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Nordamerikas Wasserstoffwirtschaft wächst
Trumps Faible für die Fossilen könnte das Wachstum zwar bremsen. Aber Wasserstoff bleibt aussichtsreich. Technologieexport und Partnerschaften bieten Chancen für deutsche Firmen.
17.04.2025
Von Heiko Steinacher | Toronto
Kalifornien hat im September 2024 das erste Wasserstoffzentrum in den USA eröffnet, das sich auf grünen Wasserstoff konzentriert. Frühere Projekte wie der "Mid-Atlantic Clean Hydrogen Hub" hatten bei der Produktion von Wasserstoff noch auf einen Mix aus erneuerbaren Energien und Atomstrom gesetzt oder – wie der "Appalachian Regional Clean Hydrogen Hub" – auf Erdgas und die Abscheidung des entstehenden Kohlendioxids (CO2).
Trumps Politik könnte Kooperationen im Wasserstoffbereich beeinträchtigen
Doch die jüngste US-Politik führt zu Unsicherheiten. So hat Präsident Trump per Dekret die Finanzierung im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) und des Infrastructure Investment and Jobs Act (IIJA) ausgesetzt. Betroffen sind saubere Energieprojekte, darunter sieben Wasserstoffhubs und die dazugehörige Infrastruktur. Dank dieser Maßnahmen hatte der US-Wasserstoffsektor in den letzten Jahren einen Investitionsschub erlebt.
Beide Gesetze (IRA und IIJA) wurden indes durch den Kongress verabschiedet. Es braucht daher eine formelle Gesetzesänderung oder gerichtliche Anordnung, um sie aufzuheben oder zu ändern. Gerichte könnten letztendlich entscheiden, dass das Geld wieder ausgezahlt werden muss.
Erste Ölmultis machen eine Rolle rückwärts: BP und ExxonMobil haben ihre Investitionen in Wasserstoff zurückgeschraubt und konzentrieren sich wieder mehr auf Öl- und Gasprojekte. Trumps Protektionismus könnte auch internationale Handelsbeziehungen und Kooperationen beeinträchtigen – etwa indem er grenzüberschreitende Wasserstoffprojekte und grüne Frachtkorridore erschwert.
Noch vor gut zwei Jahren: deutliches Signal zur Marktintegration
Anfang 2023 hatten die USA, Kanada und Mexiko vereinbart, einen nordamerikanischen Markt für sauberen Wasserstoff zu entwickeln. Mexiko befindet sich zwar noch im Anfangsstadium, hat aufgrund seiner günstigen Bedingungen für Erneuerbare aber großes Potenzial. Die drei Länder wollten Standards und Normen für die Produktion und Nutzung von Wasserstoff harmonisieren, um den Handel zu erleichtern sowie grenzüberschreitende Cluster und grüne Güterverkehrskorridore zu schaffen.
Doch es herrscht nicht nur Pessimismus. Trump steht zwar Elektroautos und der Windenergie kritisch gegenüber, in Bezug auf Wasserstoff hat er sich aber nicht so lautstark geäußert. Vier der sieben genehmigten Wasserstoffhubs liegen in Bundesstaaten, die bei der Wahl 2024 für Trump gestimmt haben. Außerdem will die Bundesregierung ihre Abhängigkeit von ausländischen Importen verringern. Chinas Interesse, den Markt für kohlenstoffarmen Wasserstoff anzuführen, könnte den Republikaner daher anspornen, auch weiterhin entsprechende Projekte zu fördern.
Während Deutschland grünem Wasserstoff klar den Vorrang einräumt, sind die USA und Kanada technologieoffener. So unterstützen beide Länder auch die Erzeugung und Nutzung von blauem Wasserstoff, beispielsweise durch Dampfreformierung in Verbindung mit CO2-Abscheidung und -speicherung.
Projekt | angekündigte Größe | Status | Technologie |
---|---|---|---|
USA | |||
Hydrogen City, Phase II | 3 Millionen Tonnen Wasserstoff/Jahr | Konzept | andere Elektrolyse, Power-to-X (PtX)-Technologie unbekannt |
Angeles Link | 10 bis 20 Gigawatt zur Produktion von Wasserstoff | Konzept | andere Elektrolyse, PtX-Technologie unbekannt |
Ascension Clean Energy (ACE) Complex | 12 Millionen Tonnen CO2/Jahr; 7,2 Millionen Tonnen Ammoniak/Jahr | Konzept | Erdgas mit CCUS (Carbon Capture, Utilization, and Storage), Technologie unbekannt |
ExxonMobil Baytown, petrochemischer Complex | 1 Billion Kubikfuß Wasserstoff/Tag; 7 Millionen Tonnen CO2/Jahr | Machbarkeitsstudie | Erdgas mit CCUS, Technologie unbekannt |
Eastern Louisiana Clean Hydrogen Complex | 5 Millionen Tonnen CO2/Jahr; 750 Millionen Standardkubikfuß verschiedener Produkte/Tag | endgültige Investitionsentscheidung/Bau | andere Elektrolyse, PtX-Technologie unbekannt |
Port of South Louisiana | 4.000 Tonnen Ammoniak/Tag | Konzept | Erdgas mit CCUS, Technologie unbekannt |
Adams Fork Energy | 6.000 Tonnen Ammoniak/Tag – 3,6 Millionen Tonnen CO2/Jahr | Konzept | Erdgas mit CCUS, Autothermal Reforming (ATR) und CCUS |
Hy Stor | 2,2 Gigawatt zur Produktion von Wasserstoff | Machbarkeitsstudie | alkalische Membran und PEM |
Acme – Port of Victoria | 1,2 Millionen Tonnen Ammoniak/Jahr | Konzept | andere Elektrolyse, PtX-Technologie unbekannt |
Kanada | |||
Bear Head Energy – Nova Scotia Projekt | 2 Millionen Tonnen Ammoniak/Jahr | Machbarkeitsstudie | andere Elektrolyse, PtX-Technologie unbekannt |
Point Tupper Green Hydrogen Projekt, Phase II | 1 Million Tonnen Ammoniak/Jahr | Machbarkeitsstudie | Protonenaustauschmembran (PEM) |
Mexiko | |||
Aslan Net-zero Energy Mexico (ANEM) – Phase I | 0,6 Millionen Tonnen Ammoniak/Jahr | Konzept | andere Elektrolyse, PtX-Technologie unbekannt |
Aslan Net-zero Energy Mexico (ANEM) - Phase II | 1,2 Millionen Tonnen Ammoniak/Jahr | Konzept | andere Elektrolyse, PtX-Technologie unbekannt |
Neuere Studien zeigen indes, dass die Herstellung von blauem Wasserstoff höhere Emissionen verursacht als die direkte Nutzung fossiler Brennstoffe. Strengere Umweltauflagen könnten die Folge sein, was zusätzliche Kosten und Verzögerungen bei der Genehmigung und Umsetzung solcher Projekte verursachen würde.
Grüne Wasserstoffprojekte sind in Kanada fest geplant, brauchen aber längeren Atem
Trotz der neuen Studien bleibt Linde bei seinem Engagement im Bereich blauer Wasserstoff in der Provinz Alberta: Der Konzern investiert dort mehr als 2 Milliarden US-Dollar (US$) in eine Anlage für sauberen Wasserstoff und will erhebliche Mengen CO2 abscheiden und speichern. Während Alberta aufgrund seiner umfangreichen Erdgasreserven vor allem als Standort für die Produktion von blauem Wasserstoff in Betracht kommt, eignen sich Québec (Wasserkraft) und British Columbia (Wasserkraft, Windkraft) für grünen Wasserstoff durch Elektrolyse.
Insbesondere Kanadas Atlantikprovinzen (Neufundland und Labrador, Nova Scotia, New Brunswick) können auf reichlich Windressourcen für die Herstellung von grünem Wasserstoff zurückgreifen. Dieser soll künftig in Form von Ammoniak nach Deutschland verschifft werden. "Mit den ersten Lieferungen können wir frühestens zwischen 2026 und 2028 rechnen", sagt Jens Honnen vom Forschungs- und Beratungsinstitut adelphi. Das ursprüngliche Ziel 2025 ist nicht mehr erreichbar, da für keines der großen Grünwasserstoffprojekte bislang eine endgültige Investitionsentscheidung vorliegt.
Denn zum einen muss dafür der Preis stimmen. Kurzfristig zumindest bleibt graues (und blaues) Ammoniak aber günstiger als grünes. Der Blick fällt hier auf Ammoniak, da Wasserstoff für den Langstreckentransport häufig in diesen Grundstoff umgewandelt wird. Laut einer Analyse von Bloomberg NEF werden die Kosten für grünes Ammoniak bis 2030 zwar deutlich sinken, doch selbst in den günstigsten Märkten wird es voraussichtlich erst in den späten 2030er-Jahren erschwinglicher sein als blaues.
Zudem werden die von Deutschland und Kanada in Aussicht gestellten Mittel zurzeit noch beihilferechtlich von der Europäischen Kommission geprüft. "Wir erwarten die ersten Auktionen für kanadische Projekte im Rahmen von H2Global noch in diesem Jahr. Dann können erste Verträge unterzeichnet und auch finale Investitionsentscheidungen getroffen werden", ergänzt Honnen.
Grundsätzlich gute Zulieferchancen, doch es gibt Barrieren
Anbieter von Elektrolyseuren, Brennstoffzellen sowie Wasserstoffspeicher- und -infrastrukturlösungen haben dadurch gute Chancen. Ein wichtiges Förderinstrument sind Kanadas grüne Steuergutschriften (ITCs), die – im Gegensatz zum amerikanischen IRA – keine Regeln für Local-Content enthalten: Während die USA zum Beispiel beim Kauf bestimmter Hardware bei großem heimischen Wertschöpfungsanteil einen höheren ITC gewähren als bei einem kleinen, sieht Kanada von solch protektionistischen Maßnahmen ab.
Dennoch sind Marktzugangsbarrieren auch in Kanada nicht zu unterschätzen. Siemens Gamesa musste in seine Windturbinen Technologien zur Geräuschreduzierung integrieren, um lokale Lärmemissionsgrenzen einzuhalten. Oft müssen auch Partnerschaften mit indigenen Völkern geschlossen werden.
In unserem Webinar H2-Update erfahren Sie mehr über die vielfältigen Möglichkeiten, die sich durch die strategische Partnerschaft zwischen Deutschland und Kanada ergeben.
👉 Hier finden Sie den Link zur Aufzeichnung sowie die Präsentationen (aboenergy, adelphi & AHK Kanada, GTAI) und die Broschüre "Kanada: Partnerland für Zukunftsthemen".