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Branche kompakt | Niederlande | Windenergie

Niederlande planen große Nordseewindparks

Die Niederlande haben zu Wasser und zu Lande hervorragende Bedingungen, um Windenergie zu nutzen. Daher spielt diese beim Umbau des Energiemix eine tragende Rolle.

Von Torsten Pauly | Berlin

  • Marktüberblick

    Der Ausbau der Windkraftkapazitäten schreitet rasch voran. Im Jahr 2021 wuchs die Kapazität um 16,6 Prozent auf 7,7 Gigawatt. Bis 2030 soll sich die Leistung mehr als verdoppeln.

    Markttreiber und -hemmnisse

    Treiber

    Hemmnisse

    Hohe öffentliche Förderungen im Rahmen des Programms SDE++Hohe Siedlungsdichte schränkt verfügbare Flächen für neue Onshore-Windparks ein
    Umbau des Energiemix und jüngste Kappungen von russischen Gaslieferungen erfordern hohe InvestitionenEs gibt eine Vielzahl von Genehmigungs-, Lizenzierungs- und Zertifizierungsinstitutionen
    Quelle: Analyse von Germany Trade & Invest

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Politische Ziele

    Die Niederlande wollen aus der Kohle- und Gasverstromung aussteigen und planen insbesondere in der Nordsee große Investitionen in Windparks.

    Wind ist die wichtigste erneuerbare Energiequelle

    Die Niederlande haben 2021 etwa 18 Terawattstunden Strom aus Windkraft erzeugt, das waren 17,2 Prozent mehr als 2020. Damit liegt Windenergie im Elektrizitätsmix des Landes inzwischen mit einem Anteil von 14,8 Prozent an zweiter Stelle. Sehr viel bedeutender ist jedoch Erdgas, das die Niederlande seit Jahrzehnten aus ihren Nordseegewässern fördern und in den vergangenen Jahren zum Teil auch aus Russland bezogen haben. Auch Steinkohle trägt nach wie vor erheblich zur Stromerzeugung bei. Zweitwichtigste erneuerbare Energiequelle ist die Photovoltaik, die ebenfalls stark ausgebaut wird.

    Wind soll fossile Brennstoffe ersetzen

    Die in den Niederlanden installierte Windkraftkapazität belief sich Ende 2021 auf 7,7 Gigawatt. Der 2020 verabschiedete Nationale Klima- und Energieplan sieht vor, dass sie sich bis 2030 auf 16,1 Gigawatt erhöht. Noch eine sehr viel höhere Leistung plant die Regierung 2030 für Photovoltaikanlagen ein mit 27 Gigawatt.

    Der Ausbau ist auch vonnöten, weil die Niederlande 2028 aus der Kohleverstromung aussteigen wollen. Zudem soll der Erdgasanteil am Strommix bis 2030 auf 30 Prozent sinken. Einen Ausstieg aus der Atomenergie, die 2021 etwa 3 Prozent der Elektrizität erzeugt hat, planen die Niederlande nicht. Die reduzierten russischen Gaslieferungen im Zuge der kriegerischen Handlungen in der Ukraine können aber dazu führen, dass die Niederlande kurz- und mittelfristig mehr eigenes Erdgas fördern. Der Ausbau der Windkraft sollte sich jedoch nicht verringern.

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Marktorganisation

    Windkraftanlagen zu registrieren und deren Strom abzunehmen obliegt dem Unternehmen TenneT. Dessen Tochter CertiQ ist für Zertifizierungsfragen zuständig.

    Viele Institutionen sind für Genehmigungen zuständig

    Der Regulierer des niederländischen Strommarktes ist die Agentur ACM (Autoriteit Consument & Markt). Diese informiert auch über die aktuellen Leitungs- und sonstigen Stromtarife, welche sich regional unterscheiden können.

    Der niederländische Strommarkt ist liberalisiert und die Haushalte können zwischen verschiedenen Stromversorgern wählen. Die Stromübertragung bis zu 110 Kilovolt obliegt insgesamt sieben Netzbetreibern, die jeweils für eine bestimmte Region zuständig sind.

    Das landesweite Hochspannungsübertragungsnetz ab 110 Kilovolt gehört dem Unternehmen TenneT. Dieses schließt Windparks an das Stromnetz an. TenneT erfasst und kontrolliert das niederländische Stromangebot beziehungsweise die Nachfrage danach fortlaufend. Grundsätzlich können die Marktteilnehmer ihren gehandelten Strom frei vereinbaren. Sie müssen TenneT jedoch täglich über ihre Angebots- und Bezugspläne informieren und TenneT kann im Fall von wetter- oder anderweitig bedingten Ungleichgewichten Strom beziehen und wo benötigt zur Verfügung stellen.

    Regierung koordiniert Großprojekte

    Daher müssen alle Stromerzeuger und -abnehmer sich bei TenneT registrieren. Wer nicht ausschließlich Großabnehmer beliefert, muss zudem eine Lizenz bei der Agentur ACM beantragen. Darüber hinaus muss eine Zertifizierung von erneuerbarer Energiegewinnung bei CertiQ erfolgen. CertiQ ist eine Tochter von TenneT. Für die Genehmigung von Windrotoren zu Lande beziehungsweise für die Vergabe entsprechender öffentlicher Flächen ist die staatliche Immobilienagentur Rijksvastgoedbedrijv (RVB) zuständig. Große Windparks mit einer Leistung von mindestens 100 Megawatt koordiniert darüber hinaus das Ministerium für Wirtschaft und Klima.

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Marktchancen

    Der größte Zubau wird in den kommenden Jahren in Nordseewindparks erfolgen. Bisher gibt es die meisten Anlagen auf dem Land.

    Neu- und Ausbau eröffnet viele Lieferchancen

    Ende 2021 waren in den Niederlanden Offshore-Windräder mit einer Gesamtleistung von 2.460 Megawatt in Betrieb. Auf dem Festland war die installierte Leistung mit 5.258 Megawatt mehr als doppelt so hoch. Der Nationale Klima- und Energieplan der Regierung sieht 2030 Onshore-Kapazitäten von insgesamt 6,1 Gigawatt vor. Dies entspricht einer Erhöhung um etwa 100 Megawatt pro Jahr.

    In den Niederlanden haben 2019 im Schnitt 507 Menschen auf einem Quadratkilometer zusammengelebt. Dies ist die höchste Siedlungsdichte in Europa. In Deutschland zum Vergleich beträgt der Schnitt 235 Personen. Gerade in windreichen Provinzen wie Nord- und Südholland ist die Bevölkerungsdichte mit bis zu 1.292 Einwohnern besonders hoch. Daher sind Flächen für größere Windparks auf dem niederländischen Festland inzwischen knapp.

    Ein Großteil der Kapazitätssteigerung zu Lande erfolgt daher dadurch, dass alte Windräder durch leistungsstärkere Rotoren ausgetauscht werden. So ist das größte 2022 laufende Projekt die Modernisierung des Windparks Zeewolde in Flevoland. Dieser bestand bisher aus 220 Windmühlen, wie die Rotoren auf Niederländisch genannt werden (windmolen). Künftig liefern dort 91 Windräder Strom. Ihre Gesamtleistung beläuft sich auf 320 Megawatt. Die abgebauten, etwa 20 Jahre alten Anlagen sollen insofern sie noch funktionieren in andere Länder verkauft werden und dort zum Einsatz kommen.

    Weitere Großinvestitionen auf dem Festland sind der Windpark Groen in Flevoland mit bis zu 400 Megawatt, die Projekte De Drentse Monden und Ostermoer in der Provinz Drente (insgesamt 175,5 Megawatt) sowie der Windpark N33 in der Provinz Groningen mit 150 Megawatt.

    Interessante Geschäftschancen eröffnet auch die Kombination von Windkraft- und Photovoltaikanlagen. Ein Beispiel ist die 2023 geplante Erweiterung des Windparks Krammer in der Provinz Zeeland. Dort liefern 34 Rotoren mit einer Gesamtleistung von 102 Megawatt Strom. Künftig kommen Photovoltaikanlagen mit einer Kapazität von 50 Megawatt auf einer Fläche von 40 Hektar hinzu.

    Ijmuiden wird Zentrum für Nordseewindparks

    Den stärksten Aufschwung werden in den kommenden Jahren jedoch Windkraftrotoren in den niederländischen Nordseegewässern nehmen. Deren Bau und Wartung soll zu großen Teilen von der Hafenstadt Ijmuiden in der Provinz Nordholland aus erfolgen. Dort mündet auch der Verbindungskanal zum Hafen Amsterdam in die Nordsee.

    Bisher sind Offshore-Rotoren im Gebiet Borssele längs der Seegrenze zu Belgien in Betrieb. Die meisten von der Regierung genehmigten Entwicklungsareale befinden sich vor der Küste von Nord- und Südholland. Darüber hinaus ist das den westfriesischen Inseln vorgelagerte Gebiet Ten noorden van de Waddeneilanden ausgewiesen, um Windkraft zu nutzen. Diese Zonen bieten jeweils Platz für mehrere Windparks. Der niederländische Betreiber des Hochspannungsnetzes TenneT plant 9 Milliarden Euro ein, um all diese Anlagen bis 2030 anzuschließen.

    Bereits in der Realisierung befindet sich das Gebiet Hollandse Kust Zuid. Hier sollen 2022 und 2023 Windparks in insgesamt vier Etappen ans Netz gehen. Das zweite große Areal heißt Hollandse Kust Noord V, das 2024 fertig sein soll. In der Zone Hollandse Kust West sollen 2025 oder 2026 zwei Windparkstandorte ihren Betrieb aufnehmen.

    Noch in der Planung ist das Windparkgebiet Ten noorden van de Waddeneilanden. Hierzu soll es laut TenneT Ende 2022 Ausschreibungen geben. Der erste dortige Windpark soll 2027 Strom liefern.

    Am weitesten von der Küste entfernt ist das Entwicklungsgebiet Ijmuiden ver, welches nicht mit der gleichnamigen Stadt zu verwechseln ist. Dieses hat mit einer prognostizierten Gesamtkapazität von 4 Gigawatt die stärkste Leistung. Hier sind die Pläne noch am wenigsten fortgeschritten. TenneT erwartet, dass in diesem Gebiet in den Jahren 2023 und 2025 insgesamt vier Windparks ausgeschrieben werden. Diese sollen 2028 und 2029 anfangen, Elektrizität zu produzieren.

    Windstrom für grünen Wasserstoff

    Die Niederlande planen auch, in großem Umfang grünen Wasserstoff mit On- und insbesondere Offshore-Windkraft zu erzeugen. Auch dies eröffnet deutschen Anbietern Geschäftschancen. Große Elektrolyseanlagen werden an vielen Standorten entstehen. Zentren sind dabei die Provinzen Südholland, Zeeland, Groningen, Nordbrabant, Geldernland und Limburg. Allein in Groningen sind Investitionen von 9 Milliarden Euro geplant.

    Der Ausbau der Wasserstofferzeugung hilft der Provinz Groningen den Strukturwandel zu bewältigen, den das geplante schrittweise Ende der Erdgasförderung hervorruft. Die Region bildet das Hinterland der westfriesischen Küste und viele Arbeitsplätze sind dort von den Bohrinseln in der Nordsee abhängig. Zur Umstrukturierung stehen Gelder der Europäischen Union (EU) aus dem Fonds für einen gerechten Übergang zur Verfügung.

    Hohe Förderungen durch neues Programm 

    Um Investitionen in erneuerbare Energie zu fördern, haben die Niederlande 2021 das neue Programm SDE++ (Stimulering Duurzame Energieproductie) aufgelegt. Dieses hat das vorherige Schema SDE+ abgelöst. Mit der Umsetzung von SDE++ ist die Wirtschaftsförderungsagentur RVO (Rijksdienst voor Ondernemend Nederland) beauftragt. Für SDE++ stehen viele Mittel zur Verfügung, allein 2022 sollen 13 Milliarden Euro fließen. Technologieoffene Vergaberunden finden in der Regel im Frühjahr und Herbst statt. Antragsteller benötigen eine Zertifizierung durch CertiQ.

    Windprojekte in den Niederlanden

    Projektbezeichnung 

    Leistung (MW)

    Status

    Offshore-Windpark Hollandse Kust Zuid

    1.400

    Planung; Inbetriebnahme in vier Stufen bis 2024 geplant

    Offshore-Windpark Hollandse Kust West

    1.400

    Planung; Inbetriebnahme in zwei Stufen bis 2026 geplant

    Offshore-Windpark Ten noorden van de Waddeneilanden

    700

    Planung; Inbetriebnahme 2027 geplant

    Offshore-Windpark Ijmuiden ver

    4.000

    Planung; Inbetriebnahme in vier Stufen bis 2029 geplant

    Quelle: TenneT 2022

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Markthemmnisse

    Deutsche und andere EU-Anbieter finden in den Niederlanden keine generellen Hindernisse beim Marktzugang vor. Sie müssen aber viele Regelungen beachten.

    Einbindung von lokaler Expertise ist unabdingbar

    Viele große ausländische Hersteller von Windturbinen sind in den Niederlanden mit eigenen Gesellschaften aktiv. Zulieferer von bestimmten Komponenten bearbeiten den Markt oft mit niederländischen Handelsfirmen oder auch mit exklusiv tätigen Vertretern. Bei Lieferungen und Montagen in den Niederlanden sind die Anmeldevorschriften für Firmen und entsandte Mitarbeiter unbedingt zu beachten. Einen Service hierzu bietet unter anderem die Deutsch-Niederländische Handelskammer an. Diese hilft auch bei Steuerfragen.

    Windparkinvestoren sollten bei der Projektierung mit niederländischen Partnern zusammenarbeiten. Genehmigungen, Lizenzen und Zertifizierungen sind bei mehreren Institutionen einzuholen. Die Anträge und viele Detailinformationen sind nur in der niederländischen Sprache abgefasst.

    In den Niederlanden gibt es einen zunehmenden Fachkräftemangel, der in wirtschaftsstarken Provinzen wie Nord- und Südholland oder Utrecht besonders ausgeprägt ist. Daher kann es sich als langwierig erweisen, qualifizierte Mitarbeiter zu rekrutieren.


    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Branchenstruktur

    Die niederländische Windenergiebranche zählt zu den umsatzstärksten in Europa. Es gibt ein starkes Forschungsnetzwerk.

    Viele Hersteller spezialisieren sich

    Die niederländischen Windkraftfirmen haben 2020 etwa 6,4 Milliarden Euro umgesetzt. Damit lagen sie laut EurObeserv’ER EU-weit an zweiter Stelle, nach denjenigen in Deutschland mit 14 Milliarden Euro und vor Branchenunternehmen in Spanien (5,9 Milliarden Euro) und Dänemark (5,1 Milliarden Euro).

    Führende internationale Hersteller von Windrotoren stammen nicht aus den Niederlanden und unterhalten dort keine Fertigung. Daher beliefern sie den Markt mit Importen. Es gibt aber eine Reihe von niederländischen Herstellern von kleineren Turbinen. Hinzu kommen viele Produzenten von Komponenten, etwa von Elektrotechnik, Netzanschlüssen, Elektronik und IT-Steuerungen. Niederländische Projektierer von Windparks haben in den vergangenen Jahren sehr viel Expertise gewonnen.

    Das Innovationspotenzial in den Niederlanden ist hoch. Speziell zur Entwicklung von Offshore-Technologie hat sich die Kooperationsinitiative Grow gebildet. Dieser gehören unter anderem große Unternehmen wie RWE, Shell und Vattenfall an. Auch der Netzbetreiber TenneT ist Mitglied. Hinzu kommen führende Forschungseinrichtungen wie die Technische Universität Delft oder das interdisziplinäre Institut TNO, das in mehreren Städten insgesamt 3.400 Mitarbeiter beschäftigt. Erneuerbare Energien bilden einen Forschungsschwerpunkt von TNO.

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Kontaktadressen


    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft, auch Hinweise zu Ausschreibungen

    Exportinitiative Energie

    Informationen zu Veranstaltungen, Markt- und Länderinformationen

    Factsheets der Exportinitiative Energie

    Factsheets mit allgemeinen Energieinformationen zum Land (teilweise mit Technologie- oder Anwendungsfokus)

    AHK Niederlande

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Ministerie van Economische Zaken en Klimaat

    Wirtschafts- und Klimaministerium, zuständig für Energiepolitik

    Planbureau voor de Leefomgeving (PBL)

    Umweltagentur, zuständig auch für Energieanalysen

    Autoriteit Consument & Markt (ACM)

    Strom- und Gasregulierungsagentur

    Rijksvastgoedbedrijv (RVB)

    Staatliche Immobilienagentur, zuständig für die Vergabe öffentlicher Flächen

    TenneT

    Betreiber des Hochspannungsnetzes; schließt Windanlagen an

    CertiQ

    zuständig für Zertifizierungen erneuerbarer Stromgewinnung, gehört zu TenneT https://www.certiq.nl/

    Nederlandse WindEnergie Associatie (NWEA)

    Niederländischer Windenergieverband

    Grow

    Forschungskooperation zu Windenergie, u.a. mit RWE Renewables

    Nederlandse Vereniging Duurzame Energie

    Niederländischer Verband erneuerbarer Energien

    Von Torsten Pauly

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