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Klimaschutz-AtlasInvestitionen: Nachbesserungen bei Förderprogrammen
Dank umfangreicher Subventionen boomen die Investitionen in die Solarenergie. Auch die Windkraft kommt langsam wieder in Fahrt. Doch es läuft nicht an allen Stellen rund.
04.09.2023
Von Christopher Fuß | Warschau
Zu den wichtigsten Förderinstrumenten der polnischen Klimaschutzpolitik zählt der staatliche Umweltfonds (Narodowy Fundusz Ochrony Środowiska i Gospodarki Wodnej; NFOŚiGW). Er stellt Zuschüsse und Kredite bereit. Der Kreis der Nutznießer umfasst Privathaushalte, öffentliche Einrichtungen und Unternehmen.
Mehr Geld für Fotovoltaik
Einige Maßnahmen des Umweltfonds haben umfangreiche Trends losgetreten. Paradebeispiel hierfür ist das Programm Mein Strom (Mój Prąd). Besitzer von Einfamilienhäusern können Zuschüsse für Fotovoltaikanlagen beantragen. Die Subventionen sind mitverantwortlich dafür, dass die Solarenergie in Polen rasant wächst. Im April 2023 hat der Umweltfonds die Zuschüsse erneut aufgestockt. Ein Förderprogramm für Fotovoltaikanlagen auf Mehrfamilienhäusern stößt ebenfalls auf großes Interesse. In weniger als zwei Monaten gingen Anträge für 500 Wohnblocks ein – laut Wirtschaftsministerium ein voller Erfolg. Weil internationale Investoren auf emissionsfreien Strom bestehen, investieren außerdem die staatlichen Wirtschaftsfördergesellschaften in eigene Fotovoltaikparks. Sie wollen den Unternehmen nachhaltige Energie anbieten.
Neben der Fotovoltaik setzt Polen auf Offshore-Windenergie. Der Bau von Windparks auf hoher See zieht Investoren an. Turbinenproduzent Vestas arbeitet in der Hafenstadt Szczecin an einem neuen Werk.
Nach der Lockerung der Abstandsregelungen für Windkraftanlangen an Land stehen auch hier neue Projekte an. Ein Beispiel ist das schwedische Unternehmen OX2. Die Skandinavier haben den Bau neuer Windparks in Südostpolen angekündigt.
Förderung mit Verbesserungsbedarf
Weniger erfolgreich verlief bislang das Programm Saubere Luft (Czyste Powietrze). Es unterstützt einkommensschwache Eigentümer dabei, ihr Haus energieeffizienter zu machen. In der Theorie kurbelt das die Nachfrage nach Fenstern, Dämmstoffen und Heizungen an. Branchenportale berichten aber von bürokratischen Hürden und niedrigen Einkommensobergrenzen. Zum Jahresauftakt 2023 hat der Umweltfonds die Förderquoten erhöht und den Kreis der Empfänger erweitert. Das soll mehr Interessenten anziehen.
Ein Programm für Wärmepumpen, Meine Wärme (Moje Ciepło), bleibt ebenfalls hinter den Erwartungen zurück. Das liegt auch an den strengen Ausschlusskriterien. Nur Besitzer von neuen Häusern mit einem niedrigen Energieverbrauch können die Gelder beantragen. Der wachsenden Beliebtheit von Wärmepumpen in polnischen Einfamilienhäusern tut das aber keinen Abbruch. Allein im Jahr 2022 verkaufte die Branche in Polen 203.000 Wärmepumpen. Das Klimaministerium will, dass 2025 mindestens 1 Million Wärmepumpen in polnischen Haushalten stehen. Die Zahl soll sich bis 2030 noch einmal verdoppeln.
Gerade im Gebäudesektor ist der Investitionsbedarf enorm. 65 Prozent aller Immobilien sind älter als 30 Jahre und verbrauchen viel Energie. Die thermische Modernisierung kostet laut einer langfristigen Prognose des Wirtschaftsministeriums bis 2050 rund 330 Milliarden Euro.
Der Umbau des Energiesektors auf eine emissionsarme Stromproduktion wird bis 2040 laut Klimaministerium rund 160 Milliarden Euro kosten. Weitere 28 Milliarden Euro müssen laut den Berechnungen in den Ausbau der Stromnetze fließen. Vergleichsweise klein wirkt der Bedarf im Nahverkehr. Wollen die Städte und Gemeinden die gesetzlich vorgeschriebenen Quoten bei emissionsfreien Bussen bis 2028 erfüllen, sind Investitionen in Höhe von 1 Milliarde Euro nötig.
Ohne EU-Gelder wird es sehr schwer
Um die Kosten zu stemmen, setzt Polen auf europäische Unterstützung. Die Mittel aus den Töpfen der EU-Kohäsionspolitik finanzieren zum Beispiel mehrere Programme des staatlichen Umweltfonds. Polen will mehr Geld als ursprünglich vorgesehen aus dem europäischen Wiederaufbaufonds abrufen. In einem Aktualisierungspapier vom April 2023 hält das Ministerium für Fonds und Regionalpolitik fest, dass zusätzliche Subventionen in die Offshore-Windenergie, in die Stromnetze und in eine nachhaltige Stadtentwicklung fließen sollen.
Das Problem: Weil Polen eine mit der Europäischen Kommission vereinbarte Justizreform nicht umsetzt, hängen die Mittel fest. Sollten sie fließen, könnte das eine weitere Investitionswelle auslösen. Der Umweltfonds hat zum Beispiel angekündigt, mit den freigegebenen Geldern ein laufendes Förderprogramm für Elektrobusse aufzustocken.
Der europäische Modernisierungsfonds wiederum arbeitet ohne große Probleme. Er speist sich aus dem Verkauf von Emissionszertifikaten und unterstützt zum Beispiel den Bau neuer Ladesäulen. Investoren, die solche Ladestationen mit mindestens 150 Kilowatt Leistung bauen, konnten Anfang 2023 neue Fördergelder abrufen. Es wäre untertrieben, in diesem Fall von einem großen Interesse zu sprechen, denn: Das Budget war innerhalb von einer Stunde aufgebraucht.
Wasserstoff steht noch am Anfang
Nicht nur in die Elektromobilität fließt Geld. Dank Zuschüssen aus dem Modernisierungsfonds baut eine Tochtergesellschaft des Braunkohleriesen ZE PAK in Gdańsk, Lublin, Rybnik und Wrocław Wasserstofftankstellen auf. Der Konzern will bis 2030 aus der Kohleverstromung aussteigen und sucht neue Geschäftsfelder.
Auch die staatlich kontrollierte Mineralölgruppe PKN Orlen setzt auf Wasserstoff. Das Unternehmen will ab 2030 jährlich 130.000 Tonnen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien gewinnen. Unter anderem deshalb investiert Orlen in eigene Offshore-Windkraftwerke. Außerdem setzt der Konzern auf Wasserstoff aus konventionellen Energiequellen. Das anfallende Treibhausgas wird laut den Plänen des Unternehmens in Zukunft abgefangen und eingelagert (Carbon Capture and Storage, CCS). All diese Vorhaben sind nicht billig. Zwischen 2023 und 2030 will Orlen 1,6 Milliarden Euro in Wasserstofftechnologien investieren. Die Unternehmensspitze plant den Bau von zehn Wasserstoffhubs, von Tankstellen und von mehreren Kraftwerken. Der Energieriese will Wasserstoff als Treibstoff für schwere Fahrzeuge nutzen, nicht aber für die Stromproduktion.