Die Branche wird dominiert von einigen Großkonzernen, hinter denen ausländische Muttergesellschaften stehen. Auch deutsche Chemieunternehmen sind in der Slowakei sehr aktiv.
Die Chemiebranche ist neben dem Fahrzeugbau und der Metallurgie der drittwichtigste Industriezweig in der Slowakei. Ihr Anteil an der Bruttowertschöpfung des Landes beträgt rund 4 Prozent. Nach Angaben der staatlichen Wirtschaftsfördergesellschaft Sario gibt es rund 290 Hersteller von chemischen Erzeugnissen, die über 40.000 Beschäftigte haben.
Umsätze der slowakischen Chemieindustrie nach Spartenin Millionen Euro; Veränderung in ProzentBranche | Umsatz 2021 | Umsatz 2022 | Veränderung 2022/2021 |
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Erdölprodukte | 4.093 | 6.324 | 54,5 |
Chemikalien und chemische Erzeugnisse, davon | 1.995 | 2.847 | 42,7 |
Kunststoffe in Primärform | 412 | 548 | 33,0 |
Anstrichmittel | 62 | 59 | -4,8 |
Seifen, Wasch- und Reinigungsmittel | 242 | 247 | 2,1 |
Chemiefasern | 110 | 152 | 38,2 |
Pharmazeutische Erzeugnisse | 181 | 221 | 22,1 |
Gummi- und Kunststofferzeugnisse, davon | 4.499 | 5.300 | 17,8 |
Gummierzeugnisse | 2.174 | 2.633 | 21,1 |
Kunststofferzeugnisse | 2.325 | 2.667 | 14,7 |
Insgesamt | 10.767 | 14.691 | 36,4 |
Quelle: Verband der chemischen und pharmazeutischen Industrie (ZCHFP) 2024
Petrochemie sucht neue Erdöllieferanten
Das größte Chemieunternehmen der Slowakei ist der Petrochemiekonzern Slovnaft, der zur ungarischen MOL-Gruppe gehört. Das Unternehmen bezog vor 2022 fast ausschließlich Rohöl aus Russland. Der Mutterkonzern MOL will auch künftig russisches Öl über die Druschba-Pipeline beziehen und dafür ab 2025 das Transportrisiko für den Transit durch die Ukraine bereits ab Belarus übernehmen.
Gleichzeitig arbeitet die Slowakei aber an einer Diversifizierung der Erdöl-Bezugsquellen. Künftig soll der Rohstoff auch aus Aserbaidschan, Libyen, Oman und den USA kommen. Die dafür nötige Umstellung der Slovnaft-Produktionsanlagen kostet in den kommenden Jahren rund 200 Millionen Euro, berichtete die Wirtschaftszeitung Hospodárske noviny. Dabei geht es vor allem um die Destillationslinie AVD6, die seit 1971 in Betrieb ist. Sie ist hauptsächlich für russisches Öl mit hohem Schwefelgehalt ausgelegt. Slovnaft will die Linie so umbauen, dass dort auch Rohöl aus den USA oder aus dem Irak verarbeitet werden kann. Das Öl soll über den kroatischen Hafen Omišalj auf der Insel Krk angeliefert und über die Adria-Pipeline bis nach Ungarn und die Slowakei gepumpt werden.
Slovnaft will seine Verarbeitungskapazitäten erweitern und die Wertschöpfung erhöhen. Dafür soll unter anderem eine Polypropylenanlage für 63 Millionen Euro entstehen. Die bestehende Ethylenanlage wird für 250 Millionen Euro modernisiert.
Kritisch blickt das Unternehmen auf einen Passus im Konsolidierungspaket der slowakischen Regierung, das im Oktober 2024 beschlossen wurde. Er sieht vor, die Raffineriebetriebe mit einer Sondersteuer zu belegen und so jährlich 36 Millionen Euro für den Staatshaushalt zu erlösen.
Engpässe bei Gasversorgung drohen
Neben der Versorgung mit Erdöl drohen den slowakischen Chemiebetrieben ab 2025 auch Engpässe bei Erdgas, wenn die Ukraine den Transit aus Russland einstellt. Noch 2023 hing die Slowakei zu 69 Prozent von russischem Gas ab. Bratislava versucht, die Bezüge zu diversifizieren und hat bereits mit Aserbaidschan Lieferungen über den Südlichen Gaskorridor verhandelt. Außerdem könnte US-Frackinggas über das kroatische Flüssiggasterminal auf Krk in die Slowakei gelangen.
Neben Slovnaft ist der Ammoniakproduzent Duslo der zweitgrößte Chemiebetrieb in der Slowakei. Er gehört zum tschechischen Konzern Agrofert, beschäftigt rund 2.000 Mitarbeiter und ist an den Standorten Šaľa, Bratislava und Strážske vertreten. Ein weiterer wichtiger Branchenvertreter ist die Envien Group, der größte Hersteller von Biotreibstoffen im Land.
Autohersteller lockten Kunststoffproduktion ins Land
Während traditionell die Petrochemie und Hersteller von Grundchemikalien die Branche dominierten, nahm mit dem Aufstieg der einheimischen Autoindustrie die Bedeutung der Kunststoff- und Gummihersteller stark zu. Auf sie entfallen heute fast drei Viertel aller Branchenunternehmen und über 40 Prozent der Umsätze. Dafür sorgen besonders die drei Produktionswerke von Continental für Reifen und Schwingungstechnik. Sie erzielten 2023 einen Umsatz von 2,17 Milliarden Euro.
Auch andere wichtige Kunststoffhersteller in der Slowakei sind meist Niederlassungen bekannter ausländischer Unternehmen, darunter Seoyon E-Hwa, Magna Slovteca, Plastic Omnium, Partizánske Building Components-SK (Velux). Mit dem Profilhersteller Slovaktual oder dem Folien- und Granulatspezialisten D.P. Ekoplast gehören auch slowakische Firmen zu den führenden Anbietern.
Pharmabranche spielt nur eine Nischenrolle
Relativ klein, dafür aber mit guten Wachstumsraten, ist die slowakische Pharmabranche. Eurostat zählte 2022 in der Slowakei 31 Pharmaunternehmen mit 2.400 Beschäftigten. Der umsatzstärkste einheimische Hersteller ist Saneca Pharmaceuticals aus Hlohovec bei Trnava. Das Unternehmen ist spezialisiert auf Auftragsfertigung und die Entwicklung von pharmazeutischen Präparaten und Wirkstoffen. In Martin produziert und verpackt HBM Pharma im Auftrag sterile Flüssigkeiten und Tabletten. Unimed Pharma in Bratislava stellt Augentropfen und Nahrungsergänzungsmittel her. Weitere bekannte Unternehmen sind Imuna Pharm, Biotika und Innopharma.
Die Mehrzahl der slowakischen Pharmabetriebe ist im Westen des Landes angesiedelt, mit einem Schwerpunkt im Großraum Bratislava. Es gibt zahlreiche Dienstleister für Labordiagnostik, die im Auftrag der Pharmaindustrie klinische Tests durchführen. Die beiden größten - Unilabs in Martin und Medirex in Pezinok - haben einen Marktanteil von über 50 Prozent.
Bei der Produktion von Kosmetika und Pflegeprodukten gibt es nur drei größere Unternehmen: Haleon und Farmol in Levice sowie Saneca in Hlohovec. Alle anderen Hersteller erzielen Jahresumsätze von weniger als 10 Millionen Euro.
Viele Werke mit deutscher Beteiligung
Deutsche Chemieunternehmen haben in den letzten Jahren ihre Produktionskapazitäten erweitert. Das gilt vor allem für die Kunststoff- und Gummiverarbeiter wie Continental. Evonik eröffnete im Mai 2024 ein neues Werk in Slovenská Ľupča. Dort werden nach Unternehmensangaben weltweit erstmals Biotenside in industriellem Maßstab produziert. Eigene Werke in der Slowakei haben außerdem BASF, die Messer Group (Industriegase), SaarGummi (Gummiteile), Franke (Kunststoffspülen) und Reutter (Kunststoffteile für die Automobilindustrie).
Wichtige Branchenunternehmen in der SlowakeiUmsatz in Millionen Euro, Veränderung in Prozent, Chemie- und Kunststoffindustrie - AuswahlUnternehmen, Standort | Produkte | Umsatz 2023 | Veränderung 2023/2022 |
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Slovnaft, Bratislava | Brennstoffe, Chemikalien, Kunststoffe, Asphalt, Heizöle | 5.887 | -2,2 |
Duslo, Šaľa | Chemikalien für Gummiproduktion, Düngemittel, Klebstoffe, Ammoniak | 538 | -47,3 |
Haleon Levice, Levice | Zahnpasten und kosmetische Produkte | 226 | 21,0 |
Enviral, Leopoldov | Bioethanol, DDGS | 193 | -26,6 |
Fortischem, Nováky | Technische Gase, organische Chemikalien, Karbide, Koks | 158 | -5,9 |
Meroco, Leopoldov | Biodiesel, Glycerin | 151 | -34,9 |
APIS Plastic Slovakia, Dubnica nad Váhom | Kunststofferzeugnisse, -verpackungen | 103 | 16,1 |
Chemosvit Folie, Svit | Verpackungsfolien | 97 | -7,9 |
Partizánske Building Components-SK, Partizánske | Kunststofffensterprofile | 95 | -9,0 |
Saneca Pharmaceuticals, Hlohovec | Pharmazeutika | 86 | 17,4 |
Slovaktual, Pravenec | Kunststoffprofile für Fenster und Türen | 85 | -17,6 |
Die drei slowakischen Werke des Continental-Konzerns zur Produktion von Reifen- und Schwingungstechnik wurden in der Tabelle nicht berücksichtigt. Sie erzielten 2023 zusammen einen Umsatz von 2,17 Milliarden Euro.Quelle: Finstat 2024; Trend 2024; Recherchen von Germany Trade & Invest 2024
Von Gerit Schulze
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Bratislava