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Branchen | Tschechische Republik | Elektromobilität

Tschechien erlebt Strohfeuer beim Absatz von Elektroautos

Tschechien gehörte 2024 zu Europas dynamischsten Absatzmärkten für Elektroautos. Doch der Höhenflug beruht auf Sondereffekten und könnte schnell wieder vorbei sein. 

Von Gerit Schulze | Prag

Die Neuzulassungen von Batteriefahrzeugen in Tschechien stiegen von Januar bis November 2024 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 63 Prozent. Für den gesamten Kontinent (EU, EFTA, Vereinigtes Königreich) ermittelte der europäische Herstellerverband ACEA bis Oktober einen Rückgang um 2 Prozent.

Zulassung von neuen Elektrofahrzeugen in TschechienStückzahlen, Anteil und Veränderungen in Prozent *)

Kategorie

2021

2022

2023

2024 
(Jan. bis Nov.)

Veränderung Jan. bis Nov. 2024 / 
Jan. bis Nov. 2023

Pkw

2.646

3.892

6.640

9.955

62,5

Anteil an den Gesamtzulassungen

1,3

2,0

3,0

4,7

-

leichte Nutzfahrzeuge

172

134

353

530

66,7

Anteil an den Gesamtzulassungen

0,9

0,8

1,6

2,7

-

Lkw

2

4

10

25

177,8

Anteil an den Gesamtzulassungen

0,0

0,0

0,1

0,3

-

Busse

2

40

6

40

1.233,3

Anteil an den Gesamtzulassungen

0,2

3,3

0,6

3,3

-

* reine Elektrofahrzeuge, ohne Hybridmodelle.Quelle: Verband der Autoimporteure (SDA) 2024

Doch was auf den ersten Blick wie ein Erfolg aussieht, ist lediglich ein Nachholeffekt. Denn in absoluten Zahlen sind die Verkäufe von batteriebetriebenen Pkw in Tschechien immer noch niedrig. Von Januar bis November 2024 wurden lediglich knapp 10.000 Elektroautos verkauft - ein Anteil von schmalen 4,7 Prozent am Gesamtmarkt. Damit gehört das Autoland in Europa immer noch zu den Schlusslichtern - zusammen mit Italien, Bulgarien, Polen, Kroatien und der Slowakei.

Tesla führt mit großem Abstand

Autos des US-Herstellers Tesla führen die Rangliste der beliebtesten Elektroautos in Tschechien an. Von Januar bis November 2024 wurden knapp 3.400 Fahrzeuge dieser Marke verkauft. Dahinter folgten Škoda mit 1.538, Volvo mit 864 und Volkswagen mit 611 neu zugelassenen Elektroautos. BMW lag auf Rang 5 und Mercedes-Benz auf Rang 7.

Subventionen sorgen für Sondereffekt

Außerdem dürften die guten Verkaufszahlen 2024 wohl ein Strohfeuer gewesen sein. Sie beruhen vor allem auf einem Förderprogramm, das die Regierung im März 2024 startete. Mit EU-Mitteln aus dem Nationalen Wiederaufbauplan bekamen Unternehmen bei der Anschaffung eines Elektroautos bis zu 12.000 Euro Zuschuss. Außerdem wurde der Bau von Ladesäulen subventioniert. Der mit 80 Millionen Euro ausgestattete Projekttopf war schon Ende Oktober ausgeschöpft. Bis dahin wurden rund 5.900 Förderanträge für den Kauf eines elektrischen Firmenwagens gestellt.

Nach Auskunft der Regierung soll das Programm 2025 nicht neu aufgelegt werden. Der Markt für Elektrofahrzeuge dürfte daher im kommenden Jahr wieder langsamer wachsen. Von Privatkunden sind angesichts fehlender Kaufanreize keine Impulse zu erwarten.

Die Akzeptanz von Elektroautos "entwickelt sich in Tschechien deutlich langsamer als in Nord- und Westeuropa", sagte Petr Knap, Experte für den Automobilsektor beim Unternehmensberater EY, gegenüber Germany Trade & Invest. Er erklärt das mit einer eher konservativen Einstellung im Land und einer "Skepsis gegenüber allem, was aufgezwungen wird". Da bis zu 80 Prozent der Fahrzeugverkäufe in Tschechien auf Firmenwagen entfallen, seien Betriebskosten und Reichweite entscheidend. Und die werden von den meisten tschechischen Autofahrern immer noch negativ bewertet.

Neue Modelle könnten den Markt 2025 beleben

Positiv könnte sich 2025 die Markteinführung des Škoda Elroq auswirken. Der vollelektrische Kompakt-SUV aus Tschechien soll für unter 800.000 Tschechische Kronen (Kč; etwa 32.000 Euro) angeboten werden. Ein Jahr später kommt das elektrische Crossover-Modell Škoda Epiq für rund 600.000 Kč (24.000 Euro) auf den Markt. Beide Autos werden in Tschechien produziert, was deren Akzeptanz im Heimatmarkt beflügeln sollte.

Netz an Ladesäulen vergrößert sich rasant

Angesichts des geringen Bestands an Elektrofahrzeugen ist für Betreiber von Ladesäulen das Geschäft herausfordernd. Sie investieren zwar kräftig in den Ausbau des Netzes. Doch die Nutzung bleibt unter den Erwartungen. Laut einem Bericht der Tageszeitung E15 hat der Prager Stromversorger PRE (gehört zu EnBW) in den ersten drei Quartalen 2024 zwar rund 50 Prozent mehr Ladestrom verkauft als im Vorjahreszeitraum. Die Auslastung der installierten Leistung erreichte jedoch lediglich 3 Prozent, beim Wettbewerber ČEZ nur 2 Prozent.

Laut Industrieministerium gab es Ende Oktober 2024 im Land 2.731 Ladestationen mit 4.877 Ladepunkten. Theoretisch teilen sich sieben Elektroautos einen Ladepunkt. Marktexperte Petr Knap hält die Anzahl derzeit für ausreichend. "Es wird für die Betreiber vorerst nicht wirtschaftlich sein, das Netz wesentlich zu erweitern." Allerdings sollten der Service und die Kundenerfahrung an den Stationen verbessert und die Kapazität der Schnelllader erhöht werden.

ČEZ will die Zahl seiner Ladepunkte 2025 von derzeit rund 820 auf über 1.000 erhöhen. Der Schwerpunkt soll auf Ultraschnellladern mit mehr als 150 Kilowatt Leistung liegen. Auch PRE will im kommenden Jahr die Ladeleistung bestehender Standorte erhöhen. Der Mineralölkonzern Orlen Unipetrol hat bislang 100 Ladestationen an tschechischen Tankstellen. Bis 2030 sollen es 1.800 sein, sagte Strategie- und Entwicklungschef Martin Gajdoš im Herbst beim Forum Elektromobilita in Prag.

E.on plant für 2025 eine erste Ladestation für Elektrotrucks, kündigte das Energieunternehmen beim Forum Elektromobilita mit. Die Konferenz ist jedes Jahr im Herbst der wichtigste Branchentreff für den Austausch zur Elektromobilität in Tschechien. Laut E.on ist eine Leistung von 400 Kilowatt bislang die Obergrenze für solche Ladepunkte. Mehr erlaube die Netzanbindung in Tschechien nicht. Von Januar bis November 2024 wurden 25 neue Elektro-Lkw in Tschechien zugelassen und damit mehr als doppelt so viele wie im gesamten Vorjahr.

Inlandsproduktion von Elektroautos sinkt

Nicht nur als Absatzmarkt, auch als Produktionsstandort für Elektrofahrzeuge, verliert Tschechien in Europa den Anschluss. Von Januar bis Oktober 2024 rollten aus den Fabriken der drei einheimischen Hersteller nur 95.700 Autos mit Batterieantrieb. Das war ein Rückgang um 16 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum und ein Anteil von 8 Prozent an der Gesamtproduktion im Land. Die meisten Elektrofahrzeuge (67.800 Stück) liefen bei Škoda Auto vom Band. Hyundai produzierte im Werk Nošovice knapp 28.000 Elektroautos. Im November musste die Fabrik wegen der geringen Nachfrage nach batteriebetriebenen Pkw die Produktion zeitweise drosseln. Der dritte Autobauer in Tschechien, Toyota, produzierte bis Oktober 2024 keine Elektroautos am Standort Kolín. 

Branchenanalyst Petr Knap sieht in der bislang geringen Produktion von Elektroautos keine Gefahr für die einheimische Automobilindustrie. Der Absatz einschließlich der Zulieferer hänge von den Verkäufen in Westeuropa ab. Bislang sei die Anpassung des Antriebmixes an die europäische Nachfrage in den tschechischen Werken zufriedenstellend. "Das größere Problem sind die chinesische Konkurrenz und die langfristigen durchschnittlichen Produktionskosten im globalen Kontext", so der EY-Experte.

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