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Wirtschaftsausblick | Ukraine

Angriffe auf Energieversorgung treffen Wirtschaft hart

Die unsichere Energieversorgung und fehlende Arbeitskräfte machen der Wirtschaft das Leben schwer. Dennoch bleibt die ukrainische Konjunktur robust.

Von Waldemar Lichter | Warschau

Topthema: Energiesicherheit und Arbeitskräftemangel bleiben im Fokus

Russland setzt seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine weiter fort und attackiert die Energieversorgung sowie Versorgungsinfrastruktur. Das trifft nicht nur die Bevölkerung, sondern auch die Wirtschaft hart. Die Kosten des Wiederaufbaus und der Erholung des Landes werden von der Weltbank auf mehr als 486 Milliarden US-Dollar geschätzt. Und der Betrag wächst mit jedem Angriff weiter.

Der Wiederaufbau des Landes ist angelaufen. Doch angesichts der enormen Schäden wird dies eine Aufgabe für Generationen sein. Priorität ist zunächst, die Funktionsfähigkeit der Wirtschaft zu gewährleisten und die Logistikwege zu sichern. Nur so können ukrainische Unternehmen exportieren und Einnahmen für sich und den Staatshaushalt generieren. Die Ukraine exportiert Waren hauptsächlich auf dem Seeweg. Nachdem die russische Blockade der Schwarzmeerhäfen den ukrainischen Ausfuhren 2022 einen schweren Schlag versetzte, wird die Route inzwischen wieder vollumfänglich genutzt. Daher ist für 2024 und 2025 mit einem Plus bei den Ausfuhren zu rechnen.

Energie ist Achillesferse der Wirtschaft

Die Lage im Energiesektor ist kritisch: Mehr als 9 Gigawatt an Erzeugungskapazität wurden allein 2024 durch Angriffe zerstört oder beschädigt. Das Land verfügt nur noch über rund ein Drittel seiner Energieversorgung. Da die Wiederherstellung Jahre dauern wird, müssen sich die Bevölkerung und die Industrie auf lange Perioden eingeschränkter Energieversorgung und Arbeitsfähigkeit einstellen. Der Umbau des Energiesystems läuft bereits: Ziele sind Dezentralisierung der Erzeugung, Ausbau erneuerbarer Energien, höhere Energieeffizienz und besserer Schutz der Anlagen gegen Angriffe.

Der Mangel an Arbeitskräften ist nach den Kriegshandlungen die zweitgrößte Herausforderung für die ukrainische Wirtschaft. Die Erfordernisse der Mobilisierung und die sich ändernden Einberufungsbestimmungen machen eine längerfristige Personal- und Produktionsplanung schwierig.

Wirtschaftsentwicklung: Konjunktur wird frühestens 2026 deutlich anziehen

Trotz der großen Zerstörungen zeigt sich die ukrainische Wirtschaft widerstandsfähig. Nach einem starken Einbruch im Jahr 2022 steigt die Wirtschaftsleistung seit dem Frühjahr 2023 wieder kontinuierlich an. Ungeachtet der permanenten russischen Angriffe blieb die Wachstumsdynamik der ukrainischen Wirtschaft im Laufe 2024 relativ hoch. Zwischen Januar und Oktober 2024 legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) real um 4,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu. Am stärksten beigetragen haben dazu die Bauindustrie, das verarbeitende Gewerbe sowie der Transportsektor.

Für die Jahre 2024 und 2025 wird mit einem Wachstum von rund 3 Prozent gerechnet. Ab 2026 soll die Konjunktur wieder stärker anziehen. Vom Vorkriegsniveau bleibt die ukrainische Wirtschaft jedoch weit entfernt.

Investitionen kurbeln das Wachstum an

Nach Prognosen der Europäischen Kommission werden Investitionen 2024 und 2025 den stärksten Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten. Kräftige Impulse gehen auch vom privaten Verbrauch und von den Exporten aus. Der Konsum wird durch hohes Lohnwachstum angetrieben - befeuert durch das knappe Angebot auf dem Arbeitsmarkt.

Für Impulse sorgen staatliche Programme etwa zum Wiederaufbau und Sanierung der Infrastruktur und von Wohnungen. Das kurbelt die Bauindustrie an. Das Förderprogramm "Made in Ukraine" und höhere Lokalisierungsanforderungen bei öffentlichen Beschaffungen sollen für mehr Nachfrage nach ukrainischen Produkten sorgen.

Zusätzlich treiben Hilfen der EU die Investitionen an. Gelder aus dem sogenannten Investitionsrahmen der Ukraine-Fazilität (Ukraine Investment Framework) sollen zur Finanzierung und Absicherung von Investitionen der Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand eingesetzt werden. In dem Investitionsrahmen stehen rund 9,3 Milliarden Euro zur Verfügung.

Deutsche Perspektive: Chancen beim Wiederaufbau im Fokus

Nach einem kriegsbedingten Einbruch stiegen die deutschen Exporte in die Ukraine 2023 auf den Rekordwert von 7 Milliarden Euro. Die hohe Dynamik setzt sich auch 2024 fort. Zwischen Januar und September exportierte Deutschland um über 15 Prozent mehr Waren als im gleichen Vorjahreszeitraum. Parallel dazu stiegen deutsche Importe aus der Ukraine um nahezu ein Viertel. Im Jahr 2023 gab es noch einen zehnprozentigen Rückgang. Deutschland ist damit drittwichtigster Handelspartner der Ukraine. Die Ukraine wiederum gehört zu den 50 wichtigsten Handelspartnern Deutschlands.

Deutsche Unternehmen zeigen weiter Interesse

Selbst unter Kriegsbedingungen reißt das Interesse deutscher Unternehmen am ukrainischen Markt nicht ab. Firmen investieren bereits wieder in der Ukraine oder bereiten sich darauf vor, am Wiederaufbau teilzuhaben. Einer Umfrage des Consultingunternehmens KPMG vom Juni 2024 zufolge planten 43 Prozent der befragten deutschen Unternehmen in absehbarer Zeit neue Vorhaben in der Ukraine.

Als besonders attraktiv für ein Engagement wurden dabei die Sektoren Energie, öffentliche Infrastruktur, Informationstechnologie und Landwirtschaft sowie Teile des verarbeitenden Gewerbes bewertet. Auch beim Thema Energieeffizienz eröffnen sich Geschäftschancen. Großes Potenzial bieten auch die Bauwirtschaft und die Herstellung von Baustoffen.

Die Bundesregierung unterstützt deutsche Unternehmen dabei mit Investitionsgarantien. Diese sind trotz des Krieges auch für die Ukraine möglich.

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