Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Logo für die Reihe Branche Kompakt Chemische-Industrie

Branche kompakt | Slowakei | Chemische Industrie

Slowakische Chemieindustrie bangt um Rohstoffbezüge

Die Slowakei ist ein wichtiger Standort der Chemieproduktion und zugleich ein wichtiger Absatzmarkt für chemische Erzeugnisse. Vor allem die Fahrzeugindustrie hat großen Bedarf.

Von Gerit Schulze | Bratislava

Ausblick der chemischen Industrie in der Slowakei

  • Nachfrage in wichtigen Abnehmerbranchen stagniert.
  • Hohe Energiepreise schwächen die Wettbewerbsfähigkeit.
  • Weiterhin starke Abhängigkeit von russischen Rohstoffen.
  • Fachkräftemangel verschärft sich und sorgt für hohen Lohndruck.
  • Grüne Transformation der Branche ist in vollem Gange und führt zu neuen Investitionen.

Anmerkung: Einschätzung des Autors für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionsankündigungen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes, Jahresberichten etc. Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: Oktober 2024

  • Markttrends

    Der Bedarf an Chemieprodukten stagniert in der Slowakei, weil wichtige Abnehmerbranchen Schwäche zeigen. Perspektivisch wird die Autobranche aber für wachsende Nachfrage sorgen.

    Die chemische Industrie ist ein wichtiger Wirtschaftszweig in der Slowakei. Sie ist stark exportorientiert und zugleich abhängig von importierten Vorprodukten. Das Marktvolumen schwankte in den letzten Jahren wegen der globalen Preisauftriebe und der Konjunkturschwäche. Es lag 2022 nach Berechnungen von Germany Trade & Invest bei über 17 Milliarden Euro und schrumpfte 2023 auf rund 14 Milliarden Euro. Der Rückgang hing vor allem mit den gesunkenen Preisen für Raffinerieprodukte und Agrarchemikalien zusammen.

    14 Milliarden Euro

    Marktvolumen für chemische Erzeugnisse (2023)

    Derzeit steckt die Branche jedoch in einer Krise. Slowakische Hersteller von Chemikalien und chemischen Erzeugnissen verbuchten im 1. Halbjahr 2024 nur noch halb so viele Neuaufträge (gemessen am Auftragswert) wie im gleichen Zeitraum 2022. Immerhin war die Produktion im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr noch leicht um 2 Prozent gestiegen. Die Petrochemie verzeichnete einen Produktionsrückgang um 8 Prozent im 1. Halbjahr 2024. In der Pharmaindustrie ist das Bild durchwachsen: Sie verzeichnete in den ersten sechs Monaten steigende Auftragseingänge, musste ihr Produktionsvolumen aber um 6 Prozent drosseln.

    Der slowakische Außenhandel mit chemischen Erzeugnissen (NACE-Kategorien 19 bis 22) erreichte 2023 laut Eurostat ein Volumen von 24,3 Milliarden Euro. Davon entfielen 10,5 Milliarden Euro auf Exporte und 13,8 Milliarden Euro auf Importe. Die wichtigsten Lieferanten waren Tschechien, Deutschland und Polen. In den ersten fünf Monaten 2024 stieg der Importwert im Jahresvergleich um 4 Prozent. Während die Einfuhren aus Deutschland leicht zurückgingen, kletterten die Importe aus Tschechien um 9 Prozent. Das lag vor allem am Zuwachs bei Kunststoff- und Gummierzeugnissen.

    Autoindustrie ist wichtigster Kunde für Chemieprodukte

    Wichtigster Abnehmer für chemische Produkte in der Slowakei sind die Automobilhersteller, die großen Bedarf an Kunststoff- und Gummiteilen, Lacken, Farben und Schmierstoffen haben. Aktuell werden pro Jahr rund 1 Million Autos montiert. Perspektivisch wird die Produktion von Fahrzeugen im Land eher zunehmen, da derzeit ein fünfter Autokonzern (Volvo) eine Fabrik bei Košice errichtet.

    Für Kosmetika, Haushaltschemikalien und Pharmaerzeugnisse ist die Lage zurzeit erfreulich. Nach zwei Jahren mit realen Einkommensverlusten verdienen die Slowaken seit 2024 wieder deutlich mehr. Die Regierung rechnet für 2024 mit einem realen Anstieg des Privatverbrauchs um fast 3 Prozent. Dieser Wert dürfte sich aber schon 2025 wieder halbieren, wenn eine kräftige Anhebung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte die Kauflaune bremst. 

    Besonders bei Pharmaerzeugnissen ist das Wachstumspotenzial noch groß. Die Gesundheitsausgaben in der Slowakei liegen bei unter 8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, während der EU-Durchschnitt über 10 Prozent beträgt (Deutschland rund 12 Prozent). Ab 2025 soll die Mehrwertsteuer für Arzneimittel auf 5 Prozent halbiert werden. Das könnte den Absatz beflügeln.

    Geringe Nachfrage aus der Bauwirtschaft

    In der Bauwirtschaft ist der Abwärtstrend noch nicht gestoppt, sodass Bauchemikalien, Dämmstoffe und andere Erzeugnisse der Chemieindustrie sich derzeit nur schleppend verkaufen. In den ersten sieben Monaten 2024 schrumpfte das Volumen der slowakischen Bauproduktion um über 4 Prozent. Im Tiefbau war der Rückgang stärker als im Wohnungsbau. Hohe Zinsen und gestiegene Baukosten verderben potenziellen Investoren derzeit die Stimmung.

    Bei Düngemitteln ist die Slowakei ein Nettoexporteur. Dem Importvolumen von 230 Millionen Euro stand 2023 ein Exportwert von über 390 Millionen Euro gegenüber. Die meisten Agrarchemikalien gehen nach Tschechien, Ungarn und Deutschland. Die wichtigsten Lieferländer in diesem Segment sind Ungarn, Österreich und Polen. Im Inland ist der Einsatz von Pestiziden zwischen 2020 und 2022 um 13 Prozent auf rund 4.700 Tonnen gesunken. Der Bedarf an Fungiziden verringerte sich laut Statistikamt um 7 Prozent auf 1.150 Tonnen; der von Herbiziden schrumpfte um 8 Prozent auf 2.500 Tonnen.

    Das Einfuhrverbot von russischen und belarussischen Düngemitteln in die EU hat die Preise in der Slowakei nach oben getrieben. Davon profitierten zunächst die einheimischen Produzenten. Allerdings gelangen die sanktionierten Güter über Drittländer immer häufiger in die Europäische Union und verschärfen damit den Wettbewerb.

    Fachkräftemangel nimmt zu

    Ein großes Problem für die chemische Industrie der Slowakei ist der akute Fachkräftemangel. Der Branchenverband ZCHFP verweist auf das geringe Interesse junger Leute an einer Ausbildung in chemischen Berufen. Gleichzeitig stünden viele Beschäftigte kurz vor dem Eintritt ins Rentenalter. Die Zahl der Erwerbstätigen in der Chemieindustrie ist innerhalb eines Jahres um 4 Prozent gesunken. Zugleich nimmt der Lohndruck zu, der Durchschnittslohn in der Chemiebranche beträgt inzwischen mehr als 2.000 Euro pro Monat.

    Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in der SlowakeiSumme in Millionen Euro
    Vorhaben, Ort

    Investitionssumme

    Projektstand
    Duslo / Maßnahmen zur Dekarbonisierung, Einsatz von Windkraft, Photovoltaik, Batteriespeichern, Elektrolyseur zur Produktion von grünem Wasserstoff, Šaľa

    120

    Frühstadium; Umweltverträglichkeitsprüfung läuft; Förderung aus dem Modernisierungsfonds zugesagt
    Duslo / neue Granulier-Anlage, Šaľa

    100

    Planungsphase; Projekt wegen der Wirtschaftslage aufgeschoben
    Haleon / Erweiterung der Produktion von Zahnpasten und Verlagerung der Produktion aus dem Vereinigten Königreich, neues Forschungs- und Entwicklungszentrum, Levice

    19

    Übertragung bis 2026 geplant; für Entwicklungszentrum Investitionsanreize beantragt
    Slovnaft / Umstellung der Raffinerieanlagen zur Nutzung von nichtrussischem Erdöl, Bratislava

    10

    Erste Etappe eines Projekts, das Gesamtinvestitionen von 200 Mio. Euro erfordert
    Duslo / Druckspeicher für Ammoniak, Šaľa

    10

    Planungsphase; Projekt wegen der Wirtschaftslage aufgeschoben
    SPzO / Wiederverwertung von Kunststoffabfällen für die Chemieindustrie, Šurany

    5

    Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt; Aufträge von Orlen und Duslo
    ShredCo / Wiederverwertung von Lithium-Batterien aus E-Autos, Handys und Laptops, Šuranyk.A.Umweltverträglichkeitsprüfung noch nicht beantragt
    Quelle: Pressemeldungen 2024; Recherchen von Germany Trade & Invest 2024.

    Von Gerit Schulze | Bratislava

  • Nachhaltigkeit in der Chemieindustrie

    Die slowakischen Chemiebetriebe haben viel Nachholbedarf beim ökologischen Umbau und der Dekarbonisierung. Besonders die finanzstarken Unternehmen investieren in diesem Bereich.

    Die Themen Nachhaltigkeit, schonender Ressourceneinsatz und Dekarbonisierung spielen für die slowakische Chemieindustrie eine zunehmend wichtige Rolle. Allerdings konzentrieren sich die Investitionen meist auf die großen, finanzstarken Branchenunternehmen. 

    Der Raffineriekonzern Slovnaft muss sich darauf einstellen, dass die Nachfrage nach seinen fossilen Kraftstoffen tendenziell sinkt. Das Unternehmen bereitet sich daher auf die Produktion von Biokraftstoffen und von grünem Wasserstoff vor. Schon jetzt produziert Slovnaft pro Jahr über 90.000 Tonnen Wasserstoff für den Eigenbedarf - allerdings durch klimaschädliche Dampfreformierung aus Erdgas. Ein Teil davon wird in einem Joint Venture mit der deutschen Messer Group für den Einsatz in Wasserstofffahrzeugen aufbereitet.

    Außerdem stattet der Konzern mehrere Tankstellen zurzeit mit Photovoltaik zur Eigenversorgung aus. Ausgewählte Standorte sollen künftig auch Wasserstoff anbieten. Zusammen mit der Technischen Universität STU in Bratislava erarbeitet Slovnaft ein Konzept zu effizienteren Energienutzung von Kesselabgasen. 

    Durch die Elektrifizierung wichtiger Maschinen zur Benzinproduktion, höhere Effizienz bei der Wärmeerzeugung und einen Brennstoffwechsel im Heizkraftwerk will Slovnaft seinen CO2-Fußabdruck deutlich verringern. Außerdem ist der Bau eines neuen emissionsarmen Pyrolyseofens und die Elektrifizierung des Verdichterantriebs in der Ethylenanlage geplant. Durch diese Projekte könnten pro Jahr 370.000 Tonnen CO2 eingespart werden, heißt es im Jahresbericht des Konzerns.

    Raffinerie nutzt Abfall zur Energiegewinnung

    In Bratislava plant Slovnaft eine große Verbrennungsanlage für Siedlungsabfälle, Industrieschlämme und Altlasten mit einer Gesamtkapazität von 316.700 Tonnen. Dort sollen auch Industrierückstände der Autofabriken von Volkswagen, Stellantis und Kia verarbeitet werden. Die dadurch gewonnene Wärme und der Strom werden direkt in der Raffinerie von Slovnaft verbraucht sowie zur Beheizung von Haushalten in Bratislava genutzt. Die Bauarbeiten sollen 2025 beginnen, der Betrieb könnte 2029 starten. Die Investitionskosten belaufen sich auf 200 Millionen US-Dollar (etwa 184 Millionen Euro).

    Ende 2023 nahm Slovnaft in seiner Raffinerie Bratislava einen neuen Speicher für 6.000 Tonnen verflüssigtes Ethylen in Betrieb. Dadurch kann die Produktion von Polyethylen niedriger Dichte stabilisiert und somit Kohlendioxidemissionen und Stromverbrauch reduziert werden, teilte der Konzern mit. Die Investitionskosten betrugen 70 Millionen Euro.

    Wasserstoff als neuer Energieträger

    Der größte industrielle Gasverbraucher der Slowakei, Ammoniakproduzent Duslo, will den Energieträger Erdgas perspektivisch durch Wasserstoff ersetzen. Die dafür nötigen Elektrolysekapazitäten sollen mit Hilfe von Fotovoltaik und Windparks entstehen, auch ein Batteriespeicher ist geplant. Laut Branchendienst Energie-Portal.sk strebt Duslo eine Jahresproduktion von 2.100 Tonnen Wasserstoff an. Die Hälfte der geschätzten Gesamtkosten (120 Millionen Euro) kommt aus dem EU-Modernisierungsfonds. Das Vorhaben soll bis 2030 abgeschlossen sein, verzögert sich derzeit aber wegen Anwohnerprotesten.

    Im Sommer 2024 kündigte Duslo außerdem an, die Emission von Stickoxiden bei der Produktion von Salpeter zu senken. Dafür installiert das Unternehmen effizientere katalytische Reduktionssysteme. Ziel ist eine Verringerung des Stickoxidausstoßes um über 90 Prozent. Wie Duslo mitteilte, könnten damit pro Jahr rund 22.000 Tonnen CO2-Äquivalent vermieden werden.

    Ein weiteres Projekt zur ökologischen Transformation bei Duslo ist eine Anlage, in der Kraftstoffe aus Kunststoffabfällen produziert werden (Pyrolyseöl). Dafür sind 23 Millionen Euro Investitionen vorgesehen. Derzeit testet das Unternehmen die Produktion und sucht Kunden für den Biokraftstoff.

    Mehrere Projekte zur Batterieproduktion

    Bei der Batterieproduktion könnte die Slowakei in naher Zukunft zu den führenden Produktionsstandorten in Europa gehören. Das erzeugt Bedarf an chemischen Vorprodukten. Im Sommer 2024 startete das einheimische Unternehmen InoBat mit der industriellen Herstellung von Batteriezellen in Voderady bei Trnava. Die Fertigungslinie bildet den gesamten Prozess von Anoden- und Kathodenmischungen bis zur Formierung der Zellen ab und hat eine Jahreskapazität von 50.000 Einheiten. Gemeinsam mit der chinesischen Gotion High-Tech plant InoBat außerdem eine Gigafactory in Šurany. Dort ist ab 2026 eine Jahreskapazität von 20 Gigawattstunden geplant.

    Porsche errichtet über seine Werkzeugbautochter einen "Smart Battery Shop" im slowakischen Horná Streda, wo die Batterien für den elektrischen Porsche Cayenne produziert werden sollen.

    Von Gerit Schulze | Bratislava

  • Branchenstruktur

    Die Branche wird dominiert von einigen Großkonzernen, hinter denen ausländische Muttergesellschaften stehen. Auch deutsche Chemieunternehmen sind in der Slowakei sehr aktiv.

    Die Chemiebranche ist neben dem Fahrzeugbau und der Metallurgie der drittwichtigste Industriezweig in der Slowakei. Ihr Anteil an der Bruttowertschöpfung des Landes beträgt rund 4 Prozent. Nach Angaben der staatlichen Wirtschaftsfördergesellschaft Sario gibt es rund 290 Hersteller von chemischen Erzeugnissen, die über 40.000 Beschäftigte haben.

    Umsätze der slowakischen Chemieindustrie nach Spartenin Millionen Euro; Veränderung in Prozent
    Branche

    Umsatz 2021

    Umsatz 2022

    Veränderung 2022/2021

    Erdölprodukte4.0936.32454,5
    Chemikalien und chemische Erzeugnisse, davon1.9952.84742,7
    Kunststoffe in Primärform41254833,0
    Anstrichmittel6259-4,8
    Seifen, Wasch- und Reinigungsmittel2422472,1
    Chemiefasern11015238,2
    Pharmazeutische Erzeugnisse18122122,1
    Gummi- und Kunststofferzeugnisse, davon4.4995.30017,8
    Gummierzeugnisse2.1742.63321,1
    Kunststofferzeugnisse2.3252.66714,7
    Insgesamt10.76714.69136,4
    Quelle: Verband der chemischen und pharmazeutischen Industrie (ZCHFP) 2024

    Petrochemie sucht neue Erdöllieferanten

    Das größte Chemieunternehmen der Slowakei ist der Petrochemiekonzern Slovnaft, der zur ungarischen MOL-Gruppe gehört. Das Unternehmen bezog vor 2022 fast ausschließlich Rohöl aus Russland. Der Mutterkonzern MOL will auch künftig russisches Öl über die Druschba-Pipeline beziehen und dafür ab 2025 das Transportrisiko für den Transit durch die Ukraine bereits ab Belarus übernehmen. 

    Gleichzeitig arbeitet die Slowakei aber an einer Diversifizierung der Erdöl-Bezugsquellen. Künftig soll der Rohstoff auch aus Aserbaidschan, Libyen, Oman und den USA kommen. Die dafür nötige Umstellung der Slovnaft-Produktionsanlagen kostet in den kommenden Jahren rund 200 Millionen Euro, berichtete die Wirtschaftszeitung Hospodárske noviny. Dabei geht es vor allem um die Destillationslinie AVD6, die seit 1971 in Betrieb ist. Sie ist hauptsächlich für russisches Öl mit hohem Schwefelgehalt ausgelegt. Slovnaft will die Linie so umbauen, dass dort auch Rohöl aus den USA oder aus dem Irak verarbeitet werden kann. Das Öl soll über den kroatischen Hafen Omišalj auf der Insel Krk angeliefert und über die Adria-Pipeline bis nach Ungarn und die Slowakei gepumpt werden. 

    Slovnaft will seine Verarbeitungskapazitäten erweitern und die Wertschöpfung erhöhen. Dafür soll unter anderem eine Polypropylenanlage für 63 Millionen Euro entstehen. Die bestehende Ethylenanlage wird für 250 Millionen Euro modernisiert.

    Kritisch blickt das Unternehmen auf einen Passus im Konsolidierungspaket der slowakischen Regierung, das im Oktober 2024 beschlossen wurde. Er sieht vor, die Raffineriebetriebe mit einer Sondersteuer zu belegen und so jährlich 36 Millionen Euro für den Staatshaushalt zu erlösen.

    Engpässe bei Gasversorgung drohen

    Neben der Versorgung mit Erdöl drohen den slowakischen Chemiebetrieben ab 2025 auch Engpässe bei Erdgas, wenn die Ukraine den Transit aus Russland einstellt. Noch 2023 hing die Slowakei zu 69 Prozent von russischem Gas ab. Bratislava versucht, die Bezüge zu diversifizieren und hat bereits mit Aserbaidschan Lieferungen über den Südlichen Gaskorridor verhandelt. Außerdem könnte US-Frackinggas über das kroatische Flüssiggasterminal auf Krk in die Slowakei gelangen.

    Neben Slovnaft ist der Ammoniakproduzent Duslo der zweitgrößte Chemiebetrieb in der Slowakei. Er gehört zum tschechischen Konzern Agrofert, beschäftigt rund 2.000 Mitarbeiter und ist an den Standorten Šaľa, Bratislava und Strážske vertreten. Ein weiterer wichtiger Branchenvertreter ist die Envien Group, der größte Hersteller von Biotreibstoffen im Land.

    Autohersteller lockten Kunststoffproduktion ins Land

    Während traditionell die Petrochemie und Hersteller von Grundchemikalien die Branche dominierten, nahm mit dem Aufstieg der einheimischen Autoindustrie die Bedeutung der Kunststoff- und Gummihersteller stark zu. Auf sie entfallen heute fast drei Viertel aller Branchenunternehmen und über 40 Prozent der Umsätze. Dafür sorgen besonders die drei Produktionswerke von Continental für Reifen und Schwingungstechnik. Sie erzielten 2023 einen Umsatz von 2,17 Milliarden Euro. 

    Auch andere wichtige Kunststoffhersteller in der Slowakei sind meist Niederlassungen bekannter ausländischer Unternehmen, darunter Seoyon E-Hwa, Magna Slovteca, Plastic Omnium, Partizánske Building Components-SK (Velux). Mit dem Profilhersteller Slovaktual oder dem Folien- und Granulatspezialisten D.P. Ekoplast gehören auch slowakische Firmen zu den führenden Anbietern.

    Pharmabranche spielt nur eine Nischenrolle

    Relativ klein, dafür aber mit guten Wachstumsraten, ist die slowakische Pharmabranche. Eurostat zählte 2022 in der Slowakei 31 Pharmaunternehmen mit 2.400 Beschäftigten. Der umsatzstärkste einheimische Hersteller ist Saneca Pharmaceuticals aus Hlohovec bei Trnava. Das Unternehmen ist spezialisiert auf Auftragsfertigung und die Entwicklung von pharmazeutischen Präparaten und Wirkstoffen. In Martin produziert und verpackt HBM Pharma im Auftrag sterile Flüssigkeiten und Tabletten. Unimed Pharma in Bratislava stellt Augentropfen und Nahrungsergänzungsmittel her. Weitere bekannte Unternehmen sind Imuna Pharm, Biotika und Innopharma. 

    Die Mehrzahl der slowakischen Pharmabetriebe ist im Westen des Landes angesiedelt, mit einem Schwerpunkt im Großraum Bratislava. Es gibt zahlreiche Dienstleister für Labordiagnostik, die im Auftrag der Pharmaindustrie klinische Tests durchführen. Die beiden größten - Unilabs in Martin und Medirex in Pezinok - haben einen Marktanteil von über 50 Prozent.

    Bei der Produktion von Kosmetika und Pflegeprodukten gibt es nur drei größere Unternehmen: Haleon und Farmol in Levice sowie Saneca in Hlohovec. Alle anderen Hersteller erzielen Jahresumsätze von weniger als 10 Millionen Euro.

    Viele Werke mit deutscher Beteiligung

    Deutsche Chemieunternehmen haben in den letzten Jahren ihre Produktionskapazitäten erweitert. Das gilt vor allem für die Kunststoff- und Gummiverarbeiter wie Continental. Evonik eröffnete im Mai 2024 ein neues Werk in Slovenská Ľupča. Dort werden nach Unternehmensangaben weltweit erstmals Biotenside in industriellem Maßstab produziert. Eigene Werke in der Slowakei haben außerdem BASF, die Messer Group (Industriegase), SaarGummi (Gummiteile), Franke (Kunststoffspülen) und Reutter (Kunststoffteile für die Automobilindustrie).

    Wichtige Branchenunternehmen in der SlowakeiUmsatz in Millionen Euro, Veränderung in Prozent, Chemie- und Kunststoffindustrie - Auswahl

    Unternehmen, Standort

    Produkte

    Umsatz 2023

    Veränderung 2023/2022

    Slovnaft, BratislavaBrennstoffe, Chemikalien, Kunststoffe, Asphalt, Heizöle5.887-2,2
    Duslo, ŠaľaChemikalien für Gummiproduktion, Düngemittel, Klebstoffe, Ammoniak538-47,3
    Haleon Levice, LeviceZahnpasten und kosmetische Produkte22621,0
    Enviral, LeopoldovBioethanol, DDGS193-26,6
    Fortischem, NovákyTechnische Gase, organische Chemikalien, Karbide, Koks158-5,9
    Meroco, LeopoldovBiodiesel, Glycerin151-34,9
    APIS Plastic Slovakia, Dubnica nad VáhomKunststofferzeugnisse, -verpackungen10316,1
    Chemosvit Folie, SvitVerpackungsfolien97-7,9
    Partizánske Building Components-SK, PartizánskeKunststofffensterprofile95-9,0
    Saneca Pharmaceuticals, HlohovecPharmazeutika8617,4
    Slovaktual, PravenecKunststoffprofile für Fenster und Türen

    85

    -17,6

    Die drei slowakischen Werke des Continental-Konzerns zur Produktion von Reifen- und Schwingungstechnik wurden in der Tabelle nicht berücksichtigt. Sie erzielten 2023 zusammen einen Umsatz von 2,17 Milliarden Euro.Quelle: Finstat 2024; Trend 2024; Recherchen von Germany Trade & Invest 2024

    Von Gerit Schulze | Bratislava

  • Rahmenbedingungen

    Die Einfuhr von chemischen Erzeugnissen in die Slowakei entspricht den EU-Normen. Investoren können staatliche Zuschüsse beantragen. Gute Geschäfte winken bei Altlastensanierungen.

    Das Inverkehrbringen von chemischen Erzeugnissen ist auch in der Slowakei durch die europäische REACH-Verordnung geregelt. Verantwortliche Behörde ist das Wirtschaftsministerium. Dort ist das Zentrum für Chemikalien und Zubereitungen (CCHLP) angesiedelt, das für die Ausarbeitung und Umsetzung der Rechtsvorschriften zu Chemikalien und das Inverkehrbringen zuständig ist. Sonderregelungen gelten für Biozide, die in ein staatliches Register eingetragen werden müssen.

    Aufsichtsbehörde für Arzneimittel und medizinische Hilfsmittel (einschließlich Produktregistrierung) ist das Staatliche Institut für Arzneimittelkontrolle ŠÚKL

    EU-Fördermittel für die Altlastensanierung

    Ein interessantes Geschäftsfeld im slowakischen Chemiesektor ist die Sanierung von Altlasten. Das staatliche Register der kontaminierten Flächen umfasst rund 1.200 Standorte. Oft handelt es sich dabei um Kontaminationen durch Chemikalien im Boden. Für die Sanierung der Altlasten greift die Slowakei auf EU-Fördertöpfe zurück. In der aktuellen Förderperiode (2021 bis 2027) sind im Operationellen Programm "Slovensko" 281 Millionen Euro zur Untersuchung und Sanierung von ökologischen Altlasten vorgesehen. Das Umweltministerium führt ein aktuelles Verzeichnis der Altlasten im Land.

    Investitionen im produzierenden Gewerbe können in der Slowakei eine staatliche Förderung bekommen. Die beiden Industriesparten NACE 20 (Chemikalien) und 21 (Pharmazeutika) gelten dabei als förderwürdig. Notwendig dafür ist der Einsatz moderner Technologien und die Schaffung neuer Jobs. Die Förderquote steigt, je weiter im Osten und Südosten des Landes die Investition erfolgt. Weitere Informationen dazu liefert die Investitions- und Entwicklungsagentur Sario.

    Im innergemeinschaftlichen Warenverkehr der Europäischen Union (EU) sind die Regelungen des Umsatzsteuerkontrollverfahrens in der EU zu beachten. Informationen hierzu finden sich auf der Internetseite des Bundeszentralamtes für Steuern. Hinsichtlich der Normierung gelten die einschlägigen EU-Richtlinien (siehe etwa die Website des Deutschen Instituts für Normung e.V.).

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Gerit Schulze | Bratislava

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    AHK Slowakei

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Ministerstvo hospodárstvaWirtschaftsministerium
    Ministerstvo životného prostrediaUmweltministerium
    Slovak Investment and Trade Development AgencySlowakische Agentur für Wirtschaftsförderung
    Slovenská agentúra životného prostredia (SARIO)Slowakische Umweltagentur
    Štátna veterinárna a potravinová správaVeterinär- und Nahrungsmittelverwaltung

    Zväz chemického a farmaceutického priemyslu

    Verband der chemischen und pharmazeutischen Industrie, 65 Mitglieder

    Internationale Maschinenbaumesse in Nitra

    Bestandteil auch Messe Chemplast für Chemie und Kunststoffe im Maschinenbau, vom 20. bis 23.5.25
    Internationale Messe INTERBEAUTY in BratislavaFachmesse für Kosmetika, vom 8. bis 9.11.24

    Chemical Papers

    Fachzeitschrift des Chemieinstitutes der Slowakischen Akademie der Wissenschaften
    ChemZiFachzeitschrift der Slowakischen Chemiegesellschaft

    Quark

    Fachzeitschrift für Wissenschaft und Technik mit Rubrik Chemie

     

    Von Gerit Schulze | Bratislava

nach oben
Feedback
Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.