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Bioenergie und Schienenverkehr für einen grünen Transportsektor
Brasilien ist Weltmeister beim Einsatz von Biokraftstoffen – und der Anteil soll weiter steigen. Im Infrastrukturbau fördert das Land die Schiene, im Nahverkehr auch E-Busse.
22.07.2024
Von Gloria Rose | São Paulo
Bioethanol, Biodiesel, Biomethan – bei der Dekarbonisierung des Verkehrs setzt Brasilien auf Biokraftstoffe. Das hat eine lange Tradition, denn infolge der Ölpreiskrisen der 1970er Jahre entwickelte das Land die Zucker-Ethanol-Industrie. Heute laufen nahezu 80 Prozent der neuzugelassenen Pkw mit Flex-Fuel-Motoren, die sowohl Benzin als auch Bioethanol tanken.
Dank ihrer weiten Verbreitung ist der Energiemix des Transportsektors schon heute überdurchschnittlich grün. Im Jahr 2023 lag der Anteil erneuerbarer Energien bei 22,5 Prozent, rund 5 Prozentpunkte mehr als noch vor zehn Jahren. Zum Vergleich: Deutschland kam 2023 auf 7,3 Prozent, so das Umweltbundesamt.
Mehr Biokraftstoffe im Tank
Und der Biospritanteil soll weiter steigen. Geht es nach dem Gesetz "Combustíveis do futuro", das Brasiliens Kongress debattiert, soll der Bioethanolgehalt im Benzin bis 2030 von derzeit 27,5 auf bis zu 35 Prozent angehoben werden. Der Beimischungsanteil von Biodiesel könnte von 14 auf 25 wachsen. Seit 2020 fördert Brasilien Biokraftstoffe über das Programm RenovaBio, das einen CO2-Zertifikatehandel für den Kraftstoffsektor initiierte. Über den Verkauf der Zertifikate CBIOS erzielen die Hersteller von Biokraftstoffen zusätzliche Einnahmen.
Mit dem Gesetz legt Brasilien zudem eine Rechtsgrundlage für nachhaltige Flugkraftstoffe (Sustainable Aviation Fuel, SAF) sowie für hydrierte Pflanzenöle (Hydrotreated Vegetable Oil, HVO). Die Regulierung von SAF erteilt den Startschuss für eine Vielzahl neuer Projekte, für die Investoren Schlange stehen. Darüber hinaus soll das Gesetz auch einen Rechtsrahmen für die CO2-Abscheidung und Speicherung festlegen.
Neue Investitionswelle in Brasiliens Kfz-Industrie
Nach monatelangen Verzögerungen brachte die Regierung Ende 2023 ein neues Förderprogramm für die Kfz-Industrie heraus. Das Programm "Mover" (Mobilidade Verde e Inovação) setzt Steueranreize für energieeffiziente Kfz im Wert von etwa 3,5 Milliarden US-Dollar (US$). Als Kriterien dienen die Art der Antriebsenergie, der Energieverbrauch, die Motorleistung, die Wiederverwertbarkeit sowie Fahrerassistenzsysteme. Die CO2-Emissionen in der gesamten Wertschöpfungskette sollen möglichst genau erfasst werden und selbst den Anbau von Zuckerrohr berücksichtigen.
Seit Januar 2024 hebt Brasilien den Zolltarif auf den Import von E-Autos und Hybridfahrzeugen schrittweise an. Von bislang 0 Prozent wird er bis Mitte 2026 auf den üblichen Satz von 35 Prozent steigen. Elektrische Lkw unterliegen bereits seit Juli 2024 wieder dem vollen Zollsatz.
Unmittelbar nach der Veröffentlichung des Förderprogramms kündigten zahlreiche Unternehmen Investitionen an, die sich bis Mai 2024 auf rund 25 Milliarden US$ summierten. Dazu gehören auch Firmen wie VW, Mercedes-Benz, BMW, Continental, Mahle, Bosch und Thyssenkrupp. Hinzu kommen ehrgeizige Pläne der chinesischen E-Auto-Hersteller Great Wall Motor und BYD, die erst seit kurzem in Brasilien aktiv sind. Vor dem Hintergrund des geplanten Verbrennerverbots in der EU ab 2035 erwägen immer mehr Unternehmen Produktionsanlagen für Verbrennertechnologie nach Brasilien zu verlagern.
Unternehmen investieren in CO2-arme Logistik
Lkw sind fast ausschließlich mit Dieselmotoren ausgestattet. Multinationale Konzerne rüsten um und investieren darüber hinaus in die Effizienz ihrer Logistik. Davon profitieren innovative Lkw-Bauer. Volkswagen Caminhões e Ônibus (VWCO) startete bereits 2021 die Serienproduktion des e-Delivery in seinem Werk in Resende. Scania bietet Lkw an, die mit Biomethan oder reinem Biodiesel betrieben werden. Gleichzeitig erobern immer mehr chinesische E-Modelle den Markt, darunter Lkw von JAC Motors, Foton und XCMG.
Bedeutung der Schiene soll sich bis 2035 verdoppeln
Neben der Förderung von Biokraftstoffen hegt die Regierung ehrgeizige Ziele für den Ausbau des Schienenverkehrs, bei dem Brasilien weit hinterherhinkt. Laut dem "Plano Nacional de Logística" von 2017 soll sich der Anteil der Schiene am Gütertransport bis 2035 verdoppeln – von damals 17,7 auf 34,6 Prozent. Tatsächlich steigt der Anteil bereits. Die Stiftung Dom Cabral (FDC) rechnet aber damit, dass bis 2035 nur ein Wert von knapp 30 Prozent erreicht wird.
Um neue Investitionen in den Infrastrukturausbau zu ermöglichen, vergibt die Regierung Konzessionen an private Betreiber von Autobahnen, Bahnstrecken und Häfen und schließt Investitionspartnerschaften. Etwa die Hälfte des Investitionsvolumens des Programms PAC von 2023 bis 2026 fließt in den Straßenbau. Für die Schieneninfrastruktur sind rund 11 Milliarden US$ vorgesehen.
Projekt / Streckenlänge | Investition in Mrd. US$ | Fracht / Anmerkungen |
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FIOL I-III (Caetite-Figueirópolis und Mara Rosa-Lucas do Rio Verde), 1.878 km | 5,2 | Zellstoff, Soja und Getreide, Mineralien, Dünger und Container/35-jährige Konzession |
Ferrogrão (Sinop-Miritituba), 933 km | 5,0 | Soja und Getreide/69-jährige Konzession |
EF-118 (Cariacica-Itaboraí), 577 km | in Ausarbeitung | Eisenerz, Container und allgemeine Fracht |
Centro-Atlântica (Netz über 8 Bundesstaaten von São Paulo bis Sergipe), 1.746 km | in Ausarbeitung | Mineralien, Soja und Getreide, Zellstoff, Stahlprodukte/Metallwaren, Zement, Bau- und Kraftstoffe |
Lösungen für den Nahverkehr
Auch in den öffentlichen Nahverkehr wird investiert. So vergab São Paulo im 1. Quartal 2024 eine Konzession zum Bau einer Intercity-Strecke nach Campinas. Die 101 Kilometer lange Strecke soll 2031 in Betrieb gehen und voraussichtlich 2,8 Milliarden US$ kosten. Den Zuschlag erhielten der chinesische Konzern CRRC und der brasilianische Partner Comporte. Kurz darauf startete die Regierung des Bundesstaats Studien für vier weitere Schnellzugstrecken, die 2027 versteigert werden und Investitionen von 12 Milliarden US$ anstoßen können.
Brasilien will Schienennahverkehr ausbauen
Der Personenverkehr erfolgt in Brasilien bislang vor allem über die Straße. Das soll sich ändern. Neben dem Gütertransport listet der Investitionsplan PAC auch sieben Strecken für Personenzüge auf:
- Brasília (Distríto Federal)-Luziânia (Goiás)
- Maringá-Londrina (Paraná)
- Pelotas-Rio Grande (Rio Grande do Sul)
- Duque de Caxias-Itaboraí-Niterói (Rio de Janeiro)
- Salvador-Feira de Santana (Bahia)
- Fortaleza-Sobral (Ceará)
- São Luís-Itapecuru Mirim (Maranhão)
Die Vergabe von Konzessionen stimuliert auch die Investitionen in die U- und S-Bahnnetze der 21 Metropolregionen Brasiliens. Allein 2024 sollen 20 Kilometer Strecke und 17 Stationen hinzukommen. Weitere 46 Kilometer und 42 Stationen befinden sich im Bau, so der Branchenverband ANPTrilhos.
Darüber hinaus rüsten die Großstädte auf E-Busse um. In der Stadt São Paulo fahren heute rund 200 Oberleitungsbusse und 180 E-Busse. Die Anschaffung neuer Dieselbusse ist seit 2022 untersagt. Doch E-Busse sind etwa dreimal so teuer. Nur nach und nach wird die Flotte von insgesamt 2.019 Bussen ersetzt.
Über das Programm PAC stellt die Entwicklungsbank BNDES Großstädten Mittel für rund 2.500 E-Busse zur Verfügung. Nach Mercedes-Benz und dem lokalen Hersteller Eletra stellen zukünftig auch Marcopolo, VWCO und Scania E-Busse in Brasilien her.