Wirtschaftsumfeld | USA | Konjunktur
In den USA geht die Rezessionsangst um
Die bislang boomende Konjunktur kühlt sich im Eiltempo ab. Verantwortlich dafür ist eine disruptive Wirtschaftspolitik, die viele Marktteilnehmer stark verunsichert.
14.03.2025
Von Roland Rohde | Washington, D.C.
Donald Trump hat eine Wirtschaft im Bestzustand übernommen. Laut dem Bureau of Economic Analysis stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der USA 2024 um real 2,8 Prozent. Die Erwerbslosigkeit lag Ende Januar 2025 bei 4 Prozent, berichtete das nationale Arbeitsministerium. Volkswirte sprechen bei diesen Werten von Vollbeschäftigung. In einer solchen Situation sollten die US-Kapitäne nicht zu sehr am Steuerrad drehen, sondern den Dampfer lieber auf Kurs halten.
Genau dies tun Trump und sein Gehilfe Elon Musk allerdings nicht. Sie verfolgen – ganz offen – eine disruptive Linie. In seiner Handelspolitik vollzog Trump einen wahren Zickzackkurs. Mehrmals wurden Zölle auf Importe aus Kanada und Mexiko eingeführt, um sie nur wenig später wieder zu verschieben. Praktisch täglich, manchmal im Stundentakt, gibt es neue Vorstöße oder die Rücknahme angekündigter Handelsbarrieren.
Glaskugellesen statt Investitionsplanung im Management
Dies erzeugt bei den Unternehmen ein starkes Gefühl der Unsicherheit. Niemand weiß, wohin das Schiff steuert: Kommen neue Zölle, bleiben die bestehenden? Welche Gegenzölle sind zu erwarten? Schaukelt sich ein Handelskonflikt hoch? Welche Förderungen werden der neuen Energiepolitik zum Opfer fallen? Manager beschäftigen sich hauptsächlich mit Glaskugellesen und dem Erstellen von Szenarien. Besonders stark betroffen ist die US-Autoindustrie. Sie unterhält einen engen Produktionsverbund mit Kanada, der bei entsprechenden Zöllen praktisch kollabieren würde.
In der Anfang März 2025 veröffentlichten Umfrage der Deutsch-Amerikanischen Auslandshandelskammer (AHK) zeigte sich daher eine starke Zunahme der Besorgnis in Hinsicht auf politische Unsicherheit und Handelskonflikt. Auch die Themen Visum/Immigration und Inflation rückten stärker in den Vordergrund. Insgesamt sind die Probleme und Herausforderungen nach Ansicht der Befragten zwischen 2024 und 2025 deutlich gestiegen.
Konsumenten erwarten stark steigende Inflation
Auch bei der amerikanischen Bevölkerung kommt der Zollpoker nicht gut an: Anders als in Trumps Vorstellung zahlen nämlich zunächst die US-Importeure die Abgaben. Diese werden sie nach Ansicht von Ökonomen insbesondere bei Konsumgütern, aber auch bei vielen Kapitalgütern – die mangels heimischer Produktion überwiegend importiert werden müssen – weitgehend an den Endkunden durchreichen. Das dürfte die Inflation befeuern.
Wer jetzt noch ausgiebig shoppen geht, der tätigt vor allem Hamsterkäufe. Laut dem Conference Board erwarteten die Verbraucher im Februar 2025 für die nächsten zwölf Monate eine Preissteigerungsrate von 6 Prozent, ein Anstieg von knapp einem Prozentpunkt gegenüber dem Vormonat. Zwar überschätzen US-Konsumenten systematisch die Inflation. Doch Volkswirte befürchten, dass es zu einer Art selbst erfüllender Prophezeiung kommt, also zur self-fulfilling prophecy: Die Preise steigen – allein weil dies erwartet wird.
Frühindikatoren und Prognosen: spürbarer Wachstumseinbruch
Erste Konjunkturfrühindikatoren und Prognosen kündigen ein Unwetter an beziehungsweise lassen vermuten, dass sich die US-Wirtschaft bereits im Abschwung befindet. Der Konsumneigungsindex von Conference Board ging im Februar 2025 den dritten Monat in Folge zurück. Große Einzelhändler wie Walmart und Target veröffentlichten Gewinnwarnungen.
Im Februar 2025 erreichte der landesweit geplante Stellenabbau den höchsten Wert seit der Finanzkrise von 2009. Dabei war die Entlassungswelle im öffentlichen Sektor nur für ein Drittel verantwortlich. Der Rest entfiel auf die Privatwirtschaft. Allen voran der Einzelhandel setzt auf Personalkürzungen.
Die Notenbank von Atlanta, auch bekannt als "Atlanta Fed", erwartet in ihrer Prognose von Anfang März 2025 für das 1. Quartal des Jahres einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Auch die ersten Finanzinstitute korrigierten Anfang März 2025 ihre Vorhersagen nach unten. Goldman Sachs und Morgan Stanley erwarten für das Gesamtjahr nur noch eine Zunahme des BIP von real 1,7 beziehungsweise 1,5 Prozent.
Rezessionswahrscheinlichkeit klettert auf 40 Prozent
Doch das Ende der Fahnenstange könnte noch nicht erreicht sein. Laut der Prognosemarktplattform Kalshi hat sich die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession zwischen Mitte Januar und Mitte März 2025 mehr als verdoppelt. Selbst Donald Trump will eine Rezession nicht mehr ausschließen. Das "R-Wort" ist plötzlich in aller Munde, Medien erfanden den Begriff "Trumpcession". Allein dadurch, dass die Erwartungen der Marktteilnehmer hinsichtlich einer Rezession steigen, kann eine solche ausgelöst werden. Wirtschaft ist eben zu einem großen Teil Psychologie.
Fragwürdige Nachrichten über Rieseninvestitionen
Meldungen von Megainvestitionsvorhaben sollen den Ernst der Lage verschleiern: Anfang März 2025 verkündeten Donald Trump und C. C. Wei, der Vorstandsvorsitzende des taiwanischen Halbleiterherstellers TSMC, dass das Unternehmen seine bisherigen Investitionen in den USA in Höhe von 65 Milliarden US-Dollar (US$) um 100 Milliarden US$ aufstocken wolle. Ob diese Ankündigung tatsächlich umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.
Denn gerade einmal sechs Wochen vorher plauderte Wei im taiwanischen Business Weekly offen aus, dass sein Unternehmen bei der Realisierung seiner aktuellen US-Vorhaben mit massiven Problemen zu kämpfen habe: So fehle es vor Ort an Know-how zum Bau der Halbleiterwerke sowie an lokalen Zulieferindustrien. Zudem bremse die amerikanische Bürokratie Fortschritte beim Projekt.