Special | Polen | Wasserstoff
Polen bereitet neue Wasserstoffstrategie vor
Im Laufe des Jahres 2024 will Polens Klimaministerium eine neue Wasserstoffstrategie vorstellen. Staatskonzerne setzen bereits Projekte um, auch dank europäischer Fördergelder.
23.05.2024
Von Christopher Fuß | Warschau
Polen gehört zu den größten Herstellern von Wasserstoff in der EU. Bislang produziert das Land fast ausschließlich sogenannten grauen Wasserstoff, der als Zwischenprodukt der Industrie entsteht. Da dabei große Mengen an klimaschädlichem Kohlenstoffdioxid (CO2) in die Atmosphäre gelangen, gilt grauer Wasserstoff nicht als umweltfreundlich.
Klimaverträglicher grüner Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen ist hingegen Mangelware. Polens staatliche Wasserstoffstrategie PSW (Polska Strategia Wodorowa) beschreibt, wie der Umstieg gelingen soll. Doch das Dokument aus dem Jahr 2021 ist veraltet. Das Klimaministerium kündigte im März 2024 an, die Strategie zu aktualisieren - ohne ein konkretes Datum zu nennen.
Neue Strategie und neuer rechtlicher Rahmen
Polen will laut den noch gültigen Plänen Produktionskapazitäten für klimafreundlichen Wasserstoff bauen. Die Gesamtkapazität würde dann 2 Gigawatt betragen. Außerdem verspricht das Strategiepapier 1.000 Wasserstoffbusse, neue Tankstellen und einen Anteil alternativer Brennstoffe im Erdgasnetz von bis zu 10 Prozent.
Konkretere zeitliche Angaben macht Polens Klimaministerium bei einem anderen Vorhaben: Im Laufe des Jahres 2024 will die Behörde ein Wasserstoffgesetz auf den Weg bringen. Es beinhaltet rechtliche Definitionen, Konzessionspflichten und konkrete Rahmenbedingungen für Netzbetreiber und Erzeuger. Solche Vorschriften sind wichtig, weil sie Firmen Investitionssicherheit geben. Die abgewählte PiS-Regierung hatte bereits 2022 eine Reform angekündigt, aber nicht umgesetzt.
Immerhin: Polens Energiegesetz definiert seit Oktober 2023, wann Wasserstoff als erneuerbar gilt. Verordnungen des Klimaministeriums regeln einige Detailfragen. Hierzu gehören die technischen Anforderungen an Wasserstofftankstellen. Grundsätzlich gilt: Die Gesetzgebung Polens orientiert sich an EU-Vorgaben, zum Beispiel an der Energie-Richtlinie RED II.
Initiativen der Staatsbetriebe
Die lückenhafte Gesetzgebung hält staatliche Energieversorger nicht von eigenen Projekten ab. Der Betreiber des Erdgasübertragungsnetzes Gaz System will auch beim Wasserstofftransport eine entscheidende Rolle spielen. Das Unternehmen forscht an Lösungen, um Mischungen aus Wasserstoff und Erdgas durch das Gasnetz zu transportieren. Darüber hinaus kündigt der Betreiber eine Wasserstoffkarte an. Sie enthält Informationen über Produktionskapazitäten und interessierte Abnehmer. Gaz System will eine erste Version bis Oktober 2024 vorstellen. Auf Basis der Karte plant das Unternehmen den Verlauf von möglichen Wasserstoffleitungen.
Gaz System beteiligt sich auch an internationalen Projekten. Gemeinsam mit Akteuren aus Deutschland, den baltischen Staaten und Finnland arbeitet der polnische Betreiber am Nordic Baltic Hydrogen Corridor. Er soll Wasserstoff nach Deutschland befördern.
Polens größter Betreiber des Gasverteilernetzes PSG (Polska Spółka Gazownictwa) hat bereits eine Leitung gebaut. Das 7 Kilometer lange Rohr im südwestlichen Jelenia Góra kann Erdgas mit bis zu 20 Prozent beigemischtem Wasserstoff transportieren. Es ist laut PSG die erst Leitung dieser Art in Polen.
Einige der wichtigsten Akteure in Polens Wasserstoffmarkt haben sich in acht Clustern oder sogenannten Wasserstoff-Valleys zusammengeschlossen. Öffentliche und private Akteure schaffen hier regionale Wertschöpfungsketten. Die abgewählte PiS-Regierung hatte ein neuntes Cluster in der Woiwodschaft Podlaskie und eine Koordinierungsstelle angekündigt. Wie es unter der neuen Regierung weitergeht, steht nicht fest.
Hinzu kommen lokalen Initiativen wie in Zgorzelec nahe der Grenze zu Deutschland. Die südostpolnische Stadt Sanok wiederum will ihre Fernwärme auf Wasserstoff umstellen. Was fehlt, ist ein Investor. Der staatliche Thinktank PIE (Polski Instytut Ekonomiczny) kritisiert, dass Polen generell zu wenig eigenes öffentliches Geld in die Wasserstoffförderung investiere.
Name | Ausgewählte Mitglieder |
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Hydrogen-Cluster Pomorze | Sescom, Politechnika Gdańsk, Grupa ASE |
Hydrogen-Valley Zachodniopomorska | Grupa Azoty, Enea |
Hydrogen-Valley Dolnośląska | Grupa Azoty, KGHM, Toyota |
Hydrogen-Valley Podkarpacka | Autosan, ML System, Polenergia |
Hydrogen-Valley Mazowiecka | Alstom, PESA, PKN Orlen, Siemens, Solaris, Toyota |
Hydrogen-Valley Śląsko-Małopolska | Columbus Energy, Grupa Azoty, Orlen Południe, Polenergia, Węglokoks |
Hydrogen-Valley Wielkopolska | ZE PAK, Solaris, |
Central Hydrogen-Valley | Industria SA, Enea, ML System, Rolls Royce SMR |
EU-Programme unterstützen den Wasserstoffsektor
Stattdessen setzt das Land auf EU-Fördertöpfe. Allein über den europäischen Wiederaufbaufonds will Polen 800 Millionen Euro in die Wasserstoffwirtschaft investieren. Hinzu kommen Gelder aus der europäischen Kohäsionspolitik, aus dem Modernisierungsfonds und aus dem Infrastrukturprogramm CEF (Connecting Europe Facility).
Unternehmen, die emissionsfreien Wasserstoff produzieren und nutzen wollen, können sich ab Mitte 2024 um insgesamt 250 Millionen Euro bewerben. Weitere 250 Millionen Euro sollen den Automobilherstellern dabei helfen, die Produktion von Fahrzeugen mit Wasserstoffantrieb anzukurbeln. In beiden Fällen stammt das Geld aus dem Wiederaufbaufonds. Laut Auskunft der Beratungsagentur Metropolis startet 2025 ein Programm der Kohäsionspolitik, das den Bau von Kraftwerken auf Basis erneuerbarer Quellen für die Wasserstoffproduktion unterstützt. Wie hoch das Budget ausfällt, bleibt offen.
Auch die Regionalverwaltungen setzen Programme mithilfe von EU-Geldern um. Bis Ende Juni 2024 können sich beispielsweise Gemeinden in Wielkopolskie auf insgesamt 40 Millionen Euro bewerben, um damit Wasserstoffbusse und andere Transportmittel einzukaufen.
Der staatliche Mineralölkonzern Orlen bewarb sich im April 2024 erfolgreich um CEF-Mittel. Die Energiegruppe erhält 62 Millionen Euro für den Bau von 16 Wasserstofftankstellen und eines Elektrolyseurs. Bereits zuvor hatte Orlen europäische Gelder erhalten, um in Städten wie Poznań und Katowice Tankstellen in Betrieb zu nehmen. Ein weiterer Nutznießer der CEF-Wasserstoffförderung ist der private Energiekonzern ZE PAK.
Unternehmen in Polen nutzen außerdem Fördergelder im Rahmen des europäischen Programms IPCEI (Important Projects of Common European Interest). Projekte, die den IPCEI-Status erhalten und damit als strategisch wichtig gelten, können zusätzliche staatliche Beihilfen abrufen. Neben Orlen und der Tochterfirma Lotos, haben sich außerdem der Chemiekonzern Synthos und der Stromkonzern Polenergia erfolgreich um den IPCEI-Status für Wasserstoffprojekte beworben.
Unternehmen | Projektname | Förderung in Mio. Euro | Inhalt |
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Orlen | Hydrogen Eagle | 511 | Bau von Wasserstoff-Produktionszentren und Tankstellen |
Lotos | Lotos Green H2 | 158 | Bau eines 100 Megawatt Elektrolyseurs inklusive Fotovoltaik und Energiespeicher |
Synthos | Entwicklung und Demonstration einer Wasserstoff-Technologie | 25 | Prototyp für Wasserstoffproduktion mittels Hochtemperatur-Wasserdampfspaltung |
Polenergia | H2Silesia | 143 | Bau ein Wasserstoff-Produktionsanlage mit 105 Megawatt |