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Wirtschaftsumfeld | Norwegen | Entwicklungszusammenarbeit

Neue Wege für Norwegens humanitäre Hilfe

Norwegens Entwicklungsagentur Norad soll künftig die humanitäre Hilfe verwalten. In dem Bereich ergeben sich Geschäftschancen indirekt über internationale Organisationen. 

Von Hélène Pestel | Bonn

Krieg in der Ukraine, Erdbeben in Marokko, Flut in Libyen – weltweit leiden Menschen unter Konflikten und Katastrophen. Die betroffenen Staaten können die humanitären Folgen oft nicht allein bewältigen und sind auf internationale Hilfe angewiesen. Diese leisten Geberländer und -organisationen. Im Jahr 2022 betrug das Volumen der weltweiten humanitären Hilfe 22 Milliarden US-Dollar (US$). Zehn Jahre zuvor waren es noch 9 Milliarden US$. Die humanitäre Hilfe spielt eine zunehmend große Rolle in den öffentlichen Entwicklungsetats der Geber. Das gilt auch für Norwegen.

Norad übernimmt humanitäre Hilfe

Norwegen hat eine lange Tradition der humanitären Hilfe. Bis heute ist das norwegische Außenministerium dafür zuständig. Das soll sich bald ändern. Anfang 2024 will das Außenministerium die gesamte humanitäre Hilfe seiner Agentur für Entwicklungszusammenarbeit Norad übertragen. Die Regierung erhofft sich dadurch eine verbesserte Verzahnung der kurzfristigen Nothilfe mit der längerfristigen Entwicklungszusammenarbeit.

Die Agentur hat bereits die Koordinierung des umfangreichen norwegischen Ukraine-Hilfpakets übernommen. Das zusätzliche Arbeitsfeld bedeutet einen weiteren erheblichen Mittelzuwachs für Norad, denn Norwegen leistet viel humanitäre Hilfe. Im Jahr 2022 betrug sie 6,6 Milliarden norwegische Kronen (knapp 600 Millionen Euro). In einer von Kriegen und Krisen geprägten Welt hat sich das Budget Norwegens für humanitäre Hilfe in den letzten zehn Jahren verdreifacht.

Norad soll zudem für weitere Programme zuständig sein, die bisher beim Außenministerium angesiedelt waren: Menschenrechte, globale Sicherheitsfragen und Abrüstung sowie regionale Programme in Europa, Zentralasien und Afghanistan.

Mit zusätzlichen Aufgaben und neuen Geldern wird Norad zu einer größeren und wichtigeren Geberinstitution.

Beschaffung bisher über Nichtregierungs- und multilaterale Organisationen

Bei Krisen und Katastrophen beschaffen Geber und Hilfsorganisationen dringend benötigte Hilfsgüter wie Nahrungsmittel, Generatoren, medizinische Produkte, Kleidung, Zelte, Decken oder Werkzeuge. Auch Dienstleistungen zum Beispiel in den Bereichen Transport, Lagerung und Telekommunikation sind gefragt. Allerdings beschaffen Hilfsorganisationen die benötigten Güter vorzugsweise in den betroffenen Ländern selbst. Ist die Beschaffung vor Ort nicht möglich, greifen sie auf internationale Lieferanten zurück.

Norwegen leistet seine humanitäre Hilfe bisher über Zuschüsse, die zur Hälfte an norwegische Nichtregierungsorganisationen und zur anderen Hälfte an multilaterale Organisationen gehen. Die Beschaffung der benötigten Produkte und Dienstleistungen läuft daher über diese Organisationen.

Über ein Drittel des norwegischen humanitären Beitrags geht an vier Organisationen der Vereinten Nationen (UN): 

  1. das Welternährungsprogramm (WFP)
  2. das Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA)
  3. das Kinderhilfswerk (UNICEF)
  4. das Flüchtlingskommissariat (UNHCR)

Wer sich für Aufträge in der humanitären Hilfe interessiert, sollte sich mit dem Beschaffungswesen der UN beschäftigen. Germany Trade & Invest (GTAI) informiert außerdem tagesaktuell über Entwicklungsprojekte und Ausschreibungen der UN.

Es ist zu erwarten, dass die institutionelle Verschiebung der humanitären Hilfe vom Außenministerium zu Norad auch strukturelle Veränderungen in der Entwicklungsagentur mit sich bringen wird. Jedoch ist noch nicht absehbar, ob diese sich auf die Beschaffungs- und Geschäftspraxis von Norad auswirken werden. Es ist zum Beispiel noch unklar, ob Norad die Mittel der humanitären Hilfe verstärkt über UN-Organisationen vergeben oder die bisherige Verteilung beibehalten wird.

Innovationen aus dem Privatsektor gesucht

Die norwegische Strategie für humanitäre Hilfe hebt das Potenzial von Kooperationen mit dem Privatsektor hervor. Insbesondere im digitalen Bereich und in Sachen Nachhaltigkeit ist der Privatsektor mit seiner Innovationskraft gefragt. Digitale Innovationen verbessern die Effektivität der Hilfe, sei es beim Datenmanagement oder für Geldtransfers an Menschen in Not.

Norwegen fördert zudem grüne Lösungen in der humanitären Hilfe. Nicht nur humanitäre Krisen sondern auch die Antwort darauf belasten häufig die Umwelt und die örtlichen natürlichen Ressourcen. Hilfsorganisationen setzen zum Beispiel oft Dieselgeneratoren zur Energieerzeugung ein. Humanitäre Maßnahmen verursachen außerdem große Mengen an Abfällen, die häufig nicht fachgerecht behandelt werden. Das Potenzial für den Einsatz von innovativen Produkten in der humanitären Hilfe ist groß.

Das Humanitarian Innovation Programme ruft Hilfsorganisationen dazu auf, Partnerschaften mit privaten Firmen zu bilden, und bezuschusst gemeinsame innovative Lösungen im humanitären Bereich. Lediglich UN-Einrichtungen und norwegische humanitäre Organisationen sind antragsberechtigt. Unternehmen aller Länder – also auch deutsche Unternehmen – können sich als private Partner beteiligen.

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