Special | Argentinien | Rohstoffsicherung
Lithium aus Argentinien gewinnt global an Gewicht
Argentinien hat die weltweit drittgrößten Lithiumvorkommen. Mit geplanten Produktionszuwächsen von jährlich 50 Prozent ist das Land ein attraktiver Partner der Rohstoffsicherung.
15.04.2024
Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile
- Vorkommen: Bei Lithium liegt Argentinien weltweit auf Platz 3
- Förderung: Wird trotz aller politischen Wechsel vorangetrieben
- Fortgeschrittene Erschließung: fast 40 Projekte in der Pipeline
- Provinzregierungen locken mit Investitionsanreizen
- ESG: Investoren sollten ökologische und soziale Risiken beachten
Argentinien bildet zusammen mit Chile und Bolivien das südamerikanische Lithiumdreieck. Der Andenstaat besitzt die weltweit drittgrößten gesicherten Reserven des für Batterien und die Energiewende wichtigen Rohstoffs. Bei der Förderung liegt das Land weltweit auf Platz 4, könnte künftig aber auf Rang 3 vorrücken, dank einer Reihe von Neuprojekten.
Nach einer Studie der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) könnte der Anteil Argentiniens an der weltweiten Lithiumförderung bis 2030 zwischen 16,9 und 20,6 Prozent betragen (2020: 7,2 Prozent). Entsprechend sollte das Land bei der Beschaffung stärker in den Fokus rücken. Für Deutschland war Argentinien 2023 aber nur das siebtwichtigste Lieferland für Lithiumcarbonat (Lieferanteil: 0,6 Prozent).
Vorkommen: Bei Lithium liegt Argentinien weltweit auf Platz 3
Lithium kommt in Argentinien zumeist in Salzseen (Salaren) auf Höhen zwischen 3.000 und 5.000 Metern vor und wird als Sole (lithiumhaltige konzentrierte Salzlake) an die Oberfläche gepumpt. Im Anschluss wird die Sole in großen Becken über mehrere Monate durch Solarverdunstung konzentriert und anschließend zu Lithiumcarbonat oder -hydroxid verarbeitet.
Ein weiteres Verfahren ist die direkte Lithiumgewinnung (DLE). Auch eine Kombination aus beiden Verfahren wird angewandt, so etwa beim Fenix-Projekt von Arcadium Lithium. Gegenüber der Produktion aus Festgesteinsvorkommen stellt die Gewinnung aus Sole eine deutlich kohlendioxidärmere Prozessroute dar.
Während bei einem reinen DLE-Verfahren kein Wasser durch Verdunstung verloren gehe, werde in der Regel deutlich mehr Energie und oft das Zehnfache an Süßwasser im Vergleich zum traditionellen Solarprozess benötigt, sagt Eppers. Andererseits könne beim DLE-Verfahren prozessierte Sole wieder in den Salar gepumpt werden. Weitere Vorteile seien, dass weniger Lithium im Gesamtprozess verloren gehe, weniger Abfallprodukte anfielen und Solen geringerer Konzentration für die Produktion zugänglich würden.
Rohstoff | Vorräte (in 1.000 t) | Weltanteil (in %) |
---|---|---|
Lithium | 3.600 | 12,9 |
Was sind die größten Salare in Argentinien?
Die argentinischen Lithiumprojekte konzentrieren sich auf die Nordwest-Provinzen Salta, Catamarca und Jujuy. Die wichtigsten Salare sind laut DERA:
- Salar del Hombre Muerto (Lithiumgehalt: 190-900 parts per million; ppm)
- Salar de Olaroz (610-695 ppm)
- Salar de Rincón (397 ppm)
- Salar de Tres Quebradas (3Q; 858 ppm)
- Salar de Los Ángeles (501 ppm)
- Sal de Vida (782 ppm)
- Salar de Caucharí (618 ppm)
- Salar de Centenario (560 ppm)
- Mariana (300-341 ppm)
Förderung: Wird trotz aller politischen Wechsel vorangetrieben
Argentinien weitet die Lithiumförderung stark aus. Im Jahr 2023 stieg die Produktion um fast ein Drittel auf 9.600 Tonnen, berichtet U.S. Geological Survey. Aktuell wird an drei Salaren Lithium gewonnen: Fénix, Olaroz und Caucharí-Olaroz.
Fortgeschrittene Erschließung: fast 40 Projekte in der Pipeline
Insgesamt gibt es in Argentinien über 70 Lithiumprojekte, davon sind fast 40 in der fortgeschrittenen Explorationsphase. Laut Secretaría de Minería befinden sich derzeit
fünf Projekte im Bau, sie sollen zwischen 2024 und 2027 in Betrieb gehen (plus Branchenangaben zufolge zwei weitere nicht in der Liste aufgeführte),
vier im Stadium der Machbarkeitsstudie
drei in der Pre-Feasibilty-Studie,
sechs in der vorläufigen Wirtschaftlichkeitsstudie sowie
20 weitere in der Exporations- oder Erkundungsphase
Zu letzteren zählt das sich über 70.000 Hektar erstreckende Carachi Blanco-Projekt der Deutschen E Metalle (DEM). "Derzeit werden Explorationsbohrungen vorbereitet, um die Zusammensetzung und das Volumen des Vorkommens zu quantifizieren, was Grundlage für die Entwicklung einer maßgeschneiderten Gewinnungsmethode ist. Bei erfolgreicher Umsetzung kann in wenigen Jahren eine Anlage vor Ort in Betrieb gehen, die Lithiumhydroxid oder -carbonat direkt an die deutsche oder europäische Batterieindustrie verkauft", sagt Vorstand Micha Zauner.
Projektphase | Anzahl 1) | Investoren (Herkunft) |
---|---|---|
Produktion | 3 |
|
in Bau | 7 |
|
Feasibility-Phase (Machbarkeitsstudie; DFS) | 4 |
|
Prefeasibility-Phase (vorläufige Machbarkeitsstudie) | 3 |
|
PEA-Phase (preliminary economic assessment, vorläufige Wirtschaftlichkeitsstudie) | 6 |
|
Advanced-Exploration-Phase (Phase fortgeschrittener Erkundung) | 20 | keine näheren Angaben |
Hauptinvestor ist mit Abstand Australien mit sechs Projekten in verschiedenen Entwicklungsstufen plus fünf weiteren in Kombination mit Firmen aus den USA respektive Großbritannien. Kritisch zu werten aus europäischer Sicht ist Chinas wachsendes Engagement mit ebenfalls sechs Vorhaben. Die Volksrepublik kauft sich nicht nur in das Lithiumbusiness ein, sondern verfolgt weltweit neben einer zielgerichteten Rohstoffsicherung darüber hinausgehende geostrategische Interessen.
Aus der EU ist – in den genannten fortgeschrittenen Entwicklungsphasen – Eramet aus Frankreich mit einem chinesischen Partner aktiv. Hinzu kommt das aus Steuergründen in Irland ansässige Unternehmen Arcadium Lithium, das 2024 aus einer Fusion der Firmen Livent (USA) und Allkem (Australien) hervorgegangen ist. Ob es als "echtes" EU-Unternehmen bezeichnet werden kann, darüber lässt sich streiten.
Neben den bisherigen Akteuren interessieren sich auch andere Länder wie Indien verstärkt für argentinisches Lithium.
Provinzregierungen locken mit Investitionsanreizen
Dass die Investitionen anziehen, ist angesichts der wirtschaftlichen und politischen Instabilität Argentiniens erstaunlich – zumal Bergbauinvestitionen langfristig angelegt sind. Möglich ist dies aufgrund der großen Freiheiten auf Provinzebene, die Rahmenbedingungen für den Bergbau selbst zu setzen, wovon die Gouverneure reichlich Gebrauch gemacht haben.
Anders als etwa in Chile sind die Konzessionen nicht zeitlich begrenzt; die jährliche Förderung wird nicht gedeckelt. Der Steueraufwand für die Konzessionen ist für 30 Jahre garantiert. Der Staat erhebt keine Steuern auf Investitionsgüter, und die Unternehmen können ihre Explorationskosten in doppelter Höhe abschreiben.
ESG: Investoren sollten ökologische und soziale Risiken beachten
Andererseits können große ökologische Risiken bestehen. Die Salare stellen komplexe hydraulische Systeme dar. Aufgrund der mangelhaften Wissenslage dürften streng genommen gar keine Genehmigungen zur Lithiumgewinnung erteilt werden – und noch weniger zur direkten Lithiumextraktion (DLE), bei der die abgereicherte Sole wieder in den Salar zurückgepumpt wird. Niemand vermag die Folgen für Grundwasserspiegel und -qualität abschätzen, auch Bodensenkungen und -hebungen sind möglich.
Vor diesem Hintergrund wächst der Widerstand gegenüber neuen Projekten, zumal es immer mehr davon gibt – selbst in der Nähe großer Siedlungen. Die Menschen sorgen sich um ihre Trinkwasserversorgung, den Erhalt ihrer Traditionen und befürchten Änderungen ihres sozialen Umfeldes, wenn sich "Riesenbetriebe in ihrer Nachbarschaft breit machen“.
Stärken | Schwächen | |
---|---|---|
Ökologie | Mit anderen Ländern vergleichbar gute Umweltgesetzgebung; großes Potenzial zur Nutzung erneuerbarer Energieträger. Im Vergleich zur Lithiumgewinnung aus Festgesteinsvorkommen ist die Gewinnung aus Sole grundsätzlich die umweltfreundlichere Variante. | Hohe Unkenntnis über die sehr komplexen hydrologischen Bedingungen in den einzelnen Salaren; folglich hohes Risiko mit Blick auf mögliche Umweltfolgen. |
Soziales | Gut organisierte Zivilgesellschaft; sehr fortgeschrittener Arbeitsschutz, Kinderarbeit kein Thema. | Erhalt der "Social Licence to Operate" wird zum wachsenden Risikofaktor. |
Governance | Demokratie mit stark föderalem Charakter, das heißt, die Provinzgouverneure speziell der "Lithium-Provinzen" Salta, Jujuy und Catamarca konnten trotz Gegenwind der vorherigen Zentralregierung stabile Rahmenbedingungen für Investoren schaffen. Die neue liberale Regierung stärkt die Provinzen im Ausbau eines nachhaltigen Lithiumbergbaus und der Implementierung einer nationalen Batterieproduktion. | Hohes Maß an Korruption, sehr rigides Devisenbewirtschaftungssystem; je nach Wahlsieg radikale Politikschwenks in der Zentralregierung; der derzeitige Präsident setzt im Gegensatz zu seinen Vorgängern auf Marktöffnung und Einbindung in den Weltmarkt; der wirtschaftliche und soziale Veränderungsprozess wird Jahre dauern, ob er erfolgreich sein wird, ist noch nicht absehbar. |