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Nahrungsmittelbranche wird nachhaltiger und effizienter
Spaniens Lebensmittelhersteller stehen unter Kostendruck und setzen auf mehr Effizienz. Staatliche Fördermittel stehen für Modernisierungen und Dekarbonisierung bereit.
19.02.2024
Von Oliver Idem | Madrid
Die Herstellung von Nahrungsmitteln und Getränken ist einer der wichtigsten Industriezweige Spaniens. Der Fachverband Fiab beziffert den Umsatz auf 144 Milliarden Euro und die Bruttowertschöpfung 2022 auf knapp 29 Milliarden Euro. Mit rund 30.000 Unternehmen ist der Industriezweig breit aufgestellt, aber auch stark fragmentiert.
In den Jahren 2022 und 2023 forderten vor allem gestiegene Energie- und Rohstoffkosten die Produzenten heraus. Dem Verband Aecoc zufolge schnellten die Herstellungskosten für Lebensmittel zwischen Januar 2022 und Juli 2023 um 30 Prozent in die Höhe. Da diese Mehrkosten nicht vollständig weitergereicht werden konnten, gerieten die Margen der Unternehmen unter Druck. Die Hersteller versuchen, durch mehr Effizienz die Kosten besser in den Griff zu bekommen.
Einige Unternehmen setzen mehrjährige Investitionspläne um. So investiert Nestlé 100 Millionen Euro bis Ende 2025 in die Kaffeefabrik in Girona in Katalonien. Damit wird die Produktion von Kaffeekapseln ausgeweitet. Außerdem steht die Erweiterung der Herstellung und Abfüllung von löslichem Kaffee auf dem Programm. Cerealto Siro investiert 40 Millionen Euro bis Ende 2025, um die Produktqualität und die Energieeffizienz der Fabriken zu erhöhen. Das Unternehmen stellt Kekse, Frühstücksflocken, Snacks und Nudeln her.
Nahrungsmittel- und Getränkehersteller stützen sich bei ihren Investitionen in Forschung und Entwicklung zu rund 90 Prozent auf eigene Finanzmittel. Das errechnete der Fachverband Fiab für das Jahr 2021. Von 261 Millionen Euro Gesamtsumme stammten 235 Millionen Euro aus Eigenmitteln.
Fördermittel für Modernisierung und nachhaltige Energieversorgung
Zwei Strategiepläne der spanischen Regierung erhalten Fördermittel, die auch der Lebensmittelbranche zur Verfügung stehen. Der Perte agroalimentario enthält 400 Millionen Euro zur technischen Modernisierung der Produktion. Zudem existiert ein Fördertopf im Wert von 149 Millionen Euro für Forschung und Innovationen bei Lebensmitteln.
Der Strategieplan Perte de descarbonización industrial setzt sogar einen besonderen Akzent auf die Nahrungsmittelindustrie. Der Plan fördert mit 800 Millionen Euro Subventionen und mit 1,5 Milliarden Euro Kredite zur Verbesserungen der Nachhaltigkeit bei großen Feuerungsanlagen.
Das Dekarbonisierungspotenzial der Branche ist deshalb so hoch, weil neben Strom für viele Prozesse auch Wärme und Kälte erforderlich sind. Noch immer wird überwiegend Gas als Energiequelle genutzt.
Hingegen hat sich die Brauerei Heineken das Ziel gesetzt, bereits 2025 Bier zu 100 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Energien zu produzieren. Dazu setzt das Unternehmen auf Solarthermie an den Standorten Sevilla und Valencia. Im Werk in Jaén werden Solarstrom sowie die Wärmegewinnung aus Biomasse miteinander kombiniert.
Die bei der Produktion entstehenden organischen Abfälle werden zunehmend als Energieträger genutzt. Dies geschieht zum Beispiel bei Nestlé in der Fabrik in La Penilla de Cayón (Kantabrien). Dort werden nach dem Rösten von Kakao die Schalen verwendet, um einen Heizkessel zur Dampferzeugung zu versorgen.
Herstellung von Getränken, Fleisch und Molkereiprodukten wächst
Der Produktionsindex der Lebensmittelindustrie weist seit 2015 das stärkste Wachstum bei "anderen Nahrungsmitteln" auf, die nicht unter eine der übrigen Kategorien fallen. Die Herstellung von Getränken, Fleischerzeugnissen und Molkereiprodukten befindet sich ebenfalls im Aufwind.
Produktgruppe | 2021 | 2022 | 2023 |
---|---|---|---|
Fleisch und Fleischprodukte | 103,6 | 105,1 | 105,9 |
Fisch, Krusten- und Weichtiere | 103,3 | 90,5 | 88,3 |
Obst und Gemüse | 100,3 | 98,2 | 89,7 |
Öle sowie pflanzliche und tierische Fette | 101,2 | 83,6 | 65,6 |
Molkereiprodukte | 100,8 | 101,7 | 103,5 |
Getreideprodukte und Stärke | 105,7 | 108,2 | 100,1 |
Back- und Teigwaren | 98,1 | 101,1 | 101,2 |
andere Nahrungsmittel | 113,7 | 116,9 | 117,1 |
Getränke | 104,8 | 110,9 | 108,3 |
Zur Deckung des spanischen Nahrungsmittelbedarfs tragen immer stärker Importe bei. Diese spielen auch deshalb eine so wichtige Rolle, weil das Land gleichzeitig einer der bedeutendsten Lebensmittelexporteure Europas ist. Der Wert der Importe zog zwischen 2020 und 2022 um 44 Prozent an. Bei Getränken betrug die Steigerung im gleichen Zeitraum sogar 56 Prozent. Von dem Aufschwung konnten auch deutsche Lieferungen profitieren, allerdings nur unterdurchschnittlich.
Element | 2020 | 2021 | 2022 |
---|---|---|---|
Nahrungsmittel | 19.981 | 23.187 | 28.722 |
davon aus Deutschland | 1.965 | 2.083 | 2.433 |
Getränke | 1.466 | 1.806 | 2.281 |
davon aus Deutschland | 137 | 146 | 177 |
Aldi und Lidl auch in Spanien gut im Geschäft
Dennoch war Deutschland 2022 nach Frankreich das Bezugsland Nummer 2 für Nahrungsmittel und Getränke. Der Anteil am spanischen Gesamtimport dieser Sparten betrug 8,4 Prozent. Aldi, Lidl und die Metro-Tochter Makro verstärken außerdem die Bedeutung Deutschlands im Einzel- und Großhandel mit Lebensmitteln. Alle drei gehören zu den deutschen Unternehmen in Spanien mit den höchsten Beschäftigtenzahlen.
Exporte mit kräftigem Aufwind seit 2020
Im Betrachtungszeitraum 2020 bis 2022 gewann Spanien auch als Exporteur von Nahrungsmitteln und Getränken an Bedeutung. Die Steigerungsraten blieben jedoch weit hinter denen der Importe zurück. Bei Nahrungsmitteln betrug die Zunahme 22 Prozent. Dabei legten die Ausfuhren nach Deutschland überproportional zu. Insgesamt betrachtet bildete Deutschland 2022 den fünftwichtigsten Absatzmarkt für spanische Lebensmittel. Der Anteil an den gesamten Branchenausfuhren erreichte 5,6 Prozent.
Element | 2020 | 2021 | 2022 |
---|---|---|---|
Nahrungsmittel | 29.934 | 33.590 | 36.525 |
davon aus Deutschland | 1.408 | 1.568 | 1.816 |
Getränke | 4.114 | 4.766 | 5.118 |
davon aus Deutschland | 463 | 485 | 514 |
Esskultur hat hohen Stellenwert – trotz knapper Kassen
In der spanischen Esskultur dominiert weiterhin eine Vorliebe für frische Küche mit Betonung des Eigengeschmacks der Zutaten. Der Konsum von Obst, frischem Gemüse, Fleisch und Fisch ist jedoch seit 2019 rückläufig. Viele Haushalte stehen durch die Kostensteigerungen der vergangenen Jahre unter Druck und müssen sparen.
Die Ausgaben für Nahrungsmittel und Getränke in Spanien lagen laut Food Drink Europe 2021 bei 27 Prozent des Haushaltseinkommens und damit in der Spitzengruppe des Kontinents. Im gleichen Jahr bezifferte das Landwirtschaftsministerium den absoluten Wert auf insgesamt 102,6 Milliarden Euro. Davon entfielen 73 Prozent auf die Haushalte selbst und 27 Prozent auf den verbreiteten Außer-Haus-Verzehr.