine Nische", sagt Max von Igel, Regionaldirektor für Lateinamerika und die Karibik bei Huber Technology in Bayern.

    In Kolumbien steigt der Absatz moderner, effizienter Lösungen. Bei neuen Anlagen setzen die Betreiber unter anderem auf deutsche Technik: große Abwasserpumpen der pfälzischen Firma KSB sowie vollautomatisierte Zentrifugen von Flottweg aus Vilsbiburg. Zwar mangelt es in Kolumbien an neuen Großvorhaben des Staates, doch dürften deutsche Anbieter auch künftig gute Geschäfte machen. Auflagen für die Aufbereitung von Industriewasser, neue Qualitäts- und Effizienzstandards, hohe Energiekosten und ein Trend zu langlebigen Produkten sprechen für "made in Germany".

    Privatisierung des Wassermarkts in Brasilien

    Auch in Brasilien bieten sich wachsende Chancen. In den vergangenen Jahren hat Lateinamerikas größtes Land den Wassermarkt für private Betreiber geöffnet. Seitdem steigen die Investitionen zweistellig. Gut für Anbieter qualitativ hochwertiger Produkte: Die privaten Betreiber orientieren sich bei ihren Investitionsentscheidungen deutlich stärker an Effizienz sowie langfristigen Betriebs- und Wartungskosten. Im Juli 2024 hat der Bundesstaat São Paulo die Privatisierung des weltweit größten Wasserversorgers Sabesp abgeschlossen. Sabesp muss das Ziel einer universellen Versorgung umsetzen. Die Investitionen belaufen sich auf rund 14 Milliarden US$ bis 2029.

    In Peru bereitet die peruanische Investitionsförderungsagentur ProInversión die Vergabe von Wasserprojekten im Wert von 2,3 Milliarden US$ zwischen 2024 und 2026 vor. Zu den 21 Vorhaben zählen der Ausbau der Trinkwasserversorgung in Lima sowie Klärwerke in Huancayo und Trujillo.

    Wasserintensive Landwirtschaft soll effizienter werden

    Zunehmende Trockenheit trifft auch die Landwirtschaft, den größten Wasserverbraucher in den meisten Ländern Lateinamerikas. Auch hier fließen Investitionen in moderne Technik. Besonders fortschrittlich sind die großen Landwirte in Brasilien und Chile. Sie setzen auf Präzisionsbewässerung, die Nutzung von Luft- und Satellitenbildern und Monitoringsysteme.

    Auch die Regierungen sind tätig. So entstehen im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais neue Staudämme zur Bewässerung. Und die peruanische Regierung möchte mit dem Bewässerungssystem im Chancay-Tal die Wasserverluste in der Region verringern und neue landwirtschaftliche Flächen erschließen. In Kolumbien erleichtert das Programm "Incentivo a la capitalización rural" kapitalschwachen Kleinbauern die Finanzierung von Bewässerungsanlagen.

    Nachhaltige Wassernutzung spielt größere Rolle in der lateinamerikanischen Industrie

    Auch die Industrie in Lateinamerika steigert die Investitionen in moderne Wassertechnik, darunter das Recycling von Grauwasser. Dies gilt besonders für börsennotierte Unternehmen mit Nachhaltigkeitsstrategien. So nutzt das brasilianische Unternehmen Tramontina Regenwasser, während die Firma Eldorado auf die Wiederaufbereitung von verwendetem Wasser setzt. Eldorado ist in der Papier- und Zellstoffbranche tätig. Zusammen mit der Zucker-Ethanol-Industrie gehört diese zu den größten industriellen Wasserverbrauchern in Brasilien.

    Zudem setzen die Firmen vermehrt auf Meerwasserentsalzung, beispielsweise in Chiles durstigen Kupferminen. "2025 sollen 90 Prozent des Wassers, das in der chilenischen Bergbauindustrie genutzt wird, aus dem Meer kommen oder wiederverwendetes Wasser sein. Ein interessantes Szenario für die deutsche Industrie, die auf diesem Gebiet Technik und Know-how einbringen kann", sagt Iris Wunderlich, Leiterin des Kompetenzzentrums Bergbau an der AHK Chile.

    Von Janosch Siepen | Bogotá

  • Landwirtschaft: Lateinamerika bietet mehr als Kaffee und Bananen

    Lateinamerika spielt eine wichtige Rolle für die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung. Doch Klimawandel und andere Veränderungen machen den Landwirten zu schaffen. (Stand: 22.11.2024)

    In den vergangenen Jahrzehnten hat der Landwirtschaftssektor (einschließlich Forstwirtschaft, Fischerei, Jagd) in Lateinamerika insgesamt an Bedeutung gewonnen. Impulsgeber sind vor allem Argentinien, Brasilien und Bolivien, während in verschiedenen anderen Staaten wie Chile der Agrarsektor rückläufig ist. 

    Starker Beitrag zur Welternährung 

    Tatsächlich produziert die Region Lebensmittel für etwa 1,3 Milliarden Menschen – etwa das Doppelte seiner eigenen Bevölkerung, so die Welternährungsorganisation FAO. Zu ihr zählen einige der global führenden Agrarexporteure, allen voran Brasilien sowie Argentinien, Mexiko, Chile, Ecuador, Peru und Kolumbien.

    Vor dem Hintergrund einer wachsenden Nachfrage bei steigender Weltbevölkerung und sich ändernder Konsumgewohnheiten hin zu mehr Obst, Fleisch und Milchprodukten baut Lateinamerika seine Position als Agrarexporteur weiter aus, wenn auch mit unterschiedlicher Zielrichtung. Während sich zum Beispiel Mexikos Export überwiegend auf die USA konzentriert, gehen Sojabohnen aus Brasilien und Argentinien vorrangig nach China. Für Kaffee sind die USA und Europa die Hauptdestinationen.

    Umweltschutz oft zweitrangig

    Die Exporterfolge haben indessen ihren Preis. Nicht selten gehen sie einher mit einer Ausweitung der Nutzflächen – etwa zu Lasten des Amazonaswaldes oder von Feuchtsavannen oder anderer ökologisch wertvoller Areale.

    Überdies wuchs gemäß FAO der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Lateinamerika und der Karibik von 2000 bis 2021 um 182 Prozent auf 1,27 Millionen Tonnen. Das ist deutlich mehr als der weltweite Anstieg von 62 Prozent auf 3,53 Millionen Tonnen.

    Brasilien ist sogar der weltgrößte Pestizidverbraucher mit fast 720.000 Tonnen, vor den USA (457.385 Tonnen). Tatsächlich nutzten brasilianische Landwirte 2021 satte 10,9 Kilogramm pro Hektar, viermal so viel wie Bauern in den Vereinigten Staaten. Auch bei chemischen Düngemitteln liegt Brasilien mit Rang 3 weit vorne (allerdings bei drei Ernten im Jahr). Das bedeutet aber nicht, dass es in Brasilien keine Ansätze für grüne Landwirtschaft gäbe.

    Hoffnung auf mehr Nachhaltigkeit durch neue Kundenanforderungen und Zertifizierungen

    Insgesamt sind die Länder für nachhaltige Landwirtschaft höchst unterschiedlich aufgestellt. Laut FAO besitzt beispielsweise Argentinien rund 4,2 Prozent aller weltweit zertifizierten organisch genutzten Agrarflächen, Nummer 3 nach Australien und Indien. Mit Blick auf den Anteil zertifizierter Flächen an der Gesamtagrarfläche hat indessen Uruguay die Nase vorn (19,6 Prozent, 2022). Allerdings beruhen diese Werte quasi ausschließlich auf extensiver Weidewirtschaft (95 beziehungsweise 99,9 Prozent der deklarierten Flächen).

    Große Durchgriffswirkung in dieser Hinsicht wird den Anforderungen von internationaler Kundenseite zugetraut. Zu einem Meilenstein könnte die EU-Verordnung 2023/1115 für entwaldungsfreie Lieferketten werden. Ab dem 30. Dezember 2025 (ursprünglich 1. Januar 2025) müssen europäische Importeure von Holz, Palmöl, Soja, Kaffee, Kakao, Kautschuk und Rindern nachweisen, dass diese nicht auf nach 2020 entwaldeten Flächen stammen (Kleinst- und Kleinunternehmen haben Frist bis 30. Juni 2026). Betroffen sind die großen Exporteure der genannten Produkte wie Brasilien, Uruguay, Argentinien sowie Mexiko und Paraguay. Möglicherweise erweitert die EU die Verordnung in Zukunft um andere Produktgruppen.

    Nicht nur aus ökologischer Sicht, sondern auch als Qualitätsmerkmal gewinnt die Nachverfolgbarkeit von Produkten (wie Blockchaintechnologien) etwa für Herkunftsbezeichnung und Markenbildung an Gewicht. Dessen ungeachtet stellt die wachsende Zahl an Zertifizierungserfordernissen, die oft von Land zu Land variieren, die Exporteure vor Ort vor Herausforderungen. Gerade für kleine Bauern sind sie kaum zu überblicken. 

    Generell schadet zu viel Chemie der Biodiversität, der Gesundheit und kostet Geld. Mit ihrem 2023 vorgestellten Konzept Bioinsumos will die FAO allen drei Aspekten Rechnung tragen. Eng damit verknüpft ist der Schutz der Böden. Laut FAO ist mittlerweile die Hälfte der Agrarflächen Lateinamerikas von Erosion und Bodenverschlechterung betroffen. Doch der Umstieg auf ökologische Methoden ist nicht einfach:

    "Das Problem ist der Einstieg. Die Umstellung ist ein Prozess, der Zeit braucht und in dem die Produktivität und die Einnahmen zunächst sinken. Doch auf lange Sicht bringt Bioinsumos Vorteile. Allerdings haben die Länder sehr unterschiedliche Voraussetzungen. Im mediterran-trockenen Chile ist es beispielsweise einfacher, Pilzmittel zu reduzieren, während sich die Situation in feuchteren Ländern viel komplexer darstellt." 

    Claudio Cilveti Präsident des Rats der Lebensmittel- und Weinexporteure Chiles

    Was sind Bioinsumus?

    Mit Bioinsumus will die FAO den Übergang zu nachhaltigen Agrar- und Ernährungssystemen erreichen. Eingesetzt werden sogenannte Bioinputs pflanzlicher, tierischer oder mikrobieller Art. Bioinputs können sein:

    1. Biodüngemittel
    2. Biostimulantien wie Mikroorganismen oder organische Substanzen, die die Nährstoffaufnahme der Pflanzen erhöhen.
    3. Organische Düngemittel
    4. Biologische Schädlingskontrolle
    5. Bodenverbesserung via Entgiftung durch Mikroorganismen/Pflanzen/Biomoleküle oder Steigerung der Bodenqualität durch Biotransformatoren, die die Zersetzung der organischen Reststoffe beschleunigen.

    Klimawandel senkt Erträge und erhöht Ausfallrisiken

    Während Bioinsumos für die meisten Bauern noch ein Fremdwort sind, selbst wenn sie einzelne Segmente des Konzepts bereits praktizieren, erleben so gut wie alle den sich vollziehenden Klimawandel hautnah mit. Besonders gefährdet sind die tropischen und subtropischen Anbaugebiete, aber nicht nur diese – und nicht erst in Zukunft.

    Chile beispielweise leidet seit 2006 in einigen Landesteilen unter ausbleibenden Regenfällen, die von manchen Experten angesichts des Klimawandels schon als Dauerzustand interpretiert werden. Die Situation hat sich zwar mit dem Wechsel von "La Niña" zu "El Niño" verbessert. Doch stattdessen klagen die Landwirte regional über Stürme und Überschwemmungen. Grundsätzlich ist künftig mit extremeren Wetterlagen zu rechnen.

    Technologische Lösungen zum effizienteren Ressourceneinsatz

    Zwar stellt eine Verlagerung der Anbauflächen in bestimmten Fällen eine Option dar (in Argentinien träumt mancher schon von Wein aus Patagonien), doch vor allem gefragt sind an die neuen Bedingungen angepasste Pflanzensorten und Technologien. 

    Gebraucht werden Technologien, Maschinen und Geräte, um die vorhandenen Ressourcen besser zu nutzen – seien es Wasser, Düngemittel oder Herbizide. Nach Aussagen von Branchenfirmen lassen sich schon mit einfachen Mitteln in der Bewässerung große Effizienzsteigerungen erzielen. Eher für größere Agrarbetriebe eignen sich Hightech-Systeme wie digitales Monitoring oder der Einsatz von Luft- und Satellitenbildern. 

    Der Druck zu stärkerer Mechanisierung und Automatisierung kommt noch von anderer Seite: Aufgrund der niedrigeren Bevölkerungszuwächse und weil viele Menschen in die Städte ziehen, muss das verfügbare Land von weniger Händen bestellt werden.

     

    Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

  • Entwicklungsprojekte in Lateinamerika bieten Geschäftschancen

    Brücken, Häfen, Staudämme und Wasserversorgung: Die Inter-Amerikanische Entwicklungsbank investiert in Infrastruktur. Lernen Sie die größten Vorhaben kennen. 

    24,3 Milliarden US$

    investierte die IDB im Jahr 2023 in Lateinamerika und der Karibik.

    Große Infrastrukturprojekte in Lateinamerika sind auch für deutsche Anbieter interessant: Sie können dabei ihr technisches Know-how für nachhaltige Lösungen einbringen. Hiesige Unternehmen punkten insbesondere in den Bereichen Umwelttechnik, Digitalisierung und Beratungsdienstleistungen.

    Für Lateinamerika und die Karibik spielt die Inter-Amerikanische Entwicklungsbank (IDB) eine große Rolle. Sie ist die wichtigste Finanzierungsinstitution für die Region und wird ihr Ausleihvolumen voraussichtlich noch weiter steigern. Denn durch bereits beschlossene Reformen will sie in naher Zukunft noch mehr Entwicklungsprojekte unterstützen.

    Der Ausbau von Infrastruktur zählt neben Gesundheit und Bildung zu den Schwerpunkten der IDB. Vier IDB-finanzierte Vorhaben in Südamerika sind wegen ihrer Größe und Ausgestaltung besonders interessant. Deutsche Unternehmen können diese Entwicklungsprojekte als Möglichkeit zum Einstieg in neue Märkte nutzen.

    Informationen über Projekte und Ausschreibungen

    Die Inter-Amerikanische Entwicklungsbank schreibt bei der Planung und Umsetzung ihrer Vorhaben die benötigten Bau-, Liefer- und Beratungsleistungen international aus. Deutsche Unternehmen können an den Ausschreibungen teilnehmen, Aufträge gewinnen und mit ihrem Know-how einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität in den Ländern Lateinamerikas und der Karibik leisten.

    Germany Trade & Invest (GTAI) informiert tagesaktuell über Projekte und Ausschreibungen der IDB.

    Argentinien baut eine neue Brücke

    Um die Konnektivität zwischen den Provinzen Charco und Corrientes im Norden Argentiniens zu verbessern, investiert das Land 445 Millionen US-Dollar (US$) in den Bau einer neuen Brücke über den Paraná Fluss sowie in dazugehörige Zubringerabschnitte. Dazu erhält Argentinien ein Darlehen in Höhe von 345 Millionen US$ von der IDB und finanziert den fehlenden Betrag aus eigenen Mitteln.

    Die zweispurige Brücke wird südlich der Stadt Corrientes gebaut und verbindet die Autobahnen 11 und 12. Die neue Brücke besteht aus drei Abschnitten, wobei das längste Teilstück 330 Meter lang ist. Hinzu kommen weitere 5,6 Kilometer Zubringer- und 28,2 Kilometer Autobahnabschnitte. Die Arbeiten sollen innerhalb von vier Jahren abgeschlossen sein und dann täglich 45.000 Fahrzeugen die Überquerung des Flusses erleichtern. Die Konstruktion der neuen Brücke ist Teil des Belgrano-Plans, der die Entwicklung im Norden Argentiniens fördert.

    Die Interessenbekundung für das Projekt läuft und interessierte Unternehmen haben noch bis Ende August 2024 Zeit, ihre Unterlagen einzureichen.

    Peru schließt Lücken in der Wasserversorgung

    Mit einem Darlehen der IDB in Höhe von 350 Millionen US$ verbessert Perus Regierung die Wasserver- und Abwasserentsorgung in der Stadt Juliaca im Süden des Landes. Mit fast 300.000 Einwohnern ist sie die größte Stadt und Wirtschaftszentrum in der Region am Titicacasee. Das Projekt umfasst den Bau einer Wassergewinnungsanlage, einer Trinkwasseraufbereitungsanlage sowie eine 40 Kilometer lange Rohrleitung zur Stadt. In der Stadt kommen noch neue Trinkwasserverteilungsleitungen und Haushaltsanschlüsse sowie Abwassersammelnetze und Pumpkammern hinzu. Die Gesamtkosten des Vorhabens belaufen sich auf 425 Millionen US$. Peru übernimmt einen Eigenanteil in Höhe von 75 Millionen US$. Das Projekt verfügt über ein genehmigtes technisches Dossier und ist damit ausschreibungsreif. Das peruanische Bauministerium ist für das Vorhaben verantwortlich.

    Weitere Geschäftschancen in der Wasserwirtschaft bieten die geplanten Investitionen durch den nationalen Wasserplan. Aufgrund des Klimawandels muss Peru verstärkt in seine Wasserversorgung investieren.

    Ihre Exportchancen in mehr als 20 Ländern

    Wir haben besonders aussichtsreiche Wassermärkte in Lateinamerika, Asien, Afrika und Europa unter die Lupe genommen. Alle Länderanalysen finden Sie auf unserer Seite zum Wassersektor.

    Uruguay und Argentinien modernisieren Energieerzeugung

    Beide Länder produzieren mit dem Wasserkraftwerk Salto Grande seit 1979 gemeinsam Strom. Das Kraftwerk liegt am Grenzfluss Rio Uruguay, nahe der Städte Concordia und Salto. Mit einem IDB-Darlehen über 800 Millionen US$ wollen Uruguay und Argentinien das Wasserkraftwerk modernisieren und es damit zu einer sicheren und klimaneutralen Energiequelle ausbauen. Die IDB hatte das Kraftwerk bereits in der Vergangenheit unterstützt und setzt die Förderung mit der Modernisierungsphase 2a fort. Die Betreiber investieren in der aktuellen Phase 150 Millionen US$ in die Renovierung und Erneuerung von hydromechanischen Systemen, Hebeanlagen, Transformatoren und 500-kV-Stromanlagen. Hinzu kommen elektrische und mechanische Hilfssysteme sowie Notbatterien und digitale Tafeln. Zusätzlich verbessern die Betreiber die zivile Infrastruktur sowie das Umwelt- und Sozialmanagement des Wasserkraftwerks.

    Deutsche Anbieter entsprechender Ausrüstungen sind gut beraten, diese und weitere Modernisierungsphasen im Auge zu behalten.

    Chile investiert in einen neuen Hafen

    Um sein Wirtschaftswachstum weiter zu fördern, investiert das rohstoffreiche Chile in den Ausbau des Hafens von San Antonio. Zusammen mit dem Hafen von Valparaiso ist dieser Hauptumschlagsplatz für die Metropolregion rund um die Hauptstadt Santiago. Chiles Regierung favorisiert nach Ergebnissen aus technischen und wirtschaftlichen Studien den Ausbau des Hafens von San Antonio. Für die entsprechenden Vorarbeiten hat Chile bei der IDB einen Kreditantrag in Höhe von 300 Millionen US$ gestellt.

    Das Vorhaben umfasst südlich des derzeitigen Hafens den Neubau eines See- und Landterminals. Dadurch erhöht sich die Umschlagskapazität um 6 Millionen TEU (Twenty-Foot Equivalent Unit) pro Jahr. Durch die Hafenvergrößerung können dann auch die größeren Containerschiffsklassen zum Be- und Entladen anlegen. Die Bauzeit beträgt voraussichtlich 20 Jahre, die Gesamtkosten liegen bei 4,5 Milliarden US$.

    Die Hafenbetreiber verwenden den IDB-Kredit, um Ingenieurstudien und weitere Erschließungsarbeiten zu finanzieren. Dazu gehören der Bau eines Wellenbrechers sowie Ausbaggerungs- und Auffüllarbeiten. Der Projektträger kauft zudem Beratungsleistungen und Schulungen ein, um sein Projekt- und Finanzmanagement zu verbessern. Um negative Umweltauswirkungen zu vermeiden, sind außerdem Schulungen zur Stärkung des Umweltschutzes erforderlich. Konkret betrifft dies die Feuchtgebiete der Flüsse Maipo und Yali sowie die Entwicklung eines Umweltüberwachungsplans in Zusammenarbeit mit den lokalen Gemeinden.

    Ein Blick auf Geschäftschancen in der Entwicklungszusammenarbeit lohnt sich. Wie die IDB finanziert eine Vielzahl von Gebern weltweit Vorhaben zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung.

    Wie komme ich ins Geschäft mit den Gebern?

    1. Investieren Sie Zeit in die Marktrecherche: Welche Geber sind in meiner Zielregion besonders aktiv und in welchen Sektoren fördern sie Projekte? Dazu lohnt sich ein Blick auf die Geberprofile und in die Projekt- und Ausschreibungsdatenbank von Germany Trade & Invest.
    2. Pflegen Sie Kontakte: Führen Sie Gespräche mit den Geberinstitutionen sowohl in den Geberländern als auch in den Projektländern. So werden Sie bekannt und erhalten zudem frühzeitig Informationen, um die Projekte besser zu verstehen.
    3. Bauen Sie Ihr Netzwerk auf: Bündeln Sie Ihre Expertise mit jener von deutschen, internationalen und lokalen Partnern und nehmen Sie als Konsortium oder Joint Venture an Ausschreibungen teil.
    4. Seien Sie genau: Die Ausschreibungsverfahren sind stark reguliert und die Anforderungen müssen genau erfüllt werden.
    5. Bleiben Sie dran: Vielleicht sind Sie nicht direkt mit der ersten Bewerbung erfolgreich. Doch mit mehr Erfahrung steigen auch Ihre Chancen.

    Von Martin Walter | Bonn

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