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Wirtschaftsausblick | Polen

Wirtschaftswachstum trotz schwacher Investitionen

Dank steigender Konsumausgaben wächst Polens Wirtschaft auch 2024 schneller als der EU-Durchschnitt. Die Investitionen werden voraussichtlich erst 2025 wieder an Fahrt gewinnen.

Von Christopher Fuß | Warschau

Top-Thema: Neue EU-Gelder auf den Weg gebracht

Polen erhält voraussichtlich bis zum Jahresende 2024 weitere 9,4 Milliarden Euro aus dem Wiederaufbaufonds der EU. Die Europäische Kommission bewertet einen entsprechenden Zahlungsantrag positiv. Um Gelder aus dem Wiederaufbaufonds zu erhalten, müssen die Mitgliedstaaten Reformen umsetzen, die zuvor mit der Kommission vereinbart wurden. Da die bis Ende 2023 regierende PiS-Partei einige Gesetzesvorhaben nicht umsetzen wollte, blieben die Mittel lange blockiert.

Das polnische Ministerium für Fonds und Regionalpolitik hat bereits bekanntgegeben, in welche Bereiche die Gelder ab 2025 fließen werden. Zu den Empfängern gehören unter anderem das Gesundheitswesen, das Stromnetz und die Eisenbahninfrastruktur. Außerdem will Polen seine geplanten Offshore-Windparks mit günstigen Krediten aus dem Wiederaufbaufonds finanzieren. Bauarbeiten am ersten Offshore-Windpark des Landes starten voraussichtlich im Laufe des Jahres 2025.

Wirtschaftsentwicklung: Investitionsklima wird sich verbessern

Polens Volkswirtschaft wächst im Jahr 2024 aufgrund eines starken Privatkonsums dreimal schneller als der EU-Durchschnitt. Zu dieser Einschätzung kommt die Europäische Kommission in ihrer Herbstprognose 2024. Steigende Gehälter, niedrige Arbeitslosigkeit und neue öffentliche Gelder für Familien regen die Kauflaune an. Auch 2025 dürfte Polen mit einem Wirtschaftsplus von 3,6 Prozent zu den Wachstumsmotoren der Region gehören. Neben dem Privatkonsum legen dann auch die Investitionen wieder zu – unter anderem dank neuer EU-Gelder

Aktuell halten die Unternehmen sich mit Ausgaben noch zurück. Das verarbeitende Gewerbe reduzierte die Investitionen im 1. Halbjahr 2024 laut Statistikamt GUS (Główny Urząd Statystyczny) um 6,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Firmen klagen über rückläufige Bestellungen, insbesondere aus dem Ausland.

Negativ auf das Investitionsklima wirkt auch der hohe Leitzins der Nationalbank NBP (Narodowy Bank Polski) aus. Er verteuert Kredite für Maschinen und Anlagen. Die NBP gibt an, dass der Leitzins von aktuell 5,75 Prozent wohl nicht vor Ende des 1. Quartals 2025 sinken wird. Zur Begründung verweist die Nationalbank auf die Inflation und die Staatsverschuldung.

Allein 2025 liegt die Neuverschuldung Polens nach Berechnungsmethode der Europäischen Kommission bei 5,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Sozialleistungen und hohe Verteidigungsausgaben tragen in Kombination mit niedrigeren Staatseinnahmen zum Haushaltsloch bei.

Baufirmen hofft auf neue Impulse

Angesichts steigender Kosten rentiert sich für einige Konzerne die Produktion in Polen nicht mehr. Sie bauen Stellen ab. Zu den prominentesten Beispielen gehören ABB, Beko, Ikea, Levis und Stellantis. Während manche Firmen abwandern, kommen neue hinzu, zum Beispiel im Onlinehandel. Laut Auskunft von Immobilienagenturen steigt die Nachfrage nach modernen Industriehallen.

Wenn mehr Produktionszentren entstehen, kann das der angeschlagenen Bauindustrie helfen. Zwischen Januar und September 2024 sank die Produktion im Baugewerbe. Das hängt unter anderem mit rückläufigen Ausschreibungen der Straßenbehörde GDDKiA (Generalna Dyrekcja Dróg Krajowych i Autostrad) zusammen. Abhilfe versprechen auch hier die neuen EU-Gelder, die bereits für einige Autobahnprojekte eingeplant sind.

Der Wohnungsbau steht ebenfalls vor einem Aufschwung. Die Zahl der genehmigten Projekte legte zwischen dem 1. und 3. Quartal 2024 deutlich zu. Gleichzeitig steigt der Preisdruck. Laut Auskunft polnischer Bauunternehmen drängt Konkurrenz aus Asien in den Markt.

Finanzierung von Großprojekten nicht gesichert

Das Klimaministerium arbeitet an einer neuen Energiestrategie. Die Beratungen zum Dokument endeten Mitte November 2024. Laut den Plänen wird Atomenergie ab den 2030er Jahren eine wichtige Rolle spielen, um die Grundlast zu decken.

Polens erstes Atomkraftwerk entsteht mithilfe US-amerikanischer Reaktortechnik westlich von Gdańsk. Das Kabinett arbeitet an einem Gesetz, um die zuständige staatliche Projektgesellschaft mit 14 Milliarden Euro auszustatten. Woher die restlichen Gelder des 34 Milliarden Euro teuren Projektes kommen, bleibt unklar. US-Entwicklungsbanken wollen Kredite anbieten.

Offen ist auch, wie das Infrastrukturministerium den Bau des geplanten Großflughafens CPK (Centralny Port Komunikacyjny) zwischen Warschau und Łódź finanzieren will. Fest steht: Das Luftfahrtdrehkreuz fällt kleiner aus, als von der Vorgängerregierung angedacht. Die staatliche Projektgesellschaft des CPK rechnet mit einem Baubeginn ab 2026.

Laut ursprünglicher Planung sollten rund um den Großflughafen neue Strecken für Hochgeschwindigkeitszüge entstehen. Polens aktuelle Regierung beschränkt das Vorhaben auf ausgewählte Verbindungen zwischen den Metropolregionen. Immerhin: Für die Strecke Warschau - Łódź laufen bereits Ausschreibungen.

Deutsche Perspektive: Kfz-Absatz treibt den Export

Deutsche Unternehmen profitieren vom Wirtschaftswachstum in Polen. Die Warenausfuhren Deutschlands nach Polen stiegen zwischen Januar und September 2024 um 3,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das meldet das Statistikamt Destatis. Zu den wichtigen Exportgütern zählen Fahrzeuge. Die Neuzulassungen auf Polens Kfz-Markt steigen im Jahresvergleich.

Mit einem Exportwert von 70,6 Milliarden Euro zwischen Januar und September 2024 landet Polen in der Rangfolge der größten Exportmärkte Deutschlands erstmals vor China. Die Ausfuhren deutscher Unternehmen ins Reich der Mitte sanken im gleichen Zeitraum um 4,8 Prozent auf 70,1 Milliarden Euro.

Parallel dazu schrumpft Polens Export. Laut Europäischer Kommission werden die Ausfuhren steigen, wenn sich die Wirtschaft in der Eurozone erholt. Sie ist Polens wichtigster Auslandsmarkt. Polnische Thinktanks befürchten hingegen negative Folgen durch die von Donald Trump angekündigten Zölle auf Kfz-Importe aus Europa.

Weitere Informationen (zum Beispiel Rechtsinformationen oder Branchenberichte) finden Sie auf unserer Länderseite Polen.

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