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Wirtschaftsausblick | Türkei

Türkei erwartet schwächeres Wirtschaftswachstum

Eine restriktive Geldpolitik, hohe Inflation und eine schwache Lira prägen die wirtschaftliche Lage in der Türkei. Viele Unternehmen sind trotzdem zuversichtlich und investieren.

Von Katrin Pasvantis | Istanbul

Wirtschaftsentwicklung: Konjunktur kühlt ab

Das Wirtschaftswachstum der Türkei könnte sich 2024 laut Internationalem Währungsfonds infolge der strafferen Geldpolitik auf 3 Prozent abschwächen. In wichtigen Absatzmärkten wie der EU lässt die Dynamik nach. Noch treiben Konsum und Exporte das türkische Wachstum aber an. Im Mai 2024 belief sich die Inflation auf 75 Prozent. Kennzahlen wie die Entwicklung der Produzentenpreise deuten auf eine Besserung hin.

Nach der Wiederwahl im Mai 2023 vollzog Staatspräsident Erdoğan einen Kurswechsel hin zu einer restriktiven Geldpolitik, mit dem obersten Ziel, die horrende Inflation zu bekämpfen. Die Niedrigzinspolitik der Vorjahre hat Spuren hinterlassen. Sie befeuerte die Inflation und den Abwertungsdruck auf die türkische Lira. Die Nettoreserven der Zentralbank sind gesunken, die Auslandsverschuldung und Abhängigkeit von ausländischen Finanzhilfen ist hoch.

Die Wirtschaft bewertet den Kurswechsel überwiegend positiv. Die bisherigen Entscheidungen lassen auf eine verlässlichere Wirtschafts- und Geldpolitik hoffen. Viele Unternehmen befürchten weitere Kehrtwenden Erdoğans. Für die künftige Wirtschaftsentwicklung wird es entscheidend sein, Vertrauen bei internationalen Investoren und der heimischen Wirtschaft zurückzugewinnen.

Trotz schwacher Lira legen die Ausfuhren kaum zu

Die Exporteure in der Türkei profitieren eigentlich von der schwachen Lira und den Nearshoring-Bestrebungen europäischer Unternehmen. Auch das 1. Quartal 2024 mit einem Anstieg der Ausfuhren um moderate 4 Prozent weckt Hoffnung diesen Trend wieder aufzunehmen. Doch der Konjunkturrückgang in wichtigen Absatzmärkten dämpfen die türkischen Ausfuhren, sodass sie 2023 in etwa auf dem Vorjahresniveau stagnierten. Die Importe stiegen in dieser Zeit lediglich um 1 Prozent. Im Jahr 2024 sanken sie im 1. Quartal sogar um 13 Prozent. Die schwache Lira verteuert die Importe von Fertigwaren und Vorprodukten für die importabhängige Industrie.

Konsumieren statt Sparen

Die Inflation hat die reale Kaufkraft der Haushalte geschmälert. Gehaltserhöhungen federn die Einbußen meist nur ab. Die Leitzinserhöhungen könnten mittelfristig den Konsum dämpfen. Aber noch treibt die Inflation den Konsum an, da Sparen sich kaum lohnt. Die Bevölkerung flüchtet wegen der schwachen Lira in Gold, Devisen, Aktien, Kryptowährungen, Grundstücke oder Immobilien.

Neue Investoren bleiben skeptisch

Besonders kleine und mittelständische türkische Unternehmen haben es momentan schwer, da

  • Leitzinserhöhungen die Finanzierungsschwierigkeiten verschärfen
  • die schwache Lira die Aufnahme und Bedienung ausländischer Kredite verteuert
  • die hohe Wechselkursvolatilität langfristige Planungen und Kostenkalkulationen verkompliziert
  • die Lohnkosten stark gestiegen sind.

Trotz dieser Herausforderungen bleiben viele im Land ansässige Unternehmen optimistisch und planen neue Projekte, insbesondere exportorientierte Firmen. Neue ausländische Investoren zögern jedoch. Im Jahr 2023 belief sich der Zufluss ausländischer Direktinvestitionen in die Türkei auf rund 5,6 Milliarden US-Dollar (US$). Dabei zählt die türkische Statistik auch den Immobilienerwerb durch Ausländer mit. Die höchsten Zuflüsse stammen aus den Niederlanden, gefolgt von Deutschland, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar.

Top-Thema: Öffentliche Investitionen kommen auf den Prüfstand

Finanzminister Mehmet Şimşek hat den öffentlichen Institutionen ein striktes Sparprogramm verordnet. Dies betrifft auch öffentliche Investitionen. Es sollen keine neuen Projekte in das öffentliche Investitionsprogramm aufgenommen werden, außer sie werden als zwingend notwendig erachtet. Laufende Vorhaben sollen auf den Prüfstand gestellt werden. Prioritär behandelt werden Projekte, die:

  • zu mehr als 75 Prozent fortgeschritten sind
  • aufgrund des Erdbebenrisikos notwendig sind
  • nach dem Erdbeben geplant wurden
  • der landwirtschaftlichen Bewässerung und damit der Lebensmittelsicherheit dienen 
  • grüne Projekte
  • OSB-Eisenbahnprojekte.

Der Präsident des türkischen Bauverbandes TMB befürchtet, dass Projekte, die gerade ausgeschrieben oder begonnen wurden, sehr langsam voran kommen werden.

Deutsche Perspektive: Marktanteile auf dem türkischen Markt zurückerobert

Das 1. Quartal 2024 begann mit einem Rückgang der Einfuhren in die Türkei von insgesamt 13 Prozent etwas holprig, auch die deutschen Lieferungen gingen um 5 Prozent zurück. Im Jahr 2023 waren diese im Vorjahresvergleich noch um beachtliche 19 Prozent auf 29 Milliarden US$ gestiegen. Damit reservierte sich Deutschland zwar nur Rang 3 der wichtigsten Lieferländer hinter dem Gaslieferanten Russland (-23 Prozent; 46 Milliarden US$) und China (+9 Prozent; 45 Milliarden US$), hat aber Marktanteile zurückerobert. Die wertmäßig wichtigsten deutschen Exportgüter sind Kfz und Kfz-Teile, Maschinen, Airbus-Flugzeuglieferungen sowie medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse. 

Trotz herausfordernder Bedingungen bewertet die Hälfte der bei einer AHK-Umfrage im Frühjahr 2024 befragten Mitgliedsunternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung ihre Geschäftslage als gut. Knapp 40 Prozent erwarten in den kommenden zwölf Monaten sogar eine Verbesserung und nur knapp 10 Prozent gehen von einer Verschlechterung aus. Der Wechselkurs, die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, die Arbeitskosten und die Finanzierung sind die am häufigsten genannten Risikofaktoren.

Deutschland ist ein bedeutender Investor im Land. Ende Mai 2024 registrierte die türkische Statistik über 8.000 Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung in der Türkei. Im Jahr 2023 flossen Direktinvestitionen in Höhe von 687 Millionen US$ aus Deutschland in die Türkei (2022: 972 Millionen US$).

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